Saalekanal

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Der Saalekanal, auch bekannt als Schleusenkanal Tornitz oder Elbe-Saale-Kanal, bezeichnet das Vorhaben, an der Mündung der Saale in die Elbe einen Kanal parallel zur Saale zu bauen. Der Kanal soll auf einer Länge von etwa 15 Kilometer westlich der Saale zwischen Calbe-Ost und Barby entstehen.[1] Seine Befürworter, zu denen neben der Landesregierung von Sachsen-Anhalt besonders die Großunternehmen Solvay und Schwenk Zement (Zementwerk Bernburg) gehören[2], versprechen sich eine bessere Befahrbarkeit der Saale durch die Ersparnis einiger Flusswindungen und besonders enger Kurvenradien.[3]

Hintergrund und Geschichte

Karte des geplanten Elbe-Saale Kanals

Seit dem 14. Jahrhundert wurde die Schiffbarkeit der Saale durch Baumaßnahmen verbessert. Wesentliche Meilensteine waren der Bau der Steinschleuse Calbe und 6 weiterer Steinschleusen 1695, der Beginn der Kettenschifffahrt 1873 und der Durchstich Saalehorn 1935. 1970 erfolgte der letzte größere Ausbau mit einer Vergrößerung der Radien von 150 auf 200 m auf mindestens 240 m zwischen Calbe und Klein Rosenburg. Im Unterlauf zwischen der Mündung und Calbe befinden sich aber weiterhin Felsenstrecken und enge Kurvenradien. Hierdurch ist eine Schifffahrt bei Niedrigwasser oft nicht möglich.

Um dieses Problem zu lösen, war in den 1930er Jahren der Bau einer Staustufe in Klein Rosenburg vorgesehen. Kriegsbedingt erfolgte kein Bau. Nach der Wende wurde der Saale-Ausbau im Bundesverkehrswegeplan 1992 als vordringlicher Bedarf eingestuft. Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde diese Lösung 2001 abgelehnt. Als Alternative ist der Schleusenkanal Tornitz in Planung. Im Gegensatz zur Staustufenplanung wird hierbei kein Wehr in der Saale gebaut und die Saale bleibt auf der gesamten Strecke zwischen Calbe und der Mündung in die Elbe wie bisher frei fließend.

Ein 2010 von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten des Gutachters Planco in Essen gab einen Nutzen-Kosten-Verhältnis von nur 0,58 an. Kritisiert wurde es allerdings von der Industrie, weil es die Jahreskapazitäten der Firmen Solvay und Schwenk Zement mit Null angegeben hatte. Der Werkleiter von Solvay in Bernburg bezeichnete den Ausbau des Kanals dagegen als existenziell für den Standort.[4]

Im Bundesverkehrswegeplan 2030 [5] wird für den Saalekanal ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von nur noch 0,2 aufgeführt. Entsprechend der prognostizierten Transportmengen von unter 0,6 Millionen Tonnen pro Jahr wird der Kanal als „Außerhalb des Kernnetzes“ kategorisiert und in den „Weiteren Bedarf“ eingeordnet. Projekte des weiteren Bedarfs werden bis 2030 nicht begonnen. Im Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030 [6] wird für den Saalekanal ein negativer Umweltnutzen in Höhe von – 7,7 Millionen Euro ausgewiesen. Die Prüfung auf intramodale Interdependenzen (Verlagerung von Transporten zwischen den Verkehrsträgern) im Zuge der Bewertung ergab, dass solche Verlagerungen nicht in relevantem Umfang vorliegen.

Kritik

Mehrere Umweltverbände, insbesondere der BUND,[7] der Bund der Steuerzahler[8] sowie Bündnis 90/Die Grünen[9] und Die Linke[10][11] kritisierten den geplanten Kanal aufgrund der nicht erwiesenen Wirtschaftlichkeit und der negativen ökologischen Folgen.[12][13][14] Teile der FDP schlossen sich der Argumentation der Steuergeldverschwendung an und lehnten den Ausbau aus ökonomischen Gründen ab. So nahm der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Ackermann 2008 am Fackelumzug zum Schutz der Elbe teil, gemeinsam mit Steffi Lemke von B90/die Grünen.[15]

Eine Stellungnahme vom Wirtschaftswissenschaftler Zabel von der Universität Halle kam zu dem Schluss, dass „den veranschlagten Investitionskosten von 72,6 Mio. Euro (…) keine adäquaten Nutzenerwartungen“[16] gegenüberstehen.

Durchschnittliche Fahrrinnentiefe der Strecke 5 der Elbe[17]
Durchschnittliche Ladung der Güterschiffe auf der Elbe[18]

Der Grund hierfür seien neben den ökologischen Kosten die niedrigen Wasserstände der Elbe im Sommer. Durch den Klimawandel würden die Tage mit extremem Niedrigwasser zunehmen. Dadurch wäre der vom Wasser- und Schifffahrtsamt erwartete Massenguttransport mit Europaschiffen (über 1000 Tonnen Ladung) die meiste Zeit des Jahres unmöglich. Durch die eingeschränkte Befahrbarkeit des Flusses wäre die wirtschaftliche Nutzung der Elbe als Wasserstraße nur unvollständig zu realisieren, so Zabel.[19]

Die veranschlagten Kosten sind von den ursprünglich erwarteten 72,6 Mio. auf mittlerweile 100 Mio. Euro gestiegen.[20]

Die durchschnittliche Ladung der eher seltenen Frachtschiffe auf der anschließenden Elbe liegt bei 300 Tonnen (siehe Diagramm). Daran ist erkennbar, so der BUND, dass eine wirtschaftliche Nachfrage für eine Befahrbarkeit mit 1000-Tonnen-Schiffen nicht besteht.[21] Laut Landesregierung Sachsen-Anhalt weist die Elbe zwischen Saalemündung und Magdeburg (Elbstrecke 5) nur an durchschnittlich 111 Tagen im Jahr eine Fahrrinnentiefe von 2,50 m auf (siehe Diagramm). Selbst unbeladene Europaschiffe benötigen aber mindestens eine Fahrrinnentiefe von 2,80 m. Es ist daher fraglich, ob diese Schiffe überhaupt auf der Elbe fahren können. Das Bundesamt für Güterverkehr sieht in diesem Zusammenhang für den Güterverkehr auf der Elbe keine Wachstumschancen. In einer Studie heißt es, „die Binnenschifffahrt stellt unter den gegebenen Rahmenbedingungen keine wirtschaftliche Alternative für die Zu- und Abfuhr der Container im Hinterland der deutschen Nordseehäfen dar“.[22]

Schon in der Vergangenheit, so der BUND e.V. im Rahmen seines seit 1993 laufenden Elbeprojektes, hat sich gezeigt, dass Investitionen in die Wasserinfrastruktur nicht zu einer Hebung des Schiffsaufkommens führen. So heißt es in einer Reportage des Mitteldeutschen Rundfunks, der Hafen in Halle (Saale) sei „ein Denkmal der Geldverschwendung“.[23] Der Spiegel beschrieb den geplanten Kanal als „Geisterkanal“[24], die FAZ tituliert „Vordringlicher Bedarf für ein nutzloses Projekt“.[25]

Eine Studie der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz Hamburg unterstrich nochmals die weiter sinkende Bedeutung der Wasserstraßen aufgrund stark schwankender Wasserstände – eine Folge des Klimawandels. Ein Ausbau der Elbe und Saale würde deshalb den Güterverkehr auf den Flüssen nicht steigern.[26]

Ob es zu einem weiteren Ausbau der Saale kommt, hängt stark davon ab, ob die Elbe ausgebaut wird. Die Wirtschaftlichkeit des gesamten Elbeausbaus wird derzeit vom Bundesrechnungshof überprüft, das Ergebnis steht noch aus.[27]

Ein sogenannter Scoping-Termin hätte das Planfeststellungsverfahren am 1. Februar 2011 eröffnet. Der Termin wurde abgesagt auf Grund eines Papiers des Bundesverkehrsministeriums, das dem Haushaltsausschuss des Bundestages am 26. Januar 2011 vorgelegt wurde. Darin sind nur noch Wasserstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über drei Millionen Tonnen pro Jahr für den Ausbau vorgesehen. Damit wäre sowohl die Saale als auch der größte Teil der Elbe vom weiteren Ausbau ausgenommen. Auch der Saalekanal als Teil des Elbe- und Saaleausbaus hat nach Berichten der Zeitung Die Welt „keine Priorität mehr“.[28]

Einzelnachweise

  1. Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt
  2. Kanal: Firmen sagen top, Gutachter sagen Flop. In: Magdeburger Volksstimme, 29. August 2012, S. 3
  3. Wasser und Schifffahrtsamt Magdeburg
  4. Kanal: Firmen sagen top, Gutachter sagen Flop. In: Magdeburger Volksstimme, 29. August 2012, S. 3.
  5. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Bundesverkehrswegeplan 2030. pdf, 6,86 MB
  6. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030. PDF, 10 MB
  7. http://www.elbeinsel.de/
  8. „Steuerzahler Bund kritisiert Saalekanal“, Halle-Forum, 9. Mai 2008
  9. Grüne fordern Stopp für Saalekanal, hallelife.de 15. Juni 2008
  10. [1]
  11. [2] Selbstauskunft an eine Anfrage des Elbeinsel e.V.
  12. Initiative gegen den Elbe-Saale Kanal
  13. Initiative Elbeinsel
  14. Bäume. Grüne Jugend Sachsen-Anhalt, archiviert vom Original am 7. August 2009; abgerufen am 29. November 2015.
  15. [3] Elbeinsel e.V.
  16. Gutachten von Prof. Dr. Zabel
  17. Antwort der Landesregierung Sachsen-Anhalt auf eine Anfrage des BUND Sachsen-Anhalt vom 29. Mai 2008
  18. WSD Ost, Abschlussbericht 2004 „Neubewertung des Ausbaus der Saale“
  19. Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Halle
  20. Bernd Hansjürgens: Schluss mit der Verschwendung von Steuergeldern – Die Diskussion um Saale- und Elbeausbau sollte endlich beendet werden. In: Torgauer Zeitung. Torgauer Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Torgau 24. November 2008 (online (Memento vom 24. September 2011 im Internet Archive) [abgerufen am 29. November 2015]).
  21. [4]
  22. Sonderbericht zur Entwicklung des Seehafen-Hinterlandverkehrs des Bundesamtes für Güterverkehr vom 29. Oktober 2007
  23. Sendung „Exakt“ im MDR vom 16. September 2008 (Memento vom 26. Februar 2009 im Internet Archive)
  24. Stolpes Geisterkanal. In: Der Spiegel. Nr. 20, 2003 (online).
  25. Robert von Lucius: Vordringlicher Bedarf an einem nutzlosen Projekt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main 31. Juli 2008, S. 4 (online (Memento vom 18. Juli 2011 im Internet Archive) [abgerufen am 29. November 2015]).
  26. Studie der Michael Otto Stiftung Hamburg 2009, Elbeinsel 23. November 2009
  27. Märkische Allgemeine Zeitung am 24. März 2010, „Bundesrechnungshof befasst sich mit dem Elbeausbau“
  28. Mitteldeutsche Zeitung am 27. Januar 2011, „Saale-Kanal hat schlechte Karten“