Risikoselektion

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Unter Risikoselektion (auch als „Rosinenpickerei“und im angelsächsischen Sprachraum als „Cream-Skimming“ diskutiert[1]) versteht man die Vorgehensweise von Versicherern, zu versichernde Risiken nach bestimmten Gleichheitskriterien auszuwählen. Damit der Risikoausgleich im Kollektiv gelingt, müssen die versicherten Risiken möglichst ähnlich (homogen) sein.

Risikobegriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Versicherungswirtschaft wird das versicherte Objekt oder die versicherte Person als Risiko bezeichnet, im Unterschied zum allgemeinsprachlichen Begriff Risiko, der die Abweichungsmöglichkeit insgesamt oder speziell nur ungünstige Abweichungen vom erwarteten Ergebnis bezeichnet. Risikoselektion bezeichnet also die aktive Einflussnahme auf die Auswahl der vom Versicherer zu versichernden Risiken.

Ziel der Risikoselektion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Risikoselektion ist eine geschäftspolitische, insbesondere risikopolitische Maßnahme, um den Risikoausgleich im Kollektiv zu verbessern und damit letztlich die Sicherheit und die Gewinnerwartung des Versicherers zu erhöhen. Insbesondere sollen aus dem Rahmen fallende hohe Risiken vermieden werden (Vermeidung der adversen Selektion). Gerade hohe Risiken werden versuchen, sich zu einem nicht risikogerechten Preis zu versichern, und müssen deshalb durch aktive Maßnahmen vermieden werden. Aber auch zu günstige Risiken reduzieren diese Homogenität und damit die Verlässlichkeit des Risikoausgleichs und bewirken somit unnötig hohe Schwankungen des Ergebnisses. Eine hohe Volatilität der Ergebnisse wird vom Kapitalmarkt mit hohen Kapitalkosten bestraft. Daher wird der Versicherer durch entsprechend günstigere Angebote versuchen, besonders günstige Risiken in homogene Kollektive mit günstigerer Risikostruktur zusammenzufassen.

Vorgehensweise bei der Risikoselektion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zuerst ist im Rahmen der Risikoprüfung das bestehende Risiko festzustellen. Dies geschieht soweit möglich individuell oder sonst anhand von risikorelevanten Merkmalen, wie Alter, Geschlecht, Beruf, bei Fahrzeugen Typklasse. Bei Versicherungen ohne Kontrahierungszwang erfolgt auf dieser Basis die Annahme oder Ablehnung des Risikos. Gegebenenfalls kann auch die Annahme unter bestimmten Bedingungen (Risikoauschlüsse, Zusatzbeitrag) erfolgen, die bewirken, dass das derartig modifizierte Risiko nunmehr ausreichend homogen zu dem Kollektiv ist. Bei Versicherungen mit Kontrahierungszwang, insbesondere in der Sozialversicherung, kann versucht werden, Werbung und andere Maßnahmen zur Gewinnung von Neugeschäft auf Personen zu konzentrieren, die besonders risikogünstige Merkmale haben.

Gesetzliche Krankenversicherung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gesetzliche Krankenversicherung ist besonders von der Gefahr der Antiselektion betroffen, da es hier durch gesetzliche Auflagen nicht erlaubt ist, risikoabgestufte Beiträge zu verlangen oder Personen abzulehnen. Da es Gruppen (insbesondere durch Alter, Geschlecht, Beruf oder Wohnort gekennzeichnet) gibt, die besonders hohe Risiken darstellen, sind Krankenversicherer, die in diesen Gruppen besonders viele Mitglieder haben, besonders betroffen.

In vielen Krankenversicherungssystemen sind aus diesem Grund Ausgleichssysteme geschaffen worden. In Deutschland sorgt beispielsweise der Risikostrukturausgleich (in der Schweiz der Risikoausgleich) dafür, dass Krankenversicherer mit einer guten Risikostruktur Ausgleichszahlungen an Versicherer mit einer schlechten Risikostruktur bezahlen. Dies soll die Anreize für Risikoselektion möglichst unterbinden. Allerdings bilden diese Risikoausgleichssysteme die Risikostruktur meist nur unvollkommen ab, womit es sich für die Versicherer weiterhin lohnt, eine gewisse, rechtlich zulässige Risikoselektion zu betreiben. So wird bevorzugt die Werbung nur auf Gruppen abgestellt, die überwiegend ein geringes Risiko haben, z. B. junge Leute.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich Breyer, Peter Zweifel, Mathias Kifmann: Gesundheitsökonomik. 5. überarb. Auflage, Kapitel 7: Risikoselektion im Krankenversicherungswettbewerb, Springer: Berlin, Heidelberg, 2005, ISBN 978-3-540-22816-5
  • Konstantin Beck: Risiko Krankenversicherung - Risikomanagement in einem regulierten Krankenversicherungsmarkt, Haupt: Bern, Stuttgart, Wien, 2004, ISBN 978-3-258-06771-1

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christian Ernst: Krankenhaus-Controlling und monetäre Anreize für leitende Ärzte: Eine Agency-theoretische Analyse. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-663-08665-9, S. 106.