Vollelektrolytlösung

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Ringer-Lactat-Lösung

Eine Vollelektrolytlösung (VEL) ist eine Lösung zur intravenösen Infusion. Im Gegensatz zu isotoner Kochsalzlösung enthält sie zusätzliche Elektrolyte wie Kalium, Calcium und Magnesium in einer der Blutserumkonzentration ähnlichen Zusammensetzung.

Sie wird bei Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten verschiedenster Ursachen sowie als Trägerlösung für die intravenöse Gabe von Medikamenten angewandt.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vollelektrolytlösungen enthalten mindestens 120 mmol/L Na+[1] und sind in Verteilung und Konzentration der wichtigsten Kationen Natrium, Kalium, Calcium sowie häufig auch Magnesium auf die des Blutplasmas abgestimmt. Sie sind annähernd isoton. In den sogenannten balancierten Lösungen ist zudem auch der Chloridgehalt auf einen möglichst physiologischen Wert eingestellt (isoion).[2] Unphysiologisch hohe Chloridkonzentrationen haben ungünstige Wirkungen auf die Nierenfunktion und Hämodynamik und können dosisabhängig zu einer Dilutionsazidose führen.[2] Dazu wird in der Zusammensetzung der Lösung ein Teil des Chlorids durch metabolisierbare Anionen wie Acetat, Lactat oder Malat ersetzt. Sie werden im Körper zu Hydrogencarbonat (Bicarbonat, HCO3-) verstoffwechselt, das eines der physiologischen organischen Anionen im Blutplasma darstellt, aber aus galenischen Gründen der Infusionslösung nicht direkt zugegeben werden kann.[2] Ein Nachteil des überwiegend hepatisch metabolisierten Lactats ist der überproportional hohe Sauerstoffverbrauch und die mögliche Beeinträchtigung einer Lactat-Diagnostik. Hingegen werden Acetat und Malat leberunabhängig verstoffwechselt.[2]

Bekannte Produkte sind z. B. Ringerlösungen, Sterofundin und Jonosteril.

Beispiele für Elektrolytspektren (mmol/L) und chemisch-physikalische Daten[3] einiger VEL mit/ohne Kohlenhydrate im Vergleich zur Plasmakonzentration
Name Na+ K+ Ca2+ Mg2+ Cl- Acetat Lactat Org. Säuren HCO3- H2PO4- Proteinat Glucose Theoret. Osmola­rität [mosm/L] pH-Wert Titrations­azidität
[mmol NaOH/L]
Humanplasma
(durchschnittliche Konzentration)[4]
142 5 2,5
(5 mval/L)
1
(2 mval/L)
102 6 27 1
(2 mval/L)
1; 20[2]
(16 mval/L)
288
310[2]
7,4 0
Jonosteril D 5 137 4 1,65 1,25 147 50 g/L 568 3,0–4,5 1–2
Ringer-Lösung 147 4 2,25 156 309 5,0–7,0 < 1
Ringer-Lösung mit 5 % Glucose 147 4 2 155 50 g/L 585 3,5–6,5 < 0,2
Ringer-Acetat-Lösung 130 5,4 0,9 1 112 27 276 6,0–8,0 < 2
Ringer-Lactat-Lösung 131 5,4 1,8 112 28 279 5,0–7,0 < 2
Ringer-Lactat-Lösung nach Hartmann 131 5,4 0,91 1 112 28 279 5,0–7,5 < 0,3
Ringer-Lactat-Lösung mit 5 % Glucose 131 5,5 1,8 112 28 50 g/L 556 4,0–6,5 < 0,2
Sterofundin 140 4 2,5 1 106 45 299 4,5–7,5 < 1

Sonderformen sind Zweidrittel-, Halb- oder Drittel-Elektrolytlösungen (Bezeichnung entsprechend dem Natriumgehalt der Vollelektrolytlösungen).[1] Sie variieren teilweise im Kaliumgehalt.

Es existieren auch Kombinationslösungen mit Glucose. Bei Halb- und Drittelelektrolylösungen dient der Glucosezusatz der Erhöhung der Osmolarität. Flüssigkeits- und Volumenersatzmittel ohne Makromoleküle werden auch kristalloide Infusionslösungen genannt.

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anwendungsgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Indikationen umfassen den Flüssigkeits- und Elektrolytersatz bei ausgeglichenem Säuren-Basen-Haushalt, die Behandlung der isotonen und hypotonen Dehydratation und den kurzfristigen intravasalen Volumenersatz. Balancierte Lösungen können auch bei leichter Azidose angewendet werden. Glucosehaltige Lösungen dienen zudem der teilweisen Deckung des Energiebedarfs.[5]

Sie werden zudem als Trägerlösung eingesetzt, um Elektrolytkonzentrate und Arzneimittel intravenös zu verabreichen.[5]

Anwendungsbeschränkungen, Nebenwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nicht eingesetzt werden dürfen VEL bei Hyperhydratation (Überwässerungszuständen). Lactathaltige Lösungen sind kontraindiziert bei eingeschränkter Lactatverwertung bei einer Hyperlactatämie.[5]

Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sind keine Nebenwirkungen zu erwarten.[5]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Thomas Ziegenfuß: Notfall-Medizin, 2. Auflage, Heidelberg, 2001, ISBN 3-540-67424-1
  • Böhmer, Schneider, Wolcke: Taschenatlas Rettungsdienst, 5. Auflage, Mainz, 2006, ISBN 3-937244-05-0

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Einteilung nach Rote Liste: Vollelektrolytlösungen: Na+ > 120 mmol/L, Zweidrittelelektrolytlösungen: Na+ 91–120 mmol/L, Halbelektrolytlösungen: Na+ 61–90 mmol/L, Eindrittelelektrolytlösungen: Na+ < 60 mmol/L. Siehe: 52.1. Lösungen zur Elektrolytzufuhr. Abgerufen am 10. Juni 2023.
  2. a b c d e f H.A. Adams: Volumen- und Flüssigkeitsersatz – Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und klinischer Einsatz (Teil I und II). In: Anästhesiologie & Intensivmedizin, Bd. 48, 2007, S. 448–460.
  3. den Produktfachinformationen entnommen (Ringerlösung Fresenius Stand 2015, Sterofundin Stand 2014, Jonosteril D5 Stand 2015, Ringer-Lösung mit 5 % Glucose / Ringer-Lactat-Lösung mit 5 % Glucose / nach Hartmann BfArM-Standardzulassung Stand 2004, Ringer-Lactat-Lösung Fresenius Stand 2018, Ringer-Acetat-Lösung Baxter Stand 2021)
  4. Wenn nicht anders angegeben: G. Thews, E. Mutschler, P. Vaupel: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, WVG 1979, S. 115
  5. a b c d Monografien der Standardzulassungen Ringer-Lösung, Ringer-Lösung mit 5 % Glucose, Ringer-Lactat-Lösung, Ringer-Lactat-Lösung mit 5 % Glucose, Ringern-Acetat-Lösung. In: Anlage zur Zehnten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Standardzulassungen von Arzneimitteln vom 6. Dezember 2004. Anlageband zum Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 67 vom 15. Dezember 2004.