Reinhard Nemetz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Reinhard Nemetz (* 23. Januar 1951 in Augsburg) ist ein deutscher Jurist und Staatsanwalt. Von 1999 bis 2014 leitete er die Staatsanwaltschaft Augsburg. Von 2014 bis 2018 war er Präsident des Amtsgerichts München.[1][2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reinhard Nemetz trat 1978 in den bayerischen Justizdienst ein und machte dort bald Karriere[3] in seiner Heimatstadt.[4][5] Nach den in Bayern üblichen Laufbahnwechseln zwischen Staatsanwaltschaft und Richterschaft wurde er 1993 zum Oberstaatsanwalt und 1995 zum stellvertretenden Leiter der Staatsanwaltschaft Augsburg befördert.[6] Als sein Vorgänger Jörg Hillinger am 28. April 1999 bei einem spektakulären Autounfall verstarb, wurde Nemetz zum Nachfolger ab dem 1. Oktober 1999 ernannt und war bis 2014 Leiter der Staatsanwaltschaft Augsburg. Diese ist die drittgrößte Staatsanwaltschaft in Bayern. Vom 1. August 2014 bis zur Pensionierung am 31. Januar 2018 war er Präsident des Amtsgerichts München.

Ermittler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

CDU-Parteispendenskandal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Amtsantritt als Leiter der Staatsanwaltschaft übernahm Nemetz die Ermittlungen in der CDU-Spendenaffäre. Seine Ermittlungen führten zu Urteilen gegen Ludwig-Holger Pfahls und Karlheinz Schreiber.[7] Nach der Festnahme des flüchtigen Ludwig-Holger Pfahls 2004 kommentierte er: „Wir erwischen sie alle. Alle, auch den Schreiber.“ Als dieser 2009 ausgeliefert wurde, galt das als „Krönung seiner Laufbahn“.[8][9] Nach Michael Stiller ist Nemetz’ Bilanz in den Schreiber-Ermittlungen nicht makellos.[10] Er wurde im Jahr 2000 von untergebenen Staatsanwälten im Schreiber-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags schwer belastet: Nemetz behindere den für den Fall seit 1997 zuständigen Staatsanwalt Winfried Maier.[11] Nemetz verwarf einen Ermittlungsschritt nach dem anderen und wollte Maier dazu veranlassen, das Schreiber-Verfahren in Einzelverfahren aufzutrennen.[10] Zwei Tage nach Amtsantritt als Leiter der Staatsanwaltschaft ordnete er an, die letzte Verfügung des tödlich verunglückten Vorgängers Hillinger aus der Akte zu entfernen und in die geheime Handakte zu übernehmen. In der Verfügung stand, dass Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer rechtswidrig die Aussetzung der Haftbefehle gegen Holger Pfahls und andere Beschuldigte forderte. Nemetz rechtfertigte vor dem Untersuchungsausschuss seine rechtswidrige Weisung, amtsinterne Differenzen nicht in den Handakten zu vermerken mit der Begründung: „So eine Handakte ist kein Tagebuch.“[12]

Weitere bekannte Ermittlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weiter bekannte erfolgreiche Ermittlungen unter seiner Leitung waren die Entführung von Ursula Herrmann und der Augsburger Polizistenmord.[4] Bekannte eingestellte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg unter seiner Leitung betrafen die Anzeige Gerhard Strates wegen Rechtsbeugung 2013 in der Causa Gustl Mollath[13][14] und den Fall eines Augsburger Staatsanwalts, der einen Angeschuldigten in der Anklageschrift als „Arschloch“ bezeichnete und daher durch Nemetz vom Fall abgelöst wurde.[15][16] In der Affäre um den Laborbetreiber Bernd Schottdorf wurde ein Augsburger Staatsanwalt wegen Vorteilsnahme verurteilt und aus dem Dienst entfernt, Schottdorf selbst ging letztlich straffrei aus, obwohl die Staatsanwaltschaft deshalb bis vor den Bundesgerichtshof zog.[17][17][18][19][17][20][21][19][22][23][24][25][26][27][28][29][30][31][32][33]

Gurlitt-Affäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nemetz war der zuständige Leiter der Staatsanwaltschaft in der Steuerstrafsache gegen Cornelius Gurlitt (Schwabinger Kunstfund). Über seine Pressekonferenz Anfang November 2013 wurde weltweit berichtet. Die Vorgehensweise der Ermittler wurde kritisiert,[34] beispielsweise die Beschlagnahme der Sammlung Gurlitt,[35] oder die fehlenden Anklage trotz Ermittlungen seit 20 Monaten.[36] Am 19. November 2013 kündigte Nemetz an, dass die im rechtmäßigen Eigentum von Cornelius Gurlitt stehenden Kunstwerke diesem unverzüglich zur „Rücknahme angeboten“ werden.[37]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Augsburger Oberstaatsanwalt Nemetz wird Chef des Amtsgerichts München; in: Focus Online vom 20. Juni 2014
  2. Beate Ehrt wird neue Präsidentin des Münchner Amtsgericht (Memento vom 10. Juli 2018 im Internet Archive); in: BR24 vom 29. Januar 2018
  3. Unerbittliche zähe Jagd auf Schreiber. In: Kölnische Rundschau vom 3. August 2009.
  4. a b Holger Sabinsky-Wolf: Der Hartnäckige. In: Augsburger Allgemeine. 2. Januar 2012.
  5. John Goetz, Conny Neumann, Oliver Schröm: Allein gegen Kohl, Kiep & Co: die Geschichte einer unerwünschten Ermittlung. 2. Auflage, Berlin 2000, S. 123 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Schreibers beharrlicher Verfolger. In: Tagesspiegel. 5. August 2009.
  7. Iris Hilberth: Porträt – Triumphgefühle sind ihm fremd. 5. August 2009.
  8. Nikolaus Dominik: Oberstaatsanwalt Nemetz: «Wir erwischen sie alle». In: Mitteldeutsche Zeitung. 3. August 2009.
  9. Oberstaatsanwalt Nemetz: „Wir erwischen sie alle“. In: Focus. 3. August 2009.
  10. a b Michael Stiller: Der Mann, vor dem Schreiber zittert. In: taz. 5. August 2009.
  11. Profil Winfried Maier. In: Süddeutsche Zeitung. 26. Oktober 2001.
  12. Wilhelm Schlötterer: Wahn und Willkür. Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt. München 2013, S. 43 ff.
  13. Oliver García: Fall Mollath: Staatsanwaltschaft Augsburg – Si tacuisses!, blog.delegibus.com vom 27. Februar 2013
  14. Wilhelm Schlötterer: Wahn und Willkür. Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt. München 2013, S. 318 ff.
  15. Behördenchef zieht Konsequenzen, Ausburger Allgemeine vom 11. September 2008, abgerufen am 11. Oktober 2021.
  16. Stefan Mayr: Staatsanwalt nennt Angeklagten ein „Arschloch“. In: Süddeutsche Zeitung. 10. September 2008.
  17. a b c Augsburger Ärztekrieg; in: Der Spiegel vom 2. Februar 2009
  18. Laborarzt-Affäre - Neues im Fall Schottdorf. In: Bayerischer Rundfunk. 8. Dezember 2014, archiviert vom Original am 6. November 2018;.
  19. a b Polizist kritisiert Generalstaatsanwalt; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 9. März 2015
  20. Die Arschloch-Affäre 2.0 der Augsburger Justiz
  21. So manche Altlast wird die CSU nicht los (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive); in: Schwäbische Zeitung vom 27. Oktober 2011
  22. Ärzte-Betrugsverfahren: Landtag erwägt eine Soko Justiz; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 18. Mai 2014
  23. Landtag kämpft um sein Kontrollrecht; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 15. Juli 2014
  24. Landtag weist Verfassungsbeschwerde zurück; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 15. September 2014
  25. Schottdorf: Gericht weist Beschwerde ab; in: Merkur-Online vom 18. November 2014
  26. Untersuchungsausschuss Labor | Bayerischer Landtag. Abgerufen am 3. Januar 2019.
  27. Gauweilers Empfehlungen an die Polizei; in: Süddeutsche Zeitung vom 14. Mai 2014
  28. Schottdorf-Ermittler gegen Freistaat (Memento vom 12. November 2014 im Internet Archive); in: Bayerisches Fernsehen vom 5. November 2014
  29. Zweiter LKA-Beamter reicht Klage ein; in: Süddeutsche Zeitung vom 27. Januar 2015
  30. Laborarzt muss vor Gericht. In: br.de. 19. Juni 2015, archiviert vom Original am 22. Juni 2015; abgerufen am 25. Oktober 2016.
  31. Stefan Mayr: Schottdorf – der gewiefteste Laborunternehmer Deutschlands. In: sueddeutsche.de. 14. Januar 2016, abgerufen am 25. Oktober 2016.
  32. Staatsanwaltschaft legt Revision ein. In: sueddeutsche.de. 19. Januar 2016, abgerufen am 25. Oktober 2016.
  33. Kein Abrechnungsbetrug: Freispruch für Augsburger Laborarzt. In: sueddeutsche.de. 12. Juli 2017, abgerufen am 26. August 2020.
  34. Jörg Häntzschel: Leutheusser-Schnarrenberger zum Fall Gurlitt - „Rechthaberei hilft hier nicht weiter“. In: Süddeutsche Zeitung. 17. November 2013.
  35. Julia Voss: Münchner Kunstfund: Wo bleibt der Rechtsstaat? Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. November 2013, abgerufen am 17. November 2013.
  36. Stefan Mayr: Mann für brisante Fälle. In: Süddeutsche Zeitung. 19. November 2013.
  37. OStA Nemetz: Presseerklärung zum Umgang mit dem sog. „Schwabinger Kunstfund“. (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive) (PDF; 14 kB) 19. November 2013, abgerufen am 19. November 2013.