Theo Memmel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Albin Theo Memmel (* 24. Dezember 1891 in Schweinfurt; † 10. September 1973 in Würzburg) war ein deutscher Gymnasiallehrer, NSDAP-Kreisleiter sowie von 1933 bis 1945 Oberbürgermeister von Würzburg.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Besuch der Volksschule und des Humanistischen Gymnasiums in Schweinfurt absolvierte Theo Memmel dort 1911 sein Abitur und studierte daran anschließend an der Universität Würzburg als Lehramtsanwärter Alte Sprachen, Geschichte und Deutsch. 1912 wurde er Mitglied der schlagenden Studentenverbindung Adelphia zu Würzburg (seit 1933 Burschenschaft Adelphia Würzburg).[1] Am 8. August 1914 meldete er sich als Freiwilliger für das 2. königlich-bayerische Feldartillerie-Regiment Würzburg, wurde im November 1915 Unteroffizier und am 8. Mai 1917 Offizier mit dem Rang eines Leutnants der Reserve. 1917 wurde er mit dem Bayerischen Militärverdienstorden IV. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. Im April 1919 nahm er an Straßenkämpfen während der Würzburger Räterepublik teil. Im Oktober 1919 setzte er sein Studium in Würzburg fort, wo er 1920 das Erste und im April 1921 das Zweite Staatsexamen als Lehrer ablegte. Danach war er als Lehrer an verschiedenen Schulen in Ulm tätig, bis er im Mai 1922 als hauptamtlicher Lehrer an die Sophienschule in Würzburg wechselte, die in sechs Jahrgangsstufen junge Mädchen zur Reifeprüfung eines Realgymnasiums[2] führen sollte. Er wurde dort 1926 in den Staatsdienst aufgenommen. Als Gymnasiallehrer war er am Humanistischen Gymnasium Weiden tätig und im September 1930 ging er als Studienrat an das Realgymnasium für Knaben nach Würzburg, wo er die historisch-philologischen Fächer unterrichtete. Am 1. Januar 1931 trat er in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ein (Mitgliedsnummer 414.175) und im darauffolgenden September wurde er Ortsgruppenleiter in Würzburg-Stadt, 1932 stellvertretender Kreisleiter. Am 1. Januar 1933 wurde er als Nachfolger von Hermann Griebl durch Gauleiter Hellmuth zum Kreisleiter ernannt und blieb dies bis zu seiner Absetzung durch Hellmuth im Mai 1935. Zudem war Memmel Fraktionsführer der NSDAP im Unterfränkischen Kreistag, im April 1933 Kreistagspräsident und 1933 bis 1934 auch Gauinspektor gewesen. Seine Nachfolger als Kreisleiter wurden Karl Clement, Franz Xaver Knaup und 1944 Heinz Wahl.[3]

Nachdem die Würzburger Studentenverbindungen im Nationalsozialismus ihren aktiven Betrieb einstellen und stattdessen Kameradschaften bilden mussten, wurde Memmel Altherrenschaftsführer der 1937 aufgestellten Kameradschaft Rudolf Berthold. Die Altherrenschaft der Kameradschaft setzte sich aus der vormaligen Burschenschaft Adelphia, der Memmel angehörte, sowie der ATV Alsatia, der Sängerschaft Saxo-Thuringia und der Turnerschaft Alemannia zusammen.[4]

Oberbürgermeister in Würzburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem erzwungenen Rücktritt von Oberbürgermeister Hans Löffler am 23. März 1933[5] wurde der Studienrat und Kreisleiter der NSDAP Memmel am 24. März zum kommissarischen Ersten Bürgermeister ernannt und am 27. April zum Oberbürgermeister gewählt.[6] Mit Wirkung vom 1. Mai 1933 wurde sein Vorgänger in den offiziellen Ruhestand versetzt.[7] Erste Amtshandlungen von Theo Memmels als Oberbürgermeister waren die Schaffung eines Kulturreferats[8] und die Förderung von Sanierungs- und Baumaßnahmen (allen voran der im Februar 1934 begonnene und im Dezember 1937 fertiggestellte Neue Hafen) sowie der Denkmalpflege[9] und (ab August 1933) die vermehrte Umbenennung Würzburger Straßennamen[10] im nationalsozialistischen Sinne. In seinen Baumaßnahmen, wozu neben dem sozialen Wohnungsbau beispielsweise auch die Sanierung der Festung Marienberg gehörte, wurde Memmel von Ministerpräsident Ludwig Siebert unterstützt.[11]

Am 20. Juni 1933 informierte Memmel den Stadtrat von einem Ministerialerlass, wonach die sozialdemokratischen Gemeinderäte von den Sitzen fernzuhalten seien, da die sozialdemokratische Reichsleitung ihren Sitz nach Prag verlegt habe. Die fünf sozialdemokratischen Stadträte wurden wie die bald ebenfalls zum Rücktritt gezwungenen neun Stadträte der Bayerischen Volkspartei durch Nationalsozialisten ersetzt. Neue Geschäftsordnungen für den Stadtrat erließ Memmel am 1. Oktober 1934 und am 1. Mai 1935.[12] Seine Doppelfunktion als Oberbürgermeister und NSDAP-Kreisleiter wurde im Mai 1935 beendet und neuer Kreisleiter wurde bis 1936 Karl Clement.[13]

Auf Memmels Initiative hin entstand in Würzburg eine Hochschule für Lehrerbildung, deren Vorlesungen in einem am 3. November 1936 eröffneten Neubau in der Luxburgstraße stattfanden und deren Studenten im ehemaligen Lehrerseminar am Wittelsbacherplatz untergebracht wurden. Zudem wurde 1938 eine neue, nach Rudolf Berthold benannte Volkshochschule (als „Übungsschule“ für die Lehramtsstudenten) in Betrieb genommen.[14]

Der der 1842 von dem Sänger Garvens gegründeten Würzburger Liedertafel und dem „deutschen Liedgut“ verbundene Memmel wurde 1943 zum Bundesführer des Deutschen Sängerbundes ernannt.[15] Memmel sammelte Kunstwerke und erwarb u. a. regelmäßig Arbeiten auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen in München.

Nach Ablauf seiner Amtszeit am 30. April 1943 wurde Memmel durch Satzungsänderung auf Lebenszeit zum Oberbürgermeister ernannt. Am 6. März erhielt er auf Vorschlag von Hellmuth das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse ohne Schwerter verliehen.[16]

Am frühen Morgen des 3. April 1945 (ein Tag nach Eintreffen des 222. US-Infanterieregiments am Mainufer unterhalb der Festung Marienberg) war die am 2. April durch Memmel handschriftlich verfügte Warnung „Die Stadtverwaltung Würzburg ist bis auf weiteres aufgelöst. [...] Wer mit dem Feind zusammenarbeitet, wird erschossen“ am „Schwarzen Brett“ der Mozartschule zu lesen.[17][18] Im Gegensatz zu Gauleiter Otto Hellmuth, der sich bereits vor der Entscheidung zur Kapitulation in Richtung Nürnberg abgesetzt hatte, blieb Oberbürgermeister Memmel in Würzburg und kämpfte ab der Nacht zum 5. April mit einem von drei Volkssturmstoßtrupps in der Randersackerer Straße sowie am Friedhof[19] bis zur Kapitulation gegen die US-Armee. Sein Sohn war in der Endphase der Verteidigung in einer Volkssturmabteilung gefallen.

Am 4. April 1945 marschierten die Amerikaner in Würzburg ein. Durch die amerikanische Militärregierung wurde Gustav Pinkenburg am 6. April kommissarisch als Oberbürgermeister eingesetzt.[20][21]

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Januar 1948 wurde Theo Memmel im Rahmen der Entnazifizierung in einem Spruchkammerverfahren zunächst zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt und ihm der Rechtsanspruch auf eine Pension aus seiner Lehrertätigkeit verwehrt, doch im August 1949 wurde er als Minderbelasteter zurückgestuft und am 25. August[22] 1950 vor der Berufungskammer nur als sogenannter Mitläufer bewertet, so dass die Strafe nur noch 500 Deutsche Mark bei einem Jahr Bewährung lautete.[23][24]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 4: M–Q. Winter, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-1118-X, S. 78–79.
  • Ingrid Eyring: Theo Memmel, Oberbürgermeister von Würzburg 1933–1945, in: „...bin ich mir der Verantwortung bewußt, die ich mit meinem Amt auf mich genommen habe.“ Aspekte der Verwaltungs-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte Würzburgs im 19. und 20. Jahrhundert, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 10, Würzburg 2002, S. 59–174 (Erste wissenschaftliche Biographie des NS-Oberbürgermeisters von Würzburg)
  • Bruno Fries, Pau Pagel, Christian Roedig, Scheidenberger (Hrsg.): Würzburg im Dritten Reich. Ausstellungskatalog, Würzburg 1983, ISBN 3-88479-114-1. S. 28.
  • Matthias Lermann: Der Würzburger Oberbürgermeister Dr. Hans Löffler. Bürgerethik und Liberalismus; Hrsg.: Gesellschaft für fränkische Geschichte. WiKomm Verlag, Stegaurach 2015, ISBN 978-3-86652-052-3.
  • Peter Weidisch: Würzburg im »Dritten Reich«. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 196–289 und 1271–1290; hier: S. 199–207 und 223–279.
  • Kathrin Wittmann, Gereon Schäfer, Dominik Groß: Die Verflechtung der NS-Ideologie, Hochschulverwaltung und Wissenschaft am Beispiel des Würzburger Ordinarius Max Kappis (1881–1938). In: Dominik Groß u. a. (Hrsg.): Die Konstruktion von Wissenschaft. Beiträge zur Medizin-, Literatur- und Wissenschaftsgeschichte. Universität Kassel 2008 (= Studien des Aachener Kompetenzzentrums für Wissenschaftsgeschichte. Band 3), ISBN 978-3-89958-418-9, S. 239 ff.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Unsere Toten. In: Burschenschaftliche Blätter, 89. Jg. (1974), H. 4, S. 121.
  2. Abituria Wirceburgia: Mädchen-Abitur 1922 am Realgymnasium Würzburg. Würzburg 2016.
  3. Peter Weidisch (2007), S. 205 f., 234 und 241.
  4. Bernhard grün: Zwischen Fronteinsatz und Freiheitsklang – Studententum und Kameradschaftswesen im Nationalsozialismus. In: Detlef Frische, Wolfgang Kümper (Hrsg.): Historia academica – Schriftenreihe der Studentengeschichtlichen Vereinigung des Coburger Convents. Band 57. Würzburg 2019, ISBN 978-3-930877-52-2, S. 86–87.
  5. Sybille Grübel: Zeittafel zur Geschichte der Stadt von 1814–2006. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Band 2, 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 1225–1247; hier: S. 1239.
  6. Peter Weidisch (2007), S. 204 f.
  7. Ulrich Wagner: Würzburger Landesherren, bayerische Ministerpräsidenten, Vorsitzende des Landrates/Bezirkstagspräsidenten, Regierungspräsidenten, Bischöfe, Oberbürgermeister/Bürgermeister 1814–2006. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Band 2, 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 1221–1224; hier: S. 1224.
  8. Peter Weidisch: Würzburg im »Dritten Reich«. 2007, S. 228–232 und 263 f.
  9. Peter Weidisch (2007), S. 242–254.
  10. Peter Weidisch (2007), S. 280–282.
  11. Peter Weidisch (2007), S. 249 f. und 252 f.
  12. Peter Weidisch (2007), S. 228.
  13. Peter Weidisch (2007), S. 241.
  14. Peter Weidisch (2007), S. 248 f.
  15. Peter Weidisch (2007), S. 263.
  16. Peter Weidisch (2007), S. 206 f.
  17. Ulrich Wagner: Die Eroberung Würzburgs im April 1945. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. Band III/1, S. 296 f., und Band III/2, S. 1291, Anm. 51.
  18. Peter Weidisch: Würzburg im »Dritten Reich«. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 277 f. und S. 1289, Anm. 459.
  19. Ulrich Wagner: Die Eroberung Würzburgs im April 1945. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. Band III/2, S. 309 f. und S. 1291, Anm. 52.
  20. Peter Weidisch (2007), S. 279.
  21. Ulrich Wagner: Die Eroberung Würzburgs im April 1945. (2007), S. 314.
  22. Ulrich Wagner: Die Eroberung Würzburgs im April 1945. In: Geschichte der Stadt Würzburg. (2007), S, 294–314; hier: S. 310.
  23. Roland Flade: Auf der Jagd nach Nazi-Tätern. In: Main-Post. 28. Dezember 2006.
  24. Peter Weidisch (2007), S. 207.