Thomas Gann

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Thomas William Francis Gann (* 13. Mai 1867 in Murrisk, Irland; † 24. Februar 1938 in London)[1] war ein britischer Mediziner, der sich als erster Archäologe mit der präkolumbischen Maya-Kultur auf dem Gebiet des heutigen Belize beschäftigte.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gann wuchs in Whitstable auf, besuchte The King’s School in Canterbury und studierte anschließend Medizin.[1] 1894,[2] nach anderen Angaben 1892,[1] ging er nach Britisch Honduras (heute: Belize), wo er als Chirurg arbeitete,[1] und zur Bewältigung der Folgen eines Erdbebens beitragen sollte.[3] In Britisch-Honduras hatte er zudem das Amt eines District Medical Officers und anschließend bis 1923 das Amt des Chief Medical Officers inne.[2]

Neben seiner medizinischen Tätigkeit widmete sich Gann der Ausgrabung von Ruinen der präkolumbischen Maya-Kultur und war damit der erste Archäologe in diesem Teil Mittelamerikas. Eine einschlägige Ausbildung besaß er nicht.[2] Zu den von ihm erkundeten Anlagen zählen die von Santa Rita Corozal,[4] Xunantunich (1894–1895, 1924), Nohmul (späte 1890er Jahre, Ausgrabungen 1908–1909 und 1935–1936) und Lubaantun (1903, 1924–1925).[2] Bei von der Carnegie Institution geförderten Ausgrabungen lernte er Eric Thompson kennen, Expeditionen unternahm er auch mit dem ebenfalls befreundeten Sylvanus Morley.[1][2]

Neben wissenschaftlichen Beiträgen veröffentlichte Gann mehrere Reisebeschreibungen, die sich an ein breiteres Publikum richteten und neben der Darstellung archäologischer Themen teils auch ethnografische Inhalte aufweisen.[5]

Ab 1908 war Gann als Dozent am neugegründeten Institut für Archäologie der Universität Liverpool tätig, wo auch zeitweise Teile seiner Sammlungen aufbewahrt wurden. Seine Aktivitäten in Liverpool ließen ab 1914 nach. Angaben über spätere Tätigkeiten an der Universität, etwa in biographischen Betrachtungen Eric Thompsons,[1] lassen sich nicht belegen.[2]

Gann war Fellow der Royal Geographical Society.[2] Zahlreiche seiner Fundstücke wurden vom British Museum erworben.[6][7]

Er war ab 1929 mit Mary Wheeler verheiratet. Er verstarb im Alter von 71 Jahren in einem Londoner Altenheim.[3]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab etwa 1895 wurde Ganns archäologische Tätigkeit in seinem Heimatland aufgegriffen.[2] In seinem Buch Decolonizing Development: Colonial Power and the Maya beschreibt Joel Wainwright Thomas Gann als den wohl populärsten Maya-Forscher seiner Zeit und attestiert ihm auch fachliche Anerkennung während seiner Schaffensperiode. Das Buch Mystery cities sei gleichwohl durch die „Sprache eines Amateurs“ und rassistische Aussagen geprägt.[5]

Der Archäologe David M. Pendergast bezeichnet das Vorgehen bei den von Gann angeleiteten, und auch in seiner Abwesenheit fortgesetzten Ausgrabungen, als „zerstörerisch“.[8] Eine andere Arbeit kommt zu dem Schluss, dass es Gann vor allem um die „Entdeckung ästhetisch ansprechender“ Fundobjekte und weniger um sorgfältige Ausgrabungen und deren Dokumentation gegangen sei. So habe Gann Sprengstoff eingesetzt, um sich Zugang zu Fundstätten zu verschaffen.[9] In seinen Berichten wurden derartige Methoden nicht erwähnt.[2] Norman Hammond verzichtete auf eine retrospektive Einschätzung der Methoden Ganns, bringt aber restriktivere Regelungen zum Umgang mit historischen Stätten in Britisch-Honduras aus den Jahren 1924 und 1929 mit Ganns vorheriger Ausgrabungstätigkeit in Verbindung.[10]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f J. E. Thompson: Thomas Gann in the Maya ruins. In: British Medical Journal. Band 2, Nr. 5973, 1975, S. 741–743, doi:10.1136/bmj.2.5973.741, PMID 1095123, PMC 1673974 (freier Volltext).
  2. a b c d e f g h i Colin Wallace: Reconnecting Thomas Gann with British Interest in the Archaeology of Mesoamerica: An Aspect of the Development of Archaeology as a University Subject. In: Bulletin of the History of Archaeology. Band 21, Nr. 1, 2011, doi:10.5334/bha.2113.
  3. a b Obituary Mr. Thomas Gann. In: The Times. 25. Februar 1938, S. 18.
  4. Diane Z. Chase, Arlen F. Chase: Late Postclassic Ritual at Santa Rita Corozal Belize: Unterstanding the Archaeology of a Maya Capital City (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 254 kB). In: Research Reports in Belizean Archaeology. Band 5, 2008, S. 79–92.
  5. a b Joel Wainwright: Decolonizing Development: Colonial Power and the Maya. Wiley-Blackwell, 2008, ISBN 1-4051-5705-4. doi:10.1002/9780470712955.
  6. British Museum: Purchased from Dr Thomas Gann. Abgerufen am 2. März 2013.
  7. Vgl. auch. Additions to the British Museums. In: The Times. 16. Mai 1938, S. 21. und Maya Carving in Jade. In: The Times. 10. Oktober 1938, S. 11.
  8. David M. Pendergast: The center and the edge: Archaeology in Belize, 1809–1992. In: Journal of World Prehistory. Band 7, Nr. 1, 1993, S. 1–33, doi:10.1007/bf00978219.
  9. Heather McKillop, Jaime Awe: The History of Archaeological Research in Belize. In: Belizean Studies Band 11, Nummer 2, S. 1–9.
  10. Norman Hammond: The development of Belizean archaeology. In: Antiquity. Band 57, Nr. 219, 1983, S. 19–27, doi:10.1017/s0003598x00054946.