Michaeliskirche (Hildesheim)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Juli 2006 um 16:27 Uhr durch Dronkitmaster (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ansicht von Südosten

St. Michael zu Hildesheim, auch als Michaeliskirche bezeichnet, ist eine vorromanische Hildesheimer Kirche. Seit 1985 zählt sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sie soll 2014 das Motiv auf der Rückseite der deutschen 2-Euro-Gedenkmünze sein.

Geschichte

Kirche St. Michael, Zeichnung von 1662

Bischof Bernward von Hildesheim (993-1022) ließ St. Michael von 1010-20 als Klosterkirche für das von ihm gestiftete Benediktinerkloster auf einem Hügel nördlich der Domburg errichten. Er bestimmte die Westkrypta zu seiner Grablege und gab der Anlage den Namen des "Totengeleiters" Michael. Es ist umstritten, ob Bernward die heute im Hildesheimer Dom befindlichen Bronzetüren für St. Michael arbeiten ließ, fest steht hingegen, dass die seit dem 19. Jh. ebenfalls im Dom befindliche bernwardinische Christussäule für St. Michael geschaffen wurde. Die Kirche wurde jedoch erst 1033 von seinem Nachfolger Godehard geweiht (Teil-Weihe aber schon am 29.9.1022), was 1186 nach einem Brand und einem Umbau (darunter Erneuerung fast aller Langhaussäulen) unter Bischof Adelog erneut geschah. 1171-90 wurden die sehenswerten Kapitelle gebaut. 1192 wurde Bernward heilig gesprochen. Daher entstanden von 1194 bis 1197 die Stuckreliefs der Engelschorschranken am Eingang der Krypta. Die weiter unten näher beschriebene bemalte Holzdecke St. Michaels im Langhaus entstand um 1230. 1250 baute man den Kreuzgang (neu), der die Kirche mit der alten Klosterkapelle der Abtei verband, die vor dem Bau der Michaeliskirche genutzt wurde. Mit Einführung der Reformation in Hildesheim wurde die Michaeliskirche evangelisch-lutherisch. Der Benediktinerkonvent blieb jedoch bis zur Säkularisation 1803 bestehen und durfte die "kleine Michaeliskirche" im Kreuzgang sowie die Bernwardskrypta zum Gottesdienst nutzen. Die Krypta ist bis heute katholisch. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Michaeliskirche zerstört, doch 1950-57 wieder aufgebaut. 1985 erfolgte die Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe, zu dem auch der Hildesheimer Dom, der Domschatz und der 1000-jährige Rosenstock am Dom zählen.

Architektur

Der nach dem Krieg rekonstruierte Westchor mit der Bernwardskrypta
Blick aus einem Seitenschiff auf die Arkaden im typischen Niedersächsischen Stützenwechsel, um 1186 erneuert
Datei:St.MichaelInnen.jpg
Blick aus dem Langhaus in Querschiff und Ostchor

St. Michael ist eine der bedeutendsten erhaltenen Kirchen im ottonischen, also vorromanischen, Baustil. Es ist eine doppelchörige Basilika mit zwei Querhäusern und einem quadratischen Turm an jeder Vierung. Die Querhäuser werden von je zwei runden, kleineren Treppentürmen flankiert. Der gesamte Bau folgt einer aus gleich großen Quadraten entwickelten geometrischen Konzeption.

Ihr Grundriss zeigt eine völlige Gleichgewichtetheit der Ost- und Westflügel. Der Gruppe von Apsis und Querhaus entspricht die gleiche Gruppe im Westen. Der Durchdringungsraum von Mittelschiff und Querhaus, die Vierung, ist die Maßeinheit, nach der das gesamte Bauwerk proportioniert ist. In den vier Querhausarmen erscheint dieses Quadrat je einmal, im Mittelschiff dreimal, schließlich im Westchor zwischen Querhaus und Apsis noch einmal.

Der Außenbau zeigt einen vollkommenen Ausgleich von vertikalen (Turmgruppen) und horizontalen Bauteilen (Mittelschiff, Querhäuser). Die statische Geschlossenheit der Anlage bewirken die beiden gleichgewichtigen Turmgruppen, würfelförmige Zentraltürme mit Pyramidendächern und Treppentürme, in Ost und West, die die Bewegung des Langhauses fest begrenzen. Die spitzbogigen Fenster im Seitenschiff sind in der Gotik hinzugekommen.

Der Innenraum wird durch eine hölzerne Flachdecke abgeschlossen, die im 13. Jahrhundert mit der Wurzel Jesse, dem Stammbaum Christi bemalt wird. Die Wand ist als Fläche erhalten, in die die rundbogigen Fenster eingeschnitten sind. Ein schmales Gesims trennt die Arkaden von der Hochwand. Ohne aus der Wandflucht hervorzuspringen, stehen Säulen und Pfeiler im Stützwechsel. Die beiden Vierungen im Osten und Westen sind nach allen vier Seiten durch mächtige Rundbogen hervorgehoben. Ihnen fällt zum einen die Aufgabe zu, die Raumstruktur überschaubar zu machen, zum anderen als konstruktive Elemente die schweren Vierungstürme zu tragen. Dem klaren, massiven Raumgefüge entspricht die Schmucklosigkeit der einzelnen Bauteile.

Nach einer Idee Bernwards wurden die Arkaden des Langhauses im niedersächsischen Stützenwechsel gebaut, wobei sich vier Eckpfeiler mit paarweise gekoppelten, Würfelkapitelle tragenden Rundstützen abwechseln. Das Langhaus ist dreischiffig und dreijochig und wird im Mittelschiff von einer Holzdecke überdacht, während die Seitenschiffe Steingewölbe-Dächer haben. Der Wandaufbau ist zweizonig. Über den Arkaden erstreckt sich die Mauer mit Rundbogenfenstern, durch die das Licht ins Mittelschiff einfällt. Weiteres Licht kommt durch die - gotischen - Spitzbogenfenster der Seitenschiffe.

Chorfenster

Der Gesamteindruck des heutigen Innenraums ist durch die Farbigkeit der 1965 von Charles Crodel (1894-1973) geschaffenen fünf Chorfenster mit den großen, an mittelalterliche Buch- und Glasmalerei erinnenden Engelsdarstellungen geprägt. Die gesamtarchitektonische Wirkung wird durch die aus der Bildtradition der Deckenmalerei entwickelten modernen Bildsprache erreicht. Der farbige Aufbau der Glasmalerei betont zudem die Rundung der Apsis und des hohen Chores gegenüber dem Kirchenschiff und vergegenwärtigt zugleich das Patrozinium der dem "Schutz des Erzengels Michael und der ganzen himmlischen Heerschar" unterstellten Kirche.

Deutung

St. Michael wird gern als Gottesburg bezeichnet. In der Tat macht der Bau durch seine Lage, durch die massiven Mauern und wehrhaften Türme einen burgartigen Eindruck. Treffender ist die Leitidee jedoch mit Gottesstadt wiedergegeben. Zwar war die mittelalterliche befestigte Stadt immer zugleich Burg, doch steht hier nicht der kriegerisch-abwehrende, sondern der Wohnung und Gemeinschaft stiftende Aspekt im Vordergrund. Es handelt sich um ein Abbild der vollkommenen, endzeitlichen "Stadt auf dem Berg", die keinen Tempel mehr braucht, weil sie insgesamt Tempel - Wohnung Gottes mit den Menschen - ist. Die geometrische Konstruktion erinnert an die Maßangaben des Tempels in Ez 40f wie an den quadratischen Grundriss der Gottesstadt nach Offb 21,16. Sie ist gesichert gegen das Dunkle und Böse (Michael, der Drachenbezwinger), hat aber weit geöffnete Tore für das Gottesvolk von allen Enden der Erde (Jes 2).

Bemalte Holzdecke

Fotografie der Holzdecke im heutigen Zustand

Die bemalte Holzdecke im Mittelschiff des Langhauses, die im 13. Jahrhundert entstand, ist einzigartig nördlich der Alpen (Johannes Sommer datiert in seinem Buch 1999 ISBN 3-7845-7410-6 die Westchor-Erweiterung und die Deckenmalerei in die Jahre gegen 1200 und begründet dies hauptsächlich damit, dass es nach dem 1204 resignierten Abt Theoderich II. im Kloster keine Persönlichkeit mehr gab, die zu solchen Leistungen fähig gewesen wäre). Sie misst 27,6 x 8,7 Meter und besteht aus Eichenbrettern. Abgebildet ist der sog. Jesse-Stammbaum, der die Abstammung Jesu darstellt. Die Malerei besteht aus acht Hauptfeldern, die jedes von zwei Menschendarstellungen (hauptsächlich Propheten) auf jeder Seite flankiert werden. Das erste Hauptfeld zeigt das Paradies und den Sündenfall. Das zweite zeigt Jesse und einen Baum, den "Jesse-Baum". Die weiteren Felder sind sozusagen die Früchte dieses Baumes. Sie zeigen David und weitere Könige Israels. Das siebte Feld zeigt Maria. Das achte Hauptfeld wurde 1650 bei einem Einsturz des Vierungsturms zerstört. Seit 1960 wird es durch ein Bild Christi als Weltenrichter ersetzt, das nach einer Vorlage aus dem 19. Jahrhundert entstand.

Zahlen

Gesamtlänge 74,75m
Gesamtlänge der Querhäuser 40,01m
Gesamtbreite der Querhäuser 11,38m
Länge der Krypta 18,36m
Breite des Langhauses 22,75m
Länge des Mittelschiffs zwischen den Querhäusern 27,34m
Breite des Mittelschiffs zwischen den Arkaden 8,60m
Höhe des Mittelschiffs 16,70m
Stärke des Mauerwerkes 1,63m

Lage und Umgebung

St. Michael liegt am westlichen Rand des Stadtkerns von Hildesheim auf dem sog. Michaelishügel. Über die Südseite wird das Langhaus durch das Hauptportal betreten. Hinter der Kirche schließt ein Garten an, der Klostergarten. Über den alten Kreuzgang, der auch über diesen Garten zu erreichen ist, gelangt man in die modernen (Kirchenverwaltungs-)Gebäude der Umgebung, z.B. die Landessuperintendur oder das Kirchenkreisamt. Nach Osten und Süden erreicht man über Seitenstraßen das Stadtzentrum, Richtung Westen liegt die Innerste und im Norden schließt das Gymnasium Andreanum an.

Literatur

  • Hartwig Beseler, Hans Roggenkamp, Die Michaeliskirche in Hildesheim, Berlin 1954
  • Johannes Sommer: St. Michael zu Hildesheim. 3., durchges. Aufl. Königstein i. Ts. 1993 (= Die BlauenBücher).
  • Johannes Sommer: Das Deckenbild der Michaeliskirche zu Hildesheim. Ergänzter Reprint der Erstauflage Hildesheim 1966 nebst einer kritischen Übersicht über die seitherigen Forschungen 1999. Königstein i. Ts. 2000. ISBN 3-7845-7410-6

Quellen und Weblinks

Commons: St. Michael (Hildesheim) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Navigationsleiste Welterbestätten in Niedersachsen und Bremen

Vorlage:Koordinate Artikel