Tilo Frey

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Tilo Frey (1971)

Tilo Frey (* 2. Mai 1923 in Maroua, Kamerun; † 27. Juni 2008 in Neuenburg) war eine Schweizer Politikerin (FDP). Sie war vom 29. November 1971 bis zum 30. November 1975 als erste Schwarze Mitglied des Nationalrats.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tilo Frey war die Tochter des Schweizers Paul Frey und der Fula Fatimatou Bibabadama aus Kamerun. Sie wurde 1923 in Maroua, Kamerun, geboren und kam mit fünf Jahren mit ihrem Vater in die Schweiz, wo sie von Katscha Frey, geb. Schindler, adoptiert wurde.[1][2][3]

Von 1938 bis 1941 absolvierte sie das Lehrerseminar in Neuenburg und war von 1943 bis 1971 Lehrerin an der École de commerce für kaufmännische Fächer. Von 1972 bis 1976 war sie Direktorin der École professionnelle de jeunes filles. Zuletzt war sie von 1976 bis 1984 als Lehrkraft an der École professionelle commerciale tätig.

Das erste politische Amt übernahm Frey im Jahre 1964, als sie als Abgeordnete im Conseil général (Legislative) der Stadt Neuenburg tätig wurde. 1969 wurde sie in den Grossen Rat des Kantons Neuenburg gewählt. Bei den ersten Parlamentswahlen nach Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz wurde Frey im Oktober 1971 als eine der elf ersten Frauen und als erste Schwarze in den Nationalrat gewählt.[4][5][6] In einem Zeitungsinterview sagte Frey:

«Ich wollte beweisen, dass eine Frau, und dazu noch eine Nicht-Weiße, im Beruf und in der Politik ebenso gut ihre Aufgaben erfüllen kann wie ein Mann.» An anderer Stelle sagte sie: «Als ich acht Jahre alt war, tat es mir weh, wenn mir Kinder ›Negerin‹ nachriefen. Heute liesse es mich kalt.»[7][8]

Im Nationalrat setzte sich Frey für die Lohngleichheit beider Geschlechter, für die Entkriminalisierung der Abtreibung und für eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern ein. In den Jahren 1972 bis 1974 war sie als Delegierte der Interparlamentarischen Union tätig. 1973 schied sie aus dem Grossen Rat von Neuenburg, 1974 trat sie aus dem Generalrat zurück und ein Jahr später wurde sie nicht mehr in den Nationalrat gewählt.

Tilo Frey schied im Jahre 2008 im Alter von 85 Jahren durch Sterbehilfe mit Hilfe der Organisation Exit aus dem Leben. Zuvor hatte sie ihr gesamtes persönliches Archiv vernichtet.[3]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schild des Espace Tilo-Frey in Neuenburg

2019 wurde der zentrale Platz vor der Universität Neuenburg von Espace Louis-Agassiz, benannt nach dem Naturforscher und Rassentheoretiker Louis Agassiz, in Espace Tilo-Frey umbenannt. Der Espace Tilo-Frey ist der bislang einzige Platz in der Schweiz, der einer Person of Color gewidmet ist.[3]

2022 wurde bekannt, dass künftig am Giebelfeld des Bundeshauses in Bern ein zeitgenössisches Kunstwerk namens Tilo zu sehen sein wird. Das Konzept und die Idee zum Kunstwerk stammen von der Künstlerin Renée Levi. Es wurde als Hommage an Tilo Frey 2023 realisiert.[9][10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Isabelle Jeannin-Jaquet: Tilo Frey. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Jovita dos Santos Pinto: «Oui, c’est un long chemin»: Tilo Frey, erste schwarze Nationalrätin: eine Spurensuche in Schweizer Medien (1970–2011). Lizenziatsarbeit, Universität Zürich, 2014.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tilo Frey – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Isabelle Jeannin-Jaquet: Tilo Frey. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 15. Oktober 2021, abgerufen am 5. Januar 2023.
  2. Jovita dos Santos Pinto: Eine Geschichte Schwarzer Frauen in der Schweiz. In: Shelley Berlowitz, Elisabeth Joris und Zeedah Meierhofer-Mangeli (Hrsg.): Terra incognita? Der Treffpunkt schwarzer Frauen in Zürich. Limmat, Zürich 2013, S. 143–185, hier: S. 160 (Academia.edu).
  3. a b c Tilo Frey – die schwarze Schweizer Polit-Pionierin. In: Schweizer Radio und Fernsehen. 24. September 2019, abgerufen am 6. Juni 2021.
  4. Une pionnières’en est allée. In: L’Express. 28. Juni 2008, S. 4.
  5. Tilo Frey est décédée le 27 juin à 85 ans, ont annoncé vendredi les services du Parlement. In: lematin.ch, abgerufen am 11. November 2010 (nicht mehr online abrufbar).
  6. Jovita dos Santos Pinto: Afrofeminismus gegen das Vergessen | fernetzt. 15. Februar 2020, abgerufen am 11. September 2021.
  7. Matthias Daum: Tilo Frey – Sie passte nicht ins Bild. Die ZEIT, 15. Juni 2020, abgerufen am 11. September 2021.
  8. Carlos Hanimann: Der sonderbare Fall der Tilo Frey. In: Republik.ch. 2. Juni 2021, abgerufen am 11. September 2021.
  9. Kunstwerk "Tilo" ziert künftig Giebel von Parlamentsgebäude in Bern. In: Swissinfo. 4. März 2022, abgerufen am 7. März 2022.
  10. Ein Mosaik erinnert an die erste Person of Color im Parlament. In: SRF Kultur, abgerufen am 1. September 2023.