Sozialistischer Klassizismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. September 2015 um 10:06 Uhr durch Chricho (Diskussion | Beiträge) (→‎Allgemeines, Merkmale und Einordnung: steht weiter oben präziser. nur als etwas „gelten“ passt mit dem attribut „offiziell“ nicht zusammen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kulturpalast, Warschau

Als Sozialistischer Klassizismus, auch „(Stalinistischer) Zuckerbäckerstil“, „Stalingotik“ oder „Stalin-Empire“ – Сталинский ампир, wird der Baustil von Repräsentativbauten in der Sowjetunion in der Zeit des Machthabers Josef Stalin bezeichnet. Er setzte dem Konstruktivismus und der Russischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts in der Architektur ein Ende. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er auch in andere Länder des sozialistischen Lagers, bis hin nach China und Nordkorea „exportiert“.

Allgemeines, Merkmale und Einordnung

Er ist Teil des Sozialistischen Realismus, der seit dem Jahre 1934 einziger zugelassener Kunststil in der Sowjetunion war. Geprägt ist der Stil des Sozialistischen Klassizismus durch palastartige Gebäude, die zahlreiche Verzierungen an den Fassaden, Säulen, Säulenhallen und Turmaufbauten enthalten.

Grundsatz dieser Architekturform(en) war das qualifizierte Zitat historischer Bauformen im Sinne einer „nationalen Tradition“, sodass die tatsächlich verwendeten Elemente und Formen variieren. Der Begriff „Sozialistischer Klassizismus“ eignet sich dennoch zur Beschreibung des Gesamtphänomens, da eben klassizistische Formen staatenübergreifend angewandt wurden.

Der abschätzig als Zuckerbäckerstil bezeichnete Baustil kam mit dem Tod Stalins und der Entstalinisierung aus der Mode. Seitdem setzte man in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Staaten auf eine funktionalistische und stark industrialisierte Architektur.

Sozialistischer Klassizismus in verschiedenen Staaten

Sowjetunion

Hotel Ukraina in Moskau, eine der „Sieben Schwestern

In vielen sowjetischen Großstädten, besonders in Moskau, wurden diese Monumentalgebäude errichtet. Berühmte Beispiele in Moskau sind der Stalinsche Neubau der Lomonossow-Universität, die Hotels Ukraina und Leningradskaja und das Außenministerium. Zusammen mit drei anderen Hochhäusern bilden diese die Gruppe der sogenannten „Sieben Schwestern“.

Der größte Bau des Sozialistischen Klassizismus sollte ebenfalls in Moskau entstehen. Es war dies der Palast der Sowjets (Дворец Советов), der zur Zeit der Erbauung mit 415 Metern das höchste Gebäude der Welt gewesen wäre. Als Bauplatz sollte der Platz der 1931 abgerissenen Christ-Erlöser-Kathedrale dienen. Der Palast der Sowjets war Teil eines „Generalplans zur Stadterneuerung“, der den Umbau Moskaus zur sozialistischen Musterstadt vorsah. Parallel dazu gab es auch für Leningrad einen Generalplan, der den Bau eines neuen Zentrums am Moskauer Platz (Московская площадь) beinhaltete. Was seine Konsequenzen für das historische Stadtbild angeht, war der Moskauer Generalplan jedoch weitaus radikaler.

Der Zweite Weltkrieg stoppte die Bauarbeiten am Moskauer Palast der Sowjets. Nach Stalins Tod wurde das Projekt aufgegeben und das Fundament zu einem Freibad (Schwimmbad Moskwa) umgebaut. 1994 wurde wiederum das Schwimmbad abgerissen und wenig später die zerstörte Kirche wieder aufgebaut.

1946 wurde in Moskau das Hotel Peking errichtet. Architekt war Dmitri Nikolajewitsch Tschetschulin, der auch am Bau des Weißen Hauses in Moskau beteiligt war.

DDR

Teil der Magdeburger Innenstadt im Stil des Sozialistischen Klassizismus

In Deutschland findet sich dieser Stil in vielen Städten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Dabei wurde er sowohl bei der Rekonstruktion beziehungsweise dem Neuaufbau zerstörter Stadtgebiete, etwa in Berlin (dort vor allem in Friedrichshain), Magdeburg und Neubrandenburg angewandt – als auch bei Entwurf und Bau neuer Stadtviertel, wie z. B. in Rostock-Reutershagen I.

Wichtigstes und in seiner Monumentalität einzigartiges Projekt war die Stalinallee in Berlin-Friedrichshain. Unter Leitung desselben Architekten, Hermann Henselmann, wurde auch ein Wohnkomplex im Bereich der Ostseestraße erbaut. Hervorzuheben ist ferner die Präsenz des sowjetischen Stils in Gestalt der Botschaft der UdSSR Unter den Linden.

Stalinstadt wurde ab 1950 als Planstadt im sozialistischen Klassizismus aufgebaut, als Wohnort für die Arbeiter des neu entstehenden Eisenhüttenkombinats. Weite Teile der Stadt insbesondere der II. Wohnkomplex bestehen aus sozialistisch-klassizistischen Gebäuden. Somit stellt das Ensemble ein herausragendes Beispiel des Zuckerbäckerstils in der DDR dar.

In Dresden wurde der Stil beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg angewendet, dabei zumeist angelehnt an den Dresdner Barock. Beispiele hierfür sind der Komplex Altmarkt 4–6/Wilsdruffer Straße 15–21 und das Centrum-Warenhaus am Altmarkt, die Bebauungen entlang der Wilsdruffer Straße (Innere Altstadt), die Gebäude an der Grunaer Straße (Pirnaische Vorstadt) sowie die Gebäude der ehemaligen Hochschule für Verkehrswesen und ein ganzes Wohnviertel entlang der Nürnberger Straße (Südvorstadt).

Beispiele dieser Bauepoche in Leipzig sind die am südöstlichen City-Ring von Architekt Rudolf Rohrer 1953 bis 1956 errichteten fünf- bis achtgeschossigen Wohnhäuser mit dem Ring-Café am Roßplatz. Auch die frühen Bauten des ehemaligen Zentralstadions beziehungsweise Sportforums (v. a. Glockenturm und Seitenfunktionalbauten) sowie einige der ehemaligen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) zeigen klare Züge dieser Epoche.

Beim Neuaufbau der Langen Straße zur neuen Hauptstraße in Rostock entwarfen die Architekten (z. B. Joachim Näther) einen von der norddeutschen Backsteingotik inspirierten Stil.

Ein Beispiel in Chemnitz ist das repräsentative Gebäude im Stadtteil Siegmar, Jagdschänkenstraße 50, das ab 1951 im Auftrag der SAG Wismut, der Vorläuferin der SDAG Wismut, errichtet wurde: Nach anfänglicher anderer Nutzung wurde es in den 1950er Jahren Sitz der Hauptverwaltung der SDAG Wismut. Es steht unter Denkmalschutz und ist seit 1991 Sitz der heutigen Regionaldirektion Chemnitz der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.

Weitere sozialistische Staaten

Bedeutende Einzelbauten des Sozialistischen Klassizismus sind der Kulturpalast in Warschau, das Hauptgebäude der Akademie der Wissenschaften in Riga, das Hotel International in Prag und die Große Halle des Volkes in Peking. Zum Sozialistischen Klassizismus rechnet man häufig auch den Parlamentspalast in Bukarest, obwohl er in den 1980er-Jahren geplant und gebaut wurde. Dies geht eher auf den politischen Zusammenhang zurück, als auf den bauhistorischen.

Architekten des Sozialistischen Klassizismus

Theater der Russischen Armee

Architekten des Sozialistischen Klassizismus waren unter anderen

Sowjetunion:

DDR:

Literatur

  • Bruno Flierl: Gebaute DDR - Über Stadtplaner, Architekten und die Macht. Verlag für Bauwesen Berlin, Berlin 1998, ISBN 3-345-00655-3.
  • Dmitrij Chmelnizki: Die Architektur Stalins. Studien zu Ideologie und Stil. ibidem-Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-89821-515-2.
  • Birk Engmann: Bauen für die Ewigkeit: Monumentalarchitektur des zwanzigsten Jahrhunderts und Städtebau in Leipzig in den fünfziger Jahren. Sax-Verlag, Beucha 2006, ISBN 3-934544-81-9.
  • Alexej Tarchanow, Sergej Kawtaradse: Stalinistische Architektur. Klinkhardt und Biermann, München 1992, ISBN 3-7814-0312-2.

Weblinks

Commons: Stalinistische Architektur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien