Pyjama

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Pyjama mit Knöpfen
Ein Kurier im traditionellen indischen Paijama, Indien 1844
Männer in weißen Paijamas auf der Jagd mit Geparden, Indien 1844

Ein Pyjama oder Schlafanzug ist ein leichtes, in der Regel zweiteiliges Gewand, das zum Schlafen getragen wird. In jüngster Zeit ist die Mode aufgekommen, einen Pyjama als Lifestyle-Produkt in der Öffentlichkeit zu tragen.

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort Pyjama stammt aus dem Persischen (persisch پايجامه pāīdschāma, auch persisch پیش جامه pīsch dschāma, wortwörtlich „Beinkleidung“) und bezeichnet ursprünglich eine leichte Hose, die am Bund von einer Schnur oder einem Kummerbund zusammengehalten wird und im süd- und westasiatischen Raum, besonders im persischsprachigen Raum getragen wird. Über das Hindustani (Hindi पजामा pajāmā) gelangte das Wort im 19. Jahrhundert ins Englische (hier stets als Pluraletantum: pyjamas, auch pajamas)[1] und wurde von dort Anfang des 20. Jahrhunderts, nun in der Bedeutung „Schlafanzug“, ins Deutsche entlehnt. In Deutschland und Österreich wird es im Allgemeinen als Maskulinum gebraucht (der Pyjama) und [ˌpyˈʤaːma] gesprochen, in der Schweiz erscheint es hingegen zumeist als Neutrum (das Pyjama) und in der Lautung [ˌpiˈʤaːma].[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die britischen Kolonialherren lernten diese Art der Beinbekleidung in Indien kennen. In der Mitte des 17. Jahrhunderts gelangte der Pyjama – sowohl das Wort als auch die Kleidung – durch sie nach Europa, wo er für eine kurze Zeit als Freizeitanzug in Mode kam. Danach geriet das neue Kleidungsstück in Europa allerdings wieder in Vergessenheit. Erst nach 1870, mit dem verstärkten Handel Britisch-Indiens mit dem Mutterland, kam der Pyjama erneut nach Europa.[3] Zu den leichten Hosen wurde nun ein hemdartiges Oberteil getragen, das zugeknöpft werden konnte. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hatte der Pyjama das Nachthemd weitgehend verdrängt, zumindest als Nachtgewand für Männer.[4] Als Material eigneten sich die sehr bequemen Stoffe Baumwolle und Seide, beide wurden durch den Kolonialhandel in Europa in großem Umfang verfügbar.

Mode und Design[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heutige Pyjamas bestehen aus einer beinlangen, weit geschnittenen Hose und aus einem langärmligen Oberteil. Dieses ist oft wie ein T-Shirt geschnitten und besitzt keine Knöpfe mehr. Die Hose wird durch ein Gummiband um die Hüfte gehalten. Es gibt auch Varianten mit kurzen Ärmeln oder Beinen, diese werden oft als Shorty bezeichnet.

Die Pyjama-Mode hat in den vergangenen Jahrzehnten einige Varianten hinsichtlich Farbgebung, Muster und Stoffen hervorgebracht. In den Katalogen deutscher Versandhäuser waren bis in die 1970er Jahre für Herren gewebte Schlafanzüge mit geknöpftem Oberteil, Kragen und Paspeln an den Abschlüssen der Ärmel und Beine gängig. Je nach Geschmack wurden das klassische Streifen-Design, das Paisleymuster oder einfarbige Ausführungen bevorzugt. Auch Kombinationen von gestreiftem Oberteil und einfarbiger Hose sind erhältlich.

Die Materialien sind vielfältig[5]: Baumwolle, Merinowolle, Flanell, Jersey, Frottee, Seide oder Satin und zahlreiche Mischgewebe (Baumwolle mit Viskose oder mit Polyester und Weiteres mehr) sind etablierte Textilgewebe. Auch Finette, ein Stoff in Köperbindung aus Baumwolle oder Viskose mit einer aufgerauten Seite mit feinem Flor findet Verwendung.

Tragegewohnheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Modeschöpferin Coco Chanel sorgte in den 1920er Jahren in Juan-les-Pins an der französischen Riviera mit ihren öffentlichen Auftreten im «Beach-Pyjama», bestehend aus einem lockeren Shirt und flatterigen Hosen, für Aufsehen. Ihr wurde in diesem Outfit der Eintritt in das örtliche Casino verboten.[6]

Als Bette Davis 1942 in dem Film Old Acquaintance das Pyjama-Oberteil ihres Mannes als Nachthemd trug, sorgte das für Aufsehen. Nach der Premiere des Films war Herren-Nachtwäsche für Frauen ein vorübergehender Trend.[7]

Auch der Playboy-Herausgeber Hugh Hefner soll den „Out of bed“-Look in der Öffentlichkeit praktiziert haben – offenbar als Akt der Rebellion gegenüber einer etablierten Kleidernorm – und der Prüderie.

In einigen Gegenden, zum Beispiel in Shanghai, wurde es ab den 1970er Jahren üblich, Pyjamas in der Nachbarschaft und auch zum Einkaufen anzulassen. Zur Weltausstellung 2010 unternahm die chinesische Regierung große Anstrengungen, diesen „unzivilisierten“ Brauch zu unterbinden.[8] Die Chinesen übernahmen den Pyjama aus dem Westen, sozusagen als Zeichen von Wohlstand und „Coolness“, verstanden aber den kulturellen Kontext nicht ausreichend.[8] In England verbot die Warenhauskette Tesco Kunden in Pyjamas den Zutritt.[9]

Die Grundschuldirektorin Kate Chisholm, Leiterin Skerne Park Academy im Nordosten Englands machte 2016 in einem Elternbrief ihrem Ärger darüber Luft, dass immer mehr mit Schlafanzug und Pantoffeln bekleidete Eltern ihre fünf bis elf Jahre alten Kinder an der Schule absetzten.[10]

Das Sozialamt in Damastown in Süd-Dublin (Irland) kämpfte 2012 gegen das Tragen von Nachtwäsche in der Öffentlichkeit an: Ein Schild im Fenster erinnerte die Besucher daran, „dass Pyjamas nicht als angemessene Kleidung angesehen werden, wenn Sie hier soziale Dienste in Anspruch nehmen wollen“. Der Widerspruch kam prompt, so dass das irische Sozialministerium beschwichtigte, dass man „keinen Dresscode für Sozialhilfeempfänger“ verordnen würde. Aber wenn es Beschwerden gegen die Pyjamas gebe, könne ein Behördenleiter durchaus ein Veto aussprechen.

Die The Times beklagte im selben Jahr in einem Kommentar den „modischen Niedergang“ und erklärte, warum sich der Trend zum Tragen eines Pyjamas in der Öffentlichkeit durchgesetzt habe unter anderem damit, dass die „Kleiderordnung heute so lax ist, dass Londoner Banker an Freitagen ohne Krawattenzwang in Outfits erscheinen, in denen ihre Väter nicht mal die Jauchegrube repariert hätten.“[11]

Da Pyjamas als bequem gelten, werden sie zuhause tagsüber gern auch als Hausanzug getragen. Ob zu einem Pyjama Unterwäsche – insbesondere Unterhosen – getragen werden, ist vorwiegend eine Frage der Gewohnheit.[12] Ärzte raten jedoch generell dazu, insbesondere Nachts keine zu enge Unterwäsche zu tragen.[13] In nördlichen Ländern und bei großer Kälte werden gelegentlich Socken zu Pyjamas getragen. Umfragen zur Verbreitung von Pyjamas als Nachtwäsche liefern recht unterschiedliche Zahlen (siehe Artikel Schlafkultur).

Ein Schüler im Pyjama folgt dem Fernunterricht. Hier während des Little-Rock-Vorfalls von 1957 in den USA[14]

Während des Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie wurde in einer Studie nach den Auswirkungen des Tragens von Schlafanzügen während der Arbeitszeit im Home-Office auf die Produktivität und die psychische Gesundheit gefragt. Ergebnis: Das Tragen von Schlafanzügen war mit einem häufigen Maß an schlechterer psychischer Gesundheit verbunden. 59 Prozent der Teilnehmer, die tagsüber an mindestens einem Tag in der Woche einen Pyjama trugen, gaben an, dass sich ihre psychische Gesundheit verschlechtert habe, während sie von zu Hause aus arbeiteten. Dem standen 26 Prozent der Teilnehmer gegenüber, die während der Arbeit im Pyjama keine Einschränkung verspürten. Ob das Tragen von Schlafanzügen die eigentliche Ursache oder bloß die Folge der Verschlechterung der psychischen Gesundheit war, konnte nicht nachgewiesen werden. Wohl jedoch ist der Einfluss der Kleidung auf Kognition und psychische Gesundheit bei Krankenhauspatienten erforscht. Hierbei zeigte sich, dass die Ermutigung von Patienten, trotz einer Krankheit normale Tageskleidung statt Nachtkleidung zu tragen, den Schweregrad von Depressionen reduzieren kann. Daraus sei zu folgern, dass der einfache Ratschlag, sich morgens vor Arbeitsbeginn anzuziehen, teilweise vor den Auswirkungen der COVID-19-Einschränkungen auf die psychische Gesundheit schützen könne.[15]

Lifestyle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittlerweile kann man bei Londoner Luxusmarken wie Stella McCartney oder Clemens Ribeiro explizit Nachtwäsche „für draußen“ erwerben. Die Modezeitschrift Vogue erklärte den Pyjama zur Ganztageskleidung für die Damen, hält aber fest, dass außerhalb der eigenen vier Wände Stöckelschuhe statt Hausschlappen dazugehören.[11]

Nach dem Willen verschiedener Modedesigner sollen sich auch modebewusste Männer im Pyjama auf der Straße zeigen. Kostümdesigner Salvador Perez hält den Schlafanzug für öffentlich tragbar, wenn der Pyjama aus fester Seide oder Satin besteht. Das Modelabel Dolce & Gabbana präsentierte Pyjama und Cowboymotive und versuchte eine „neue Kindlichkeit“ im Mann zu erwecken. Bei Louis Vuitton wurde der seidene Schlafanzug mit einem ebenso glänzenden Halstuch kombiniert.[16]

Der norwegische Fußball-Profi Erling Haaland gilt als Protagonist öffentlich getragener Pyjama-Mode[17].

Kulturgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den Kuriosa gehört, dass sich die deutsche Delegation in der Nacht vor der Unterzeichnung des Vertrages von Rapallo nach Eintreffen der letzten sowjetrussischen Vorschläge zu einer legendär gewordenen „Pyjamakonferenz“ traf, um sich vor Vertragsunterzeichnung noch einmal abzustimmen.

In amerikanischen Day Care Centers und Grundschulen wird als Themen-Tag gelegentlich ein Pajama Day veranstaltet, an dem die Schüler im Schlafanzug zum Unterricht erscheinen dürfen.[18]

Zuweilen werden auch Pyjamapartys veranstaltet. Dabei wird beim Gastgeber übernachtet, darum der Name des Schlafanzuges.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pyjamas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Pyjama – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Artikel PYJAMMAS, s.. In: Sir Henry Yule: Hobson-Jobson: A Glossary of Colloquial Anglo-Indian Words and Phrases, and of Kindred Terms, Etymological, Historical, Geographical and Discursive. J. Murray, London 1903, S. 748.
  2. Artikel Pyjama. In: Broder Carstensen (Hrsg.): Anglizismen-Wörterbuch: Der Einfluss des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945. De Gruyter, Berlin 1996, Band 1 (P-Z), S. 1188.
  3. Pyjamas. Encyclopædia Britannica Online, abgerufen am 8. September 2009.
  4. Was trägt der Herr von Welt?: Zeitklicks. In: Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien in den Jahren 2011 bis 2013. FW GbR, abgerufen am 23. Februar 2023.
  5. Christina Liersch: Pyjama und Co – Welche Nachtwäsche bei Schlafstörungen helfen kann. In: vital.de. Klambt-Style-Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, 12. Februar 2021, abgerufen am 3. März 2023.
  6. Jocelyne Iten: So tragen Sie den Pyjama auch draussen stilsicher. In: Neue Zürcher Zeitung NZZ. 21. September 2019, abgerufen am 1. März 2023.
  7. Robert Pela: Stop Wearing Pajamas in Public — Now. In: Phoenix New Times, LLC. 15. Februar 2016, abgerufen am 17. März 2023 (englisch).
  8. a b Gao Yubing: The Pajama Game Closes in Shanghai. The New York Times, 14. Mai 2010, abgerufen am 10. September 2010.
  9. Tesco ban on shoppers in pyjamas. BBC, 28. Januar 2010, abgerufen am 10. September 2010.
  10. Stern. In: Ermahnung von Schuldirektorin: Bitte ziehen Sie sich an, bevor Sie Ihre Kinder zur Schule bringen! G+J Medien GmbH, 27. Januar 2016, abgerufen am 1. März 2023.
  11. a b Schlafanzug auf der Straße. In: Saarbrücker Zeitung. 16. Februar 2012, abgerufen am 1. März 2023.
  12. Unterhose unter dem Schlafanzug?! Abgerufen am 21. März 2023.
  13. Matratzenschutz24 by PROCAVE GmbH: Nackt schlafen – Gesund oder nicht?: Fakten & Tipps. Abgerufen am 21. März 2023.
  14. Das Bilddatum wird mit September 1958 angegeben, der Vorfall war aber ein Jahr zuvor. Woher der Unterschied stammt, ist unklar.
  15. Bernhard Lauer: Australische Studie: Arbeiten im Pyjama schadet der Produktivität nicht. In: Computer World. 22. Dezember 2020, abgerufen am 1. März 2023.
  16. Gemütlich durch Herbst und Winter. In: ORF News. Österreichischer Rundfunk, 3. Dezember 2016, abgerufen am 3. April 2023.
  17. Pyjamaheld. In: DER SPIEGEL. Band 18 / 2023. Spiegel Verlag Rudolf Augstein, Hamburg 29. April 2023, S. 119.
  18. pajama day/other rewards - ProTeacher Community. Abgerufen am 26. Januar 2022.