St. Nicolai (Magdeburg)

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Nicolaikirche, Südseite

St. Nicolai ist eine evangelische Kirche im Magdeburger Stadtteil Neue Neustadt. Sie ist dem heiligen Nikolaus gewidmet.

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche befindet sich zentral im Stadtteil Neue Neustadt auf dem Nicolaiplatz. Westlich vor der Kirche befand sich seit 1885 das Kriegerdenkmal Neue Neustadt, das jedoch nicht erhalten ist.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gleichnamigen Vorgängerbauten in der Alten Neustadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sankt-Nicolai-Kirche geht auf die Tradition von insgesamt 5 Kirchengebäuden zurück, die im Laufe der Jahrhunderte im Ort Neustadt bei Magdeburg bestanden und Sankt Nicolaus, als Schutzpatron der Elbschiffer, geweiht waren.

Der Bau einer ersten Nicolaikirche erfolgte ab circa 1150. Im Zusammenhang von Streitigkeiten zwischen Otto IV. und dem Erzbischof von Magdeburg ließ Otto IV. die Neustadt und die umliegenden Gebiete verwüsten. Dem fiel auch die Kirche zum Opfer.

Es wurde eine zweite Nicolaikirche errichtet, die jedoch bereits 1481 wegen Baufälligkeit wieder abgerissen wurde.

Der dritte Bau wurde zwar umgehend begonnen, die Einweihung erfolgte aber erst 1528. Bereits am 1. April 1554 wurde das Gebäude erneut abgerissen, diesmal auf einen Befehl im Zuge der Belagerung der Stadt Magdeburg.

Die vierte Kirche wurde am 20. Mai 1585 durch den evangelischen Prediger am Magdeburger Dom, Siegfried Sack, eingeweiht. Die Einweihungspredigt ist überliefert. Sie enthält als Zitat eine Widmung, welche die abgängige kurze Widmungsinschrift der Torgauer Schlosskapelle von 1544 aufnimmt.[1] Während der Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg wurde auch diese Kirche wieder stark beschädigt.

Der fünften Nicolaikirche war ein längeres Bestehen vergönnt. Die Einweihung erfolgte am Palmsonntag des Jahres 1654. Erst als während der französischen Besetzung im Jahre 1813 auf Befehl Napoleons die Magdeburger Vororte Neustadt und Sudenburg für ein verbessertes Schussfeld bzw. zum Ausbau der Festung Magdeburg weitgehend abgerissen wurden, wurde auch diese Kirche am 27. März 1813 durch Sprengung zerstört.

Geschichte der heutigen Nicolaikirche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Türme auf der Ostseite
Siegelmarke Kirche St. Nicolai – Magdeburg
Nicolaikirche, 1952

Den Neustädter Bürgern wurde etwas weiter nördlich ein neues Gebiet zur Ansiedlung zugewiesen. Dort entstand die Neue Neustadt. Karl Friedrich Schinkel erhielt 1817 den Auftrag für den Entwurf einer Kirche für den neuen Ort. Es handelte sich um seinen ersten Kirchenbau. Schinkel schlug zunächst einen an der Gotik orientierten Bau vor. Der Entwurf wurde jedoch aus Kostengründen nicht umgesetzt. Ein zweiter Entwurf, der von Johann Conrad Costenoble in Abstimmung mit Schinkel erstellt wurde, wurde vom Magdeburger Stadtkommandanten wegen eines zu hohen Turms abgelehnt. Es wurde ein möglicher feindlicher Einblick in die Festung befürchtet. Für den dritten Entwurf erfolgte dann 1821 die Grundsteinlegung. Der Bau wurde durch den preußischen Staat unter Friedrich Wilhelm III. finanziell unterstützt. Die Einweihung fand am 10. Oktober 1824 statt. Die Nicolaikirche soll als Vorbild für die später von Schinkel entworfene Normalkirche gedient haben.

1845 erfolgte die Erhöhung der beiden Kirchtürme um ein Geschoss, 1849 wurde eine Kirchenuhr eingebaut. 1858 erfolgte eine Renovierung des Kircheninnenraums, 1862 der Orgel. Nach einem neuen Glockengeläut (1860) erhielt die Kirche 1866 eine Gasbeleuchtung mit 102 Flammen. Später, Ende der 1870er Jahre, erhielt die Kirche auch noch eine Heizung.

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts fand eine erneute Restaurierung der Kirche statt. So wurden auch ein neuer Altar und bunte Glasfenster angeschafft.

1934 fand ein Umbau statt, im Zuge dessen Einbauten auf der Westempore entfernt und der aus dem Jahr 1712 stammende Taufstein von seinem mittigen Standort vor dem Altar vor den linken Chorbogen umgesetzt wurde. In den Jahren 1935/36 wurden östlich der Kirche die Predigerhäuser der St.-Nikolai-Gemeinde als Ersatzbau für Bauten vom Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Nicolaikirche bei einem Luftangriff am 29. September 1944 durch eine Sprengbombe getroffen. Die Bombe schlug in den Südturm ein. Das obere Stockwerk dieses Turms, aber auch Teile des Dachs und der Tonnendecke des Kirchenschiffs wurden zerstört. Weitere Schäden entstanden, als nach Kriegsende in der Nähe der Kirche befindliche Bunkeranlagen gesprengt wurden.

Der Wiederaufbau begann 1946 und war im Wesentlichen bis 1954 abgeschlossen. Das mittlere Fenster der Apsis wurde in diesem Zusammenhang zugemauert. Für diese Fläche schuf der Maler Günter Johl das Wandbild „Durchbrecher aller Bande“.

1975 erhielt die Nicolaigemeinde eine gebrauchte, zweimanualige Orgel mit 27 Registern und elektropneumatischer Traktur von A. Schuster & Sohn, Baujahr 1957. Diese war ursprünglich für die Heilig-Geist-Kirche angefertigt worden, musste jedoch aus dieser bald wieder ausgebaut werden, da diese Kirche den Planern einer sozialistischen Musterstadt nicht ins Konzept passte und deshalb gesprengt werden sollte (was 1959 auch geschah). Da eine Orgel im Dom seit dem Bombardements von 1945 fehlte, wurde die Schuster-Orgel, obwohl sie für die Kathedrale völlig unterdimensioniert war, als Notlösung dort aufgestellt. Nachdem 1970 eine Schuke-Orgel mit 37 Registern im Dom in Betrieb genommen werden konnte, wurde die Schuster-Orgel 1975 unter Weglassen des Prospektes und einem Ausdünnen der Klangfülle (Ausbau des Registers Offenbaß 16′ sowie der untersten Oktave der Hauptwerksprinzipale 8′ und 4′) nach St. Nicolai umgesetzt.[2]

Im Jahr 1993 stürzte an der Südseite der Kirche das Traufgesimse ein. Es wurden umfangreiche Sanierungsarbeiten eingeleitet, die auch eine Erneuerung des morschen, von Kernfäule betroffenen Dachstuhls, eine neue Deckung des Dachs mit Schiefer und eine Erneuerung der Tonnendecke umfassten.

Die mit Nachkriegsmaterial gebaute Schuster-Orgel konnte aufgrund klanglicher Mängel nur bis 2010 im Gottesdienst genutzt werden und wurde 2017 ganz stillgelegt.[3] Brauchbare Register sollten in einen Neubau, dessen Fertigstellung für 2024 geplant ist, übernommen werden.[4] Die Firma Ekkehart Groß (Kubschütz) errichtet die neue, 2500 Pfeifen enthaltende Orgel, wegen deren Gewicht von 7,5 Tonnen die Empore zunächst stabilisiert wurde.[5][6] Die Architektin Sina Stiebler lieferte den Entwurf.[3]

Gestaltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zugang auf der Westseite

Die Kirche wurde als Saalkirche im klassizistischen Stil mit hohen Rundfenstern errichtet. Das Kirchengebäude ist verputzt und trägt ein Satteldach. An der Ostseite befinden sich zwei quadratische vierstöckige Türme, die den Chor flankieren und mit Walmdächern versehen sind.

Der Zugang befindet sich auf der Westseite, die von einem großen Dreiecksgiebel überspannt wird. Durch Lisenen wird die Westfassade in drei gleich große Bereiche unterteilt. Jeder dieser Bereiche trägt eine große Inschrift: „IM KRIEGESDRANG ZERSTÖRT 1813“ „MIT GOTT DURCH KÖNIGSHULD“ „IM FRIEDEN HERGESTELLT 1824“.

Innen befinden sich seitlich zweirängige Emporen. Die Decke wurde als kassettierte Tonnenwölbung ausgeführt. Dem rechteckigen Chor folgt eine halbkreisförmige Apsis, die ursprünglich über drei Fenster mit einer Höhe von 7,50 Metern verfügte. Das mittlere Fenster wurde beim Wiederaufbau verschlossen und trägt nun das Bild „Durchbrecher aller Bande“ von Günther Johl-Stendal. Das Bild wurde in Sgraffito- und Mosaiktechnik ausgeführt. Auf der nach außen gewandten Seite des ehemaligen Fensters ist in gleicher Art wie am Westgiebel die Inschrift: „ZERSTÖRT 1944 WIEDERHERGESTELLT 1948 – 1954“ angebracht.

Das Kirchenschiff hat auf den Längsseiten jeweils sechs hohe Rundbogenfenster. In der Kirche befindet sich ein Taufbecken aus dem Jahr 1715. Dies entstammt dem Vorgängerbau in der Alten Neustadt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans-Joachim Krenzke: Kirchen und Klöster zu Magdeburg. Magdeburg 2000.
  • Sabine Ullrich in Magdeburg. Architektur und Städtebau. Stadtplanungsamt Magdeburg (Hrsg.), Verlag Janos Stekovics, Halle an der Saale 2001, ISBN 3-929330-33-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St. Nicolai – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Siegfried Sack: Von Christlicher Einweihung der Kirchen Aus dem exempel Salomonis, do er den Tempel zu Jerusalem eingeweihet, im ersten Buch der Kœnige am achten Capittel. geprediget Jn der newen Kirchen in der Newenstadt Magdeburg/ am Tage der Himelfart Christi Anno 1585. Durch Siegfridum Saccum D.Thumbprediger zu Magdeburg. Neben einem kurtzen Bericht/ wie solche Kirche vnd Stifft anfenglich fundirt vnd widerumb erbawet worden; Magdeburg 1585 - einsehbar auf [1], hier S. 32 f
  2. Vergangenheit Teil 2. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. Juli 2019; abgerufen am 11. Juli 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.magdeburgerdommusik.de
  3. a b Neue Orgel für Nicolaikirche nimmt Gestalt an. In: Magdeburg Neustadt. 11. Mai 2021, abgerufen am 7. Februar 2024.
  4. Stefan Harter: Magdeburger Nicolai-Orgel erklingt ab 2024. In: volksstimme.de. 14. November 2018, abgerufen am 18. Februar 2024.
  5. Stefan Harter: Magdeburger Nicolai-Orgel erklingt ab 2024. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  6. Die neue Orgel von St. Nicolai erhält ein Gesicht. In: Magdeburg Neustadt. 8. Juli 2021, abgerufen am 7. Februar 2024.

Koordinaten: 52° 9′ 21,8″ N, 11° 38′ 15,8″ O