Torre TI

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TI ist das Kürzel für den Kanton Tessin in der Schweiz und wird verwendet, um Verwechslungen mit anderen Einträgen des Namens Torref zu vermeiden.
Torre
Wappen von Torre
Wappen von Torre
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Tessin Tessin (TI)
Bezirk: Bezirk Bleniow
Kreis: Kreis Olivone
Gemeinde: Blenioi2
Postleitzahl: 6717
frühere BFS-Nr.: 5047
Koordinaten: 716255 / 149461Koordinaten: 46° 29′ 11″ N, 8° 57′ 10″ O; CH1903: 716255 / 149461
Höhe: 760 m ü. M.
Fläche: 10,75 km²
Einwohner: 288 (31. Dezember 2005)
Einwohnerdichte: 27 Einw. pro km²
Website: www.comuneblenio.ch
Torre TI
Torre TI

Torre TI

Karte
Torre TI (Schweiz)
Torre TI (Schweiz)
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Gemeindestand vor der Fusion am 22. Oktober 2006

Torre ist ein Dorf im Bleniotal und war eine selbständige politische Gemeinde im Kreis Olivone, im Bezirk Blenio des Kantons Tessin in der Schweiz. Am 22. Oktober 2006 wurde sie mit Aquila, Campo (Blenio), Ghirone und Olivone zur neuen Gemeinde Blenio fusioniert.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Torre liegt im oberen Valle di Blenio, östlich des Flusses Brenno, 14 Kilometer Luftlinie nördlich von Biasca. Vom Flussufer ist die Siedlung durch eine im Talgrund liegende Anhöhe getrennt. Zur ehemaligen Gemeinde gehörten neben dem Haufendorf Torre (760 m ü. M.) und der nördlich davon anschliessenden Siedlung San Salvatore auch der Weiler Grumo (660 m) und ein Teil von Dangio (801 m ü. M.). Zwischen Torre und Dangio verläuft die Schlucht des Gebirgsbaches Riale Soia aus dem Val Soia. Nachbargemeinden waren von Norden im Uhrzeigersinn Aquila, Malvaglia und Acquarossa.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Schwur von Torre ist ein Eid auf Pergament, erhalten als Faksimile aus den Jahren 1225–1250. 1182 wird darin festgehalten, dass die Bevölkerung (gemeint sind die «freien Bauern»), den Bau neuer Burgen und den Machtanspruch der Adligen nicht mehr gegen ihren Willen dulden würde und sich anschicken würde, die bestehenden Burgen zu zerstören. Der aus der Gegend von Como zugewanderten Familie da Torre und weiteren Podestaten (namentlich den da Giornico, da Contone, da Lodrino und da Gnosca[1]) wird in der Erklärung die Entmachtung und ewige Vertreibung angedroht. Der Pakt war auf Veranlassung von Oberto de Terzago, dem Erzpriester und Abgesandten des Mailänder Doms, im Februar 1182 zustande gekommen und begründete eine Allianz zwischen den Bewohnern des Valle di Blenio, der Valle Leventina und dem Mailänder Domkapitel. Aus Sicht der Kirche mit dem Ziel, Forderungen nach Gemeindefreiheit der lokalen Kleindemokratien (vicinanze) gegen die Interessen des kaiserlich belehnten einheimischen Landadels auszuspielen, zumal die Kirche in den Tälern ihre eigenen feudalen Interessen verfolgte.

Die Vertreter des Kaisers Friedrich I. Barbarossa vor Ort, Guido und Artusio (Artuxius) da Torre, die beiden Söhne des Reichsvogts Alcherio da Torre, standen, nach der Niederlage des Kaisers gegen die Erste Lombardische Liga in der Schlacht von Legnano im Jahr 1176, in Torre auf verlorenem Posten, weigerten sich jedoch, ihre Burgen aufzugeben. Artusio verschanzte sich im Castello de Curterio, doch konnten er und seine Leute der Belagerung nicht standhalten. Die Burg wurde bis auf die Grundmauern geschleift. Fast ebenso radikal verfuhren die Talbewohner mit der Burg Serravalle bei Semione. Der Schwur von Torre hatte eine grosse symbolische Bedeutung für die später zeitweise äusserst erfolgreichen Versuche lokaler Selbstbestimmung im Bleniotal und in Biasca.[2][3] Nachdem es der Talbevölkerung gelungen war, sich auf juristische und militärische Weise von der Herrschaft norditalienischer Adelsfamilien zu lösen, war das Bleniotal und somit auch die Bevölkerung von Torre ab 1495 mit einem Treueeid an die Schutzmacht Uri gebunden und unterstand von 1503 bis 1798 der gemeinsam ausgeübten Herrschaft der Kantone Uri, Schwyz und Nidwalden. Im Rahmen der die gesamte Schweiz betreffenden Umwälzungen nach der Französischen Revolution, gelangte Torre in der Helvetischen Republik kurzzeitig unter die Verwaltung des Kantons Bellinzona und gehört heute zum 1803 neu gegründeten Kanton Tessin.

Gemeindefusionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grumo war eine selbständige politische Gemeinde im Kreis Olivone, im Bezirk Blenio. 1928 fusionierte Grumo, die damals bevölkerungsmässig kleinste Gemeinde des Kantons Tessin, zur Gemeinde Torre, die ihrerseits 2006 in der Gemeinde Blenio aufging. Die vom Kantonsparlament am 25. Januar 2005 beschlossene, ursprünglich per Frühjahr 2006 geplante Fusion der fünf Gemeinden des oberen Talabschnitts wurde durch eine Beschwerde der Gemeinde Aquila verzögert. Nachdem das Bundesgericht im April 2006 die Beschwerde abgewiesen hatte, war der Weg zur Fusion frei.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pfarrkirche Santo Stefano von 1732 im Ortsteil «Tor vec»[4]
  • Villa Lina (Villa Pagani) von 1897, mit Reitstall von 1904[5]
  • Ruinenfundament des Castello de Curterio im Ortsteil Ingerio[4]
  • Oratorio di San Salvatore auf dem Ruinenfundament[5]
  • Oratorio di Ingerio aus dem 18. Jahrhundert[6]
  • Oberhalb des Dorfes: Reste eines «Heidenhauses» (Case dei Pagani) in Form einer Höhlenburg[4]
  • Schalenstein (Zeichenstein) an der Grenze der ehemaligen Gemeinden Malvaglia und Aquila TI im Ortsteil Cadabi (2580 m ü. M.)[7]
  • Zwischen Torre und Dangio: Fabbrica di Cioccolato Cima Norma[4]

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bevölkerungsentwicklung
Jahr 1682 1798 1836[8] 1850 1860 1870 1880 1888 1900 1910 1920 1930 1941 1950 1960 1970 1980 1990[9] 2000[8] 2005
Einwohner 176 119 146 143 148 139 148 138 167 173 256 236 258 287 313 229 259 285 282 288

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Adelsfamilie da Torre[10]
    • Alcherio da Torre (* um 1130 in Torre; † vor 1204 ebenda), Vogt im Bleniotal unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa[11]
    • Artusio da Torre (* um 1160 in Torre; † nach dem 1204 ebenda), Vogt im Bleniotal unter Heinrich VI. (HRR)[12]
    • Guido da Torre (* um 1165 in Torre; † nach dem 1228 ebenda), Vogt im Bleniotal unter Kaiser Heinrich VI. (HRR)[13]
    • Reinher da Torre (* um 1167 in Torre; † 9. November 1209 in Chur), Sohn des Alcherio, Bruder des Guido, er war vermutlich ab 1194 Bischof von Chur[14]
  • Enrico Orelli (* um 1190 in Locarno, erstmals erwählt 1213; † um 1239 in Torre), Schwager von Guido da Torre, Kastvogt und Rektor von Blenio[15]
  • Maestro Martino de' Rossi (* vor 1430; † Ende 15. Jahrhundert), Koch und Kochbuchautor
  • Ambrogio d’Appiano (* um 1700; † nach dem 1745), Glockegiesser, goss die Hauptglocke der Pfarrkirche[16]
  • Giuseppe Pagani (* 28. April 1859 in Torre; † 21. Dezember 1939 ebenda), Hotelier in London, Unternehmer, übernahm die Chokoladefabrik Chocolat Cima-Norma SA, Gemeindepräsident von Torre[17]
  • Flavio Paolucci (* 1934), Maler, Bildhauer, Objekt- und Installationskünstler

Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marina Bernasconi Reusser: Monumenti storici e documenti d’archivio. I «Materiali e Documenti Ticinesi» (MDT) quali fonti per la storia e le ricerche sull'architettura e l’arte medievale delle Tre Valli. In: Archivio Storico Ticinese, seconda serie, 148, Casagrande, Bellinzona 2010.
  • Piero Bianconi: Arte in Blenio. Guida della valle. S.A. Grassi, Bellinzona/Lugano 1944; derselben (Hrsg.): Torre. In: Inventario delle cose d’arte e di antichità. Le Tre Valli Superiori. Leventina, Blenio, Riviera. Grassi, Bellinzona 1948, S. 205, 207–208.
  • Franco Binda: Il mistero delle incisioni. Armando Dadò editore, Locarno 2013, ISBN 978-88-8281-353-6.
  • Federico Bruni: I cioccolatieri. Istituto Editoriale Ticinese, Bellinzona/Lugano 1946.
  • Mario Fransioli: Torre. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 10. Januar 2017.
  • Rinaldo Giambonini, Agostino Robertini, Silvano Toppi: Torre. In: Il Comune, Edizioni Giornale del popolo, Lugano 1971, S. 287–296.
  • Virgilio Gilardoni: Il Romanico. Catalogo dei monumenti nella Repubblica e Cantone del Ticino. La Vesconta, Casagrande S.A., Bellinzona 1967, S. 572–574.
  • Simona Martinoli und andere: Guida d’arte della Svizzera italiana. Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007, S. 81, 82, 88, 95, 96, 97, 98.
  • Johann Rudolf Rahn: I monumenti artistici del medio evo nel Cantone Ticino. Tipo-Litografia di Carlo Salvioni, Bellinzona 1894, S. 282.
  • Celestino Trezzini: Torre. In: Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz, Band 7, Tinguely – Ungarn. Attinger, Neuenburg 1934, S. 22; unibe.ch (PDF; 28 MB).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Torre TI – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hannes Maurer: Tessiner Täler Tessiner Welten – Geschichte und Geschichten. Verlag NZZ, Zürich 2002, ISBN 3-85823-973-9, S. 52 ff.
  2. Lothar Deplazes: Torre, Schwur von. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 18. November 2015.
  3. Celestino Trezzini: Historisch-Biografisches Lexikon der Schweiz: Torre (Schwur von). Hrsg.: Heinrich Türler et al. 7 (Saint-Gelin – Tingry). Paul Attinger Verlag, Neuchâtel 1931, S. 23.
  4. a b c d Simona Martinoli und andere: Guida d’arte della Svizzera italiana. Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007, ISBN 978-88-7713-482-0, S. 95–96.
  5. a b Patrizia Pusterla Cambin: Sentieri Storici della Valle di Blenio. Bellinzonese e Alto Ticino Turismo, Bellinzona, S. 44–49.
  6. Gastone Cambin: Sui sentieri dell’Arte in Blenio. Hrsg.: Giorgio Bassetti. Ente turistico di Blenio/Museo della Valle di Blenio, Acquarossa/Lottigna (Kap. 17/4 [ohne Seitenzählung], Ausgabe von ca. 1985).
  7. Franco Binda: Il mistero delle incisioni. Armando Dadò editore, Locarno 2013, S. 106–108.
  8. a b Mario Fransioli: Torre. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 19. Dezember 2016.
  9. Luca Solari: Blenio: una valle a confronto. Salvioni arti grafiche, Bellinzona 1998, ISBN 88-7967-023-9, S. 174.
  10. Lothar Deplazes: da Torre. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 18. November 2015.
  11. Lothar Deplazes: Alcherio da Torre. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 26. Oktober 2012, abgerufen am 24. Februar 2020.
  12. Lothar Deplazes: Alcherio da Torre. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 26. Oktober 2012, abgerufen am 24. Februar 2020.
  13. Lothar Deplazes: Guido da Torre. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 18. November 2015, abgerufen am 21. Dezember 2019.
  14. Veronika Feller-Vest: Reinher da Torre. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. März 2012, abgerufen am 24. Februar 2020.
  15. Daniela Pauli Falconi: Enrico Orelli. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. November 2009, abgerufen am 24. Februar 2020.
  16. Ambrogio d’Appiano. In: Ulrich Thieme, Felix Becker (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 2: Antonio da Monza–Bassan. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1908, S. 43 (Textarchiv – Internet Archive).
  17. Marco Marcacci: Giuseppe Pagani. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 12. Dezember 2008.