Victoria (2015)

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Film
Titel Victoria
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch,
Englisch
Erscheinungsjahr 2015
Länge 140 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Sebastian Schipper
Drehbuch Sebastian Schipper,
Olivia Neergaard-Holm,
Eike Schulz
Produktion Jan Dressler,
Sebastian Schipper
Musik Nils Frahm,
DJ Koze,
Deichkind
Kamera Sturla Brandth Grøvlen
Besetzung

Victoria ist ein Spielfilm des deutschen Regisseurs Sebastian Schipper aus dem Jahr 2015, der aus einer einzigen 140-minütigen Kameraeinstellung besteht. Als offizieller Wettbewerbsbeitrag der 65. Berlinale hatte der Film am 7. Februar 2015 Premiere.[2] Kameramann Sturla Brandth Grøvlen erhielt den Silbernen Bären für die beste Kamera. Beim Deutschen Filmpreis 2015 wurde der Film in sechs Kategorien mit einer „goldenen Lola“ prämiert, u. a. als bester Spielfilm und für die beste Regie.

Handlung

Während einer Clubnacht trifft die Spanierin Victoria in Berlin auf die vier jungen Männer „Sonne“, „Boxer“, „Blinker“ und „Fuß“, die sich ihr als „echte Berliner“ vorstellen. Neu in der Stadt und auf der Suche nach Bekanntschaften, begleitet sie die vier durch die weitere Nacht, zum nächsten Späti und auf ein Hochhausdach, einem regelmäßigen Treffpunkt der Gruppe. Sie albern herum und verständigen sich mit Victoria in englischer Sprache. Von Boxer erfährt man unter anderem, dass er im Gefängnis war. Sonne begleitet Victoria zum Café, in dem sie arbeitet, und das sie um sieben Uhr öffnen muss. Ihr Flirten und Kennenlernen dort wird vom wieder auftauchenden Rest der Gruppe unterbrochen. Eine Knastbekanntschaft von Boxer fordert einen Gefallen. Da Fuß zu stark alkoholisiert und nicht mehr handlungsfähig ist, wird Victoria von Sonne überzeugt, die anderen drei zu begleiten. Der Gefallen entpuppt sich als Überfall auf eine Privatbank, Victoria wird Fahrerin des gestohlenen Fluchtwagens. Nach dem geglückten Bankraub kehrt die Gruppe in den Club zurück und feiert ausgelassen weiter. Nach dem Verlassen des Clubs werden sie jedoch von der Polizei erkannt. Sie fliehen in einen Hinterhof, wo es zu einem Schusswechsel kommt. Boxer und Blinker werden dabei angeschossen und erliegen nach kurzer Zeit ihren Verletzungen. Victoria und Sonne verschaffen sich Zugang zu der naheliegenden Wohnung eines fremden Pärchens. Sie ziehen Kleidungsstücke von ihnen an und nehmen ihr gemeinsames Baby mit, welches sie wie versprochen im gegenüberliegenden Laden abgeben, und entkommen auf diese Weise getarnt zu einem Hotel. Dort angekommen erkennt Victoria, dass auch Sonne bei dem Schusswechsel schwer verletzt wurde. Sie ruft einen Krankenwagen, der jedoch nicht rechtzeitig ankommt. Victoria nimmt das erbeutete Geld an sich und verlässt unerkannt das Hotel.

Entstehungsgeschichte

Die Darsteller des Films mit Regisseur Schipper (verdeckt) und Festivalleiter Dieter Kosslick bei der Berlinale 2015

Der Film wurde in einer einzigen Kameraeinstellung gedreht. Er basiert auf einem zwölfseitigen Drehbuch. Viele Dialoge und Szenen sind improvisiert. Nach diversen Proben wurde drei Mal der komplette Film am Stück gedreht. Die finale Fassung wurde in einem Stück gelassen; es gibt keine Schnitte im Film.[3]

Gedreht wurde die finale Fassung am 27. April 2014 zwischen 4:30 und 7:00 Uhr in Berlin-Kreuzberg und Berlin-Mitte. Schipper standen sechs Regieassistenten und drei komplette Teams für den Ton zur Verfügung. Als Kamera wurde eine Canon C300 verwendet. Es kamen 150 Statisten zum Einsatz.[4]

Kritiken

Wenke Husmann fasst in der Zeit zusammen: „Ein irrsinniges Experiment, ein fantastischer Film, […] der das deutsche Kino nachhaltig durchrütteln wird. […] Man sitzt und schaut und ist völlig überwältigt von dem, was man da sieht. Und schon bald auch von dem, was man nicht sieht, weil man sich vorstellt, wie das alles entstanden sein muss. Es ist, als würde endlich ein großer Hunger gestillt. […] In diesem letzten Versuch [nach zwei zu perfekten Generalproben] zündete dann der Funke. Es entstand ein filmisches Feuerwerk. Und wenn man denn so will, ist Sturla Brandth Grøvlen der Pyrotechniker. […] Der Film war – so realistisch muss man sein – eigentlich nicht machbar. Hirnrissig eben. Er wurde absolut gigantisch.“

Jens Balzer lobt in der Berliner Zeitung, wie es Schipper und seinen Schauspielern in diesem Bankräuberfilm gelingt, das Gefühl der Fremdheit in Berlin einzufangen, sowohl die Einsamkeit der spanischen Neuberlinerin Victoria als auch die Verlorenheit der Berliner Ghettojungs, die sich im hippen Berliner Nachtleben beweisen wollen. „Liebe und Angst, Gewalt und Vertrauen, Zukunftswillen und auswegloses Jetzt“ seien im Film „unentwirrbar ineinander verschränkt“. Der Film zwänge Figuren und Zuschauern „eine Einheit von Raum und Zeit auf, in der er einerseits eine eigene Zeit und Welt erschaffe und gleichzeitig unsere Gegenwart in allgemein gültigster Weise widerspiegele", urteilt Balzer zusammenfassend.[5]

Wolfgang Höbel beschreibt bei Spiegel Online, wie die „stets radikal dynamische Erzählweise“ beim Zuschauer eine Nähe zu den Charakteren und dem Strudel, in den sie mit ihrem Handeln hineingerissen werden, schaffe, obwohl einige der „manchmal gruselig schwankenden Bilder“ eine Herausforderung beim Zuschauen seien. Schipper gelinge laut Höbel, wie bereits in seinen vorherigen Buddy-Movies Absolute Giganten und Ein Freund von mir ein „Außenseiter-Ensemble“ zusammenzustellen, „das das Männerspiel aus ungelenken Zärtlichkeiten, losen Brüllereien und jähen Eingeständnissen der eigenen Verletzlichkeit ehrfurchtgebietend und manchmal sogar herzzerreißend beherrscht“.[6] Oft gelobt wird auch der Kameramann, dem laut Gunda Barrels vom Tagesspiegel für die 140 Minuten „Ochsentour jeder Respekt gebührt“, auch weil er die Gefühlswelten der Schauspieler durchgehend „sehr feinstofflich einfängt“.[7] Sturla Brandth Grøvlen lässt seine Kamera vom „Rhythmus inspirieren, wechselt brillant Farben, Helligkeiten und Schärfe, ist kühl und liebevoll zugleich. Mal mit dokumentarischer Schärfe, mal mit impressionistischer Körnigkeit“, wie es Jan Küveler in der Welt beschreibt.[8]

Von der Deutschen Film- und Medienbewertung wurde Victoria mit dem Prädikat besonders wertvoll versehen. In der Begründung heißt es: „Wer ein trauriges Kammerspiel mit vier kaputten Getto-Jugendlichen und einer unerfahrenen Berlinbesucherin erwartet, den wird ‚Victoria‘ positiv überraschen. Nicht nur, weil sich der Film über eine große Fläche von Berlin-Mitte und Kreuzberg erstreckt, sondern weil sich Schipper als ein phänomenaler Dramaturg erweist.“[9]

Auszeichnungen

Literatur

Kritikenspiegel deutschsprachig

Kritikenspiegel international

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Victoria. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, April 2015 (PDF; Prüf­nummer: 150 281 K).
  2. Berlinale-Favorit "Victoria" – Bester Berlin-Film seit langem, Berliner Zeitung, 8. Februar 2015, abgerufen am 9. Februar 2015.
  3. Absolut gigantisch, ZEIT online, 8. Februar 2015, abgerufen am 9. Februar 2015.
  4. „Victoria“ von Sebastian Schipper, tip Berlin, 3. Februar 2014, abgerufen am 9. Februar 2015
  5. Jens Balzer: Berlinale-Favorit „Victoria“ – Bester Berlin-Film seit langem. In: Berliner-zeitung.de vom 8. Februar 2015
  6. Wolfgang Höbel: Berlinale-Film „Victoria“: Die Außenseiterbande. In: SPON vom 7. Februar 2015
  7. Gunda Bartels: Victoria – Berlin ungeschnitten. In: Tagesspiegel.de vom 8. Februar 2015
  8. Jan Küveler: So hart und echt rockt das dunkle Berlin. In: Welt.de vom 7. Februar 2015
  9. Victoria. Jury-Begründung: Prädikat besonders wertvoll In: Deutsche Film- und Medienbewertung. Abgerufen am 14. Oktober 2015.