Stettiner Sänger

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Stettiner Sänger ist der Name eines ehemaligen Männer-Gesangsquartettes, das 1879 in Stettin unter dem Namen „Internationales Komiker-Quartett »Victoria«“ gegründet wurde und ab 1880 unter dem Namen „Stettiner Sänger“ auftrat.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese „Herrensängergesellschaft“ hatte sich ihren Namen zu Ehren ihres Gründungsortes Stettin gewählt.[1] Ihr Gründer Ferdinand Meysel, am 27. April 1858 in Frankfurt an der Oder als Sohn des Schauspielers Eduard Meysel geboren,[2] tat sich dort 1879 mit vier gleichgestimmten Sangesbrüdern, den Herren Rudolf Reese, Johannes Hippel, Eugen Häckel und einem gewissen Eterius, zusammen, um musikalische Kleinkunst zu machen. Heraus kam dabei das „Internationale Komiker-Quartett »Victoria«“, das zunächst im Raum Pommern und der näheren Umgebung auftrat. 1880 wurden daraus dann die „Stettiner Sänger“, zu denen bald auch der Komiker Paul Britton[3] stieß.

Im Sommer 1888 kamen sie zum ersten Mal nach Berlin. Dort hatten sie im „Concerthaus Sanssoucis“ in der Kottbusser Straße[4] Premiere. Bald aber schätzte man ihre bunten Programme in allen namhafteren Etablissements der Reichshauptstadt, bei Buggenhagen, in der Victoria-Brauerei und in der Tonhalle.[1] Das Reichshallen-Theater am Dönhoffplatz, wo sie 1883 zum ersten Male aufgetreten waren, pachteten die Sänger 1898; sie traten dort über 50 Jahre lang auf. Es bekam schließlich sogar den Namenszusatz Reichshallen-Theater Stettiner Sänger.[5] Am 2. Dezember 1929 konnte die Gesellschaft in Berlin ihr 50-jähriges Bestehen feiern.

1930 gab Ferdinand Meysel die Direktion an seinen Sohn Konrad Meysel ab. Unter seiner Leitung unternahmen die Stettiner Sänger noch bis zum Ende der 1930er Jahre Gastspielreisen durch das Deutsche Reich.[1] Ferdinand Meysel starb drei Jahre später am 26. März 1933. Die Berliner setzten ihm auf dem Friedhof Zum Heiligen Kreuz, Eisenacher Straße 62 (Tempelhof-Schöneberg) ein Ehrengrab.[6]

Markenzeichen der Sängergesellschaft wurden zwei biedermeierliche Landgendarmen: ein langer dürrer und ein kleiner dicker. Ein Reklameplakat hat die Darstellung der beiden Figuren erhalten.[7] Sie ist so populär geworden, dass man sie immer wieder dazu assoziierte, wenn Menschen mit diesen Körpermaßen ins Blickfeld gerieten und Aufmerksamkeit erregten.[8][9][10]

Die Programmstruktur der Stettiner unterschied sich nicht wesentlich von der der anderen Herrensängergesellschaften in Deutschland: es wechselten Quartettgesang, Solo- und Liedvorträge einander ab; zum Schluss gab es immer eine Ensembleszene, bei der alle mitwirkten. Den Großteil des Repertoires verfasste Ferdinand Meysel selber.[11]

Das Personal der Stettiner wechselte im Laufe ihrer Geschichte mehrfach; zeitweise traten bei ihnen auch andere Sänger und Humoristen auf, so z. B. Robert und Fritz Steidl[12], Albert Boehme, Carl Roehl und der Bassist Carl Heinrich Nebe (1867 - 1946, nicht zu verwechseln mit dem 1908 verstorbenen Opernsänger gleichen Namens!)

Auch die „Stettiner Sänger“ fanden schon früh den Weg vor die Aufnahmetrichter der Schallplattenfabrikanten. Sie haben zahlreiche Einspielungen bei Plattenfirmen ihrer Zeit hinterlassen: Grammophon, Zonophone, Homocord, Beka, Odeon, Favorite und Dacapo.[13]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schallplatten-Aufnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Vom Himmel hoch (mit Glockengeläut). Original-Quartett der Stettiner Sänger Berlin. Favorite 1-19 177, datiert 6. Oktober 1917
  • Sänger-Fisematenten. Potp. 1.- 3.Teil. Favorite 1-19 183, 1-19 184, 1-19 185
  • Mein deutsches Vaterland (Text: Ferd. Meysel) Potp. 1/2.Teil. Grammophon 18 357 (mx. 524 484, 524 485)
  • Berlin wackelt! Potp. 1/2.Teil (Camillo Morena). Homocord 14 910, 14 911 (4 9 13 A, 31 1 13 A), aufgen. 1913
  • Männer-Quartett mit Klavierbegleitung und Piston / Stettiner Sänger, Berlin: Odeon Nr. 302 385 (mx. xBo 5813) Das Meer (Schubert) / Odeon Nr. 302 386 (mx. xBo 4423) Das Abendglöcklein (Neithardt)
  • Gaudeamus igitur! Studentenlieder-Potp. 1/2.Teil. Odeon Nr. 64 339, 64 340 (mx. xB 5046 L, xB 5047 L)
  • Übermütige Zecher, Potp. 1/2.Teil (Meysel). Parlophon P.936-I und -II (mx. 1283, 1284)
  • Musikalischer Sect, Potp. 1/2.Teil (ohne Angb.) Parlophon P.937-I und II (mx. 1285, 1286)
  • Sänger-Schnurren (Text: Meysel) 1/2.Teil. Zonophone ×5- 24 193, ×5- 24 194

Wiederveröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jürgen Schebera & Klaus-Jürgen Hohn (Hrsg.): „Dass nichts bleibt, wie es war!“ - 150 Jahre Arbeiter- und Freiheitslieder. 3 CDs - Bear Family Records GmbH., Art. Nr.: NOL-00844,

CD Arbeiterlieder Vol. 1-3.

  • BCD 16 917 CD 1: Teil 1: Mann der Arbeit, aufgewacht! Lieder aus den Anfängen der Arbeiterbewegung. Sänger, Chöre, Orchester 1844 - 1918.
  • BCD 16 918 CD 2: Teil 2: Arbeiterlieder 1919 - 1928.

enthält:

  • Quartett „Stettiner Sänger“: Die Arbeitsmänner (Wer schafft das Gold zutage). CD 1, Track 24
  • Quartett „Stettiner Sänger“: Zum Völkerfrühling. CD 2, Track 19
  • Quartett „Stettiner Sänger“: Der Freiheit Morgenrot. Teil I + II, CD 2, Track 26

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • John, Richard und Torley, Richard: Die deutschen humoristischen Herren-Sänger-Gesellschaften in Wort und Bild. Hrsg. v. Richard John. Unter Mitw. v. Richard Torley. Leipzig 1940. 210 Seiten.
  • Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898–1945. Selbstverlag, Göttingen 1991, unpaginiert.
  • Lukas Richter: Der Berliner Gassenhauer: Darstellung, Dokumente, Sammlung. Deutsches Volksliedarchiv (= Volksliedstudien, Band IV). Waxmann, Berlin 2004, S. 100.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tonbeispiele:
  • Musikalischer Sect. Potpourri, 1. und 2.Teil (ohne Angaben) youtube.com, aufgen. 1912
    • In der Nacht, aus der Operette „Die Kino-Königin“ (Jean Gilbert) gramofon.nava.hu
    • Liebliche, kleine Dingerchen, aus der Operette „Die Kino-Königin“ (Jean Gilbert) gramofon.nava.hu, aufgen. 1913
  • Abbildungen:
    • Abbildung des “Reichshallen-Theaters Stettiner Sänger” (Ansichtskarten von 1910 und 1921) andreas-praefcke.de
    • Abbildung der beiden Landgendarmen, die zum Markenzeichen der Stettiner wurden, auf Ansichtskarte (“Gruss aus den Reichshallen”), gelaufen 1904, unter nobis24.com
    • Abbildung Plattenetikett (No Name) No.7956 “Weihnachten bei Krause”: Stettiner Sänger-Quartett historicalmusicstore.com
    • Abbildung Plattenetikett Anker No.9460-I „Metropoliana“ Potp. moderner Melodien gesungen vom Quartett der Stettiner Sänger Berlin, unter historicalmusicstore.com (Memento vom 29. April 2016 im Internet Archive)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898–1945. Selbstverlag, Göttingen 1991, unpaginiert.
  2. Wilhelmshöhe – ein verschwundenes Jdyll. In: Berlin und Berliner Geschichten, 1. November 2009; berlin.am (Memento vom 3. Januar 2012 im Internet Archive)
  3. Paul Britton wird erwähnt in:
    • Richard John, Richard Torley: Herrensängergesellschaften. S. 47–52 (Photo auf S. 49) und S. 192–193.
    • Artikel in der Berliner Stadtzeitung Scheinschlag: “Otto Reutter und Robert Steidl sieht man ins Gespräch vertieft. Den Dichter Hermann Frey kann man dort zwischen den Stettiner Sängern mit ihrem Direktor Ferdinand Meysel erblicken oder mit dem viel belachten unvergleichlichen Paul Britton plaudern, trinken und singen”. scheinschlag.de
    • Vergnügungs-Chronik. In: Berliner Tageblatt (Morgen-Ausgabe) 3. März 1912, S. 38. „Reichshallentheater. Die augenblickliche Repertoirenummer der Stettiner Sänger ‚Pantoffelhelden‘ gibt den Herren Britton - und Meysel - wieder Gelegenheit, ihre Komik in allen Nuancen spielen zu lassen. Die Burleske ‚Eine Hochzeit in der Müllerstraße‘ ist in Vorbereitung“. retro.dwds.de
  4. Abbildung Konzerthaus Sanssouci, Kottbusser Straße 4a, von 1881 (Querschnitt durch den Saalbau) Landesdenkmalamt Berlin, Microfiche-Scan mi03658e11; Rep. aus DBZ 15.Jg. 1881. bildindex.de
  5. carthaliaandreas-praefcke.de
  6. Hainer Weißpflug: Meysel, Ferdinand. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2005, ISBN 3-7759-0479-4 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
  7. Ein „Tempel des Wahns“. In: Berlin und Berliner Geschichten, 6. November 2009. berlin.am (Memento vom 2. August 2010 im Internet Archive) Eine Abbildung der beiden Landgendarmen, die zum Markenzeichen der Stettiner wurden, auf Ansichtskarte (“Gruss aus den Reichshallen”), gelaufen 1904, unter nobis24.com (Memento vom 13. Dezember 2015 im Internet Archive)
  8. auf dem Rücken des Umschlags zu Leimbach, Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898–1945, sind die beiden als „Vignette: Stettiner Sänger“ wiedergegeben.
  9. „Ein an die Plakatreklame der ‚Stettiner Sänger‘ erinnerndes Freundespaar“ bei Karl May erwähnt z. B. Max Finke (Mittel der Darstellung, S. 381). karl-may-gesellschaft.de
  10. Bernd Poch bringt sie in seinem Aufsatz „Das Volk tobte vor Vergnügen“ mit den beiden ähnlich aussehenden dänischen Komikern Schenström & Madsen (“Pat und Patachon”) in Verbindung, wenn er schreibt: „Die beiden ‚Stettiner Sänger‘ (siehe Gestalt!) haben sich mit Haut und Haaren einer kleinen, entzückenden Tänzerin verschrieben …“ massenmedien.de
  11. Werke - Beispiele:
    • Beliebte Lieder für eine Singstimme mit Pianoforte-Begleitung componirt von Ferd. Meysel, Leiter der Stettiner Sänger. 4. Dort unten ist Ruh! Repertoirlied des Herrn Carl Röhl (Stettiner Sänger). Ausgabe für tiefe Stimme und Klavier. Fritz Steidl, Berlin, o. J., 4 Seiten 34 × 27 cm mit einem photographischen Porträt von Ferdinand Meysel auf der Titelseite. In: Theaterwiss. Sammlg. Schloß Wahn, Burgallee 2, 51127 Köln, INV.-NR.: M 1474. schloss-wahn.de (Memento vom 12. März 2016 im Internet Archive)
    • Hugo mit’s Auto: Postkarte Gruss aus den Reichshallen (Hinweis auf „Stettiner Sänger“) mit Abbildung und einem Liedvers, philasearch.com
    • Ferdinand Meysel: „Eener und Eene“ (mit Ludwig Arno). Erhalten auf Edison 15 907 (aufgen. 1908).
  12. Artikel in der Berliner Stadtzeitung Scheinschlag über Veranstaltungen, die in Berlin vom 18. November bis 15. Dezember 1899 stattfanden: „… Der lächelnde Ceremonienmeister ist der ‚Stettiner Sänger‘ Fritz Steidl, dessen Brüder Robert und Otto ebenfalls anwesend sind. Krone, Meysel, Werner, Schrader, Kirchmayer, Schneider, Böckmann, lauter lustige Sangesbrüder vereint das Gruppenbild der Kanaken mit Herren aus der besten Gesellschaft, und wieder ertönt der Ruf: ‚Kanaka-aha!‘.“ Quelle: scheinschlag.de
  13. Auswahldiskografie „Stettiner Sänger“ unter dismarc.org