Walter Tyrolf

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Walter Fritz Tyrolf (* 12. Januar 1901 in Zeitz; † 24. November 1971 in Goldenbek) war ein deutscher Staatsanwalt und Richter.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walter Tyrolf war der Sohn eines Volksschullehrers und studierte an der neuen Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Rechtswissenschaft. 1921 wurde er im Corps Austria Frankfurt am Main aktiv.[1] Nach dem Abschluss des Studiums (1923), der Promotion zum Dr. jur. (1926) und des Referendariats (1927) wurde er 1930 als Gerichtsassessor eingestellt und 1931 zum Amtsgerichtsrat ernannt. 1934 wurde er Landgerichtsrat, 1937 Richter am Landgericht in Hamburg. Zeitgleich trat er am 1. Mai 1937 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 5.269.173).

Ab 1940 arbeitete er als Staatsanwalt. 1944 wurde er als Staatsanwalt an das NS-Sondergericht Hamburg versetzt. Dort plädierte er in zahlreichen Fällen, auch wegen Bagatellen[2] (wie leichtem Diebstahl und „Rassenschande“), auf die Todesstrafe und erreichte, dass diese auch vollstreckt wurde. Bislang sind mindestens 18 Gerichtsverfahren bekannt, in denen er Todesurteile beantragte und die in 15 der Fälle auch zur Hinrichtung führten.[3]

Unmittelbar nach Kriegsende wurde er als Untersuchungsrichter wieder am Landgericht Hamburg tätig und dort 1951 zum Landgerichtsdirektor befördert. 1949 leitete Tyrolf das Gerichtsverfahren um die Tätigkeit von Veit Harlan im Dritten Reich und sprach diesen frei. Der Freispruch von Harlan, der den antisemitischen Propagandafilm Jud Süß gedreht hatte, und die an Antisemitismus grenzende Urteilsbegründung von Tyrolf erregten internationales Aufsehen in der Presse. Der Sohn von Veit Harlan, Thomas Harlan, bezeichnete Tyrolf deshalb als „Blutrichter[4] Direkte Folge des Urteils und des Meinungsstreits dazu im Nachfeld war das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Nachdem Tyrolfs erste Ehefrau im September 1962 gestorben war, heiratete er im März 1963 die frühere Euthanasieärztin Ingeborg Margarete Wetzel, die er zuvor in einem NS-Kriegsverbrecherprozess freigesprochen hatte.[5] Obwohl Ermittlungen und interne Untersuchungen wegen seiner Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus liefen, lehnte Tyrolf ein freiwilliges Ausscheiden als belasteter Jurist ab. Nachdem Tyrolf im Juni 1963 einen Schlaganfall erlitten hatte und seitdem nicht mehr arbeitsfähig war, ging er zum 1. Juli 1964 in den vorzeitigen Ruhestand.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der nicht rechtsfähige Verein unter besonderer Berücksichtigung seiner Stellung als Erbe. Dissertation 1926

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Michael Marek: Meine Partei ist Kunst. In: Neue Zürcher Zeitung vom 28. April 1994.
  • Helge Grabitz, Wolfgang Sarodnick, Gunther Schmitz (Hrsg.): Von Gewohnheitsverbrechern, Volksschädlingen und Asozialen. Hamburger Justizurteile im Nationalsozialismus. Hamburger Justizbehörde, Hamburg 1995.
  • Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht. Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge. Peter Lang, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-631-53896-8.
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5.
  • Marc Burlon: Die „Euthanasie“ an Kindern während des Nationalsozialismus in den zwei Hamburger Kinderfachabteilungen. Dissertation, Hamburg 2009, S. 191–193. Volltext online (PDF; 1,7 MB)
  • Andreas Babel: Die NS-„Euthanasie“ und Rahlstedt. In: Rahlstedter Jahrbuch für Geschichte & Kultur, Jg. 2018, S. 78–95.
  • Carsten Rinio: Walter Tyrolf, Richter und Staatsanwalt im Dritten Reich (und danach). In: Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins, Jg. 2022, Heft 1, S. 11–20 online.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kösener Corpslisten 1960, 25, 260.
  2. Die WELT vom 11. April 2004
  3. Thomas Harlan: Veit. Rowohlt Verlag, Anmerkung zu S. 20.
  4. Hamburger Abendblatt vom 23. Juni 2011
  5. Hamburger Abendblatt vom 12. Februar 2014