Rahtmannscher Streit

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Der Rahtmannsche Streit war eine theologische Auseinandersetzung in der lutherischen Orthodoxie des 17. Jahrhunderts. In dieser Auseinandersetzung wurde die lutherische Lehre von der Heiligen Schrift entwickelt und das Verhältnis von Schriftwort und Heiligem Geist geklärt.[1]

Thema des Streits

Auslöser war eine Veröffentlichung des Danziger Theologen Hermann Rahtmann. In seinem Hauptwerk „Jesu Christi, des Königs aller Könige und Herrn aller Herren Gnadenreich“[2] von 1621 behauptete er, den biblischen Autoren sei der Heilige Geist so unmittelbar gegeben worden, dass sie die Bibel irrtumslos niedergeschrieben hätten. Das Wort selber habe aber keine glaubenweckende Kraft in sich, sondern auch der Leser der Bibel müsse zunächst unabhängig vom Schriftwort ebenfalls vom Heiligen Geist erfüllt werden, damit er es überhaupt versteht und das Wort ihm etwas nützt.

Dieser Position widersprachen die Professoren der Theologischen Fakultäten von Wittenberg, Jena, Königsberg und Helmstedt in einem gemeinsamen Gutachten. Das Wort sei nicht wie eine Axt, der die Kraft erst im Gebrauch hinzugegeben werden müsse, sondern wie das gebackene Brot bereits die Kraft in sich hat, den Hunger zu stillen, so trage auch das von außen kommende Wort die Kraft, Glauben zu wecken bereits in sich selbst. Wort und Geist dürfen danach nicht auseinandergerissen werden, das „innere Wort“ nicht über das „äußere“ Wort gestellt werden.

Der Rahtmannsche Streit trug dazu bei, dass die „Lehre von der Heiligen Schrift“ zu einem eigenen Lehrstück in den dogmatischen Werken der lutherischen Orthodoxie wurde - Johann Gerhard, einer der Wortführer gegen Rathmann, stellt dieses Lehrstück seinen Loci theologici voran.[3]

Theologische Bedeutung

Bis heute hängt die Frage nach der Berechtigung einer wissenschaftlichen Exegese der biblischen Schriften daran, welcher Position im Rahtmannschen Streit man folgt: Wenn die Schrift nur von „Geistbegabten“ verstanden werden kann, dann ist der Willkür bei der Auslegung die Tür geöffnet und die wissenschaftliche Untersuchung biblischer Texte sinnlos. Wirkt der Geist aber durch das Wort und nicht unabhängig davon, dann wird die möglichst genaue Bemühung um den auch historisch korrekten Wortsinn der Bibeltexte zu einer theologisch notwendigen Aufgabe.

Literatur

Richard H. Grützmacher: Wort und Geist. Eine historische und dogmatische Untersuchung zum Gnadenmittel des Wortes. Leipzig 1902, bes. 220-312.

Einzelnachweise

  1. Udo Sträter: Rahtmannscher Streit. In: Meditation und Kirchenreform in der lutherischen Kirche, 1995, S. 69, 71, 84
  2. J. G. Walch – Historische und theologische Einleitung in die Religions-Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche auf Google Books. Abgerufen am 27. Januar 2016.
  3. Johann Gerhard – Loci theologici (1610–1625). Abgerufen am 27. Januar 2016.

Siehe auch