Forschungszentrum Seibersdorf

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Österreichisches Forschungszentrum Seibersdorf (Häusergruppe)
Forschungszentrum Seibersdorf (Österreich)
Forschungszentrum Seibersdorf (Österreich)
Basisdaten
Pol. Bezirk, Bundesland Baden (BN), Niederösterreich
Gerichtsbezirk Ebreichsdorf
Pol. Gemeinde Seibersdorf  (KG Seibersdorf)
Ortschaft Seibersdorf
Koordinaten 47° 58′ 39″ N, 16° 30′ 31″ OKoordinaten: 47° 58′ 39″ N, 16° 30′ 31″ O
Höhe 185 m ü. A.
Gebäudestand 40 (2013, Adressen)
Postleitzahl 2444 Seibersdorf
Offizielle Website
Statistische Kennzeichnung
Zählsprengel/ -bezirk Seibersdorf (30633 000)
Quelle: STAT: Ortsverzeichnis; BEV: GEONAM; NÖGIS
f0

BW

Das Forschungszentrum Seibersdorf, auch Österreichisches Forschungszentrum, Atomforschungszentrum bzw. englisch Seibersdorf Laboratories, ist ein Technologiezentrum in Seibersdorf im Bezirk Baden, in Niederösterreich, das Ausbildung, Forschung, Labordienstleistungen bis zur Behandlung von radioaktivem Abfall anbietet.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Forschungszentrum liegt im Industrieviertel, etwa 30 Kilometer südlich des Stadtzentrums von Wien, 20 Kilometer östlich von Baden und 15 Kilometer nördlich von Eisenstadt unweit der Landesgrenze, nahe dem Leithagebirge. Die Häusergruppe befindet sich 2½ Kilometer nördlich von Seibersdorf an der B 60 Leitha Straße auf etwa 185 m ü. A. Seehöhe.

Nachbarorte
Mitterndorf an der Fischa (Gem. Mittern­dorf a.d.F., u. Gramat­neusiedl, Bez. Bruck a.d.L.) Reisenberg (Gem. Reisenberg)
Schranawand (Gem. Ebreichsdorf) Kompassrose, die auf Nachbargemeinden zeigt Wasenbruck (Gem. Mannersdorf a.L., Bez. Bruck a.d.L.)
Seibersdorf

Reaktorzentrum Seibersdorf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1958 kaufte die Österreichische Studiengesellschaft für Atomenergie (SGAE), zwei Jahre zuvor für den Einstieg Österreichs in das Atomzeitalter gegründet, ein 110 ha großes Gelände in der Gemeinde Seibersdorf für einen Forschungsstandort – Kaufverhandlungen in Götzendorf und im Raum zwischen Maria Ellend und Regelsbrunn waren zuvor gescheitert.

Auf diesem Gelände wurde zwischen 1958 und 1960 das Reaktorzentrum Seibersdorf errichtet. Neben Instituten für Elektronik, Physik, Chemie, Metallurgie und Strahlenschutz wurde als zentrales Forschungsgerät der erste Forschungsreaktor in Österreich, der Adaptierte Schwimmbecken-Typ-Reaktor Austria (ASTRA), errichtet. Auch ein Zwischenlager für niederradioaktive Abfälle wurde errichtet.

Nuclear Engineering Seibersdorf (NES)
Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 2003
Sitz Seibersdorf
Leitung Roman Beyerknecht, Günter Hillebrand
Mitarbeiterzahl 60
Umsatz 1,5 Mio € (Schätzung)[1]
Branche Sammlung und Verwahrung radioaktiver Stoffe
Website www.nes.at

Auch die Internationale Atomenergie-Organisation (IEAO/IAEA, Hauptquartier Wien-UNO-City) betreibt seit 1962 Laboratorien in Seibersdorf.[2]

Für das österreichische Reaktorzentrum waren zwei Ausbaustufen vorgesehen:

  • In einem ersten Schritt sollte der ASTRA-Reaktor zu einem Materialtestreaktor mit 15 MW Leistung ausgebaut werden.
  • In einem weiteren Schritt sollte ein Prototyp eines Kernkraftwerks errichtet werden.

Aus finanziellen Gründen kam es jedoch nie zu einem Ausbau. Da sich die Kernenergie nicht, wie in den 1950er Jahren angenommen, zur Leittechnologie entwickelte, wurde auch im Reaktorzentrum die Forschung diversifiziert. Nach dem Atomausstieg Österreichs (Atomsperrgesetz 1978) war die ursprüngliche Aufgabe hinfällig, es wurde nur der Forschungsreaktor weiterbetrieben. Dieser Abkehr von der Konzentration auf die Kernenergie wurde auch in der Änderung des Namens in Forschungszentrum Seibersdorf Rechnung getragen. Der Kernreaktor wurde 1999–2004 stillgelegt.
2006 wurde dann die offizielle Firmenbezeichnung auf Austrian Research Centers geändert, 2009 auf Austrian Institute of Technology (AIT). Diese betreibt heute mehrere wichtige Forschungseinrichtungen.

Forschungszentrum Seibersdorf/Seibersdorf Laboratories[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seibersdorf Labor
Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 2008
Sitz Seibersdorf
Leitung Martina Schwaiger
Mitarbeiterzahl 140
Umsatz 12,3 Mio € (Schätzung)[3]
Branche Labor-Dienstleistungen, Forschung
Website www.seibersdorf-laboratories.at (https)

Das Zentrum Seibersdorf wird von der 2008 installierten Seibersdorf Labor GmbH betrieben. Die Eigentümer sind über das AIT die Republik Österreich (zu 50,46 %), wo es dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie unterstellt ist, und die Industriellenvereinigung Österreich.[3]
Im Rahmen der ursprünglichen Aufgabe betreibt man ein Labor die Dosimetrie für große Teile Österreichs.[4] Für den Strahlenschutz existiert die Strahlenschutzakademie, die die Ausbildung von Strahlenschutzbeauftragten, aber auch für die Behörden, Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen (BOS) und das Bundesheer durchführt.[5] Geforscht wird auch über Radiopharmaka, Biomarker und Positronen-Emissions-Tomographie (PET).[6] Außerdem befinden sich hier Prüfstellen für Laser und LED-Lampen,[7] Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV),[8] und Labors für Hochfrequenztechnik[9] und chemische Analytik (Umwelt- und Geoanalytik, Wirkstoffprüfungen, Dopingkontrollen und Forensische Analytik)[10] – so wurde hier etwa zusammen mit der Geologischen Bundesanstalt umfangreiche Erfassungen zu natürlichen wie anthropogenen Schadstoffbelastungen in Österreich erstellt.[11]
Das Atommülllager für Österreich – dieser fällt durch den Verzicht auf Atomkraft nur als minderradioaktiv und in Kleinmengen an, insbesondere aus der radiologischen Medizin – wird von der Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH (NES)[1] betrieben. Pro Jahr fallen insgesamt etwa 15 Tonnen radioaktive Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung an.[12]

Internationale Atomenergie-OrganisationIAEO, Internationale Atomenergie-Organisation IAEA Laboratories Seibersdorf
 
Organisationsart Forschungsstätte
Kürzel
Leitung
Gegründet 1962
Hauptsitz Seibersdorf, Österreich
Oberorganisation IAEO, Department of Nuclear Sciences and Applications
www-naweb.iaea.org

Das Department of Nuclear Sciences and Applications der Internationalen Atombehörde führt hier – und in Wien – ebenfalls Labors,[2] die inzwischen zu internationalen Referenzzentren wurden,[13] das FAO/IAEA Agriculture and Biotechnology Laboratory (zusammen mit der Welternährungsorganisation FAO, für Bodenkunde, Pflanzen- und Tierzucht, Entomologie und Agrochemikalien), das Physics, Chemistry and Instrumentation Laboratory (Chemie und Instrumentation, Dosimetrie, Isotopenhydrologie), sowie das Safeguards Analytical Laboratory (Isotopenanalyse, chemische Analyse, Clean Laboratory[14] für Nachweise), sowie ein Trainingscenter, in dem in den letzten Jahrzehnten über 2300 Wissenschaftler und Techniker aus 120 Ländern weitergebildet wurden.[15] Betrieben werden die IAEA-Labors von der General Services and Safety Section (GESS).[16] Das Safeguards Analytical Laboratory der IAEA erlangte besonders 2007 weltweite Bekanntheit, da hier Hinweise auf ein iranisches Atomprogramm gefunden wurden.[17][18] Heute sind die Anlagen aber weitgehend veraltet, der ehemalige IAEA-Direktor Mohammed el-Baradei forderte zu der Zeit die Mitgliedstaaten zu Investitionen auf.[17]

Da die Anlagen weit entfernt von Ballungszentren errichtet wurden und auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar sind, fahren regelmäßig Shuttle-Busse vom Bahnhof Gramatneusiedl zum Zentrum und zurück. Die Internationale Atomenergiebehörde transportiert ihre um die 180 in Seibersdorf angestellten Mitarbeiter[2] täglich mit Bussen aus Wien ebendorthin und zurück.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Firma Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH in Seibersdorf. Firmenbuchdaten Creditreform/firmenabc.at
  2. a b c Lit. The International Atomic Energy Agency’s Laboratories, S. 2 (pdf S. 8)
  3. a b Firma Seibersdorf Labor GmbH in Seibersdorf. Firmenbuchdaten Creditreform/firmenabc.at
  4. Ionisierende Strahlung und Radioaktivität, seibersdorf-laboratories.at (https)
  5. Seibersdorf Academy - Homepage. In: seibersdorf-laboratories.at. Abgerufen am 19. Januar 2020., seibersdorf-laboratories.at (https)
  6. Arzneimittel, seibersdorf-laboratories.at (https)
  7. Laser, LED & Lampen-Sicherheit – Prüfstelle und Beratung, seibersdorf-laboratories.at (https)
  8. Elektromagnetische Verträglichkeit / EMV Prüfzentrum, seibersdorf-laboratories.at (https)
  9. Hochfrequenztechnik, seibersdorf-laboratories.at (https)
  10. Chemische Analytik, seibersdorf-laboratories.at (https)
  11. Fachabteilung Geochemie: Projekte. In: geologie.ac.at. Geologische Bundesanstalt, archiviert vom Original; abgerufen am 1. Februar 2007.
  12. Entsorgung und Lagerung: Die gelben Fässer von Seibersdorf derstandard.at, abgerufen am 12. März 2016
  13. Lit. The International Atomic Energy Agency’s Laboratories, S. 3 (pdf S. 9)
  14. dazu insb. The International Atomic Energy Agency’s Laboratories, Abschnitt The Clean Laboratory Unit, S. 49 (pdf S. 55)
  15. dazu insb. The International Atomic Energy Agency’s Laboratories, Abschnitt Training, S. 4 (pdf S. 10)
  16. dazu insb. The International Atomic Energy Agency’s Laboratories, Abschnitt General Services and Safety Section, S. 52 (pdf S. 58)
  17. a b Michael Lohmeyer: Niederösterreich: UN-Atombehörde: Sicherheitsalarm um Seibersdorf. Atomenergiebehörde klagt über Sicherheitsdefizite und will 39,2 Millionen Euro. In Die Presse, 23. November 2007, online auf diepresse.com.
  18. IAEO-Labor: Atombehörde fordert Renovierung von Seibersdorf. Online auf oe24.at, 21. November 2007.