Schriftgrad

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Bleiletter (Schema)
Details Abmessungen
1 Punze
2 Schriftbild
3 Fleisch
4 Konus
5 Achselfläche
6 Kegel
7 Signatur
8 Gießrille
a Kopf
b Schulterhöhe
a + b Schrifthöhe
c Dickte
d Kegelhöhe/ Kegelstärke

Die Begriffe Schriftgrad, Schriftsatzmaß oder Kegelhöhe (auch Kegelstärke) bezeichnen in der Typografie ein Maß für die Größe einer Schrift. Der Kegel (im Bild #6) ist im Bleisatz der Körper, der das etwas kleinere, spiegelverkehrte Abbild des Buchstabens (#2) trägt. Die Kegelhöhe (Strecke d) bezeichnet die Höhe der Bleikegel. Da die Kegel etwas höher als die Buchstaben sind, ist die Kegelhöhe oder der Schriftgrad immer etwas größer als die Summe aus Ober-, Mittel- und Unterlänge und damit größer als die tatsächliche Buchstabengröße.

Für den Schriftgrad werden verschiedene Maßeinheiten verwendet und meistens als „Punkt“ bezeichnet. Diese Maßeinheiten werden bei Druckerzeugnissen nicht nur für den Schriftgrad, sondern auch für Zeilenabstände und Ähnliches verwendet.

Festgeschrieben sind die Maße in der DIN 16507-1 (aktuell Stand September 1998).

Das Messgerät für in Punkt anzugebende Größen ist das Typometer.

Optische Schriftgröße

Helvetica Garamond Bickham

Das Bild zeigt die Schriften Helvetica, Garamond und Bickham Script bei gleichem Schriftgrad im Vergleich.

Da der Schriftgrad nur die Kegelhöhe (auch bei Fonts) beschreibt, sagt er nichts über den optischen Eindruck der Schriftgröße aus. Dieser ist vor allem von der Mittellänge der Schrift abhängig. Besitzt die Schrift eine besonders kleine Ober- und Unterlänge, so ist die Mittellänge auf dem Schriftkegel proportional größer, da der Schriftgestalter mit der Spannweite zwischen Ober- und Unterlänge meist die gesamte Kegelhöhe bespielt.[1]

Script-Fonts mit besonders ausschweifenden Ober- und Unterlängen (wie die Bickham Script) wirken daher oft sehr klein. Aus demselben Grund ist die Annahme, Antiqua-Schriften sähen generell kleiner aus als Grotesk-Schriften, falsch. Dies gilt nur für den Vergleich von klassischen Antiqua (wie der Garamond) mit klassischen Grotesken (wie der Helvetica), bzw. von Antiqua und Grotesken mit vergleichbarer Metrik.

Einheiten des Maßsystems

Der Punkt (p) ist die Grundeinheit zur Angabe von Schriftgrößen.

Französische Punkte

Das erste typographische Maßsystem konzipierte 1695 Sébastien Truchet (1657–1729) von der Französischen Akademie der Wissenschaften. Er nahm dazu als Längenmaß den königlichen Pariser Fuß (Pied de Roi, „Königsfuß“) von etwa 32,484 cm, der als ein Sechstel der Pariser Toise (Klafter), des in Paris geltenden eisernen Normstabes Toise du Grand Châtelet, definiert war. Ein Fuß (Pied) wurde in 12 Zoll und ein Zoll (Pouce) in 12 Linien unterteilt. Trouchet nannte nun ein Zwölftel der Pariser Linie (Ligne) eine Ligne seconde („zweite Linie“), dies waren etwa 0,188 mm. Die Ligne seconde sollte jedoch keine allgemeine Verbreitung finden.

Etwa seit 1737 nannte der französische Drucker Pierre Simon Fournier ein Sechstel der von ihm verwendeten Linie einen Point typographique („typographischen Punkt“), wobei er von einem Fuß von nur rund 29,8 cm ausging, da es in Frankreich regional variierende Längen der Toise und damit auch des Fußes gab. Dieser sogenannte Fournier-Punkt (etwa 0,345 mm) wurde später nicht mehr verwendet.

Im Jahr 1766 wurde eine 1735 hergestellte Kopie der Toise du Grand Châtelet, das Original verschwand 1755 vermutlich durch Diebstahl, zum Prototyp des gesetzlichen Längenmaßes in ganz Frankreich erklärt.

Ende des 18. Jahrhunderts entwickelten François Ambroise Didot und sein Sohn Firmin Didot das typographische Maßsystem weiter. Der Didot-Punkt, der sich später europaweit durchsetzte, entsprach einem Sechstel der Pariser Linie, also etwa 0,375972 mm (traditionell aber 0,376065 mm). Er wird üblicherweise mit 0,376 mm angegeben und auch so verwendet, da dies weit innerhalb aller technischen Toleranzen liegt. Das Grundmaß war also wie bei Truchet der Pariser Fuß, so sind 12 × 12 × 6 = 864 Didot-Punkt genau ein Pariser Fuß.

Die nächstgrößere Einheit in diesem System ist das Cicero. Ein Cicero entspricht 12 Didot-Punkt. Vier Cicero wiederum ergeben eine Konkordanz.

Im Jahr 1975 wurde von der ISO der Didot-Punkt auf genau 0,375 mm festgelegt. Für die Verwendung mit den existierenden Druckmaschinen war aber eine Modifikation von mehr als einem Viertel Prozent erheblich und daher technisch zu schwierig zu verwirklichen. Außerdem wurde zu dieser Zeit gerade auf Fotosatztechnik umgestellt, so wurde dieser Vorschlag in der Praxis nie vollständig umgesetzt, obwohl offiziell ein Didot-Punkt 38 mm beträgt.

Amerikanische Punkte

Ende des 19. Jahrhunderts kam aus den USA mit der Erfindung der Linotype-Zeilengussmaschine ein alternatives Punktmaß auch nach Europa: der Pica-Punkt (pp). Die amerikanischen Drucker verwendeten einen eigenen, amerikanischen „Druckerfuß“, der recht genau 1024/1000 römischem Fuß entspricht, also etwa 303,5 mm.

Von drei konkurrierenden, fast gleichen Definitionen verabschiedete das 15. Treffen der US-Type Founders Association of the U.S.A. (1886) das sogenannte Johnson Pica zu genau 0,166 Zoll. Der Vorschlag von Nelson C. Hawks (1200/7227 in/pt ≈ 0.166044 in/pc) sowie die direkte Bezugnahme auf das metrische System (83/350 pc/mm ≈ 0,1660184 in/pc) blieben unberücksichtigt.

Analog zum Verhältnis von Cicero zu Didot-Punkt wird hier ein Pica in 12 Punkt geteilt. Daher misst der traditionelle amerikanische Printer’s Point 351,36 µm.

In manchen Quellen wird der amerikanische Punkt als (näherungsweise) 100/7227 inch angegeben, das wäre ca. 351,4598 µm und entspricht der Definition nach Hawks. Der Punkt mit metrischem Bezug wäre etwa 351,4056 µm groß.

DTP-Punkt

Im Desktop-Publishing (DTP) wird heute nahezu ausschließlich eine vereinfachte Definition des amerikanischen Punktes verwendet.

Der DTP-Punkt, abgekürzt ‚pt‘, gelegentlich auch PostScript-Punkt genannt, wurde als der 864. Teil des englischen foot von 1959 definiert. Er misst also exakt 172 Zoll, d. h. 0,0138 Zoll oder 0,3527 mm. Er ist zurzeit das einzig verlässliche Maß in den meisten Anwendungsprogrammen (Druckerkommunikation, Word, Draw, Photoshop etc. – CorelDraw hingegen wurde metrisch programmiert).

Das Satzsystem TeX verwendet ‚pt‘ als Abkürzung für den standardmäßigen Printer’s Point und nennt den DTP-Punkt entsprechend big point ‚bp‘, da er etwas größer ist.

In CSS wird dieser Punkt auch in ein einfaches Verhältnis von 4:3 zum Referenzpixel ‚px‘ gesetzt, der nicht unbedingt dem Gerätepixel entspricht.[2]

Bei einer im Heimdruck häufig anzutreffenden Punktdichte von 300 dpi entspricht ein DTP-Punkt dann ungefähr vier Bildpunkten in der Reproduktion. Ein Schriftzeichen mit 12 pt wird in der Höhe unter diesen Voraussetzungen mit 50 Punkt gedruckt.[3]

Metrischer Punkt

Die deutsche Norm DIN 16507-2:1999 sieht für Schriftgrößenangaben und Zeilenhöhen im elektronischen Satz ein Modul von 250 µm vor, mit einem Submodul von 50 µm für Zwischengrößen. Dieser Modul wird teilweise auch wie eine dem Punkt entsprechende Einheit verwendet und heißt dann Quart (‚q‘), da sie einem Viertelmillimeter entspricht, und ist insbesondere in Japan als キュ kyu verbreitet. Als q ist es ab Level 3 auch Teil von CSS.[2]

Statt der Kegelhöhe wird in DIN 16507-2 die messbare Größe der Versalhöhe zur Angabe der Schriftgröße verwendet. Dieses System hat bisher keine weite Verbreitung gefunden, allerdings unterstützen verschiedene Computertypographiesprachen (z. B. TeX, CSS, Framemaker) die Maßangabe in metrischen Einheiten.

Otl Aicher war einer der Befürworter dieses Systems und propagierte Schriftgrade, die teilweise an die traditionellen Namen angelehnt sind.

Metrische Schriftgrade
Anwendung (Name) q mm μm dd pt pp px
(Perl) 07 1750 4⅔ 05,0 05,0 06,7
Fußnote (Nonpareille) 09 2250 6 06,4 06,4 08,5
Tabelle 10 2500 6⅔ 07,1 07,1 09,5
Legende 11 2750 7⅓ 07,8 07,8 10,4
Zeitung (Petite) 12 3 3000 8 08,5 08,5 11,3
Buch, klein 13 3250 8⅔ 09,2 09,2 12,3
Buch, groß 14 3500 9⅓ 09,9 10,0 13,2
Foliant (Korpus) 15 3750 10 10,6 10,7 14,1
Titel (Cicero) 18 4500 12 12,8 12,8 17,1

Relative Größen

Neben den absoluten Schriftgrößen, bei denen einem Schriftgrad eine bestimmte Länge zugeordnet werden kann, gibt es in der Computergrafik auch eine Maßangabe in Pixel (px). Während die reale Größe eines Pixels bei Geräten durch die Konstruktion festgelegt ist, kann es beim Drucken eines in Pixel angegebenen Schriftgrads zu Überraschungen kommen, wenn die Zuordnung nicht festgelegt wird. Deshalb ist z. B. bei CSS für Pixelwerte eine Umrechnung in DTP von 1 Zoll = 72 pt = 96 Pixel festgelegt.[2] Dadurch wird der relativen Schriftgröße eine absolute Schriftgröße zugeordnet. Andere in CSS definierte Einheiten wie "em" und "ex" beziehen sich auf die aktuell verwendete Schrift und sind deshalb erst mit Festlegung einer absoluten Schriftgröße umrechenbar.

Tabelle der Schriftgrade

Im Bleisatzzeitalter musste jeder Schriftgrad eigens geschnitten werden. Die verwendeten Namen beziehen sich daher auf absolute Größen und nicht auf bestimmte Punktangaben in einem beliebigen System. So erklärt sich die Verschiebung der französischen Bezeichnungen zwischen Fournier- und Didot-Punkt.

Kegelhöhen verschiedener Schriftgrade aus dem Bleisatz[4]
Bezeichnung Fournier Didot Angelsächsisch
deutsch französisch fp mm dd alt (mm) neu (mm) pt Pica (mm) DTP (mm) englisch
Brillant Diamant 3 1,13 1,13 3 1,05 1,06 Excelsior
Diamant Sédanoise 4 1,50 1,50 4 1,40 1,41 Brilliant
Perl Parisienne 5 1,70 5 1,88 1,88 5 1,75 1,76 Pearl
Nonpareille Nonpareille 6 2,04 6 2,26 2,25 6 2,10 2,12 Nonpearl
Kolonel Mignone 7 2,38 7 2,63 2,63 7 2,45 2,47 Minion
Petit-texte 8 2,72 2,82 2,81
Petit Gaillarde 9 3,06 8 3,01 3,00 8 2,80 2,82 Brevier
Borgis Petit romain 10 3,40 9 3,38 3,38 9 3,15 3,18 Bourgeois
Korpus/Garmond Philosophie 11 3,74 10 3,76 3,75 10 3,51 3,53 Long Primer
Rheinländer Cicéro 12 4,08 11 4,14 4,13 11 3,86 3,88 Small Pica
Cicero St. Augustin 14 4,76 12 4,51 4,50 12 4,21 4,23 Pica
Mittel Gros-texte 16 5,44 14 5,26 5,25 14 4,91 4,94 English
Tertia 16 6,02 6,00 16 5,61 5,64 Columbian

Ab einem Schriftgrad von 4 Punkt gilt die „Deutsche Normalschriftlinie“. Die Unterscheidung „Grobe“ vor dem Schriftnamen weist oft auf eine Absenkung der Schriftlinie hin, um ein etwas größeres (groberes) Schriftbild auf einem gleich hohen Kegel unterzubringen.

Im Deutschen waren für die Didot-Grade teils auch noch weitere Bezeichnungen im Gebrauch: Non Plus Ultra (2 Didot-Punkt), Microscopique (2½), Insertio (6½), Paragon (18), Text (20), Kanon (36, klein: 32, grob: 42), Konkordanz (48), Missal (klein: 48, grob: 54), Sabon (60) sowie das Präfix Doppel für Cicero (24), Mittel (28) und Tertia (32).

Ab der „Kanon“ (36 Punkt) aufwärts bezeichneten die deutschen Namen nicht immer dieselben Schriftkegel. So findet man „Kanon“ für 32 und 36 Punkt, „Grobe Kanon“ für 40 und 42 Punkt, „Missal“ gar für 48, 54 und 60 Punkte. „Sabon“ und Bezeichnungen größerer Grade standen immer für verschiedene Kegelhöhen.

Literatur

  • Jan Tschichold, 2001: Erfreuliche Drucksachen durch gute Typographie, Kapitel Das typographische Maßsystem. Augsburg: Maro, ISBN 3-87512-413-8, ab Seite 53
  • Claudia Runk, 2006: Grundkurs Typografie und Layout, Abschnitt 1.7: Typografisches Maßsystem. Bonn: Galileo, ISBN 3-89842-406-5, Seiten 79 und 80
  • Eberhard Dilba: Typographie-Lexikon und Lesebuch für alle, 2. Auflage, Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8334-2522-6, Seiten 130–132

Einzelnachweise

  1. Williams, Jim: Type Matters! : Simple tips for everyday typography. Merrell Holberton Pub Ltd, 2012.
  2. a b c CSS Values and Units Module Level 3. Editor’s Draft. W3C, 19. Dezember 2014, abgerufen am 27. Dezember 2014 (englisch, CSS-Spezifikation: absolute Längenmaße).
  3. Punktdichte, Wikibook Digitale bildgebende Verfahren Kapitel Wiedergabe
  4. nach Forssmann/de Jong: Detailtypographie (mit Millimetern, ohne Niederländisch)

Weblinks

Wiktionary: Schriftgrad – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen