St. Paulus (Worms)

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Westfassade

Die Kirche St. Paulus in Worms war bis zur Säkularisation 1802 die Kirche und der Mittelpunkt des gleichnamigen Stifts. Sie war 1929–2024 die Klosterkirche des Wormser Dominikanerklosters St. Paulus. Das Patrozinium liegt bei Paulus von Tarsus.[1]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Archäologisches Fenster vor dem Ostchor von St. Paulus mit römisch-mittelalterlichen Fundamenten der ersten, östlichen, inneren Stadtmauer
Archäologisches Fenster vor dem Ostchor von St. Paulus mit römisch-mittelalterlichen Fundamenten der ersten, östlichen, inneren Stadtmauer
Johann Martin Seekatz, zentrales Deckengemälde: Bekehrung des Hl. Paulus (im 2. Weltkrieg zerstört)
Johann Martin Seekatz, zentrales Deckengemälde: Bekehrung des Hl. Paulus (im 2. Weltkrieg zerstört)

An der Stelle im Stadtbereich, die heute die Kirche einnimmt, befand sich in spätrömischer Zeit ein Teil des letzten römischen Kastells und dort stand an die ursprüngliche rheinseitige östliche Mauer der Stadtbefestigung angelehnt, die Burg der Saliergrafen.[2] In der Bauhofgasse, unmittelbar vor dem Ostchor von St. Paulus, wurde ein Archäologisches Fenster offen gelassen, das die Abfolge römischer und mittelalterlicher Fundamente dieser Befestigungen zeigt.

Topografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nur wenige Schritte nördlich und parallel zur Stiftskirche lag die zugehörigem, allerdings kleinere, aber frühmittelalterliche Pfarrkirche St. Rupertus. Die Stiftsklausur schloss sich südlich an die St. Pauluskirche an.[3] Nordöstlich von ihr stand das Haus des Propstes.[4] Die Kirche umgab in Mittelalter und Früher Neuzeit im Westen und Norden ein Friedhof.[5] Stiftskurien (Stiftsherrenhäuser) verteilten sich im Immunitätsbezirk, der östlich von der Stadtmauer bis westlich an die heutige Römerstraße reichte. Dessen südliche Begrenzung war der Eisbach, die nördliche Grenze ist nicht so sicher. Es könnte die heutige Pfalzgrafenstraße gewesen sein.[6]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufriss der Westseite von St. Paulus in Georg Moller: Denkmähler der deutschen Baukunst Band 2,2
Aufriss der Westseite von St. Paulus in Georg Moller: Denkmähler der deutschen Baukunst Band 2,2
Schnitt durch die Kirche in Georg Moller: Denkmähler der deutschen Baukunst Band 2,2
Schnitt durch die Kirche in Georg Moller: Denkmähler der deutschen Baukunst Band 2,2
Innenansicht nach Osten
Innenansicht nach Osten
Innenansich nach Westen
Innenansich nach Westen
Epitaph von Bischof Gegg, zerstört 1945

Mittelalter und frühe Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 3. Oktober 1002 schenkte König Heinrich II. dem Bistum Worms den Besitz von Herzog Otto von Worms in der Stadt und deren Umland. Dazu gehörte auch die Burg der Salier, ein Areal, das Bischof Burchard nutzte, um dort Kirche und Stift St. Paulus einzurichten. Die Arbeiten begannen laut Vita Burchardi unmittelbar nach der Räumung der Burg durch den Herzog.[7]

Diese erste Kirche war eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika mit drei Apsiden im Osten. Sie war etwa 40. m lang und hatte kein Querschiff.[8] Um 1190[Anm. 1] wurde der Ostchor des Hauptschiffs erneuert und der heute noch stehende Chor mit einem inneren Abschluss aus fünf Konchen gestaltet, der nach außen einen Fünfachtelschluss und eine große Zwerchgalerie aufweist.[9] Das Äußere der Chorapside von St. Paulus kopiert etwas vereinfacht und in kleinerem Maßstab die um 1080–1195 errichtete spätromanische Chorapside des Fritzlarer Doms, der ebenfalls von Wormser Bauleuten errichtet wurde.

Beim großen Stadtbrand am 13. Juli 1221 und bei einem Quartiersbrand im Juli 1231 soll nach sehr viel später verfassten Chroniken auch die Kirche beschädigt worden sein[10] – Baubefunde dazu gibt es allerdings nicht.[11] Der Wiederaufbau zog sich bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts hin. Im Anschluss an diese Ereignisse wurde auch das heute noch erhaltene Westwerk mit einem zusätzlichen Turm vor die beiden bestehenden Türme gesetzt.[Anm. 2] Das Kirchenschiff war nie eingewölbt.[12]

1689 wurde die Kirche im Pfälzischen Erbfolgekrieg so schwer zerstört, dass beim Wiederaufbau am Anfang des 18. Jahrhunderts die Ruine des Kirchenschiffs abgetragen und durch eine barocke, einschiffige Saalkirche in der Breite der vorher vorhandenen drei Schiffe ersetzt wurde[13], die der Wormser Weihbischof Johann Baptist Gegg am 7. November 1717 weihen konnte.[14] 1730 wurde er in der Kirche beigesetzt.[15] und erhielt dort ein Epitaph, das bei der Zerstörung der Pauluskirche 1945 unterging. Die Decke der Saalkirche war von Johann Martin Seekatz mit Szenen aus dem Leben des St. Paulus ausgemalt, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden.[16]

Profane Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Besetzung von Worms im Ersten Koalitionskrieg wurde die Kirche profaniert und zu einem Lager für Mehl umgebaut. Die verbliebenen Stiftsherren feierten ihre Gottesdienste nun in der Dominikanerkirche.[17] 1802 wurde das Stift durch die Franzosen aufgehoben. Das Kirchengebäude und die Stiftsbauten kamen 1803 zum Vermögen der St. Martin-Gemeinde, die die Anlage aber gottesdienstlich nicht nutzte, sondern für profane Zwecke vermietete. 1806 diente die Kirche als Heu-, später als Tabak- und Holzlager. Die Sakristei wurde um 1860 abgebrochen.[18] Die Ausstattung gelangte teilweise in andere Kirchen.

Von 1881 bis 1926 diente die Kirche als Museum[19], die Stiftsgebäude als Bibliothek.[20] Hier wurde die Sammlung des Altertumsvereins Worms gezeigt. Die Einrichtung trug die Bezeichnung „Paulusmuseum“. Für die Nutzung als Museum erhielt der Innenraum eine Ausmalung von Lorenz Gedon.[21]

Dominikanerkloster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts entschloss sich der Dominikanerorden, erneut eine Ordensniederlassung in Worms zu gründen. Als Standort wurde St. Paulus mit den umgebenden ehemaligen Stiftsgebäude ausgesucht. Bei Bauarbeiten in Vorbereitung auf diese Umnutzung wurde 1928 im Chor der Kirche auch das Grab von Bischof Gegg aufgefunden, der 1929 links hinter dem neu aufgebauten Hochaltar wieder beigesetzt wurde. Auch der barocke Hochaltar im Chor wurde damals dort aufgestellt. Er stammt aus dem Jahr 1718 und wurde für die Pfarrkirche St. Peter in Herrnsheim geschaffen.[22] In der Altarinsel vorne im Kirchenschiff befinden sich Reliquien der Märtyrer Gratia, Castus und Gaudiosus.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche bei mehreren Luftangriffen auf Worms, vor allem bei dem Luftangriff vom 21. Februar 1945, stark beschädigt und die Innenausstattung zerstört.[23] Vorübergehend dienten nun zwei Flügel des Kreuzgangs in der Form einer Winkelkirche als provisorische Kirche. Knapp drei Jahre später war die Kirche wiederhergestellt, der Innenraum in vereinfachten Formen, um den Abschluss der Arbeiten zu beschleunigen. Sie wurde am 8. Dezember 1947 vom Mainzer Bischof Albert Stohr neu geweiht.[24]

1968 wurde das Dach über der Westfassade bei einem Sturm beschädigt, der auch zahlreiche Bäume umriss, wobei die Stützmauer hinter der Ostseite der Kirche beschädigt wurde. 1973 begannen Restaurierungsarbeiten in der Kirche.[25] Von 1989 bis 1994[26] wurde die die Kirche und 1999 deren Innenraum umfassend renoviert.[27] Bis zu dessen Auflösung 2024 diente sie weiter dem Dominikanerkloster St. Paulus.

Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Besonderheit der Architektur sind die beiden in mehreren Bauphasen errichteten Rundtürme. Sie wurden noch vor 1110[Anm. 3] – also unmittelbar nach dem Ersten Kreuzzug – fertiggestellt.[28] Sie tragen steinerne Kuppeldächer im byzantinischem Stil, vielleicht nach dem Modell der Jerusalemer Grabeskirche. Drei ähnliche Kirchtürme in Rheinhessen werden als „Heidentürme“ bezeichnet.[Anm. 4] Das von ihnen überragte romanische Westwerk stammt aus dem 13. Jahrhundert und weist bereits gotische Einflüsse auf. Bekrönt ist es mittig von einem weiteren Turm, der gegenüber seiner ursprünglichen Gestalt nach dem Wiederaufbau nach dem Zweite Weltkrieg um ein Geschoss eingekürzt und mit einem relativ flachen Dach gedeckt ist. Bis zum Zweiten Weltkrieg trug er eine barocke Turmhaube.[29]

Die Türen des Westportals aus Bronze sind verkleinerte Kopien der Bernwardstür des Hildesheimer Doms von 1015. Die ersten Kopien schuf der Bildhauer Lorenz Gedon 1881, allerdings fehlen aus Platzgründen bei beiden Flügeln jeweils die zwei obersten Bildfelder. Diese erste Kopie bestand im Gegensatz zum Original nicht aus Bronze, sondern aus Gusseisen. Der Eisenguss war aufgrund von Kriegsschäden, der Alterung und der Korrosion des Materials nach 120 Jahren in schlechtem Zustand. 2007 wurde das Portal deshalb in Bronze erneuert.[30]

An den Säulen zum Chor stehen zwei lebensgroße Gipsfiguren aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, rechts Paulus, links Dominikus. Der Kreuzweg im Westwerk wurde um 1935 vom Dominikanerpater Lukas Knackfuß gemalt. Er zeigt die Passionsgeschichte in der Szenerie des alten Worms.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St. Paulus (Worms) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die dentrochronologische Datierung ergab bei einem Gerüstholz das Jahr 1191/1192 (Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 645).
  2. Die dentrochronologische Datierung ergab bei einem Holz aus dem Dachstuhl das Jahr 1234/1235 (Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 647f).
  3. Die dentrochronologische Datierung ergab für die Dachaufbauten im Südturm als spätestmögliches Jahr 1105 und für den Nordturm das Fälljahr 1107 (Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 643).
  4. Es handelt sich um die Türme der Kirchen St. Bonifatius in Alsheim und St.-Viktor in Guntersblum – beide im Archdiakonat von St. Paulus gelegen – und Allerheiligen in Dittelsheim-Heßloch.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 621.
  2. Mathilde Grünewald: Die Römer in Worms. Konrad Theiss, Stuttgart 1986. ISBN 3-8062-0479-9, S. 85.
  3. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 639.
  4. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 652.
  5. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 653.
  6. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 632.
  7. Karl Börschinger (Übersetzer): Das Leben Burchards. In: Festausschuss (Hg.): Wormatia Sacra. Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Bistums Worms. Aus Anlass der Feier der 900. Wiederkehr des Todestages des Bischofs Burchhard. Otto Stenzel, Worms 1925, S. 8–42 (22).
  8. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 643.
  9. So: Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 644f.
  10. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 640.
  11. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 647.
  12. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 640f.
  13. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 644, 648f.
  14. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 640.
  15. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 637.
  16. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 655.
  17. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 640f.
  18. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 626, 645.
  19. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 621, 626.
  20. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 641.
  21. Hyacinth Holland: Gedon, Lorenz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 49, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 258–263.
  22. Döry: Der ehemalige Herrnsheimer Hochaltar.
  23. P. Rainer-M. Groothuis OP: Das Dominikanerkloster in Worms von seiner Gründung bis zum Ende des 2. Weltkrieges. In: P. Josef kleine Bornhorst OP: St. Paulus Worms 1002–2002. Kollegiatstift – Museum – Dominikanerkloster = Franz Staab: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 102. Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2002. ISBN 3-929135-36-1, S. 321–329 (328f).
  24. P. Burkhard M. Runne OP: Die Nachkriegszeit. In: P. Josef kleine Bornhorst OP: St. Paulus Worms 1002–2002. Kollegiatstift – Museum – Dominikanerkloster = Franz Staab: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 102. Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2002. ISBN 3-929135-36-1, S. 331–336 (331).
  25. P. Emmanuel (Karl-Heinz) Renz OP: Umbruch und Aufbruch. Die Zeit von 1965–1974. In: P. Josef kleine Bornhorst OP: St. Paulus Worms 1002–2002. Kollegiatstift – Museum – Dominikanerkloster = Franz Staab: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 102. Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2002. ISBN 3-929135-36-1, S. 337–344 (343f.)
  26. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 643.
  27. P Johannes Brunnenberg OP: Der Wormser Konvent in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts. In: P. Josef kleine Bornhorst OP: St. Paulus Worms 1002–2002. Kollegiatstift – Museum – Dominikanerkloster = Franz Staab: Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 102. Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2002. ISBN 3-929135-36-1, S. 345–352 (350).
  28. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 643.
  29. Keddigkeit, Rommel, Untermann, S. 646f.
  30. Geschichte. Auf der Homepage des Dominikanerklosters St. Paulus; abgerufen am 10. Dezember 2023.

Koordinaten: 49° 37′ 50,5″ N, 8° 21′ 56,1″ O