Poetikprofessur

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Poetikprofessuren sind heute an verschiedenen Universitäten eingerichtet. Die Professur (mancherorts Dozentur genannt) ist dabei keine ordentliche Universitätsprofessur, sondern ein Ehrentitel, der die besondere Kompetenz und Leistung eines Autors betonen soll, der als herausragend und wegweisend in seinem Feld eingeschätzt und daher an die Universität eingeladen wird, um seine eigene Poetik zur Darstellung bzw. auf den Begriff zu bringen. Poetik-Professuren haben primär zwei Absichten: Erstens ist der zur Übernahme der Professur eingeladene Schriftsteller zur theoretischen Reflexion und zur Ausformulierung der Eckpunkte seines/ihres eigenen Literaturverständnisses (seiner/ihrer Poetik) aufgefordert. Das Ergebnis des Nachdenkens über den eigenen Literaturbegriff wird zweitens in der Regel in einer Reihe öffentlicher Vorträge einer universitären sowie darüber hinaus der allgemeinen interessierten Öffentlichkeit vorgestellt, um so eine komplexe Auseinandersetzung mit einem literarischen Werk auf hohem Reflexionsniveau zu befördern.

In der frühen Neuzeit waren Professuren für Poetik häufig an den Artistenfakultäten oder den diese ablösenden Philosophischen Fakultäten angesiedelt. Seit dem Abklingen der Geltung normativer Poetiken mit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts hat die Poetik eines Werkes, hat also der hinter einem literarischen Werk stehende Literaturbegriff in wachsendem Maße subjektiven und nur noch für den individuellen Autor verbindlichen Charakter.[1][2] Poetikdozenturen und -professuren haben sich seit der ersten modernen Professur dieser Art, den 1959 begonnenen Frankfurter Poetikvorlesungen, als zentrales Medium sowohl der Förderung des öffentlichen Gesprächs über Literatur wie zur Beförderung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur erwiesen:[3] Gedruckte Poetik-Vorlesungen sind wesentliche Orientierungspunkte bei der reflektierten Auseinandersetzung mit einem literarischen Werk.[4]

Vergleiche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sekundärliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Assmann, David-Christopher: "Rausch und Arbeit, harte Arbeit. John von Düffels Authentifizierungsgeste", in: Seminar. A Journal of Germanic Studies 47.3 (2011), S. 365–378.
  • Basker, David: "'Schlüsselszenen der Erfahrung': (Dis)location in the Prose Work of Hans-Ulrich Treichel", in: ders. (Hg.), Hans-Ulrich Treichel (= Contemporary German Writers), Cardiff: University of Wales Press 2004, S. 37–60.
  • Bohley, Johanna: "Zur Konjunktur der Gattung Poetikvorlesung als "Form für Nichts"", in: Schöll, Julia/Bohley, Johanna (Hg.), Das erste Jahrzehnt. Narrative und Poetiken des 21. Jahrhunderts, Würzburg: Königshausen u. Neumann 2012, S. 227–242.
  • Meiser, Katharina: "Dimensionen des Politischen in Poetikvorlesungen", in: Neuhaus, Stefan /Nover, Immanuel (Hg.), Das Politische in der Literatur der Gegenwart, Berlin; Boston: de Gruyter 2018, S. 163–182.
  • Meiser, Katharina: "Das Leidensglück der Schriftsteller. Zur Funktionalisierung eines Topos in Poetikvorlesungen", in: Le Moël, Sylvie/Rothmund, Elisabeth (Hg.), Theoretische und fiktionale Glückskonzepte im deutschen Sprachraum (17. bis 21. Jahrhundert), Berlin: Frank und Timme 2019, S. 133–152.
  • Monika Schmitz-Emans: Reflexionen über Präsenz. Poetikvorlesungen als Experimente mit dem Ich und mit der Zeit. In: dies. u. a. (Hrsg.): Komparatistik als Humanwissenschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Manfred Schmeling. Unter Mitarbeit von Hans-Joachim Backe u. a., Königshausen u. Neumann, Würzburg 2008, S. 377–386.
  • Schmitz-Emans, Monika u. a. (Hg.): Poetiken. Autoren – Texte – Begriffe. Unter Mitarbeit von Kai Fischer u. a. 2009.
  • Volk, Ulrich: Der poetologische Diskurs der Gegenwart. Untersuchungen zum zeitgenössischen Verständnis von Poetik, dargestellt an ausgewählten Beispielen der Frankfurter Stiftungsgastdozentur Poetik, Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2003.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. [Vgl. Paul Michael Lützeler: Einleitung. Poetikvorlesungen und Postmoderne. In: Paul Michael Lützeler (Hg.): Poetik der Autoren. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Frankfurt a. M.: Fischer 1994, S. 7–19, hier S. 7; s. a. S. 16: "Alle Autorinnen und Autoren sind vom Entwurf einer verbindlichen Poetik weit entfernt."]
  2. [Vgl. Monika Schmitz-Emans: Reflexionen über Präsenz. Poetikvorlesungen als Experimente mit dem Ich und mit der Zeit. In: Monika Schmitz-Emans/Claudia Schmitt/Christian Winterhalter (Hgg.): Komparatistik als Humanwissenschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Manfred Schmeling. Würzburg: Königshausen & Neumann 2008, S. 377–386, hier S. 377.]
  3. [Eine Übersicht der Poetikprofessuren und -dozenturen im deutschsprachigen Raum gibt: Monika Schmitz-Emans/Uwe Lindemann/Manfred Schmeling (Hgg.): Poetiken. Autoren - Texte - Begriffe. Berlin/New York: de Gruyter 2009, S. 445–465.]
  4. [Poetik-Vorlesungen sind bereits selbst zum Gegenstand der Forschung geworden, vgl. z. B.: Paul Michael Lützeler (Hg.): Poetik der Autoren. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Frankfurt a. M.: Fischer 1994; Monika Schmitz-Emans: Reflexionen über Präsenz. Poetikvorlesungen als Experimente mit dem Ich und mit der Zeit. In: Monika Schmitz-Emans/Claudia Schmitt/Christian Winterhalter (Hgg.): Komparatistik als Humanwissenschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Manfred Schmeling. Würzburg: Königshausen & Neumann 2008, S. 377–386; vgl. auch die Tagung "Das erste Jahrzehnt. Narrative und Poetiken des 21. Jahrhunderts" (Berlin 24.–26. Februar 2011), dazu der Tagungsband: Johanna Bohley/Julia Schöll (Hgg.): Das erste Jahrzehnt. Narrative und Poetiken des 21. Jahrhunderts. Würzburg: Königshausen & Neumann erscheint 2012.]
  5. Kasseler Brüder Grimm Professur (Memento vom 30. Juni 2011 im Internet Archive)