Republik Venedig

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Amtssprache Venezianisch, Latein
Hauptstadt Venedig
Staatsoberhaupt, zugleich Regierungschef Doge
Errichtung 697
Zeitzone UTC +01:00
Grenzen c.a. im späten 15. Jahrhundert
Die nördliche Adria und die Lagune von Venedig auf einer Karte des 17. Jh. (Joan Blaeu, Atlas Maior)
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Die Republik Venedig (Serenissima Repubblica di San Marco „Erlauchteste Republik des Hl. Markus“) war eine Thalassokratie im Nordwesten der Adria, die ihre Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer auf ein Kolonialreich aufbaute, das von Oberitalien bis Kreta und zeitweise bis zur Krim und nach Zypern reichte. Darüber hinaus unterhielt sie Kaufmannskolonien in Flandern und dem Maghreb, in Alexandria und Akkon, in Konstantinopel und Trapezunt. Ihr Reichtum resultierte daraus, dass sie als Umschlagplatz zwischen dem Byzantinischen Reich und dem Heiligen Römischen Reich fungierte und zugleich wichtige Waren monopolisierte. Auch die Zersplitterung Italiens schlug zu ihrem Vorteil aus. Erst die großen Flächenstaaten wie das Osmanische Reich und Spanien stellten sie militärisch, die aufstrebenden Handelsnationen wie die Niederlande, Portugal und England wirtschaftlich in den Schatten.

Entstehung und Aufstieg

Vom 5. bis zum 10. Jahrhundert

Ausgangspunkt Venedigs war eine Gruppe von Inseln im Sumpfgebiet, das die Ablagerungen der Brenta und anderer kleiner Flüsse immer weiter in die Adria vorschoben. So ist der Canal Grande die (nördliche) Verlängerung der Brenta. Die Bevölkerungszahl der in der so entstandenen Lagune liegenden Fischersiedlungen, die bis in die Spätantike zurückreichen, stieg durch Flüchtlinge an, die sich der Legende nach 410 vor den Ostgoten Alarichs, besonders aber 452 vor den Truppen des Hunnenkönigs Attila dort in Sicherheit brachten. Als 568 die Langobarden in Oberitalien einfielen, erreichte ein weiterer Flüchtlingsstrom die Lagune.

Den Baugrund der Stadt bildeten neben der größten Insel Rialto die benachbarten Luprio, Gemine, Mendicola, Ombriola, Olivolo und Spinalunga. Dichte Pfahlroste aus Ulmen- und Lärchenstämmen wurden in den sumpfigen Untergrund gerammt, um die Siedlungen zu erweitern. Zu einem Großteil steht die Stadt Venedig auf Baumstämmen aus Dalmatien, da das Holz aus den umliegenden Wäldern von Cadore bald nicht mehr ausreichte. Die venezianische Flotte verschlang ebenfalls große Mengen Holz. Die teilweise vegetationslosen Karstbereiche Istriens und Dalmatiens sind eine Folge dieser Abholzungen.

Mit der Eroberung des Ostgotenreiches durch Kaiser Justinians Heerführer Belisar und Narses kam auch die Lagune unter byzantinische Herrschaft und wurde dem Exarchen von Ravenna unterstellt. Der Exarch ernannte den Magister militum als militärischen und zivilen Oberbefehlshaber der Provinz. Ihm unterstanden in der Lagune wiederum Tribunen. Provinzhauptstadt war zunächst Oderzo, das jedoch 639 von den Langobarden erobert und 666 zerstört wurde. Damit löste sich die Provinz weitgehend auf und die Lagune war zunehmend auf sich selbst gestellt.

Um 713/16 wird erstmals ein Dux (Führer oder Herzog) Ursus als Stellvertreter des Exarchen erwähnt. Nach der Tradition zählt er unter dem Namen Paolo Lucio Anafesto als erster Doge Venedigs. Die Verlegung seines Amtssitzes erfolgte unter seinen Nachfolgern zunächst nach Heraclea und später nach Malamocco. 811 wurde während der Amtszeit des Dogen Angelo Participazio der Rialto Amtssitz.

Bei der Wahl des ersten Dogen erscheinen entsprechend der venezianischen Tradition zum ersten Mal die so genannten „apostolischen" Familien der Badoer, Barozzi,Contarini, Dandolo, Falier, Gradenigo, Memmo, Michiel, Morosini, Polani, Sanudo und Tiepolo.

Von Byzanz zunehmend unabhängig zeigte sich Venedig erstmals im beginnenden byzantinischen Bilderstreit (726/27), als sich Venedig auf die päpstliche Seite stellte. Darüber hinaus kam es erstmals zu einem Vertrag aus eigener Autorität, also ohne byzantinische Bestätigung, mit den Langobarden. In diesem Zusammenhang soll der Doge den Beinamen „Ipato", also Konsul erhalten haben, wohl in Anerkennung seiner Verdienste bei der Rückeroberung Ravennas und der Pentapolis nach 729. Bereits 732 wurden die Orte der Lagune einem eigenen Bischof unterstellt, was ihre Zusammengehörigkeit verstärkt haben wird und sie zugleich erst sichtbar macht. Der 4. Doge, Diodato Ipato, lavierte zwischen Konstantinopel, Ravenna, den Langobarden und den Franken, die unter Pippin nach Italien vordrangen. Ravenna wurde mehrfach belagert und erobert, der Doge 756 auf der Piazza geblendet, vermutlich, weil ihm Verrat vorgeworfen wurde. Ähnlich erging es seinen Nachfolgern 757 und 764.

Mit der Eroberung Ravennas durch die Langobarden (751) war die byzantinische Herrschaft in Oberitalien beendet. Trotzdem wusste Venedig die formale Abhängigkeit von Byzanz zu schätzen, denn nur diese war in der Lage, seine Unabhängigkeit auch gegenüber den Franken unter Karl dem Großen zu bewahren, der ab 774 Italien eroberte. Besonders deutlich zeigt dies der Versuch König Pippins von Italien, zwischen etwa 803 und 810 die Inseln zu erobern. Erst im Frieden von Aachen (812) wurde Venedig als Teil des Byzantinischen Reiches anerkannt. Dies und die Verlegung des Dogensitzes an die Stelle des heutigen Dogenpalastes bildeten Grundlagen für die spätere Sonderentwicklung der Stadt gegenüber dem übrigen Italien.

Innerhalb der Lagune herrschte während dieses Prozesses keineswegs Einmütigkeit. Der vierte Doge Diodato Ipato fiel offenbar den Kämpfen zwischen prolangobardischer und probyzantinischer Fraktion zum Opfer. Auch der Nachfolger Galla Lupanio, der ihn gestürzt hatte, fiel einem Attentat zum Opfer. Der sechste Doge, Domenico Monegario, führte eine prolangobardische Fraktion, was dem Handel Venedigs zugute kam. Zugleich wurden erste Versuche unternommen, die Macht des Dogen durch zwei Tribunen zu beschränken. Maurizio Galbaio, der von 764 bis 787 das Dogenamt innehatte, versuchte gegen starke Widerstände eine Dogendynastie durchzusetzen, indem er seinen Sohn Giovanni zum Nachfolger machte. Doch dieser überwarf sich mit dem Klerus der Stadt und unterlag schließlich einer profränkischen Fraktion unter der Führung des Obelerio degli Antoneri, der dann allerdings während der Belagerung durch Pippin mitsamt seiner Familie 804 fliehen musste.

Unter der Dynastie der Partecipazio machte die Vergrößerung der Stadt deutliche Fortschritte. Ihr Selbstbewusstsein wuchs, aber es fehlte noch eine spirituelle Erhöhung, ein Symbol für die Bedeutung der Stadt.

Das Wahr- und Hoheitszeichen der Serenissima über Jahrhunderte: Der Löwe von St. Markus (Ausschnitt aus einem Gemälde von Vittore Carpaccio, 1516)

Nach dem Raub der Markusreliquien aus Alexandria im Jahre 828 wurde der Evangelist Markus Schutzpatron der Stadt. Auch die Republik wurde ihm geweiht, und das Symbol des Evangelisten, der geflügelte Löwe, wurde zum Hoheitszeichen der Republik. Noch heute findet man ihn im gesamten Bereich ehemals venezianischer Besitzungen. Damit war ein weiterer Schritt zur Unabhängigkeit getan, jetzt gegenüber dem Patriarchen von Aquileia. Er wurde durch die Überführung der Reliquien des Evangelisten Markus nach Venedig symbolisiert. Als Hüter dieser hochrangigen Reliquie konnte Venedig seine spirituelle Stellung und die Unabhängigkeit vom Patriarchen von Aquileia dadurch unterstreichen, dass der Heilige, dem die Gründung des Patriarchats zugeschrieben wurde, "körperlich" in Venedig anwesend war.

Unter „Venetia“ verstand man nunmehr ein Gebiet, das von Grado bis Chioggia reichte. Im „Pactum Lotharii“ aus dem Jahr 840 sind 18 verschiedene Orte angeführt, darunter Rialto und Olivolo. Ihre Unabhängigkeit wurde damit endgültig anerkannt. Unter dem Dogen Pietro Tribuno erfolgte eine Einbeziehung dieser beiden Orte in ein gemeinsames Verteidigungssystem, aus dem die eigentliche Stadt Venedig hervorging.

Das Verteidigungssystem war offenbar auch dringend notwendig, denn die Schwäche des Byzantinischen Reiches veranlasste Venedig zur Einmischung in die durch Slawen, Ungarn und Muslime ausgelösten Plünder- und Eroberungszüge. Schon 827-28 schickte Venedig auf Verlangen des Kaisers eine Flotte gegen die Sarazenen, die begannen, Sizilien zu erobern. Zugleich bekämpfte Venedig kroatischee Piratenflotten, denen der Doge Pietro Candiano 887 zum Opfer fiel. Um 846 drangen Slawen bis Caorle vor, 875 die Sarazenen bis Grado - sie hatten schon in der Seeschlacht vor der Insel Sansego (Susak, südöstlich von Pula) den Venezianern schwer zugesetzt.

Um 880 gelang es Venedig jedoch, seine Stellung als regionale Vormacht auszubauen, eine Entwicklung, die auch das Vordringen der Ungarn (900) nicht aufhalten konnte, die Altino zerstörten. In diesem Jahr 880 wurde Comacchio, das die Mündung des Po beherrschte, durch die Venezianer zerstört, woraufhin Venedig zum ersten Mal von der päpstlichen Exkommunikation getroffen wurde. Es sollte nicht das letzte Mal sein.

Das Verhältnis zu Byzanz nahm währenddessen zunehmend den Charakter eines Bündnisses an. Diese Phase der venezianischen Geschichte wurde von der Dynastie der Partecipazio dominiert, wenn auch die Herrschaft des Pietro Tradonico, die überaus erfolgreich war, die Dominanz der Partecipazio von 837 bis 864 unterbrach.

Unter der Dynastie der Candiano, die zwischen 939 und 976 ununterbrochen die Dogen stellten, schien es fast, als könnten westeuropäische, am Feudalsystem orientierte Vasallitätsverhältnisse die Oberhand gewinnen. Pietro III. Candiano musste 959 seinem Sohn Pietro IV. weichen, der von den Feudalherren des Festlands, allen voran dem Markgrafen Guido von Ravenna und König Berengar, unterstützt wurde. Pietro IV. lehnte sich an Otto I. an, der ihn dazu veranlasste, ihm Tribut zu leisten - im Tausch gegen den Zugriff auf die Kirchengüter in seinem Gebiet.

Nochmals zur Zeit Ottos II. war Venedig in Gefahr, Teil der italienischen Entwicklung zu werden. In der Stadt führte dies zu heftigen Fraktionskämpfen, in deren Verlauf die prokaiserlichen Candiano 972 gestürzt wurden. Ottos Tod (982) wurde dementsprechend als göttliche Fügung empfunden. Gewinner dieser Kämpfe waren die probyzantinischen Morosini, wenn es ihnen auch nicht gelang, Hilfe aus Byzanz gegen Otto zu erlangen, der Venedig einer Handelsblockade unterwarf.

Schon unter Pietro II. Candiano (932-939) setzte Venedig erfolgreich seine Vormachtstellung gegenüber Capodistria (Koper), einem der wichtigsten Handelsorte auf Istrien durch. Dazu genügte erstmals eine Blockade.

Mit der Regierungszeit des Dogen Pietro II. Orseolo (991-1008) begann der Aufstieg Venedigs zur Großmacht. Um 1000 gelang ein erfolgreicher Feldzug gegen die Kroaten Dalmatiens, und 1002-03 konnte die venezianische Flotte die sarazenischen Belagerer vor dem byzantinischen Bari besiegen. Pietro wird die Zeremonie der alljährlichen Verehelichung Venedigs mit dem Meer zugeschrieben. Dieses Staatsschauspiel unterstrich symbolisch Venedigs Anspruch auf Beherrschung der Adria, wenn nicht gar des gesamten Mittelmeeres. Die Fraktion der auf die Adria und den Fernhandel ausgerichteten Gruppen hatte sich endgültig durchgesetzt. Der Doge beanspruchte nun den Titel "Dux Veneticorum et Dalmaticorum".

Politische Institutionen

Die frühen Institutionen sind mangels Dokumente nur wenig erforscht. Früh entstanden sind jedoch der Kleine Rat und der arengo, eine Art Volksversammlung. Ab dem frühen 13. Jahrhundert existieren jedoch umfangreiche schriftliche Zeugnisse. Die Dokumentation von Verfassung, Innen- und Außenpolitik Venedigs ist umfangreich, lückenarm und in ihrer Dichte wohl nur mit der des Vatikans zu vergleichen.

Die Institutionen veränderten und entwickelten sich während der gesamten Geschichte Venedigs. Beachtet wurde dabei stets das Prinzip einer sorgfältigen Austarierung von Macht und gegenseitiger Kontrolle der verschiedenen Gremien; dieses Prinzip war der Grund für die einzigartige Stabilität dieses Staates im unruhigen Europa. Ziel aller Reformen war, die Vorherrschaft einer einzigen Familie, wie sie in den Stadtstaaten Oberitaliens üblich war, um jeden Preis zu verhindern.
Die Kehrseite war jedoch ein strenges Polizei- und Spitzelsystem. Zwischen 1132 und 1148 wurde der Alleinherrschaft des Dogen ein Gremium gegenübergestellt, aus dem sich der Große Rat entwickelte. Um 1200 wenig mehr als 40 Mitglieder umfassend, wuchs er auf etwa 2.000 Mitglieder an. 1297 kam es zur Schließung des Großen Rates, der so genannten serrata. Hiermit wurde der Zugang zum großen Rat mit dem Recht aktiver und passiver Wahl des Dogen auf eine feste Anzahl von Familien beschränkt. Diese wurden mit ihren männlichen Nachkommen später in das Goldene Buch eingetragen. Die Mitglieder des Großen Rates, des maggior consiglio, gehörtem diesem auf Lebenszeit an. Der Große Rat war keine eigentliche Legislative, musste jedoch zu allen Gesetzesvorlagen gehört werden.

Eine Art Präsidium des Großen Rates war die Signoria, das höchste Kontrollorgan. In ihr waren - neben dem Dogen und dem Kleinen Rat - die Häupter der Quarantia vertreten, des obersten Gerichts. Mitte des 13. Jahrhunderts ging aus dem Großen Rat der Senat hervor, der ursprünglich eine Schifffahrtsbehörde war. Im Laufe der Zeit zog der Senat jedoch vielerlei Aufgaben an sich und bildete damit eine Art Regierung. Daneben gab es den Rat der Zehn, eine Kontrollinstanz, in der, wie in fast allen bedeutenden Gremien, der Doge Sitz und Stimme hatte. Der Rat der Zehn war nach einem Adelsaufstand im Jahre 1310 geschaffen worden, um weitere Unruhen zu vermeiden. Der Rat war eine Art oberstes Polizei- und Verwaltungsorgan, das mit umfassenden Rechten ausgestattet war. Im Jahre 1355 unternahm der Doge Marino Faliero einen erfolglosen Putschversuch. Er wollte die Macht des „alten“ Patriziats zugunsten der benachteiligten „neuen“ Familien beschränken.

Blütezeit und Niedergang

Vom 11. bis zum 15. Jahrhundert

Gentile Bellini: Prozession auf dem Markusplatz (1496)

Neben den Konflikten mit dem Heiligen Römischen Reich, besonders mit dem Patriarchen von Aquileia, bedrohten vor allem die Normannen Süditaliens Venedigs Machtstellung in der Adria. Zugleich drängten Ungarn und Kroaten an die Adriaküste. Als 1075 die dalmatinischen Städte die Normannen um Hilfe gegen die Kroaten ersuchten und der Normannenführer Robert Guiscard auf Eroberungszug gen Konstantinopel bereits in Albanien Fuß fasste, da drohten Venedigs Handelswege durch die Adria abgesperrt zu werden. Diese Befürchtung sollte die Stadt nicht mehr loslassen und veranlasste sie dazu, die Herrschaft einer einzigen politischen Macht über beide Adria-Ufer mit allen Mitteln zu verhindern. Nur so konnte Venedigs Existenzgrundlage, der Fernhandel, gesichert werden (s. Wirtschaftsgeschichte Venedigs).

Schon früher hatte Venedig Privilegien erhalten, aber seine Handelsvormacht beruhte in der Hauptsache auf zwei Privilegien. Diese hatte die Stadt dadurch errungen, dass sie einerseits Heinrich IV. im Investiturstreit mit Papst Gregor VII. unterstützte. Andererseits stand sie Kaiser Alexios I. von Byzanz gegen die türkischen Seldschuken und die Normannen Süditaliens bei, die Konstantinopel von Osten und Westen zugleich bedrohten. Durch das Privileg Heinrichs IV. war es den Händlern des Heiligen Römischen Reichs verboten, ihre Waren über Venedig hinaus nach Osten zu bringen. Umgekehrt durften griechische, syrische oder ägyptische Händler ihre Waren nicht im Reich anbieten. So fungierte Venedig als Makler zwischen den beiden Kaiserreichen.

Als besonders konfliktreich erwies sich bald das Verhältnis zu seinem alten Verbündeten, dem Byzantinischen Reich. Das Kaiserreich war nach der Schlacht von Manzikert 1071 zunehmend gegen die türkischen Seldschuken in die Defensive geraten. Venedig bot Kaiser Alexios I. die Unterstützung seiner Flotte im Kampf gegen die Türken an und erhielt hierfür Handelsprivilegien, die seine Händler ab 1081 von allen Abgaben befreiten. Hierdurch gelang es den Venezianern innerhalb weniger Jahrzehnte, das Byzantinische Reich wirtschaftlich zu dominieren. Diese Vorherrschaft ging so weit, dass das wirtschaftliche Fundament des byzantinischen Staates gefährdet wurde. Das Morgenländische Schisma (1054) sowie der Erste Kreuzzug von 1096 bis 1099 trugen weiter zur Entfremdung zwischen Venedig und Byzanz bei. Aber sie eröffneten den italienischen Handelsstädten auch neue Möglichkeiten in den Kreuzfahrerstaaten, die Byzanz keineswegs freundlich gesonnen waren.

Kaiser Manuel I. (1143-1180) betrieb nicht nur eine Restaurationspolitik in Kleinasien und Italien (Ancona war für fast zwei Jahrzehnte byzantinischer Brückenkopf), sondern auch eine Annäherung an Ungarn, dem Herkunftsland seiner Mutter. Diese Politik ließ einen vereinigten griechisch-ungarischen Staat auf dem Balkan als möglich erscheinen. Beide Ziele der byzantinischen Politik richteten sich gegen die Interessen Venedigs, da Konstantinopel bei ihrer Verwirklichung seinen Machtbereich bis nach Istrien ausgedehnt und darüber hinaus mit der Kontrolle der Adria die Macht über Venedigs Seewege erlangt hätte. Kaiser Manuel wollte außerdem das Abkommen von 1081 widerrufen. Er beschlagnahmte 1171 in einer offenbar völlig überraschenden Aktion sämtlichen venezianischen Besitz und inhaftierte in einer Nacht die Venezianer in seinem gesamten Machtbereich. Zwar führte eine venezianische Flotte einen Rachefeldzug durch, musste sich aber unverrichteter Dinge zurückziehen. In Venedig führte dies zu Tumulten, in deren Verlauf der Doge auf offener Straße erschlagen wurde. Noch erheblich mehr Opfer forderten die Lateinerpogrome von 1182 unter Manuels Nachfolger Alexios II. Kommnenos. Die sich anschließenden, immer wieder aufflammenden Konflikte mündeten schließlich im Fiasko des 4. Kreuzzuges.

Den Vierten Kreuzzug (1201-1204) nutzte der venezianische Doge Enrico Dandolo zur Eroberung der reichen Metropole am Bosporus - der bei weitem größten Stadt Europas - und wohl auch zur Rache, war er doch selbst ein Opfer der antivenezianischen Aktionen Manuels gewesen. Ein Verrat und in dessen Folge eine der größten Plünderungen des Mittelalters brachten ungeheure Schätze in den Süden und Westen Europas. In Venedig war die Quadriga auf der Markuskirche ein Symbol für Dandolos Triumph. Für Byzanz freilich war der 4. Kreuzzug eine Katastrophe und sollte schwerwiegende Folgen haben.

Venedig profitierte beinahe ein halbes Jahrhundert lang von der Errichtung des Lateinischen Kaiserreichs, welches es faktisch kontrollierte. Die vertraglichen Abmachungen sicherten der "Serenissima" die Herrschaft über drei Achtel des Reiches, eine Herrschaft, die Venedig allerdings nur entsprechend seinen Handelsinteressen ausübte - und seiner begrenzten militärischen Möglichkeiten. Es errichtete demzufolge in den folgenden Jahren ein Kolonialreich in der Ägäis mit dem Schwerpunkt Kreta. Eine Kette von Festungen zog sich von der Ostküste der Adria über Kreta und Konstantinopel bis ins Schwarze Meer. Unter dem Schutz des Mongolenreiches erschloss es sich bald auch den Handel bis tief nach Asien.

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Handelswege Venedigs und Genuas

Doch diese Vormachtstellung blieb nicht ungefährdet. Auch andere italienische Handelsstädte kämpften um die Vorherrschaft im Mittelmeerraum. Die mächtigste Rivalin war Genua. Lange hatten Genuesen versucht, die Eroberung Kretas zu verhindern, und die Insel zeitweise selbst besetzt. Auch verbündete sich der byzantinische Exilprätendent im kleinasiatischen Nikaia mit Genua. 1261 gelang es den Verbündeten überraschend, Konstantinopel zurückzuerobern. Venedig musste einen Teil seines Gebietes und seiner Privilegien an den Erzrivalen Genua abtreten. Dieser Dauerkonflikt zwischen den beiden oberitalienischen Handelsmetropolen eskalierte im 13. und 14. Jahrhundert in vier mehrjährigen Kriegen. 1379 gelang den Genuesen sogar eine einjährige Eroberung Chioggias.

Währenddessen gelang es den Türken - zunächst unter verschiedenen Dynastien, dann unter Führung der Osmanen -, Kleinasien zu erobern. Mitte des 14. Jahrhunderts setzten sie nach Europa über und reduzierten Byzanz zunehmend auf seine Hauptstadt, womit sie zu Rivalen Venedigs wurden. Denn trotz der Rückeroberung von 1261 war die Durchfahrt durch den Bosporus, den Konstantinopel schützte, von größter Bedeutung für Venedig. Dies umso mehr, als 1291 der letzte Handelsstützpunkt im Heiligen Land fiel. Venedig musste sich infolgedessen auf die Handelswege über Kleinarmenien und Täbriz, aber auch über Konstantinopel und das Schwarze Meer konzentrieren. Das wiederum verschärfte die Rivalität mit Genua, die - auch in Zeiten relativen Friedens - immer wieder zu Überfällen auf die gegnerischen Stützpunkte und zu offener Piraterie führte.

Trotzdem gelang es Venedig, seine Vormachtstellung zu behaupten, obwohl in der ersten Pestwelle von 1348 mehr als die Hälfte der Bevölkerung ums Leben kam, und obwohl 1379 die Genuesen im Bunde mit Ungarn beinahe die Stadt eroberten.

Der Friede von Turin (1381) läutete eine neue Phase der Prosperität ein, zumal Genua durch innere Kämpfe geschwächt, keine große Gefahr mehr darstellte. Nach langen Kämpfen mit Ungarn, das die venezianischen Stützpunkte in Dalmatien bedrohte, gelang es den Venezianern zwischen 1410 und 1420 sogar, ganz Dalmatien zu erobern. Doch es gelang ihnen nicht, ihr altes Herrschaftsgebiet im südlichen Istrien nach Norden auszudehnen; der Nordteil geriet in den Einflussbereich der Habsburger. Die Grenzziehung stand ab etwa 1500 fest, als die Grafschaft Görz durch Erbschaft an Habsburg fiel und so Triest dem venezianischen Einfluss entzogen wurde. Hingegen kam 1386 Korfu durch Kauf an Venedig, darüber hinaus die Ionischen Inseln und eine Reihe von Städten entlang der albanischen Küste.

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Die Republik Venedig am Ende des XIV. Jahrhunderts
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Die Republik Venedig am Ende des XV. Jahrhunderts

Etwa zur selben Zeit begann Venedig, sich auch auf das Festland, die „Terra Ferma“, auszudehnen. Dies war in Venedig heftig umstritten, denn es führte zwangsläufig zu Konflikten mit dem Reich und den mächtigsten Staaten Italiens. Bereits 1339 wurde Treviso erobert, wenn diese Eroberung auch erst 1388 abgeschlossen wurde. In den Jahren nach 1402, dem Todesjahr des Mailänders Gian Galeazzo Visconti, der große Teile Oberitaliens beherrscht hatte, brachte Venedig die Herrschaft über ganz Venetien und Friaul an sich. Beschleunigt wurde diese Eroberung unter Führung des Dogen Francesco Foscari (1423-57). 1425 besiegte eine venezianische Armee die Mailänder bei Maclodio und schob die Grenze bis an die Adda vor. Doch 1446 verbündeten sich Mailand, Florenz, Bologna und Cremona gegen Venedig. Bei Casalmaggiore siegte Venedig abermals, und in Mailand wurden die Visconti gestürzt. Venedig verbündete sich zeitweise mit dem neuen Herren Mailands, Francesco Sforza, wechselte aber angesichts seiner zunehmenden Macht wieder zu seinen Feinden über.

Erst im Frieden von Lodi 1454 erfolgte eine vorläufige Grenzziehung: Der Fluss Adda wurde als venezianische Westgrenze festgelegt. Diese Eroberungen und mehrere Versuche, Ferrara, auf das auch der Kirchenstaat Anspruch erhob, zu erobern, führten dazu, dass der Kirchenstaat und die meisten anderen italienischen Staaten nun in Venedig ihren schärfsten Rivalen sahen.

Ein Jahr zuvor war es den Osmanen gelungen, Konstantinopel zu erobern. Schlagartig riss der immer noch bedeutende Handel mit dem Ägäis- und dem Schwarzmeerraum ab. Dennoch gelang es der venezianischen Diplomatie, neue Fäden anzuknüpfen, so dass das Quartier in der nunmehr osmanischen Hauptstadt erneut bezogen werden konnte. 1460 eroberten osmanische Truppen die letzte byzantinische Bastion Mistra, womit das Osmanische Reich zum unmittelbaren Nachbarn der venezianischen Festungen des Peloponnes wurde.

1463-1479 stand Venedig im Krieg mit der türkischen Großmacht. Trotz vereinzelter venezianischer Erfolge eroberten die Osmanen 1470 das venezianische Euböa. Auch Bündnisversuche mit dem Schah von Persien, sowie Angriffe auf Smyrna (Izmir), Halikarnassos und Antalya brachten keine greifbaren Ergebnisse. Als die Herrscher von Persien und Karaman von den Osmanen geschlagen wurden und Skanderbeg, der Albanien verteidigt hatte, starb, führte Venedig den Krieg allein fort. Zwar konnte es Skutari zunächst gegen die Belagerer verteidigen, verlor die Stadt aber dennoch zwei Jahre später. Die Hohe Pforte versuchte sogar einen Angriff im Friaul. Erst am 24. Januar 1479 kam es zu einem Friedensschluss, der fünf Jahre später bestätigt wurde. Venedig musste auf Argos, Euböa (Negroponte), Skutari und Lemnos verzichten und darüber hinaus jedes Jahr 10.000 Golddukaten Tribut zahlen.

Umso mehr schien sich Venedig auf das italienische Festland zu konzentrieren. Gegen den Widerstand von Mailand, Florenz und Neapel versuchte es im Bund mit dem Papst Ferrara zu erobern. Trotz schwerer Niederlagen zu Lande gelang es, Gallipoli in Apulien zu erobern. Außerdem fielen Venedig im Frieden von 1484 die Polesine und Rovigo zu. In den Kämpfen gegen Karl VIII., der 1494 versuchte, Süditalien zu erobern, und im Zusammenhang mit der spanischen Eroberung des Königreichs Neapel, besetzte die venezianische Flotte eine großen Teil der apulischen Küstenstädte.

Insgesamt hatte Venedig seine Vormachtstellung im Osten weitgehend eingebüßt, profitierte aber nach wie vor vom Mittelmeerhandel in einem Ausmaß, das sie zur reichsten und einer der größten Städte Europas machte. Darüber hinaus werteten Meliorationen auf dem Festland die Erträge auf, so dass auch von hier umfangreiche Gewinne nach Venedig flossen. Mit rund 180.000 Einwohnern erreichte sie annähernd ihre maximale Einwohnerzahl, wobei in ihrem Kolonialreich rund zwei Millionen Menschen lebten.

Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert

Unter der Führung Papst Julius II. versuchte die Liga von Cambrai die venezianische Expansion rückgängig zu machen. Kaiser Maximilian I. forderte die Terra Ferma als entfremdetes Reichsgebiet zurück, Spanien forderte die apulischen Städte, der König von Frankreich Cremona, der König von Ungarn Dalmatien. Die venezianische Armee erlitt in der Schlacht von Agnadello am 14. Mai 1509 eine vernichtende Niederlage. Trotzdem gelang es der Serenissima 1509 das verlorene Padua zurückzuerobern, und bald kamen auch Brescia und Verona wieder an Venedig. Trotz der Rückeroberungen kam die venezianische Expansion zum Stillstand. Spanien erlangte weitgehende Vorherrschaft in Italien, der Süden fiel ihm ganz zu. Von nun an betrieb die Republik gegenüber den italienischen Staaten eine Politik der strikten Neutralität.

Portrait des Dogen Francesco Venier, Doge 1554-56, (Tizian)

Während des Krieges mit den Osmanen von 1537 bis 1540 war Venedig mit Spanien verbündet. 1538 erlitt der Admiral der Bundesflotte, Andrea Doria, bei Prevesa eine schwere Niederlage gegen die osmanische Flotte, der es erstmals gelang, ihre Überlegenheit auf See durchzusetzen. Das Herzogtum Naxos wurde von den Osmanen in Besitz genommen. Venedig war durch seine vergleichsweise geringen Ressourcen nicht mehr in der Lage, im Konzert der damaligen Großmächte mitzuspielen. So sah sich die Stadt ab 1545 gezwungen, ähnlich wie andere Seemächte auf Galeerenhäftlinge zurückzugreifen, die an die Ruderbank angekettet waren.

Fernando Bertelli: Die Seeschlacht von Lepanto (Kupferstich, Venedig 1572, Museo Storico Navale)

Ein letztes Mal spielte Venedig 1571 eine weltpolitische Rolle, als es im Rahmen der Heiligen Liga 110 Galeeren zur Bündnisflotte beitrug, die insgesamt 211 Schiffe umfasste. In der Seeschlacht von Lepanto, unweit des griechischen Patras, konnte diese Flotte die osmanische besiegen und 117 von deren 260 Galeeren erobern. Doch Venedig konnte keinen Vorteil daraus ziehen - die Insel Zypern war schon vor der Seeschlacht verloren gegangen, und es fehlten längst die Kräfte für eine Rückeroberung. Zudem umfasste die osmanische Flotte schon wenig später wieder 250 Kriegsschiffe. So ging mit Zypern die letzte bedeutende Besitzung in der Levante verloren, ein Verlust, der 1573 vertraglich anerkannt wurde.

Aus der Perspektive der Venezianer hatten die Türkenkriege weiterhin oberste Priorität. Dabei versuchten sie, sich nicht in Auseinandersetzungen hineinziehen zu lassen, wie sie die Uskoken durch ihre Piraterie immer wieder auslösten. Die Uskoken waren christliche Flüchtlinge aus den türkisch besetzten Gebieten Bosniens und Dalmatiens. Sie waren nach Lepanto als Untertanen der Habsburger in den Grenzgebieten zur Verteidigung angesiedelt worden. Als Venedig 1613 militärisch gegen sie vorging und Gradisca attackierte, fand es sich in einem mehrjährigen Konflikt mit den Habsburgern wieder, der erst 1617 beigelegt werden konnte. In diesem Jahr versuchte der spanische Vizekönig von Neapel die Vorherrschaft Venedigs in der Adria zu brechen, wenn auch nur mit geringem Erfolg. Der hierin verwickelte spanische Gesandte wurde abberufen, drei seiner Männer gehenkt. Das Misstrauen gegen Spaniens Intrigen ging so weit, dass 1622 der - wie sich später herausstellte - unschuldige Gesandte Antonio Foscarini zwischen den Säulen der Piazzetta hingerichtet wurde.

Wenige Jahre später, 1628, wurde Venedig nach langer Zeit wieder einmal in die Auseinandersetzungen um das Machtgleichgewicht innerhalb Italiens hineingezogen. Mit Charles von Gonzaga-Nevers drohte ein Franzose das von Spanien über Mailand stabilisierte Machtgleichgewicht zu stören. Venedig verband sich mit Frankreich gegen die Habsburger, die im Bündnis mit Savoyen standen. Die Venezianer erlitten bei dem Versuch, Mantua von den deutschen Belagerern zu entsetzen, eine schwere Niederlage. Diese Niederlage in Verbindung mit der 16-monatigen Pest von 1630 bis 1632, die Venedig rund 50.000 Menschenleben kostete, war der Beginn seines außenpolitischen Niedergangs.

1638 drang eine tunesisch-algerische Korsarenflotte in die Adria ein, zog sich aber darauf in den osmanischen Hafen von Valona zurück. Die venezianische Flotte beschoss die Stadt, kaperte die Piratenflotte und befreite 3600 Gefangene. Der Sultan ließ sich zwar nach diplomatischem Geplänkel beruhigen, aber an der Hohen Pforte bereitete man nun die Eroberung Kretas vor. Sie sollte 25 Jahre dauern und erst 1669 mit der Eroberung der Hauptstadt enden. Die Belagerung von Candia (Iràklion), der Hauptstadt, dauerte 21 Jahre. Zugleich griffen türkische Flottenverbände Dalmatien an, das allerdings gehalten werden konnte. Jedoch kapitulierte die kretische Hauptstadt Candia am 6. September 1669.

Erst nachdem die osmanische Armee vor Wien 1683 gescheitert war, gelang es, ein neuerliches Bündnis zu schließen. 1685 landete eine venezianische Armee unter Francesco Morosini und Otto Wilhelm von Königsmarck auf Santa Maura (Lefkas), dann auf der Halbinsel Morea (Peloponnes), eroberte Patras, Lepanto und Korinth und stieß weiter bis Athen vor. 1686 wurden Argos und Nauplia eingenommen. Die Rückeroberung von Negroponte (Euböa) scheiterte jedoch 1688. Obwohl der venezianischen Flotte Seesiege bei Mytilene, vor Andros und sogar den Dardanellen gelangen (1695, 1697 und 1698), nahmen die eigentlichen Sieger, die österreichischen Habsburger und das Russische Reich, Venedigs Forderungen nicht ernst. Schließlich sicherte der Frieden von Karlowitz (Karlowitz, Karlovic) im Jahre 1699 die Eroberungen Venedigs nur notdürftig.

Im Dezember 1714 begannen die Osmanen mit der Wiedereroberung venezianischer Besitzungen. Daniele Dolfin, Admiral der Flotte, war nicht bereit, diese für die Morea, die seit 1684/85 venezianisch war, aufs Spiel zu setzen. Trotz der Niederlagen, die die Osmanen gleichzeitig gegen die habsburgischen Armeen einstecken mussten, gelang es Venedig nicht, im Frieden von Passarowitz (1718) die Wiederherausgabe der Morea durchzusetzen, wohingegen die Habsburger große territoriale Gewinne verbuchten. Dieser Krieg war der letzte zwischen dem Osmanischen Reich und Venedig.

Niedergang und Ende

Zu den zahlreichen Mythen der venezianischen Geschichte gehört auch der vom Verfall und der Dekadenz im 18. Jahrhundert, der aber von der jüngeren Forschung seit etwa 1960 widerlegt werden konnte. Zwar schwand die politische Macht der Republik, aber wirtschaftlich war Venedig gerade im 18. Jahrhundert besonders stark und spielte zudem eine wichtige diplomatische Rolle. In der Kunst beruht die Abwertung Canalettos oder Tiepolos hauptsächlich auf kunstgeschichtlich-ästhetischen Theorien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Ausschlaggebend für den allmählichen Niedergang Venedigs als Handelsmacht und damit auch als europäischer Machtfaktor war der im Zeitalter der Entdeckungen zunehmende Bedeutungsverlust des Handels in der Levante und der damit einhergehende Aufstieg neuer Mächte. Durch seine geografische Lage von den neu erschlossenen Ressourcen der Neuen Welt und Ostindiens und damit auch von den sich verlagernden Handelsströmen (Atlantischer Dreieckshandel und Gewürzroute) abgeschnitten, wurde Venedig durch die aufstrebenden Staaten Portugal, Spanien, Niederlande und England wirtschaftlich und machtpolitisch allmählich überflügelt. Es besaß im Gegensatz zu diesen Staaten aufgrund seiner relativ geringen Bevölkerungszahl und des Mangels an rohstoffreichen Kolonien auch nicht die Möglichkeiten einer merkantilen Wirtschaftspolitik im großen Stil. Venedig und die italienischen Stadtstaaten sanken von Regionalmächten zu Lokalmächten herab.

Dennoch hielt sich Venedig keineswegs aus den Konflikten im Maghreb heraus. 1778 operierte seine Flotte vor Tripolis, 1784-87 entspann sich ein Krieg mit Tunesien, 1795 mit Marokko und noch im Oktober 1796 mit Algier.

Im Italienfeldzug Napoléon Bonapartes wurde die Stadt schließlich am 14. Mai 1797 besetzt. Die Republik fand ihr Ende. Der Friede von Campo Formio brachte das Gebiet der Republik mit Ausnahme der an Frankreich fallenden Ionischen Inseln an Österreich.

Die Republik der Revolution von 1848/1849

Im Zuge der fast ganz Mitteleuropa erfassenden revolutionären Ereignisse des Jahres 1848, wie der Februar- und Märzrevolution, kam es auch in Oberitalien ab Januar 1848 zu Unabhängigkeitsbewegungen gegen die Hoheit Österreichs, die sich im März vor allem in Mailand und Venedig verstärkten. Ein wesentliches Ziel in den italienischen Regionen und Provinzen war die nationale Einigung der verschiedenen Fürstentümer zu einem gesamtitalienischen Staat (vgl. Risorgimento).

Während von Mailand ausgehend die Unabhängigkeit der Lombardei von Österreich und deren Anschluss an das Königreich Sardinien-Piemont erklärt wurde, rief Venedig unter Führung des radikaldemokratischen Revolutionärs Daniele Manin am 23. März 1848 eine eigene unabhängige Republik Venedig aus. Die Stadt blieb im folgenden Krieg zwischen Österreich und Sardinien-Piemont neutral und konnte so ihre Unabhängigkeit fast eineinhalb Jahre lang bewahren. Nach dem Sieg der Österreicher über Sardinien-Piemont und dem Friedensvertrag von Mailand am 6. August 1849 wurde die Stadtrepublik Venedig als letzte Bastion der norditalienischen Revolutionäre und Republikaner am 23. August 1849 von österreichischem Militär mit militärischer Gewalt niedergeschlagen. Danach blieb Venedig bis 1866 unter österreichischer Vorherrschaft und ging nach der Niederlage Österreichs im Deutschen Krieg gegen Preußen und Italien an das im Jahr 1861 neu gegründete Königreich Italien.

Siehe auch

Literatur

  • David Chambers (Hg.), Venice: a documentary history, 1450-1630, Oxford 1992
  • Ekkehard Eickhoff: Venedig - spätes Feuerwerk. Glanz und Untergang der Republik 1700–1797. Klett-Cotta, Stuttgart 2006, ISBN 3-608-94145-2.
  • Kurt Heller: Venedig. Recht, Kultur und Leben in der Republik 697–1797. Böhlau, Wien 1999, ISBN 3-205-99042-0.
  • Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Venedigs, Darmstadt 2. Aufl. 1989
  • Lars Cassio Karbe: Venedig oder die Macht der Phantasie. Die Serenissima – ein Modell für Europa. Diederichs, München 1995, ISBN 3-424-01292-0.
  • Frederic C. Lane: Seerepublik Venedig. Prestel, München 1980, ISBN 3-791-30406-2 (Originalausgabe: Venice, a maritime republic. Baltimore 1973).
  • John Julius Norwich: A History of Venice. Knopf/Random House, New York 1982, ISBN 0-679-72197-5.
  • Alvise Zorzi: Venedig. Eine Stadt, eine Republik, ein Weltreich 697–1797. Amber, München 1981, ISBN 3-922-95400-6.

Weblinks

Commons: Venedig – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien