Ehringsdorfer Urmensch

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Reste der Ehringsdorfer „Urmenschen“, Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens, Weimar

Beim Ehringsdorfer Urmenschen handelt es sich um Reste von insgesamt sieben „Urmenschen“, die seit 1908 in den Travertin-Steinbrüchen des Ilmtales am Rand von Ehringsdorf, einem Ortsteil von Weimar gefunden wurden. Am bekanntesten wurde die 1925 gefundene vollständige Schädelkalotte mit zugehörigen weiblichen Skelettresten.

Fundgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Fundstelle in den Steinbrüchen bei Ehringsdorf wurde 1907 erstmals eine intakte paläolithische Fundschicht entdeckt. 1908–1913 wurden erste menschliche Schädelknochen entdeckt, 1914 ein Unterkiefer im Steinbruch Kämpe. 1916 wurden Teile eines Oberkörperskeletts, ein Unterkiefer, Zähne sowie ein Teil des Oberkiefers eines Kindes gefunden. Am 21. September 1925 erfolgte die Entdeckung der berühmten Schädelkalotte im Steinbruch Fischer.[1] Ernst Lindig und sein Sohn Kurt Lindig übernahmen die Bergung.

Es handelt sich um die fossilen Überreste einer etwa 20- bis 30-jährigen Frau, die zunächst in die Eem-Warmzeit (126.000–115.000 Jahre vor heute) datiert wurden, danach jedoch in die nächst ältere Warmzeit (250.000 ± 50.000 Jahre vor heute). Über die Datierung des Fundes gab es unterschiedliche Angaben, da die Korrelation mit der Eem-Warmzeit infolge radiometrischer Datierungen umstritten war.[2][3][4] Den Nachweis einer Herkunft aus der Epoche von vor rund 230.000 Jahren lieferten Daten aus Uran-Thorium-Datierungen[5] und der Datierung einer Zahnschmelzprobe aus dem Unteren Travertin mit Hilfe der Elektronenspinresonanzmethode.[6]

Sollte die höhere Altersangabe korrekt sein, ist der Fund etwas jünger als der „Urmensch von Steinheim“ und fällt in jene Epoche, deren europäische Vertreter der Gattung Homo wahlweise als später Homo heidelbergensis oder als „Prä-Neandertaler“ bezeichnet werden. Von Emanuel Vlček, der die Homininenreste zwischen 1978 und 1982 untersucht hat, werden sowohl Merkmale des (nach heutigem Wissensstand in Europa noch nicht eingewanderten) archaischen Homo sapiens als auch des Neandertalers beschrieben.[7][8] Heute werden Neandertalermerkmale im Vordergrund gesehen. Das Gehirnvolumen des vollständigen Schädels beträgt 1450 cm3.

Die Silexspitze von Weimar-Ehringsdorf wurde 2014 aufgefunden.

Umgebung und Fundlandschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Feuersteinspitze aus Weimar, Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens, Weimar

Die Überreste des Ehringsdorfer Urmenschen gehören zu einer Reihe von Fossilfundstellen und archäologischen Fundplätzen, die in und um Weimar gefunden wurden. Andere wichtige Fundstätten im Weimarer Stadtgebiet liegen in der Innenstadt (Fundstellen „Parktravertin“ im Ilmpark und „Belvederer Allee“) sowie im Ortsteil Taubach.[9] In Oßmannstedt befindet sich eine wissenschaftlich bedeutende Fundstätte der näheren Umgebung, kleinere Fundstellen liegen praktisch im gesamten Landkreis Weimarer Land. Die auffällige Häufung in diesem Raum wird damit erklärt, dass Weimar genau auf der sogenannten Feuersteinlinie der Elstereiszeit liegt, wo die Endmoräne der ersten skandinavischen Inlandvereisung für eine Häufung oberflächig transportierten Feuersteins gesorgt hat. Außerdem begünstigte das für diese Gegend typische Travertingestein (die sogenannten Ilmtaltravertine) die Konservierung von Steinartefakten und Knochen.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ehringsdorfer Urmensch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kurt Lindig: Der Altsteinzeitmensch des Ilmtales Skelettreste aus dem Travertin von Weimar-Ehringsdorf. Vimaria Verlag Fritz Fink, Weimar 1934.
  2. M. Altermann: Der Boden im oberen Teil des „Pariser“. In: D. Mania, M. Altermann, D. Rau: Paläoböden und Stratigraphie des Mittel- und Jungquartärs im Mitteldeutschen Trockengebiet. Sitz. u. Exk. Arbeitskreis Paläopedologie 25.-27. Mai 1995, Jena.
  3. Wolf Dieter Heinrich: Zur stratigraphischen Stellung der Wirbeltierfaunen aus den Travertinfundstätten von Weimar-Ehringsdorf und Taubach in Thüringen. Z.f.Geol.Wiss. 3, 1031–1055, Berlin.
  4. Dietrich Mania: Zur Quartärgeologie des mittleren Elbe-Saalegebietes unter besonderer Berücksichtigung der Fundstellen Ehringsdorf und Bilzingsleben (mit einem Beitrag von M. Altermann). Jena 1997.
  5. Mallik, R., N. Frank, A. Mangini und G. A. Wagner: Präzise Th/U-Datierung archäologisch relevanter Travertinfundstellen Thüringens. In: G. A. Wagner und D. Mania (Hrsg.): Frühe Menschen in Mitteleuropa - Chronologie, Kultur, Umwelt. Aachen 2001, S. 77–90.
  6. Tim Schüler: ESR-Datierung von Zahnschmelz aus dem Unteren Travertin von Weimar-Ehringsdorf. In: Alt-Thüringen. Band 28, 1994, S. 9–23, Volltext.
  7. Emanuel Vlček: Fossile Menschenfunde von Weimar-Ehringsdorf. In: Weimarer Monographien z. Ur- und Frühgeschichte. Bd. 30, 1993.
  8. Emanuel Vlček: Homo finds from Bilzingsleben and Weimar-Ehringsdorf. In: Hominid evolution : lifestyles and survival strategies. 1999, S. 156-165, Edition Archaea, Gelsenkirchen.
  9. Gustav Eichhorn: Die paläolithischen Funde von Taubach in den Museen zu Jena und Weimar. Fischer, Jena 1909.

Koordinaten: 50° 57′ 18″ N, 11° 21′ 2″ O