Ungeheuer

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Der Heilige Georg bekämpft einen Drachen (Gemälde von Gustave Moreau, 1889)
Herkules und die Lernäische Hydra (Gemälde von Gustave Moreau, 1876)
Tarasque – ein Drache aus der französischen Mythologie (Tarascon, 2004)

Ungeheuer oder Ungetüm ist ein Ausdruck für Geschöpfe, in der Regel imaginäre Phantasietiere („Untiere“), die sich durch Größe, Stärke oder auch Hässlichkeit hervorheben. Monster oder Monstrum bezeichnet ein widernatürliches, meist hässliches und angsterregendes Gebilde oder eine Missbildung.[1] Auf tatsächlich lebende Personen bezogen bedeutet Ungeheuer auch Scheusal oder Unmensch.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort Ungeheuer stammt von althochdeutsch ungehiuri „unheimlich“ (schrecklich, spukhaft, gespenstisch, grausig, ungeheuer) als Gegensatz zu gehiure „geheuer“ (behaglich, sanft, friedlich), das abgeleitet ist von hiuri „ruhige“: zur gleichen Siedlung oder Hausgemeinschaft gehörige Geister oder deren Zustand bezeichnend.[2]

Die Bezeichnung „Monster“ leitet sich von lateinisch monstrum „Mahnzeichen“, sowie monstrare „zeigen“ und monere, „mahnen, warnen“ ab. Im engeren Sinn ist meist ein im Verhältnis zu einem eher idealtypisch gesehenen Menschen ungestaltes Wesen gemeint. Dessen Missgestalt findet seinen einzigen Zweck zunächst im Verweis auf das Maß – ein Ideal in körperlicher wie ideeller Hinsicht. Vor allem im Umkreis des theologischen Denkens der Kirchenväter und des Mittelalters ist das Monstrum ein Mahnzeichen, das die Gläubigen auf die Gefahren und Folgen eines Abweichens vom rechten Glauben hinweisen soll, das also bewusst von Gott gesetzt ist. Isidor von Sevilla leitete in seinen Etymologien (11, 3) dementsprechend die Bezeichnung ab von lateinisch monitum, „Andeutung, Prophezeiung“.[3] Monster in diesem Bildbereich konnten Tiere, mythologische Mischwesen, aber durchaus auch „menschliche Wesen“ sein (Augustinus von Hippo: monstra sunt in genere humano „Monster sind Teil des Menschengeschlechts“), welche als Wundervölker beschrieben wurden. Der Ausdruck Monster findet Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch über die Literatur. Er wird zum ersten Mal 1818 von Mary Shelley in Frankenstein oder der moderne Prometheus verwendet.[4]

Hintergründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ausdruck Ungeheuer wird heute meist auf eine phantastische Kreatur mit stark erschreckenden Anteilen, jedoch auch umgangssprachlich auf alltägliche Dinge angewendet, die die oben genannten Kriterien erfüllen.

Ungeheuer als fiktive Kreaturen haben ihren Ursprung meist in der Phantasie der Menschen oder in Albträumen und symbolisieren Ängste, die in Mythen bzw. Märchen personifiziert leichter verarbeitet werden können. In der Mythologie werden missgebildete Menschen (z. B. Zyklopen) und Mischwesen als Monster bezeichnet. Sie haben zuweilen Tierkörper und Tierköpfe (z. B. der Greif oder Drachen), Tierkörper und menschliche Köpfe (z. B. die Sphinx mit Frauenkopf und Löwinnenkörper oder Zentauren mit Menschenoberkörper und Pferdeleib). Daneben finden sich auch Darstellungen von tierköpfigen (theriokephalen) Dämonen und sogar Göttern (besonders in Ägypten) mit mindestens menschengestaltigen Beinen.

Auch aus der Kryptozoologie werden regelmäßig Sichtungen von „real“ existierenden Ungeheuern gemeldet. Prominentes Beispiel ist das Ungeheuer von Loch Ness. Neben derart fantastischen und extrem unwahrscheinlichen Wesen gibt und gab es aber immer wieder Sichtungen von Ungeheuern, die sich als real entpuppten (etwa der Komodowaran, der Berggorilla, die Riesenkalmare oder der Riesenmaulhai), oder zumindest mit relativ großer Wahrscheinlichkeit existieren könnten.

Sie haben die Funktion von Schreckgespenstern oder Ungeheuern und führen Kindern das Grauen sowie auch mögliche Antworten darauf vor Augen (Kinderschreckfigur).

In Anlehnung daran bezeichnete man früher auch brutale, unsittliche Menschen als Ungeheuer; als Monstren wurden auch Missgeburten oder Menschen mit Missbildungen bezeichnet. Heutzutage findet man diese Bezeichnungen nur noch selten im täglichen Sprachgebrauch.[5] Der französische Diskurstheoretiker Michel Foucault verwendet in seiner Vorlesung mit dem Titel Die Anormalen (Les Anormaux) den Begriff Monster als Rechtsbegriff, um ein "extremes und extrem seltenes Phänomen" zu definieren, welches "durch seine bloße Existenz einen Gesetzesbruch" darstellt und damit "das Unmögliche und Verbotene kombiniert".[6]

Die Sesamstraße führte einen neuen, liebenswerten Monstertyp ein, dessen bekanntester Vertreter wohl das Krümelmonster ist. Ähnlich humorvoll gestaltet sind Elliot, das Schmunzelmonster oder die Hauptdarsteller im Animations-Film Die Monster AG.

Einen anderen liebenswerten Monstertyp hat Dietlind Neven-du-Mont in ihrem Buch Das Getüm (1970) geschaffen.

Eine Sonderausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg widmete sich von Mai bis September 2015 Monstermythen vom Mittelalter bis in die Gegenwart mittels Darstellungen in Büchern, Gemälden, Skulpturen, Kinoplakaten und Filmausschnitten.[7][8]

Berühmte Monster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bekannte Ungeheuer oder Monster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke, in denen Ungeheuer eine bedeutende Rolle spielen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mathematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Numismatik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Interimstaler zeigen ein Ungeheuer mit drei Köpfen und einer speienden Fratze zur Verspottung des Augsburger Interims.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurt Röttgers, Monika Schmitz-Emans: Monster (= Philosophisch-literarische Reflexionen. Band 12). Verlag Die blaue Eule, Essen 2010, ISBN 978-3-89924-301-7.
  • Wolfgang Schwerdt: Andre Zeiten, andre Drachen. Eine Kulturgeschichte des Drachen. Vergangenheitsverlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-940621-25-2. – Über Drachen und Monster in der vorderasiatisch- westlichen Kulturgeschichte von der Antike bis heute.
  • Michael Hagner (Hrsg.): Der falsche Körper. Beiträge zu einer Geschichte der Monstrositäten. o. V., Göttingen 1995.
  • Lorraine Daston, Katherine Park: Wonders and the Order of Nature 1150–1750. o. V., New York 1998.
  • Hans Richard Brittnacher: Ästhetik des Horrors. Gespenster, Vampire, Monster, Teufel und künstliche Menschen in der phantastischen Literatur. o. V., Frankfurt a. M. 1994.
  • Ulrich Müller, Werner Wunderlich (Hrsg.): Dämonen, Monster, Fabelwesen (= Mittelalter-Mythen. Band 2). UVK-Fachverlag für Wissenschaft und Studium, Konstanz 1998, ISBN 978-3-86764-118-0.
  • Marco Heiles: Monster und Humanisten. Zum Bedeutungswandel der Monstra im ausgehenden Mittelalter. 2010, online auf hcommons.org [Abruf am 6. April 2017].
  • Claude Lecouteux: Les monstres dans le litterature allemande. 3 Bände. Göppingen 1982 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Band 330, I–III).
  • Ulisse Aldrovandi, Monstrorum historia cum Paralipomenis historiae omnium animalium, Bononiae, Nicolò Tebaldini, 1642 – Digital version
  • Christian Hünemörder: Die merkwürdigen Menschenrassen des Orients – Fiktion und – vorgebliche – Realität. In: Dominik Groß und Monika Reininger (Hrsg.): Medizin in Geschichte, Philologie und Ethnologie: Festschrift für Gundolf Keil. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, S. 370–377.
  • Urte Helduser: Imaginationen des Monströsen. Wissen, Literatur und Poetik der „Missgeburt“ (1600–1835). Wallstein, Göttingen 2016.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Monster – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Monster – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Markus Dederich: Körper, Kultur und Behinderung. Eine Einführung in die Disability Studies. Transcript, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89942-641-0, S. 89 (Seitenvorschau in der Google-Buchsuche ).
  2. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. Herausgegeben von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin/New York 1967 (Nachdruck „21. unveränderte Auflage“, ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 804: geheuer).
  3. Hünemörder, 2003: S. 373–374.
  4. Gabriele Thome: Vorstellungen vom Bösen in der lateinischen Literatur: Begriffe, Motive, Gestalten. Steiner, Stuttgart 1993, ISBN 3-515-06312-9, zugleich Habilitationsschrift, Universität München 1990, S. 100; Rasmus Overthun: Das Monströse und das Normale. Konstellationen einer Ästhetik des Monströsen. In: Achim Geisenhanslüke, Georg Mein (Hrsg.): Monströse Ordnungen. Zur Typologie und Ästhetik des Anormalen. Transcript, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-8376-1257-8, S. 43–79, hier S. 46.
  5. Urs Zürcher: Monster oder Laune der Natur. Medizin und die Lehre von den Missbildungen 1780–1914. Campus, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-593-37631-8, S. 11.
  6. Michel Foucault: Die Anormalen. Abgerufen am 28. Juli 2022.
  7. Monster-Ausstellung in NürnbergSchaurig-schöner Grusel, Deutschlandradio Kultur vom 4. Mai 2015
  8. Information des Germanischen Nationalmuseums zur Sonderausstellung (Memento vom 2. Juli 2015 im Internet Archive)