Trigonellin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Strukturformel von Trigonellin
Allgemeines
Name Trigonellin
Andere Namen
  • 1-Methylpyridin-1-ium-3-carboxylat (IUPAC)
  • Nicotinsäure-N-methylbetain
  • Caffearin
  • Coffearin
  • Gynesin
  • N-Methylnicotinat
  • Betainnicotinat
Summenformel C7H7NO2
Kurzbeschreibung

farbloser Feststoff (Hydrochlorid)[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 5570
Wikidata Q928965
Eigenschaften
Molare Masse 137,13 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt
Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Hydrochlorid

keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Als Trigonellin, Nicotinsäure-N-methylbetain, wird ein Naturstoff aus der Gruppe der Trigonelline bezeichnet, der zu den Pyridinalkaloiden gerechnet wird (in strengem Sinn kann er kein Alkaloid sein). Er ist ein Zwitterion und ein N-Methylderivat der Nicotinsäure. Trigonellin kommt in den Samen vieler Pflanzen vor, unter anderem in Kaffeebohnen.

Entdeckung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Untersuchung der Samen des Bockshornklees Trigonella foenum-graecum entdeckte und beschrieb der Apotheker Ernst Friedrich Jahns im Jahr 1885 eine stickstoffhaltige Substanz, der er den Trivialnamen Trigonellin gab.[5][6][7]

Diese chemische Verbindung war von Arthur Hantzsch durch Synthese erhalten worden.[8] Darauf stellte Jahns fest, dass sein Trigonellin identisch mit dem synthetischen Produkt von Hantzsch war.

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bockshornklee, junge Pflanzen

Trigonellin ist in den Samen vieler Pflanzen enthalten, neben Trigonella foenum-graecum in weiteren Hülsenfrüchtlern, z. B. Gartenbohnen (Phaseolus vulgaris), Erbsen (Pisum sativum), Fenchel, Hanf. Ferner in Hundsgiftgewächsen und Strophanthus spezies.[9]

In Kaffeebohnen kommt Trigonellin in Mengen zwischen 0,3 und 1,3 % vor, unterliegt aber beim Rösten der Kaffeebohnen im Gegensatz zum Coffein stärkeren Veränderungen. Dabei kann es entweder zur Nicotinsäure demethyliert oder zu N-Methylpyridiniumsalzen decarboxyliert werden.[10]

Synthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trigonellin kann durch Erhitzen von Nicotinsäure mit Iodmethan (Methyliodid) erhalten werden. Dabei entsteht das Iodid der N-Methylpyridinium-3-carbonsäure.

Reaktionsgleichung der Umsetzung von Nicotinsäure mit Methyliodid
Reaktionsgleichung der Umsetzung von Nicotinsäure mit Methyliodid

Behandlung dieses Pyridiniumsalzes mit einer Suspension von Silber(I)-oxid in Wasser („Silberhydroxid“) führt zum Betain. Um das Silber(I)-oxid zu vermeiden, wurde die Methode von Kosower und Patton optimiert.[11] Für die Anwendung in der Praxis dürfte jedoch synthetisch gewonnenes Trigonellin bedeutungslos sein, da hier phytotherapeutische Präparate bevorzugt werden.

Biosynthese und Abbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trigonellin wird in vivo durch Abbau von Nicotinsäure gebildet und im Harn von Menschen und Säugetieren ausgeschieden.[12][13][14]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie in der Infobox angegeben, ist Trigonellin ein Feststoff mit relativ hohem Schmelzpunkt. Dies steht in Einklang mit der gezeigten Strukturformel. Aus wässrigen Lösungen kristallisiert, fällt Trigonellin als Monohydrat an, dessen Schmelzpunkt etwas niedriger ist. Beim Schmelzen verliert der Feststoff offensichtlich Wasser und geht dabei in das Betain über. Eine Kristallstrukturanalyse von Trigonellin scheint noch nicht geglückt zu sein (siehe unten), jedoch wurden quantenchemische Berechnungen für die Verbindung publiziert.[15] Danach sind die Moleküle des Trigonellins durch Wasserstoffbrückenbindungen assoziiert. Im Monohydrat ist das Wassermolekül durch eine H-Brücke an das Sauerstoffatom der Carboxylat-Gruppe gebunden.

In wässrigem Milieu, also auch in biologischen Systemen, kann Trigonellin ebenfalls nicht als der Strukturformel entsprechendes Betain vorliegen, sondern muss H-verbrückt sein.

Trigonellin bildet Salze mit verschiedenen Säuren; das Salz mit Perchlorsäure konnte als Monohydrat der Zusammensetzung (C7H7NO2)2 × HClO4 × H2O kristallisiert werden; davon gelang eine Röntgen-Kristallstrukturanalyse.[16] Mit 4-Hydroxybenzoesäure oder (+)-Weinsäure bildet Trigonellin ähnliche Komplexe, von denen Röntgen-Kristallstrukturanalysen angefertigt wurden.[17][18]

Verwendung und Nutzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trigonellin ist in Samen von Arabica-Kaffee zu etwa einem Prozent enthalten.[19] Der Gehalt ändert sich durch den Röstprozess des Kaffees:[20]

Gehalt an Trigonellin (%)
Sorte roh geröstet
Arabica 1,0–1,2 0,5–1,0
Robusta 0,6–0,75 0,3–0,6

Bei der Röstung von Kaffee bildet sich aus Trigonellin unter anderem das für den Menschen wichtige Vitamin B3 (Nicotinsäure).[21]

Rohe Kaffeebohnen
Hell geröstete Kaffeebohnen

Dadurch kann eine Tasse Kaffee etwa 10 % des Tagesbedarfs dieses Vitamins decken, da dieses bei der Kaffeebereitung in den Lipidtröpfchen gelöst bleibt.[22]

Eine Tasse von 150 ml aus 7,5 g Röstkaffee enthält im Mittel 27 mg Trigonellin, wobei dies entscheidend von der Aufgussmethode beeinflusst wird.

Wissenschaftler der Universität von Ancona ermittelten im Rahmen einer Studie, dass Inhaltsstoffe des Kaffees vor Zahnkaries schützen können. Karies entsteht durch die Wirkung verschiedener Bakterien, die sich in Schleim und Belägen an der Zahnoberfläche festsetzen. Noch sind genauere Untersuchungen nötig, bisher wenig untersuchte Bestandteile des Kaffees, wie Trigonellin und Nicotinsäure, scheinen wohl das Bakterienwachstum zu hemmen.[23]

Trigonellin soll auch den Haarwuchs fördern. Die Anwendung wurde zum Patent angemeldet,[24][25] wobei Bockshornkleesamen mit einem Gehalt von 3 % Trigonellin als Ausgangssubstanz verwendet wurde. Der Wirkmechanismus auf die Haarwurzeln ist nicht genau bekannt, es wird angenommen, dass Trigonellin und Diosgenin gegen das haarschädigende Dihydrotestosteron wirken und dessen Bildung verhindern, wodurch die Haarwurzel geschützt wird.

Die Verwendung von Trigonellin als Muskel-Stimulanz wurde patentiert.[26]

Nachweis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Entdeckung des Trigonellins wurden verschiedene Standardmethoden zum Nachweis von Alkaloiden benutzt, z. B. Dragendorffs Reagens.[27][28] Dieses Reagens kann auch zum mikrochemischen Nachweis unter dem Mikroskop auf Objektträgern dienen.[29]

Nach der Entwicklung der Instrumentellen Analytik wurden deren Methoden auch zum Nachweis von Trigonellin angewendet, vor allem die NMR-Spektroskopie.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A. Heiduschka, R. Brüchner: Über das Vorkommen von Trigonellin im Guatemala-Kaffee. In: Journal für Praktische Chemie. Band 130, Nr. 1, 1931, S. 11–22, doi:10.1002/prac.19311300102.
  • D. Ackermann, P. H. List: Über das Vorkommen von Trimethylaminoxyd, Homarin, Trigonellin und einer Base C4H9O2N in der Krabbe (Crangon vulgaris). In: Hoppe-Seyler’s Zeitschrift für physiologische Chemie. Band 306, Januar 1957, S. 260–264, doi:10.1515/bchm2.1957.306.1-2.260.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Datenblatt Trigonelline hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 21. Mai 2017 (PDF).
  2. a b c d e Eintrag zu Trigonellin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 4. November 2013.
  3. a b Merck Index, 11th Edition, S. 1525, Eintrag Nr. 9606.
  4. Eintrag zu Trigonelline in der Hazardous Substances Data Bank (via PubChem), abgerufen am 18. November 2014.
  5. E. Jahns: Ueber die Alkaloïde des Bockshornsamens. In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. Band 18, Nr. 2, 1885, S. 2518–2523, doi:10.1002/cber.188501802144.
  6. E. Jahns: Ueber die Alkaloïde des Bockshornsamens. In: Archiv der Pharmazie. Band 225, Nr. 22, 1887, S. 985–997, doi:10.1002/ardp.18872252201.
  7. E. Jahns: Ueber das Trigonellin. In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. Band 20, Nr. 2, 1887, S. 2840–2843, doi:10.1002/cber.188702002148.
  8. A. Hantzsch, In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft Jg. 1886, Bd. 19, S. 31.
  9. William A. Tramontano, Paula A. McGinley, Emilia F. Ciancaglini, Lance S. Evans: A survey of trigonelline concentrations in dry seeds of the dicotyledoneae. In: Environmental and Experimental Botany. Band 26, Nr. 3, 1986, S. 197–205, doi:10.1016/0098-8472(86)90030-4.
  10. Richard H. Stadler, Natalia Varga, Jörg Hau, Francia Arce Vera und Dieter H. Welti (2002): Alkylpyridiniums. 1. Formation in Model Systems via Thermal Degradation of Trigonelline. J. Agric. Food Chem., 50(5), 1192–1199, doi:10.1021/jf011234k.
  11. Edward Kosower, James Patton: A Convenient Preparation of the 1-Methyl Betaines and Pyridine Carboxylic Acids, In: Journal of Organic Chemistry, Jg. 1961, Bd. 26, Heft 4, S. 1319–1321. doi:10.1021/jo01063a623
  12. D. Ackermann: Über das Vorkommen von Trigonellin und Nikotinsäure in Harn nach Verfütterung von Nikotinsäure, In: Z. Biol, 1912
  13. W. Linneweh, H. Reinwein: Über das regelmäßige Vorkommen von Pyridinderivaten im normalen Harn. II. Mitteilung. In: Hoppe-Seyler´s Zeitschrift für physiologische Chemie. Band 209, Nr. 3, 1932, S. 110–111, doi:10.1515/bchm2.1932.209.3.110.
  14. J. W. Huff, W. A. Perlzweig, R. Forth, F. Spilman: Studies in nicotinic acid metabolism. 3. Metabolism and synthesis of nicotinic acid in the rat. In: Journal of Biological Chemistry. Band 142, S. 401–416 (cabidigitallibrary.org).
  15. M Szafran, J Koput, Z Dega-Szafran, M Pankowski: Ab initio and DFT calculations of the structure and vibrational spectra of trigonelline. In: Journal of Molecular Structure. Band 614, Nr. 1, 2002, S. 97–108, doi:10.1016/S0022-2860(02)00250-8.
  16. M Szafran, A Katrusiak, J Koput, Z Dega-Szafran: Crystal and molecular structure, hydrogen bonding and electrostatic interactions of bis(trigonelline) hydrogen perchlorate monohydrate. In: Journal of Molecular Structure (= From Molecules to Molecular Biological Systems and Molecular Materials: The role of Molecular Interactions and Molecular Recognition). Band 704, Nr. 1, 2004, S. 45–52, doi:10.1016/j.molstruc.2003.12.054.
  17. Z. Dega-Szafran, G. Dutkiewicz, Z. Kosturkiewicz, : Crystal structure and spectroscopic properties of the complex of trigonelline hydrate with p-hydroxybenzoic acid, In: Journal of Molecular Structure, 2011.
  18. Z. Dega-Szafran, G. Dutkiewicz, Z. Kosturkiewicz, M. Szafran, P. Barczynski: Molecular structure of hydrated complex of trigonelline with l(+)-tartaric acid, In: Journal of Molecular Structure, 2011.
  19. Phytochemie: Kaffee.
  20. Veränderungen des Anteils von Inhaltsstoffen durch den Röstvorgang. (Memento vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive)
  21. Casal, S. et al. (2000): Discriminate analysis of roasted coffee varieties for trigonelline, nicotinic acid, and caffeine content. In: J Agric Food Chem 48(8); 3420–3424; PMID 10956127; doi:10.1021/jf990702b.
  22. Klaus Roth: Espresso: Ein Dreistufenpräparat. In: GIT Labor-Fachzeitschrift Heft 8, 2013, S. 486ff.
  23. M. Daglia, R. Tarsi, A. Papetti, P. Grisoli, C. Dacarro, C. Pruzzo, G. Gazzani: Antiadhesive Effect of Green and Roasted Coffee on Streptococcus mutans' Adhesive Properties on Saliva-Coated Hydroxyapatite Beads. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 50, Nr. 5, 2002, S. 1225–1229, doi:10.1021/jf010958t.
  24. Verwendung von Trigonellin zum Herstellen eines peroral einzunehmenden kapselierten Mittels zur Wiederbelebung und zum Anregen und Verstärken des Haarwuchses bei Lebewesen.
  25. Bundesgerichtshof 177-98 (PDF; 65 kB), 20. März 2001.
  26. Patent EP2440206B1: Trigonellin als Muskelstimulans. Angemeldet am 10. Juni 2010, veröffentlicht am 18. Juli 2018, Anmelder: DSM IP Assets B.V., Erfinder: Angelika Friedel et Al.
  27. E. Schulze: Über die zur Darstellung von Cholin, Betain und Trigonellin aus Pflanzen verwendbaren Methoden und über die quantitative Bestimmung dieser Basen. In: Hoppe-Seyler´s Zeitschrift für physiologische Chemie. Band 60, Nr. 2, 1909, S. 155–179, doi:10.1515/bchm2.1909.60.2.155.
  28. G. Klein, H. Linser: Zur Bildung der Betaine und der Alkaloide in der Pflanze. I. Die Bildung von Stachydrin und Trigonellin. In: Hoppe-Seyler´s Zeitschrift für physiologische Chemie. Band 209, Nr. 1–2, 1932, S. 75–96, doi:10.1515/bchm2.1932.209.1-2.75.
  29. G. Klein, H. Linser: Zur Bildung der Betaine und der Alkaloide in der Pflanze. II. Stachhydrin und Trigonellin. In: Zeitschrift für Wissenschaftliche Biologie. Abteilung E, Planta, Jg. 1933, Bd. 19, Heft 2, S. 366–388. JSTOR:23842280.