Radheim

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Radheim
Gemeinde Schaafheim
Ortswappen, wie es auf dem Gedenkstein des Fremdenverkehrsvereins von 1967 verwendet wird
Koordinaten: 49° 53′ N, 9° 1′ OKoordinaten: 49° 53′ 20″ N, 9° 1′ 5″ O
Höhe: 166 (164–190) m ü. NHN
Fläche: 4,04 km²[1]
Einwohner: 990 (31. Dez. 2016)[2]
Bevölkerungsdichte: 245 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1977
Postleitzahl: 64850
Vorwahl: 06073
Grüße aus Radheim

Radheim ist ein Ortsteil der Gemeinde Schaafheim im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg.

Das Dorf liegt am nordöstlichen Rand des Odenwaldes im Bachgau. Durch Radheim verläuft die Kreisstraße 106. Der Ort schließt direkt westlich an Mosbach an. Durch Radheim fließt der Pflaumbach (je nach Region auch Welzbach genannt), der in den Schönbusch-See im Park Schönbusch einfließt und bei Leider schließlich in den Main mündet.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Urgeschichte und Antike[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bodenfunde lassen auf eine frühe Besiedlung in der Jungsteinzeit schließen. Durch den Reichtum an Quellen boten sich hier ideale Siedlungsbedingungen.

Zur Römerzeit befand sich in Radheim, damals Teil der Provinz Obergermanien und ab 125 n. Chr. zum rechtsrheinischen Teil der Civitas Auderiensium mit dem Hauptort Dieburg gehörend, ein römischer Gutshof (villa rustica) anstelle der Kirche. Diese landwirtschaftlichen Betriebe versorgten die Truppen am nahen Limes. Als Beweis dienen die gefundenen römischen Viergöttersteine. Den letzten Viergötterstein fand man bei Renovierungsarbeiten 1972 unter dem Altar der alten Radheimer Kirche. Ein Viergötterstein wird heute auch im Landesmuseum Darmstadt aufbewahrt. Mit dem Fall des Limes um das Jahr 260 n. Chr. zogen sich die Römer wieder hinter die Rheinlinie zurück.

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Radheimer Barockkirche von 1577, dem Hl. Laurentius gewidmet

Im 5. Jahrhundert besiedelten die Franken das Gebiet.

Die älteste erhaltene Erwähnung des Dorfes findet sich im Codex Eberhardi des Klosters Fulda von 798. In den historischen Dokumenten erscheint der Ortsname im Laufe der Jahrhunderte in wechselnden Schreibungen: Roden (um 800 bis 1262, 1403), Rode (1267, 1317), Roeden (1442), Raden (1445), Rodau (1457), Rode (1567), Rodheym (1577) und Rodheim (1812).[1]

1278 kam der Ort mit den anderen Gemeinden des Bachgaus an das Kurfürstentum Mainz, wo es über fünf Jahrhunderte verblieb. Grundherren in der Gemarkung Radheim waren die Klöster Amorbach, Höchst und Aschaffenburg sowie die Johanniter aus Mosbach. Auch die Herren von Hanau, von Düdelsheim, die von Wasen und Schrautenbach hatten Güter und Berechtigungen in Radheim.

Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Radheim galt das formal 1755 noch einmal eingeführte Mainzer Landrecht als Partikularrecht und das Gemeine Recht galt darüber hinaus, soweit das Mainzer Landrecht für einen Sachverhalt keine spezielle Regelung enthielt. Dieses Sonderrecht behielt seine Geltung auch im gesamten 19. Jahrhundert während der Zugehörigkeit des Gebietes zum Großherzogtum Hessen[3] und wurde erst zum 1. Januar 1900 von dem einheitlich im ganzen Deutschen Reich geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst.

Nach der Auflösung des Mainzer Kurstaates kam Radheim zunächst zum Großherzogtum Frankfurt, wurde jedoch 1817 durch Tausch an das Großherzogtum Hessen angegliedert.[1]

Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Radheim:

»Radheim (L. Bez. Dieburg) kath. Filialdorf; liegt an dem Welzbach 3 St. von Dieburg und 112 St. von Umstadt auf einer sanften Anhöhe. Der Ort hat 76 Häuser und 457 Einw., die bis auf 16 Luth. katholisch sind. In der Gemarkung findet sich ein Bruch von rothen Sandsteinen, und auf den nahe liegenden Höhen sind römische Grabhügel. – Dieser Ort, der seinen Namen wohl von Rado oder Rato herleitet, war ehemals mit einer Mauer umgeben und der Sitz mehrerer adeligen Familien; noch sind einige uralte steinerne, vormals adelige Gebäude vorhanden. Die Herrn von Schrautenbach waren Patronats- und Zehntherrn zu Radheim. Die Kirche, dem h. Laurentius geweiht, hat in einem später eingemauerten churfürstlich mainzischen Wappen die Jahrzahl 1578. In der Kirchhofsmauer ist ein Votiv-Altar eingemauert. Radheim kam 1817 von Baiern durch Tausch an Hessen.«[4]

Radheim, das früher sehr stark landwirtschaftlich geprägt war, ist heute eine Wohngemeinde mit knapp 1000 Einwohnern.

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde am 1. Januar 1977 die bis dahin eigenständige Gemeinde Radheim kraft Landesgesetz nach Schaafheim eingegliedert.[5] Für Radheim sowie für die übrigen eingemeindeten Orte wurden Ortsbezirke mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[6]

Verwaltungsgeschichte im Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Radheim angehört(e):[1][7]

Gerichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die zuständige Gerichtsbarkeit der ersten Instanz war:[1]

Einwohnerentwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 Quelle: Historisches Ortslexikon[1]

• 1812: 74 Feuerstellen, 486 Seelen
Radheim: Einwohnerzahlen von 1812 bis 2016
Jahr  Einwohner
1812
  
486
1829
  
457
1834
  
498
1840
  
513
1846
  
572
1852
  
602
1858
  
556
1864
  
538
1871
  
501
1875
  
486
1885
  
476
1895
  
482
1905
  
456
1910
  
435
1925
  
443
1939
  
477
1946
  
635
1950
  
631
1956
  
551
1961
  
577
1967
  
667
1970
  
726
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
918
2012
  
949
2016
  
990
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: LAGIS[1]; Zensus 2011[9]; nach 2011 Gemeinde Schaafheim

Religionszugehörigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

• 1829: 16 lutheranische (= 3,50, %) und 441 katholische (= 96,50 %) Einwohner[4]
• 1961: 42 evangelische (= 7,28 %), 533 katholische (= 92,37 %) Einwohner[1]

Religion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kirchlich gehörte Radheim bis 1820 zu Wenigumstadt und anschließend als Filiale zu Mosbach. Nach 1945 erhielt Radheim, gemeinsam mit Schaafheim, eine eigene Pfarrei. Die heute noch erhaltene Laurentiuskirche wurde 1577 anstelle eines kleineren Gotteshauses errichtet, dabei blieb der gotische Turm erhalten.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nördlich von Radheim, auf dem Weg nach Schaafheim, ragt auf einem Hügel der 22 m hohe Wartturm auf, den 1492 der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg an der alten Bachgauer Landwehr errichten ließ. Er sicherte den Übergang des Handelsweges in Kurmainzer Gebiet. 1992 wurde der Turm restauriert und wieder begehbar gemacht.
  • Radheim besitzt zwei Kirchen. Die Kirchen sind dem Hl. Laurentius geweiht. Die erste Kirche ist aus dem Jahre 1244 nachgewiesen. Die heutige alte Kirche wurde 1577 errichtet. Ihr Turm stammt aus dem 14. Jahrhundert. 1903 wurde das Kirchenschiff um sechs Meter verlängert und 1968 wieder um sechs Meter verkürzt. Von außen unscheinbar, umso prachtvoller ist die barocke Innenausstattung, die zwischen 1763 und 1767 gestaltet wurde. Die neue Kirche wurde 1964 errichtet. Beide Gotteshäuser sind mit einem Gang verbunden.
  • Die alte Ortsmauer mit Schießscharte.
  • Der Bildstock der Hl. Ottilie, 1793 errichtet, der Stein aber vermutlich romanisch, 1965 schwer beschädigt, seit 1976 neu errichtet am Waldweg von Dorndiel stehend, befindet sich am Einhardweg, einem mittelalterlichen historischen Wanderweg, der von Dorndiel über den Höhenzug des Odenwaldes durch Radheim führt.
  • Straußenfarm Tannenhof nordwestlich von Radheim.
  • Die Brennerei Bachgau-Destille.

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Radheim im Bachgau, ausführliches Radwege- und Wanderwegenetz rund um den Ort; Ausgangsort für Wanderungen in Odenwald und Spessart
Wartturm bei Radheim
Der Bildstock der Hl. Ottilie am Einhardweg
Bildnis der heiligen Ottilie

Eisenbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die nächstgelegenen Bahnhöfe sind:

Buslinien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • K 54 Babenhausen (Hessen) Bahnhof
  • K 54 Aschaffenburg-Hauptbahnhof

Rad- und Wanderwegenetz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rund um Radheim gibt es ein umfangreiches ausgeschildertes Rad- und Wanderwegenetz. Bekanntester Wanderweg ist der historische Einhardweg mit Radheim als Zwischenstation.

Fernstraßen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • B 26 Richtung Darmstadt Anschluss zur A 5 (Basel-Karlsruhe-Frankfurt-Kassel) und A 67
  • B 26 östlich Richtung Aschaffenburg Anschluss zur A 3 (Köln-Bonn-Frankfurt-Würzburg-Nürnberg-Passau)
  • B 45 Richtung Hanau Anschluss zu A 3 und A 45 (Hanau)
  • B 45 nördlich Richtung Frankfurt/Offenbach über B 486 und A 661 (Egelsbach-Frankfurt)
  • B 45 südlich Richtung Michelstadt/Erbach.

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Söhne und Töchter der Stadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Personen, die in Radheim gelebt haben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Norbert Kühne (* 1941) (Pseudonym: Ossip Ottersleben), deutscher Schriftsteller, Psychologe und Publizist, lebte von 1943 bis ca. 1953 in Radheim; besuchte die Klassen 1–4 der damaligen Volksschule.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Radheim – Sammlung von Bildern

Anmerkungen und Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Durch den Reichsdeputationshauptschluss.
  3. Infolge der Rheinbundakte.
  4. Infolge der Napoleonische Kriege.
  5. Infolge der Beschlüsse des Wiener Kongresses.
  6. Durch Staatsvertrag mit Bayern.
  7. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Umstadt) und Verwaltung.
  8. Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Starkenburg aufgelöst.
  9. Infolge des Zweiten Weltkriegs.
  10. Am 1. Januar 1977 als Ortsbezirk zur Gemeinde Schaafheim.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Radheim, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Einwohnerzahlen. In: Webauftritt. Gemeinde Schaafheim, abgerufen im Juli 2019.
  3. Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893, S. 109.
  4. a b Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg, Band 1 Oktober 1829, S. 192 (Online bei Google Books)
  5. Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt (GVBl. II 330–334) vom 26. Juli 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 22, S. 318, § 15 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,5 MB]).
  6. Hauptsatzung. (PDF; 81 kB) §; 5. In: Webauftritt. Gemeinde Schaafheim, abgerufen im Februar 2019.
  7. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen. Band 1. Darmstadt 1866, S. 43 ff. (online bei Google Books).
  8. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  9. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juli 2021;.
  10. Peter Wolf – Petrus Lupinus von Radheim In: Private Website zu Radheim. Abgerufen im Juli 2020.