Pseudorutil

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Pseudorutil
Orangebraune Pseudorutilkristalle aus Revúca, Banská Bystrica, Slowakei
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1994 s.p.[1]

IMA-Symbol

Pdrt[2]

Andere Namen

Pseudo-Rutil (Schreibweise diskreditiert 1969)[3]

Chemische Formel Fe3+2Ti4+3O9[4][1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

IV/C.24-030

4.CB.25
08.04.02.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem hexagonal
Kristallklasse; Symbol hexagonal-trapezoedrisch; 622
Raumgruppe P6322Vorlage:Raumgruppe/182[4]
Gitterparameter a = 14,37 Å; c = 4,61 Å[4]
Formeleinheiten Z = 5[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5,5[5]
Dichte (g/cm3) gemessen: ca. 3,8; berechnet: 4,82[5]
Spaltbarkeit fehlt
Bruch; Tenazität muschelig
Farbe schwarz, braun, graurot
Strichfarbe rötlichbraun
Transparenz undurchsichtig, in sehr dünnen Lagen durchsichtig
Glanz Metallglanz
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmale magnetisch

Pseudorutil ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der chemischen Zusammensetzung Fe3+2Ti4+3O9[4] und damit chemisch gesehen ein Eisen-Titan-Oxid.

Pseudorutil kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem und entwickelt plattige oder blättrige bis faserige Kristalle, kommt aber auch in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate vor. Das Mineral ist im Allgemeinen undurchsichtig und nur in sehr dünnen Schichten durchsichtig. Die Oberflächen der hellbraunen bis schwarzen, auf frischen Brüchen auch stahlgrauen Kristalle zeigen einen meist eher schwachen Metallglanz. Im Durchlicht erscheint das Mineral auch dunkelrot. Seine Strichfarbe ist dagegen immer rötlichbraun.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als G. Teufer und A. K. Temple Anfang der 1960er Jahre Umwandlungsprodukte von Ilmenit aus Florida und New Jersey in den USA, Kollam (ehemals Quilon) in Indien sowie aus Brasilien chemisch analysierten, entdeckten sie neben Rutil auch ein bisher unbekanntes Eisen-Titan-Oxid mit der idealisierten (theoretischen) Zusammensetzung Fe2O3·3TiO2 (Oxidformel), was der Summenformel Fe2Ti3O9 entspricht. Bei ihren 1966 veröffentlichten Untersuchungsergebnissen gaben Teufer und Temple dieser Phase den Namen Pseudorutil, in Anlehnung an dessen chemischer und äußerlicher Verwandtschaft zum Rutil mit dem Zusatz des griechischen Wortstammes ψευδώ [pseudó] für falsch, unecht bzw. vorgetäuscht aufgrund der entsprechenden Verwechslungsgefahr.

Keines der untersuchten Proben aus den genannten Vorkommen wurde jedoch als Typmaterial benannt, was Ian E. Grey, John A. Watts und Peter Bayliss veranlasste, nach geeignetem Neotyp-Material für eine Neuanalyse des Minerals zu suchen. Sie fanden geeignetes Material auf South Neptune Island rund 70 km südsüdöstlich von Port Lincoln in Südaustralien und konnten Pseudorutil als Umwandlungsprodukt von Ilmenit mit einem Massenanteil von rund 40 Gew.-% Fe203 und 60 Gew.-% Ti02 und der idealisierten Zusammensetzung Fe3+2Ti4+3O9 bestätigen.[6]

1994 wurde Pseudorutil mit der anhand des Neotyp-Materials neu definierten Formel von der CNMNC der International Mineralogical Association (IMA) offiziell als eigenständige Mineralart anerkannt.[7]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist Pseudorutil noch nicht verzeichnet.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten „Lapis-Mineralienverzeichnis“, das sich im Aufbau noch nach der alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer IV/C.24-030. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 2 : 3 (M2O3 und verwandte Verbindungen)“, wo Pseudorutil zusammen mit Armalcolit, Kleberit, Pseudobrookit und Tietaiyangit eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer IV/C.24 bildet.[8]

Die von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Pseudorutil in die Abteilung „Metall : Sauerstoff = 2 : 3, 3 : 5 und vergleichbare“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen Kationen“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer 4.CB.25 bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Pseudorutil die System- und Mineralnummer 08.04.02.01. Dies entspricht ebenfalls der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Mehrfache Oxide mit Nb, Ta und Ti“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Mehrfache Oxide mit Nb, Ta und Ti mit verschiedenen Formeln“ als einziges Mitglied in einer unbenannten Gruppe mit der Systemnummer 08.04.02.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pseudorutil kristallisiert hexagonal in der Raumgruppe P6322 (Raumgruppen-Nr. 182)Vorlage:Raumgruppe/182 mit den Gitterparametern a = 14,37 Å und c = 4,61 Å sowie fünf Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pseudorutil bildet sich sekundär als metastabiles Zwischenglied bei der Verwitterung von Ilmenit. Begleitminerale sind daher neben Ilmenit noch Rutil, Anatas, Hämatit und Gadolinit.[5]

Als seltene Mineralbildung konnte Pseudorutil nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 30 Vorkommen dokumentiert sind.[10] Außer an seiner Typlokalität Neptune Island konnte das Mineral in Australien noch bei Carapooee, am Lake Boga und bei St Arnaud im Bundesstaat Victoria gefunden werden.

In Deutschland konnte Pseudorutil bisher nur im Steinbruch Buchberg bei Naundorf, bei Roda (Frohburg), im Steinbruch Diethensdorf, in alluvialen Sanden bei Königshain-Wiederau und am Landberg nahe Hetzdorf in Sachsen sowie im Tagebau Goitzsche bei Bitterfeld in Sachsen-Anhalt gefunden werden.

Der bisher einzige bekannte Fundort in Österreich ist ein natürlicher Aufschluss an der Nordflanke des Serles nahe Fulpmes und Mieders in Tirol.

Weitere Vorkommen liegen unter anderem bei Algier in Algerien, in der Prydz Bay in der Ostantarktis, bei Nkambé in Kamerun, bei Montreal in Kanada, in der Oblast Tambow in Russland; in der Namakwa-Sandgrube in Südafrika; im tschechischen Böhmen sowie im Park County (Colorado), Florida, bei Lakehurst (New Jersey) und bei Baraboo im Sauk County (Wisconsin) in den USA.[11]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A. K. Temple: Alteration of ilmenite. In: Economic Geology. Band 61, 1966, S. 695–714, doi:10.2113/gsecongeo.61.4.695 (englisch).
  • G. Teufer, A. K. Temple: Pseudorutile – a new mineral intermediate between ilmenite and rutile in the natural alteration of ilmenite. In: Nature. Band 211, 1966, S. 179–181, doi:10.1038/211179B0 (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pseudorutile – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2024. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2024, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 24. Januar 2024]).
  3. Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 54, 1969, S. 330 (englisch, rruff.info [PDF; 328 kB; abgerufen am 24. Januar 2024]).
  4. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 195 (englisch).
  5. a b c Pseudorutile. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 56 kB; abgerufen am 24. Januar 2024]).
  6. Ian E. Grey, John A. Watts, Peter Bayliss: Mineralogical nomenclature: pseudorutile revalidated and neotype given. In: Mineralogical Magazine. Band 58, 1994, S. 597–600 (englisch, rruff.info [PDF; 249 kB; abgerufen am 24. Januar 2024]).
  7. John Leslie Jambor, N. N. Pertsev, A. C. Roberts: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 80, 1995, S. 845–850 (englisch, rruff.info [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 24. Januar 2024]).
  8. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  10. Pseudorutile. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  11. Fundortliste für Pseudorutil beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 24. Januar 2024.