Target Controlled Infusion

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Target Controlled Infusion (TCI) bezeichnet die zielgerichtete Infusion von Arzneimitteln unter Verwendung von mikrochipgesteuerten Spritzenpumpen. Das Ziel ist hierbei das Erreichen und die Aufrechterhaltung einer bestimmten Wirkung (z. B. Schmerzfreiheit) anhand eines definierten Plasmaspiegels.

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die TCI wird besonders für Narkosetechniken verwendet, bei denen ab einem gewissen Plasmaspiegel mit ausreichender Analgesie und Narkose zu rechnen ist und unterhalb eines bestimmten Plasmaspiegels mit dem Erwachen der Patienten gerechnet werden muss. Der Berechnung der Plasmaspiegel liegen Rechenmodelle zugrunde, welche die pharmakokinetisch bedingt besonderen Eigenschaften der verwendeten Wirkstoffe berücksichtigen. Dazu zählt etwa die kontextsensitive Halbwertszeit.

Bei den Narkosen handelt es sich um totale intravenöse Anästhesien (TIVA) mit intravenösen Hypnotika (Propofol, Etomidat oder Barbituraten), Ketamin, Midazolam und unterschiedlichen Opioiden (Fentanyl, Remifentanil, Sufentanil).[1]

Umsetzung der Infusionskonzepte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schematische Darstellung eines für die TCI verwendeten Mehrkompartiment-Modells (modifiziert nach Wilhelm,[2] S. 57) zur Berechnung von Infusionsraten. Nach Verabreichung in das zentrale Kompartiment K1 verteilt sich der Wirkstoff von dort unterschiedlich schnell in zwei virtuelle periphere Kompartimente (K2, K3). Parallel dazu wird er ausgeschieden. Das virtuelle Effekt-Kompartiment KE modelliert das Auftreten des Wirkstoffs am Wirkort. Mit Hilfe der Geschwindigkeitskonstanten kxy und der fiktiven Volumina der Kompartimente lässt sich das pharmakokinetische Verhalten eines Wirkstoffs im Organismus simulieren und für die Steuerung der TCI nutzen. Die dargestellten anatomischen Strukturen sind keine realen, sondern fiktive Gegenstücke zu den Kompartimenten zur beispielhaften Veranschaulichung.

BET-Schema[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das BET-Schema wurde Anfang der 1980er Jahre entwickelt. BET steht für Bolus, Elimination und Transfer, jene drei pharmakologischen Vorgänge, die den Plasmaspiegel eines Wirkstoffs bewirken:[2]

  • Die initiale Gabe einer intravenösen Bolus-Dosis bewirkt das rasche Erreichen der Effektkonzentration.
  • Die anschließende kontinuierliche Zufuhr des Wirkstoffes kompensiert sein Verlassen aus dem Blutkreislauf durch einerseits Elimination und andererseits den Transfer in andere Verteilungsräume.
  • Der Transfer aus anderen Verteilungsräumen zurück in den Blutkreislauf wird durch exponentielle Reduktion der Infusionsrate ausgeglichen.

Kompartimentmodelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechnerisch lässt sich das pharmakokinetische Verhalten von Wirkstoffen über Kompartimentmodelle abbilden. Den Kompartimenten (Verteilungsräumen) können als physiologische Entsprechung der Blutkreislauf (als zentrales Kompartiment) und bspw. Muskel- oder Fettgewebe (als periphere Kompartimente) fiktiv gegenübergestellt werden. Parametrisch charakterisiert werden die Kompartimente über ein (virtuelles) Verteilungsvolumen und Geschwindigkeitskonstanten. Bei den in der Anästhesie verwendeten Wirkstoffen ist die Beschreibung mittels eines 1-Kompartimentmodells in der Regel nicht ausreichend, sondern es kommen 2- oder 3-Kompartimentmodelle zur Anwendung.[2] Modellparameter-Datensätze für die verschiedenen Anästhesie-Wirkstoffe (z. B. „Marsh-Datensatz“ für Propofol oder „Minto-Datensatz“ für Remifentanil)[2] werden zur Steuerung der Spritzenpumpen verwendet.

Effektkompartiment[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die „hinterher hinkende“ Wirkung eines Medikaments modellhaft zu erfassen, wurde ein Effektkompartiment (Effect-Site-Kompartiment, Biophase-Kompartiment) eingeführt. Physiologisch lässt sich diesem Kompartiment der eigentliche Wirkort zuordnen[1][3] (z. B. die Rezeptoren im Gehirn, an denen ein Anästhetikum wirkt[2]). Das Effektkompartiment dient einer genaueren zeitlichen Modellierung und berücksichtigt keine Mengenaspekte (Dosis).[1] Man konnte nachweisen, dass die gewünschte Wirkung eines Medikaments besser eintraf, wenn als angezielte Konzentration diejenige an der Effect Site eingestellt wurde.[3]

Kontextsensitive Halbwertszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kontextsensitive Halbwertszeit bzw. infusionsdauerabhängige Halbwertszeit trägt Verteilungsvorgängen in bzw. Rückverteilungsvorgängen aus den peripheren Kompartimenten Rechnung. Sie ist ein indirektes Maß für die Kumulation (Anreicherung) eines Wirkstoffes.[2]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • S. Schraag, J. Flaschar, Michael Georgieff: Target Controlled Infusion (TCI) – Stellenwert und klinische Perspektiven. In: Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. Band 35, Nr. 1, Januar 2000, S. 12–20, PMID 10689517 (englisch).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c C. Werner, B. Zwißler: Die Anästhesiologie. 4. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-54507-2, S. 230 ff.
  2. a b c d e f Wolfram Wilhelm (Hrsg.): Praxis der Anästhesiologie konkret - kompakt - leitlinienorientiert. 1. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-54568-3, S. 54 ff.
  3. a b J. Bruhn, H. Röpcke, T. Bouillon: Target-Controlled Infusion (TCI): Die Verabreichung intravenöser Anästhetika mit computergesteuerten Spritzenpumpen. In: Die Anästhesiologie & Intensivmedizin. DIOmed-Verlags GmbH, 2002, S. 547–557 (ai-online.info [PDF; abgerufen am 4. September 2021]).