Werner Nerlich

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Werner Nerlich (* 3. Juli 1915 in Nowawes; † 15. September 1999 in Potsdam) war ein deutscher Grafiker und Maler und Kulturfunktionär in der DDR.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nerlich wuchs in Nowawes in einem liberalen kulturell-geistigen Milieu auf. Zum Bekanntenkreis der Familie gehörte Mies van der Rohe. Nach dem Besuch des Real-Gymnasiums in Nowawes macht Nerlich von 1930 bis 1932 im Betrieb seines Vaters eine Malerlehre. Von 1932 bis 1939 studierte er, u. a. bei Hans Orlowski und Max Kaus, an der Kunstgewerbeschule Berlin. 1939 wurde er zum Militärdienst einberufen. Während der Kämpfe bei Stalingrad wurde gegen ihn ein Verfahren wegen Wehrkraftzersetzung eingeleitet, dem er sich 1943 durch Desertion entzog. Im Kriegsgefangenenlager schloss er sich dem Nationalkomitee Freies Deutschland an. Er entwarf u. a. Plakate und Flugblätter, die über deutschen Stellungen abgeworfen wurden, und war ab 1944 als Angehöriger einer Aufklärungsabteilung der Roten Armee an der Frontaufklärung und -Propaganda beteiligt. Er gehörte zu den Einheiten, die als erste Treblinka erreichten. Noch am Tage der Kapitulation der Wehrmacht wurde Nerlich in Berlin verwundet.

Unmittelbar nach Kriegsende war Nerlich als Provinzialinspektor der Landesregierung mit wichtigen Organisationsaufgaben beauftragt.

Nerlich gehörte in Potsdam zu den Künstlern, „die aktiv gestaltend und umwälzend in die anstehenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse auf ihre Weise und auf ihrem Gebiet eingreifen wollten und vor allem ein neues Verhältnis von Kunst und Gesellschaft anstrebten“. Sein künstlerisches Streben bewegte sich „im Spannungsfeld zwischen Kunst und Architektur, zwischen freier Gestaltung und solidem Handwerk, zwischen zweckfreiem künstlerischem Spiel und funktionsgerichteter angewandter Form.“[1]

1945 gehörte Nerlich zu den Mitbegründern des Brandenburger Landesverbandes des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Er war mit Otto Nagel befreundet und initiierte mit ihm in Potsdam Ausstellungen mit Werken u. a. von Max Pechstein und Karl Hofer.

Nerlich „war natürlich nolens volens auch in die damaligen kulturpolitischen und ideologischen Glaubenskämpfe in der Hochzeit des Kalten Krieges und des Spätstalinismus involviert, was ihn aber andererseits nicht davon abhielt, sich für den Erhalt der Potsdamer Garnisonkirche und des Stadtschlosses einzusetzen“.[1]

1947 war Nerlich Mitbegründer der Landesmalschule Brandenburg.1949 wurde er zum 2. Vorsitzenden des Schutzbundes Bildender Künstler gewählt.

Er war Mitglied des Verbands Bildender Künstler der DDR und zeitweilig Vorsitzender dessen Landesverbandes Brandenburg.

Von 1947 bis 1951 war Nerlich künstlerischer Leiter der Landesmalschule bzw. (nach deren Eingliederung als Außenstelle in die Fachschule Grafik, Druck und Werbung in Berlin-Schöneweide, seit 1976 Fachschule für Werbung und Gestaltung /FWG) bis 1955 Leiter dieser Außenstelle. 1955 bis zu seiner Ablösung „unter dubiosen Umständen“[2] war er 1973 war er Direktor der FWG. 1965 erhielt er eine Professur.

Seit dem Ende seiner administrativen Tätigkeit widmete Nerlich sich intensiv der freien Malerei, vor allem dem Aquarell und der Zeichnung.

Nerlich „war einer der prominentesten Grafiker, Plakat- und Schriftgestalter der DDR … Die politischen Plakate, die er in den Nachkriegsjahren und der späteren DDR schuf, sind von der zeittypischen… Ikonographie geprägt.“[1] „Besonders in der Gebrauchsgrafik hat er Meisterliches geleistet, bis in die 1990er-Jahre.“[3]

Nerlich war mit der Kulturwissenschaftlerin Dorothea Nerlich verheiratet.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Aquarelle Nerlichs lassen „mit ihrer großen inneren Spannung, ihrer ausbrechenden Wut, ihrer kontrastreichen Dramatik und Dynamik, ihrem bisweilen eruptiven Hang zur Apokalypse und zum Crescendo, ihrem farbig-groben Raffinement und ihrer erregten farbigen Rhetorik an die „Farbenstürme“ Emil Noldes erinnern… Sie sind zumeist nicht spontan en plein air entstanden, sondern nach skizzierten Zeichnungsvorlagen später im Atelier.“ „Von einem solch respektvollen und verehrenden Verhältnis zur Natur als Quelle gestaltenden Nachempfindens zeugen auch seine Blumenstücke…Im Kontrast zu den bisweilen aufgewühlten und vibrierenden Rügen-Landschaften wirken die Blumensujets eher wie nach oder zu seelischer Beruhigung gemalt, ohne jeglichen dekorativen Anspruch. Maltechnisch sind es klassische Aquarelle mit verwaschenen Flächenstrukturen ohne jede plastische räumlich-perspektivische Vorstellung …“[1]

Ehrungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemälde (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bauernaktivist aus Plovdiv Peter Radscheff (Tafelbild, Öl; ausgestellt 1962/1963 auf der Fünften Deutschen Kunstausstellung)[4]
  • Libanesische Delegierte in Moskau (Tafelbild, Öl; ausgestellt 1962/1963 auf der Fünften Deutschen Kunstausstellung)[5]
  • Am Hagenschen Wieck, Rügen (Aquarell, 1977, im Bestand des Potsdam Museum)[6]

Baugebundene Kunst und Kunst im öffentlichen Raum (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Potsdamer Alltag (Wandbild im Foyer des Potsdam Museum, damals Kulturhauses Hans Marchwitza; ca. 3 × 10 m; 1966)[7]
  • Natur und Technik (Entwurf für ein Metallrelief; Schwimmhalle Am Brauhausberg; 1970; Ausführung durch den Kunstschmied Karl-Heinz Hantel)
  • Die Badende (Metallrelief; Schwimmhalle Am Brauhausberg; 1970; Ausführung durch den Kunstschmied Karl-Heinz Hantel)
  • Glockenstele auf dem Alten Friedhof Potsdam, Heinrich-Mann-Allee (1984)[8]

Plakatentwürfe (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gemeinsame Arbeit ist Brot für alle. (Lithographie, 1949)[9]
  • 3. internationales bauhaus kolloquium (Offsetdruck, 1983)[9]

Anderes (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Künstlerische Beratung für den Entwurf des Kulturhauses Rathnow[10]
  • Entwurf des Wappens der Stadt Potsdam (1956;1994 modifiziert)

Einzelausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1953 Berlin, Pergamonmuseum („Junge Grafik“; mit Eberhard Frey)
  • 1985 Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel (Malerei, Grafik, Baugebundene Kunst)
  • 1990 Potsdam, Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel (Malerei, Grafik, Baugebundene Kunst)
  • 1996 Potsdam, Altes Rathaus („Aquarelle aus dem Zyklus Mönchgut der Insel Rügen“)
  • 1999 Potsdam, Galerie Mittelstraße
  • 2005 Potsdam, Museumshaus Am Güldenen Arm (Malerei und Grafik)
  • 2008 Potsdam, VR-Bank (mit Dorothea Nerlich)
  • 2015 Potsdam, Potsdam Museums – Forum für Kunst und Geschichte („Werner Nerlich - Ehrenbürger, Künstler, Kulturfunktionär“)

Literatur (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Klaus Büstrin: Heiße Debatte um Werner Nerlich. In: Potsdamer Neueste Nachrichten, Potsdam, 12. März 2005
  • Jutta Götzmann (Hrsg.): Werner Nerlich. Ehrenbürger, Künstler, Kulturfunktionär. be.bra verlag, Berlin, 2015. ISBN 978-3-95410-066-8

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Reinhardt Gutsche: Werner Nerlich. Eine sperrige Biographie? In: Der Freitag, Berlin, 11. Mai 2015
  2. Thorsten Metzner: Der 83-jährige Maler und Ehrenbürger Potsdams hatte das Wappen der Stadt entworfen. In: Der Tagesspiegel, Berlin, 11. Oktober 1999
  3. Klaus Büstrin: Werke von Werner Nerlich im Potsdam Museum. Bewegtes Leben eines Antifaschisten. In: Potsdamer Neueste Nachrichten, Potsdam, 7. März 2015
  4. Bauernaktivist aus Plovdiv Peter Radscheff, auf deutschefotothek.de
  5. Libanesische Delegierte in Moskau, auf deutschefotothek.de
  6. Werner Nerlich - Ehrenbürger, Künstler, Kulturfunktionär - 8. Mai bis 19. Juli 2015, auf potsdam.de
  7. Mit dem Skalpell ans Bild, auf pnn.de
  8. Werner Nerlich - eine sperrige Biografie?, auf freitag.de
  9. a b Bildindex der Kunst & Architektur
  10. Architektur und Städtebau in der DDR. Hrsg.: Deutsche Bauakademie Berlin, Institut für Städtebau und Architektur. E. A. Seemann-Verlag, 1969, S. 235