Wikipedia:WikiProjekt Marxismus/Café/Archiv/2012

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Photographen Bergemann/Fischer

Es fällt etwas durch das übliche Raster dieses Portals, aber gerade sehe ich daß nach Sibylle Bergemann im November 2010 nun im September auch Arno Fischer (Fotograf) gestorben ist, zu Fischer vergl. http://www.ostkreuz.de/blog/?id=56, --Rosenkohl 23:54, 16. Jan. 2012 (CET)

Die europäische Integration aus marxistischer Perspektive

Hier ein ganz aktueller Versuch, aus marxistischer Sicht (in Anschluss etwa an Gramsci und Poulantzas) die europäische Integration zu analysieren: klick. Louis Wu 19:55, 18. Jan. 2012 (CET)

Rosa Luxemburg?

Ich bin gefraft worden, ob es über dieses (angebliche) Rosa-Luxemburg-Zitat "Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht." eine genaue Quelle gibt. Laut Amazon ist es ja ein „deutsches Sprichwort“. Kann mir jemand helfen? Grüße --Alex1011 11:30, 21. Jan. 2012 (CET)

ich glaub danach hab ich schon mal gesucht, vielleicht findet sich das zitat ja in ähnlichen worten irgendwo. Prinzipiell ist das bei Luxemburgzitaten so ne Sache. Da gibt es auch ein Zitat das etwa folgendermaßen lautet, zudem ich aber auch keine Quelle gefunden habe: Freiheit ohne Gleichheit führt zu Ausbeutung und Gleichheit ohne Freiheit führt zu Unterdrückung. --Tets 17:44, 21. Jan. 2012 (CET)
Inzwischen habe ich folgende Hinweise erhalten, wo das sinngemäß mit Ketten usw. steht:
"Massenstreik, Partei und Gewerkschaften: Dem Sinn nach jedenfalls hier
http://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1906/mapage/kap3.htm:
Kapitel 3:
"Die plötzliche Generalerhebung des Proletariats im Januar unter dem gewaltigen Anstoß der Petersburger Ereignisse war nach außen hin ein politischer Akt der revolutionären Kriegserklärung an den Absolutismus. Aber diese erste allgemeine direkte Klassenaktion wirkte gerade als solche nach innen um so mächtiger zurück, indem sie zum ersten Mal das Klassengefühl und Klassenbewußtsein in den Millionen und aber Millionen wie durch einen elektrischen Schlag weckte. Und dieses Erwachen des Klassengefühls äußerte sich sofort darin, daß der nach Millionen zählenden proletarischen Masse ganz plötzlich scharf und schneidend die Unerträglichkeit jenes sozialen und ökonomischen Daseins zum Bewußtsein kam, das sie Jahrzehnte in den Ketten des Kapitalismus geduldig ertrug. Es beginnt daher ein spontanes allgemeines Rütteln und Zerren an diesen Ketten."
Kapitel 4:
Der plötzlich durch den elektrischen Schlag einer politischen Aktion wachgerüttelte Arbeiter greift im nächsten Augenblick vor allem zu dem Nächstliegenden: zur Abwehr gegen sein ökonomisches Sklavenverhältnis; die stürmische Geste des politischen Kampfes läßt ihn plötzlich mit ungeahnter Intensität die Schwere und den Druck seiner ökonomischen Ketten fühlen."
Grüße --Alex1011 18:25, 21. Jan. 2012 (CET)
Noch was:
"Auf die Schanzen", nicht gezeichneter Artikel in Rote Fahne, 15. 12. 18 (RL Gesammelte Werke, Bd. 4, S. 453)
"Die Streiks gehen wie Flugfeuer über das Land. gestern in Oberschlesien, he::ute in Berlin, morgen in rheinland-Westfalen, in Stuttgart, in Hamburg, stehen sie auf, die Proletarier; sie brechen alle Ketten, die Regierung, Partei und gewerkschaften um sie geschmiedet, sie treten Aug in Auge ihrem Feind gegenüber, dem Kapitalismus.
Laut amazon „deutsches Sprichwort“
http://www.amazon.de/bewegt-Fesseln-Deutsches-Sprichwort-Schl%C3%BCsselhalter/dp/B0017PSYXC
--Alex1011 20:16, 21. Jan. 2012 (CET)

Ja schon, sie hat sich durchaus in diesem Sinne oder ähnlich geäußert, z.B. auch:

"Und umgekehrt, nur in der Revolutionsperiode, wo die sozialen Fundamente und die Mauern der Klassengesellschaft aufgelockert und in ständiger Verschiebung begriffen sind, vermag jede politische Klassenaktion des Proletariats in wenigen Stunden ganze bis dahin unberührte Schichten der Arbeiterschaft aus der Unbeweglichkeit zu reißen, was sich sofort naturgemäß in einem stürmischen ökonomischen Kampf äußert. Der plötzlich durch den elektrischen Schlag einer politischen Aktion wachgerüttelte Arbeiter greift im nächsten Augenblick vor allem zu dem Nächstliegenden: zur Abwehr gegen sein ökonomisches Sklavenverhältnis; die stürmische Geste des politischen Kampfes läßt ihn plötzlich mit ungeahnter Intensität die Schwere und den Druck seiner ökonomischen Ketten fühlen." (Massenstreik, Parteien, Gewerkschaften, 1906, Kapitel 4)

Man könnte auch erstmal umgekehrt fragen, wer dieses Zitat überhaupt Luxemburg zuschreibt. Nicht ganz los werde ich den Verdacht es könnte sich um einen Fall "stiller Post handeln. Mit Bezug auf die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration#Deutsche Demokratische Republik am 17. Januar 1988 hat Ilse Spittmann geschrieben:

"Sie wählten Zitate von Rosa Luxemburg für ihre selbstgefertigten Transparente : »Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden«, »Wer sich nicht bewegt, spürt die Fesseln nicht«." (Der 17. Januar und die Folgen, in Deutschland Archiv 3, 1988, Seite 227)

Also wäre denkbar, daß Spittmann das erste Zitat "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" richtig als (in etwa) von Luxemburg stammend erkannt hatte, aber dann nicht mehr gecheckt hat, ob das zweite "Wer sich nicht bewegt, spürt die Fesseln nicht" tatsächlich auch wörtlich von Luxemburg stammt. Auch andere politische Beoabachter könnten diesem Demonstrationsplakat geglaubt haben, Grüße --Rosenkohl 21:52, 21. Jan. 2012 (CET)

Löschkandidat Casino-Kapitalismus

Wikipedia:Löschkandidaten/27._Mai_2010#Kasino-Kapitalismus

unterschrieben, damit es archiviert wird. --Tets 03:26, 2. Feb. 2012 (CEST)

Postautistische Ökonomie

"Glaubt man jedoch den Fachzeitschriften, so wird an einer Revolutionierung der Wirtschaftswissenschaften kein Weg vorbeiführen. Und die Postautisten sind keineswegs die einzigen Akteure" (Andreas Förster: Ökonomie für Traumtänzer, Jungle World Nr. 6, 9. Februar 2012)

Führt Post-autistische Ökonomie irgendwo hin? --Rosenkohl 00:04, 16. Feb. 2012 (CET)

Aktueller Aufruf europäischer Intellektueller zu Griechenland: Retten wir das griechische Volk vor seinen Rettern!

Beteiligt waren u.a. Jacques Ranciere und Alain Badiou: Klick. Hier der Link zum Original: klick. Louis Wu 00:34, 23. Feb. 2012 (CET)

Danke für den Hinweis, ich möchte den Aufruf noch genauer lesen (die Unterzeichner dürften fast alle relevant sein, daher die aus dem Freitag übernommene, aus Artikelwunschgründen wikifizierte Liste: Vicky Skoumbi, Chefredakteurin der Zeitschrift ‚aletheia‘, Athen; Michel Surya, Direktor der Zeitschrift ‚Lignes‘, Paris; Dimitris Vergetis, Direktor der Zeitschrift ‚aletheia‘, Athen; Daniel Alvaro, Alain Badiou, Jean-Christophe Bailly, Étienne Balibar, Fernanda Bernardo, Barbara Cassin, Bruno Clément, Danièle Cohen Levinas, Yannick Courtel, Claire Denis, Georges Didi-Hubermann, Roberto Esposito, Francesca Isidori, Pierre-Philippe Jandin, Jérôme Lèbre, Jean-Clet Martin, Jean-Luc Nancy, Jacques Rancière, Judith Revel, Elisabeth Rigal, Jacob Rogozinski, Avital Ronelli, Ugo Santiago, Beppe Sebaste, Michèle Sinapi, Enzo Traverso, Frieder Otto Wolf, --Rosenkohl 01:11, 23. Feb. 2012 (CET)

Zum Tode von Lisa Abendroth

Ein Nachruf, verfasst von Frank Deppe: klick. Louis Wu 17:17, 24. Feb. 2012 (CET)

Öffentlicher Aufruf der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung: Demokratie statt Fiskalpakt!

Hier ein interessanter, öffentlicher Aufruf der AkG. Ist wohl heute auch in der taz zu lesen. klick, sowie online bei der taz: klick. Wurde bereits von zahlreichen bekannten Leuten unterschrieben, etwa Wolfgang Fritz Haug, Michael Brie und vielen anderen. Gruß, Louis Wu (Diskussion) 12:04, 15. Mär. 2012 (CET)

Hm. Natürlich könnte man jetzt anfangen die präsentierten Vorstellung zu befragen, etwa:

"Der Kampf um die Krisenlösung spitzt sich dramatisch zu: Bis Anfang 2013 will ein autoritär-neoliberales Bündnis aus Kapitalverbänden, Finanzindustrie, EU-Kommission, deutscher Regierung und weiteren Exportländern den jüngst in Brüssel beschlossenen ‚Fiskalpakt’ im Schnellverfahren durch die Parlamente bringen" - und wo bleiben da die Bevölkerungen dieser Exportländer, etwa Deutschlands, die davon mitprofitieren oder dieses Verfahren unterstützen? und wo bleibt das die Industrie dieser Exportländer die davon profitieren? und wo bleiben die Teile des Bürgertums und Industrie in Griechenland, die von diesem Verfahren profitieren werden?
"Die Krise in Europa ist die Spitze eines Eisbergs. Darunter liegt eine tiefe Strukturkrise des Kapitalismus. ..." - Also spielt sich diese "Strukturkrise des Kapitalismus" eigentlich außerhalb Europas ab, und die europäische Krise ist nicht selbst schon eine Krise des Kapitalismus? Wenn es nur eine Krise der "Struktur" des Kapitalismus ist, kann oder soll dann die jetzige Struktur durch einen andere Struktur ersetzt werden, um diese Krise zu lösen?
"... Zu viel Kapital ist auf der Suche nach Profit. ..." - Würde keine Krise herrschen, wenn weniger Kapital auf der Suche nach Profit wäre?
"... Doch die Profitraten sind niedrig: Die Konkurrenz ist zu groß und die Löhne zu gering. ..." - Also sollen Konkurrenten vom Waren- oder Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden? Eine Erhöhung der Löhne kann zwar die Konsumnachfrage steigern, aber auch die Lohnkosten, es sei denn man beabsichtigt die Wertschöpfung in Niedriglohngebiete außerhalb Europas zu verlagern.
"Schuldenfinanziertes Wachstum und Spekulationsblasen konnten den Ausbruch der großen Krise nur verzögern." - Wann ist die Krise "groß"? Ab welchem Punkt gilt die Krise als "ausgebrochen"?

Aber statt am Kapitalbegriff anzugreifen könnte auch interessant könnte sein, einmal bei der Frage der Außengrenzen anzufangen. Der Aufruf fordert:

"Demokratie und ein gutes Leben in Würde für alle – in Europa und anderswo." und:
"die rassistische Politik der Grenzabschottung beenden, Bleiberecht und Papiere für alle."

Ja aber wie soll das gehen? Notwendig wäre m.E. erst einmal, die konkreten Dimensionen der Bevölkerungs- und Wohlstandsentwicklung, und auch des tatsächlichen Rassismus in Europa darzustellen. Also böse gesagt Zahlen wahrzunehmen wie es Gunnar Heinsohn etc. tun würden, ohne deren Interpretationen und Schlußfolgerungen zu teilen. Ein "Sündenfall" war wohl das Schengener Abkommen. Aber wie kann man praktisch dahinter zurück, also a) eine Abschaffung von Schengen demokratisch durchsetzen, und b) mit den zu erwartenden großräumigen Wanderungsbewegungen in Wohlstandszonen zurecht kommen. Will man das überhaupt, und wäre es ethisch vertretbar? --Rosenkohl (Diskussion) 21:59, 15. Mär. 2012 (CET)

Deine Anmerkungen zeigen gut die Bruchstellen der Argumentation auf und sind richtige Hinweise auf die Widersprüchlichkeit der Verhältnisse, in denen man sich als marxistisch orientierte Menschen bewegt. Louis Wu (Diskussion) 00:08, 17. Mär. 2012 (CET)

Briefwechsel John Holloway und Michael Hardt

Im folgenden ein Link zu dem Briefwechsel von Hardt und Holloway über deren Werke "Crack Capitalism" und "Common Wealth": Klick. Louis Wu (Diskussion) 10:09, 11. Apr. 2012 (CEST)

Gaucks Idee von Freiheit

Joachim Gauck vertritt bei seiner politischen Verortung einen fundamentalen Freiheitsbegriff. Dabei bezieht er sich unter anderem auf Václav Havel und auf Erich Fromm 1942 erschienenes Buch en:The Fear of Freedom. Zu Kritisieren ist m.E., daß Gauck einen natürlichen Freiheitsdrang, den die Menschen wegen ihrer biologischen Ausstattung besitzen und in ihrer stammesgeschichtlichen Entwicklung erworben haben, nicht unterscheidet von der gesellschaftlichen Freiheit, wie sie als Idee und Ideologie vorherrschend ist, und durch die Produktionsbedingungen bestimmt ist. In seinem frühen Aufsatz Zur Judenfrage hatte Marx bereits die bürgerlichen Rechte kritisiert. M.E. würden Gauck und Marx noch bis dahin übereinstimmen, daß der sich selbstverwirklichende Zivilbürger "Citoyen" nur zu haben ist, weil es zugleich den seine egoistischen materiellen Interessen verfolgenden "Bourgeois" gibt. Marx weiß um die Ausbeutung und benennt sie, während Gauck es so formuliert, daß der Kapitalismus "kein Paradies" sei. Später ist Marx in seiner Kritik der politischen Ökonomie zu einem Verständnis des Unterschiedes zwischen konkreter und abstrakter Arbeit gelangt. M.E. folgt aus diesem Unterschied auch eine Unterscheidung von konkreter und abstrakter Freiheit.

Bedenklich ist, daß Gauck offenbar auf Grundlage seiner Idee von Freiheit auch zu einem als natürlich aufgefassten Nationalstolz gelangt, vor allem aber, daß er dabei fast die gesamte deutsche politische Öffentlichkeit hinter sich hat, --Rosenkohl 00:48, 23. Feb. 2012 (CET)

Polemisch gesagt verkürzt sich der Freiheitsbegriff Gaucks oftmals auf liberale Aspekte von Freiheit, zuvorderst die ökonomische Freiheit. Ebenso liberal definiert er Demokratie. Da kommen schnell alle anderen Aspekte von Freiheit unter die Räder. Weitgehende ökonomische Freiheiten führen im Kapitalismus zur Einschränkung politischer Freiheiten (Primat der Ökonomie über die Politik, oder Diktat der Finanzmärkte der die Politik folgt) und sozialer Freiheiten (frei vor allem vom lieben Geld, was die Gestaltungsfreiheiten des eigenen Lebens drastisch einschränkt). Indem Gauck also so einen eindimensionalen liberalen Freiheitsbegriff vertritt, kommen alle anderen Aspekte von Freiheit unter die Räder. --Tets 19:35, 23. Feb. 2012 (CET)

Freiheit auf Lateinisch heißt Libertas, daher wäre "liberaler Aspekt von Freiheit" ein Pleonasmus, der vieleicht auf die Notwendigkeit hinweist zu klären, was den Freiheitsbegriff des Kapitalismus von anderen traditionell überlieferten Freiheitsbegriffen unterscheidet. In Zur Judenfrage, MEW Bd. 3, S. 369-370 schreibt Marx:
>>Allein die Vollendung des Idealismus des Staats war zugleich die Vollendung des Materialismus der bürgerlichen Gesellschaft. Die Abschüttlung des politischen Jochs war zugleich die Abschüttlung der Bande, welche den egoistischen Geist der bürgerlichen Gesellschaft gefesselt hielten. Die politische Emanzipation war zugleich die Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft von der Politik, von dem Schein selbst eines allgemeinen Inhalts.
Die feudale Gesellschaft war aufgelöst in ihren Grund, in den Menschen. Aber in den Menschen, wie er wirklich ihr Grund war, in den egoistischen Menschen.
Dieser Mensch, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, ist nun die Basis, die Voraussetzung des politischen Staats. Er ist von ihm als solche anerkannt in den Menschenrechten.
Die Freiheit des egoistischen Menschen und die Anerkennung dieser Freiheit ist aber vielmehr die Anerkennung der zügellosen Bewegung der geistigen und materiellen Elemente, welche seinen Lebensinhalt bilden.
Der Mensch wurde daher nicht von der Religion befreit, er erhielt die Religionsfreiheit. Er wurde nicht vom Eigentum befreit. Er erhielt die Freiheit des Eigentums. Er wurde nicht von dem Egoismus des Gewerbes befreit, er erhielt die Gewerbefreiheit.
Die Konstitution des politischen Staats und die Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft in die unabhängigen Individuen - deren Verhältnis das Recht ist, wie das Verhältnis der Standes- und Innungsmenschen das Privilegium war - vollzieht sich in einem und demselben Akte. Der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, der unpolitische Mensch, erscheint aber notwendig als der natürliche Mensch. Die droits de l'homme erscheinen als droits naturels |natürliche Rechte|, denn die selbstbewußte Tätigkeit konzentriert sich auf den politischen Akt. Der egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der unmittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand. Die politische Revolution löst das bürgerliche Leben in seine Bestandteile auf, ohne diese Bestandteile selbst zu revolutionieren und der Kritik zu unterwerfen. Sie verhält sich zur bürgerlichen Gesellschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der Arbeit, der Privatinteressen, des Privatrechts, als zur Grundlage ihres Bestehns, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer Naturbasis. Endlich gilt der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, für den eigentlichen Menschen, für den homme im Unterschied von dem citoyen, weil er der Mensch in seiner sinnlichen individuellen nächsten Existenz ist, während der politische Mensch nur der abstrahierte, künstliche Mensch ist, der Mensch als eine allegorische, moralische Person. Der wirkliche Mensch ist erst in der Gestalt des egoistischen Individuums, der wahre Mensch erst in der Gestalt des abstrakten citoyen anerkannt.<<
Nach meinem Eindruck redet auch Gauck dieser von Marx dargestellten bzw. desavourierten Spaltung des Menschen in den "wiklichen egoistischen Bouegois" und den "wahren politischen Citoyen" das Wort. Gauck sagte 2009 in seiner Berliner Rede bei der Naumann-Stiftung u.a.:
>>Nun gibt es in meiner evangelischen Kirche auch viele ganz unverdächtige Menschen, die gerne mal vom Sozialismus reden. Die gehören also nicht zu einer bestimmten Partei, schon gar nicht zu den Reaktionären, aber sie haben so ein heftiges, romantisches und visionäres Gemüt. Und sie sagen dann: "Es muß doch eine Alternative geben zum Kapitalismus". "Ja", sag ich, "gibt es, vielleicht verschiedene, aber schau Dir doch einmal die Welt- und Politikgeschichte an. Du möchtest daß alle Menschen, daß es allen gut geht, daß es eine Streuung des Eigentums gibt, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, du möchtest ein soziales Netzwerk, was diesen Namen verdient, all das möchtest Du." - "Ja" - "Oh," sage ich, "dann wirst du wohl einen sehr gut funktionierenden Kapitalismus wünschen." -"Nein" - das wünschen sie gar nicht, den sähen sie am liebsten abgeschafft. Ich frage in der Regel dann, ob es irgendwo eine Stelle der Welt gibt, wo außerhalb eines sehr gut funktionierenden Kapitalismus diese Mittel überhaupt erwirtschaftet worden sind. Die Antwort darauf bekomme ich in der Regel nicht, weil ich sehe diese Landschaft nicht. Das heißt, wer die Freiheit liebt wird sich dahin bequemen müssen, Freiheit auch in den Wirtschaftsprozessen zu wollen. Die Neoliberalen und andere haben gespürt daß zu dieser Freiheit in der Wirtschaft Gestaltungswille und Gestaltungselemente aus dem politischen Raum hinzutreten können, ohne aber dieses Prinzip zu vernichten. Aber wenn ich an einem dumpfen unaufgeklärten Antikapitalismus verweile schwöre ich auf Konzepte von vorgestern, die schon gestern nicht gewirkt haben. Und warum sollten sie das eigentlich morgen tun? Ich weiß es nicht. (Applaus) <<
Gruß --Rosenkohl 17:43, 24. Feb. 2012 (CET)

Interessant finde ich auch Gaucks Äußerungen von Februar 1990 als Rostocker Sprecher des Neuen Forum, weil der dort über den Wandel seiner eigenen Auffassung der ökonomischen Sachverhalte spricht:

"Und eine Minderheit, so war's auf unserem Kongress in Berlin, ist der Ansicht, dass wir, frei von den Fesseln der SED, das sozialistische Gesellschaftsmodell für unser Land noch einmal mit Leben erfüllen könnten." - Gauben Sie persönlich das auch? - "Nein, ich kann das nicht mehr glauben. Es hat Zeiten in meinem Leben gegeben, in denen ich versucht habe, diesem Konzept und seiner Nähe zu Christentum viel abzugewinnen. Es enthält den wichtigen Versuch, eine emanzipatorische Gesellschaft zu entwickeln. Aber ich glaube, dass wir auf dem Sektor zu sehr marxistischen Dogmen verhaftet waren. Und die Weiterentwicklung einer effektiven Ökonomie hat offensichtlich in unserm Bereich nicht stattgefunden. Wir vermuten, dass es nicht eine sozialistische und eine kapitalistische Wirtschaft gibt, sondern dass es Wirtschaftsgesetze gibt, die gelten. Diese kam man beachten oder man kann sie übersehen oder nur ein wenig beachten. Die Mehrheit bei uns sagt jetzt Ja zur Marktwirtschaft, und wir werden sie gestalten in der Form einer sozialen Marktwirtschaft. Das heißt: Wir wollen soziale Sicherheit und der Markt soll gelten, aber er soll nicht alles bestimmen, das wäre eine Grundaussage." [1]

Die "Effektivität" der Ökonomie erscheint hier als anzustrebendes Ziel, aber es sagt nicht, weshalb diese Effektivität angestrebt werden soll. Dementsprechend geht er von unveränderlichen, praktisch natürlichen "Gesetzen" der Wirtschaft aus, --Rosenkohl (Diskussion) 18:30, 9. Mär. 2012 (CET) Gaucks Subjekt "die Mehrheit bei uns" bzw. "wir" bezog sich hier aus die politische Partei Neue Forum vom Ferbruar 1990 kurz vor der Volkskammerwahl; seine geäußerte Wunschvorstellung für eine zukünftige Gesellschaft bezieht sich somit noch auf den Bereich der damaligen DDR-Gesellschaft. Was in dem gesammten Interview auffällig nicht zur Sprache kommt sind mögliche Formen einer staatlichen Vereinigung mit der BRD; und ebenfalls wird nicht über die Außenhandelsbeziehungen der DDR und Stellung im Weltmarkt gesprochen. So entsteht in den damaligen Äußerungen Gaucks das für heutige, aber m.E. auch schon für damalige Leser irreal wirkende Bild der DDR als einer inselartigen, autarken, wirtschaftlich und politisch vollständig souveränen.

In dem damaligen Wunsch "und der Markt soll gelten, aber er soll nicht alles bestimmen" projiziert Gauck den kapitalistischen dialektischen Widerspruch in die Zukunft. Der damals geäußerte Wunsch nach "sozialer Sicherheit" steht im auffälligen Gegensatz zu Gaucks späterem Lob des "Risiko" im Jahr 2010:

"Als Bundeskanzler Schröder einst die Frage aufwarf, wie viel Fürsorge sich das Land noch leisten kann, da ist er ein Risiko eingegangen."

und seiner wörtlichen Infragestellung der Kategorien "Solidarität" und "Führsorge", sowohl national,

"Wir stellen uns nicht gern die Frage, ob Solidarität und Fürsorglichkeit nicht auch dazu beitragen, uns erschlaffen zu lassen",

als auch außenpolitisch,

"Die Regierung tut gut daran, sich Rechenschaft darüber abzulegen, welches Maß an europäischer Solidarität, also von Verwendung von Steuermitteln unserer Bevölkerung, wir vertreten können", (Interview 2010).

"Unsere Bevölkerung" bzw. "wir" bezieht sich anno 2010 auf das Einheitsdeutschland. Der dialektische Widerspruch wird also aufgelöst in Prozeße der Entsolidarisierung, zugleich nach Innen als auch nach Außen. M.E. handelt es sich um die gleichen Prozeße, in denen der Gaucksche Begriff von Nation und sein Nationalismus entstehen, --Rosenkohl (Diskussion) 12:29, 10. Mär. 2012 (CET)

An Gaucks heutiger Antrittsrede fallen mir gerade einige Formulierungen ins Auge, möglicherweise hat er bei der Ausarbeitung die Hilfe von Referenten in Anspruch genommen, oder es deuten sich leichte Akzentverschiebungen an:

  • den Absatz
>>Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte in dieser Zeit blieb allerdings defizitär. Die Verdrängung eigener Schuld, die fehlende Empathie mit den Opfern des Nazi-Regimes prägte den damaligen Zeitgeist. Erst die 68er-Generation hat das nachhaltig geändert. Damals war meine Generation konfrontiert mit dem tief schwarzen Loch der deutschen Geschichte, als die Generation unserer Eltern sich mit Hybris, Mord und Krieg gegen unsere Nachbarn im Inneren wie im Äußeren vergingen. Es war und blieb das Verdienst dieser Generation, der 68er, es war ein mühsam errungener Segen, sich neu, anders und tiefer erinnern zu können. Trotz aller Irrwege, die sich mit dem Aufbegehren der 68er auch verbunden haben, haben sie die historische Schuld ins kollektive Bewusstsein gerückt. Diese, auf Fakten basierende und an Werten orientierte Aufarbeitung der Vergangenheit wurde nicht nur richtungsweisend für uns nach 1989 in Ostdeutschland. Sie wird auch als beispielhaft von vielen Gesellschaften empfunden, die ein totalitäres oder despotisches Joch abgeschüttelt haben und nicht wissen, wie sie mit der Last der Vergangenheit umgehen sollen<<
leitet Gauck mit der Kaufmannsvokabel "defizitär" ein. Der Begriff der "Werteorientierung", wo kommt der genau her? M.E. ist "Werteorientierung" als politisches Schlagwort frühestens während der Herlmut-Kohl-Zeit eingeführt worden. Eine neue Volte bei Gauck könnte sein, daß nun sogar das Aufbegehren der 68er werteorientiert gewesen sei. Der Begriff der "sich gegen unsere Nachbarn vergehenden Generation unserer Eltern" übersieht die Tatsache, daß auch die Nachbarn Teil dieser Generation sind. Worum es sich bei diesen "Irrwegen der 68er" handelte verschweigt Gauck geradezu, so daß jeder das dazudenken kann was er möchte. Problematisch ist m.E. weniger der Verlust sogenannter Sekundärtugenden. Am frapierendsten finde ich nicht den Linksterrorismus von RAF etc., sonderen daß einige damals führende Protagonisten heute in Richtung der neuen Rechten gewechselt sind, aber offenbar ohne daß sie dafür ihre damaligen Vorstellungen vom einem neutralen sozialistischen Deutschland wesentlich umwerfen mußten.
  • Bemerkenswert ist >>Der Philosoph Hans-Georg Gadamer war der Ansicht, nach den Erschütterungen der Geschichte erwarte speziell uns in Europa eine "wahre Schule" des Miteinanders auf engstem Raum. Zitat: "Mit dem anderen leben, als der andere des anderen leben." - Darin sah er die ethische und politische Aufgabe Europas<<. Also in Gaucks ganzer Rede kommt soweit ich gerade sehe zwar >>Deutschland West als Teil der freien westlichen Welt<< aber keine Westbindung vor, Nato kommt nicht vor, und EU auch nicht. Auch das Gadamer-Zitat ist eine sehr freundlich formulierte Betonung der nationalen Besonderheiten, welchen hier eine fundamentale Bedeutung zugewiesen wird. Ob man diese Äußerung auch im Zusammenhang der europäischen Staatsschuldenkrise verstehen kann?
  • >>Das Besondere dieses Systems ist nicht seine Vollkommenheit, sondern, dass es sich um ein lernfähiges System handelt<< sagt Gauck, und meint mit "System" die repräsenative Demokratie. Nach meiner Erinnerung hat Gauck auch in früheren Äußerungen schon den Begriff "lernfähig" verwendet, aber dann stets mit Bezug auf den Kapitalismus oder die Marktwirtschaft,

--Rosenkohl (Diskussion) 00:29, 24. Mär. 2012 (CET)

Zum letzten Punkt. Sagen wir es so, für einen aufgeklärten Bürger sind Marktwirtschaft und Demokratie ja zwei Seiten derselben Medaillie, nämlich der besten aller Ordnungen. Ohne das eine gehe ja das andere garnicht. Insofern ist der Problemhorizont immer auf die liberale Demokratie und ihre spezifischen Probleme beschränkt, vor die sie gestellt ist. Mir fällt dazu dieser text ein, den ich kürzlich gelesen habe: „In fact, it is democratic societies’ capacity to overcome their own failings and learn from experience that gives these societies their deepest and most durable appeal. .... Democracies are not and cannot be “satisfaction machines.” They do not produce good governance the way a baker turns out doughnuts. (Good governance is a welcome but far from inevitable product of democratic governance.) What democracies do offer dissatisfied citizens is the satisfaction of having the right to do something about their dissatisfaction. In this sense, doubts about democracy itself are critically necessary for democracy’s capacity to survive, for without dissatisfaction there is no learning from experience.“ [2] Aber auch so Formulierungen, dass nur die repräsentative Demokratie Allgemein- und Gruppeninteressen ausgleichen kann, sind sicher weit verbreitete Motive in Demokratietheorien (die ja fast immer die bürgerlich-kapitalistische Demokratie und ihre Probleme vor Augen hat). Es ist da ja auch durchaus was dran, es erklärt uns auch etwas über die Widerstandsfähigkeit der kapitalistischen klassenherrschaft (Lernfähigkeit, "Allgemeininteresse", usw.). --Tets 12:09, 26. Mär. 2012 (CEST)

Gauck spielt jetzt die ganze Klaviatur der herrschenden Ideologie; es wurde hervorgehoben, dass FDP und LINKE gemeinsam klatschten, als Gauck davon sprach, dass Freiheit notwendig ist für Gerechtigkeit, und Gerechtigkeit notwendig für Freiheit. Ähnliches sagte schon Rosa Luxemburg, deshalb klatschten auch die Linken, aber auch die FDP hatten ihre Vordenker. Das ist ja auch da problem. was damit gemeint ist ist sehr unklar. Ich glaube Derrida nennt das einen leeren Bedeutungsträger. Alle reden von Freiheit und Gerechtigkeit, aber alle meinen etwas anderes damit. Jeder der etwas bewegen will, muss diese begriffe in seine Propaganda einbauen. aber gerade deswegen sagen sie eben garnichts aus. --Tets 22:20, 25. Mär. 2012 (CEST)

Ich kann noch mal expliziter zeigen, woran ein gewisser Unterschied bei Gauck vor und nach der Wahl bestehen, und wie man diesen Unterschied vielleicht erklären könnte. 2010 im SZ-Interview antwortete er:

>>sueddeutsche.de: Wenn Sie vom Citoyen sprechen: Im Sozialismus kann er sich nicht entwickeln, im Kapitalismus verdrießt ihn der Materialismus. Wie kann die Gesellschaft, in der Ihr Urenkel in 20 Jahren leben wird, dieser Falle überhaupt entkommen? Oder stellt sich wieder die Systemfrage? - Gauck: Ich gönne jedem, vom Paradies zu träumen. Es ist aber ein Unterschied, ob der Materialismus Sie regiert oder mit Ihnen und neben Ihnen existiert. Jeder der meint, er wäre erst politikmächtig, wenn er eine Ideallösung für das menschliche Zusammenleben uns präsentieren kann, ist im Irrtum. Ich bin ein Christenmensch, ich finde die Reich-Gottes-Vision unglaublich motivierend. Aber ich weiß genau, dass ich - theologisch gesprochen - in der gefallenen Welt lebe. Ich möchte, dass aus den Träumen der vollendeten Welt solche Aktivitäten entstehen, die sich an der Frage orientieren: Wie können wir das uns Umgebende besser machen? Und ich misstraue denen, die behaupten: "Ich habe den Schlüssel", so wie einige der Linken.<<

Gauck argumentierte hier noch von der Position eines gläubigen Christen und politischen Theologen aus. Wenn Gauck behauptete, in Folge des Sündenfalls sei die Welt eine "gefallene Welt", so sind dies m.E. keine Metaphern, sondern man muß ihn beim Wort nehmen. Die Wirklichkeit spaltete sich für ihn in eine Sphäre des "Materialismus" und eine Sphäre der Menschen. Seines Erachtens würde nur in einem von "einigen Linken" heraufbeschworenen Zerrbild eines absoluten Kapitalismus der Materialismus die Menschen regieren. In Wirklichkeit sei der Kapitalismus dagegen ein relativer, in dem der Materialismus "mit und neben" den Menschen existiere.

Daraus zog er in dem Interview die Schlußfolgerung:

>>Diesem Erlösungsmythos will ich ganz heftig widersprechen. Wissen Sie, dieses System kann man nicht einfach so unter Kapitalismus fassen. Das ist der semantische Trick der Linken gewesen. Ich sage: Das Land mag kapitalistisch sein, aber es ist lernfähig.<<

"Lernfähig" war für ihn also damals "das ganze Land", mitsamt der Eigenschaft des Landes, kapitalistisch zu sein.

Als Bundespräsident muß Gauck aber weltanschaulich neutral und staatstragend sein, und kann daher seine christlich begründete Auffassung nicht mehr offen vertreten. Die frühere Aufspaltung der Wirklichkeit in eine "materielle" Spähre und "ideell-menschliche" Sphäre ersetzt er nun durch eine Aufspaltung in eine Spähre der "Interessen" und eine Sphäre der "demokratischen Repräsentation". Gleichzeitig schränkt er den früheren Optimismus ein, denn jetzt ist nicht mehr das ganze Land mitsamt des Kapitalismus lernfähig, sondern nurmehr die demokratische Repräsentation. M.E. liegt hier ein Zugeständnis an die politischen Gegner des Kapitalismus. Gauck ist jetzt höchster Repräsentant der Demokratie und in jedem Augenblick dem Ausgleich der Interessen verpflichtet. Daher darf die Auffassung nicht mehr vertreten, daß das kapitalistische Wirtschaftssystem besserungsfähig sei, sondern muß sich auf eine neutrale Position zurückziehen, indem er nur noch das politische System als lernfähig bezeichnet.

Der interessante Aufsatz von Ivan Krastev geht von den Begriffe der "Befriedigung" ("Satisfaction") bzw. "Unzufriedenheit" (Dissatisfction") aus, wobei es sich m.E. um die Projektion gesellschaftlicher Zustände auf ein biologisches Gefühl der individuellen körperlichen Zufriedenheit handelt, also z.B. Zufriedenheit infolge von Nahrungssättigung, Wärme etc.. Insofern ist ein biologistisches Gesellschaftsbild.

Gerade die Unzufriedenheit wird als Voraussetzung des Überlebens der Demokratie verstanden. Umgekehrt wird in Krastevs Auffassung so die Stabilität der Demokratie zu einem Selbstzweck erklärt, für die auch Unzufriedenheit in der Bevölkerung in Kauf genommen wird. Es scheint, daß in dieser Auffassung einer "lernenden Demokratie" versucht wird, den ökonomischen Widerspruch vollkommen von der materiellen Ebene zu lösen und auf der Ebene der politische Demokratie zu repräsentieren, um ihn dann dort politisch lösen zu können. Insofern besteht eine Ähnlichkeit zwischen Krastev und GaucksAntrittrede, --Rosenkohl (Diskussion) 20:01, 26. Mär. 2012 (CEST)

Also dieser Interpretation kann ich nicht folgen, dass es hier vorrangig um biologische Gefühle geht, eher zielt das auf Psychologie ab, oder etwas sperrig formuliert auf einen historisch-moralischen Faktor, wie das Marx in Bezug auf die Länge des Arbeitstags formuliert. Also gesellschaftliche Wertvorstellungen, was denn von Demokratie zu erwarten wäre (und was von anderen Systemen). Da der ja ein liberaler ist könnte man auch sagen, man muss den Leuten verklickern, dass sie unter diesen System am besten ihren Nutzen maximieren können. --Tets 14:59, 27. Mär. 2012 (CEST)

Das "Befriedigung" für Krastev ein psychologische Begriff ist stimmt schon, allerdings gibt es m.W. verschiedene konkurrierende psychologische Schulen. Also wäre zu klären, ob er "Unzufriedenheit", "Lernen" und "Befriedigung" eher im Sinne eines behavouristischen Modells versteht, also daß Demokratie als eine "black box" aufgefasst wird, die in ihrer Existenz durch Lernprozesse stabilisiert werden soll. Oder ob er eher von einem kognitiven Modell ausgeht, bei der die Bevölkerung, oder in Konflikt miteinander stehende Gruppen eigene Subjektivitäten besitzen.

Mein Eindruck ist, wenn es darum geht wie Demokratie seines Erachtens sein soll, dann versucht er aus diesen subjektiven Gruppeninteressen wieder einen Regelkreislauf zusammenzubauen, in welchem sich diese Subjektivitäten gegenseitig stabilisieren und aufheben. Dabei soll ein stabiles Gesamtsystem entstehen, welches selbst wie eine black box funktioniert, und das nur noch mit biologischen Metaphern beschrieben werden kann. Z.B. schreibt er: >>The tensions between democratic majoritarianism and liberal constitutionalism, for example, are not transitional “growing pains,” but lie at the very heart of democratic politics. These tensions cannot be wished away or simply resolved; instead, societies must learn to live with them and turn them to good use. Democracy is a federation whose constituent republics constantly squabble over and renegotiate their shared borders. Democracy is a self-correcting regime that is sustained by its own contradictions<<, und verwendet für das Gesamtsystem Begriffe wie "vorrübergehende Wachstumsschmerzen" ("transitional growing pains"), "am Herzen angreifende Spannungen" ("tensions lie at the heart"). --Rosenkohl (Diskussion) 16:48, 27. Mär. 2012 (CEST)

Ratzinger über Marxismus

Im Flieger sagte er in einer Pressekonferenz:

>>È evidente che al giorno d'oggi l'ideologia marxista come era concepita non corrisponde più alla realtà e così non può costituire una società -ha detto- devono trovarsi nuovi modelli con pazienza e in modo costruttivo. Questo processo richiede pazienza e decisione e vogliamo aiutarlo con spirito di dialogo per evitare traumi<<, laut Benedetto XVI arriva in Messico Su Cuba: « Abbandoni il marxismo», Corriere dell Sera, 24. März 2012, siehe auch den längeren Lifemitschnitt mit englischen Untertiteln von The Telegraph auf http://www.youtube.com/watch?v=5ecbmbbrnjA. Vielleicht versteht jemand Italienisch noch besser als ich.

Ratzinger redet hier nicht zu Marx selbst, oder auch den Marxismus generell, sondern bezieht sich wohl vor allem auf das Gesellschaftsmodell der kubanischen Regierung, und spricht daher mit Vorbehalt über "die marxistische Ideologie wie sie aufgefasst (oder: konzipiert) wurde". Diese marxistische Ideologie, wie sie aufgefasst wurde, hat seines Erachtens offenbar höchstens in der Vergangenheit einmal eine temporäre Berechtigung besessen. Weil Ratzinger aber grundsätzlich von einem "evidenten" Widerspruch zur "heutigen Realität" ausgeht habe ich schon das Gefühl, daß es ihm unabhängig vom Fall Kuba auch um einen allgemeineren Unterschied zwischen nicht-religiös begründeten, wissenschaftlichen Theorien der Gesellschaft und einer katholischer Auffassung der Wirklichkeit geht. --Rosenkohl (Diskussion) 14:53, 31. Mär. 2012 (CEST)

Die Initiative "Menschliche Marktwirtschaft"

Eine Reihe von 95 Wirtschafts-, Soziologie-, Philosophe- und Theologieprofessoren aus dem deutschsprachigen Raum ("besorgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler") hat ein am 13. März 2012 erschienes Memorandum "Für eine Erneuerung der Ökonomie" unterzeichnet. Es entstand als Initiative von Ulrich Thielemann, Tanja von Egan-Krieger und Sebastian Thieme von der Berliner Unternehmung MeM - Berliner Denkfabrik für Wirtschaftsethik e.V., welche eine sogenannte "Menschliche Marktwirtschaft" ("Me'm") propagiert.

Vermutlich zeichnet sich hier eine Entwicklung der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaften für die kommenden Jahre ab, und eine Auseinandersetzung mit dem Text dieses Memorandums könnte lohnenswert sein, --Rosenkohl (Diskussion) 14:26, 5. Apr. 2012 (CEST)

Das fiel mir beim Stichwort "Mem" bezüglich ökonomischer Wwissenschaften wieder ein:

>>Die Einheit des Gegensatzes von Natur und Geist ist als ebenso dualistische wie partiell irrationale Form der Einheit von Natur- und Menschengeschichte eine dieser Einheit äußerliche und sie verkehrende Ersatzvermittlung. Mit dem Gegensatz von Natur und Geist, der auch als Gegensatz von Materie und Verstand, von Leib und Seele, von Sinnlichkeit und Vernunft, von Gehirn und Bewusstsein, von Genen und Memen[18] usf. auftritt, ist das die ganze Philosophie- und Theoriegeschichte kennzeichnende Grundverhältnis gegeben. Für die Einheit stiftende Potenz kommt nur eine der beiden Seiten, d.h. die verkürzt begriffene Natur oder die vom Geist beherrschten und in Geist aufgelös-ten menschlichen Verhältnisse in Frage. Hiermit hat man entweder einen groben Materialismus oder einen mehr oder weniger subjektiven oder objektiven Idealismus als die beiden Denkweisen vor sich, die eine falsche, die ganze Philosophie- und Theoriegeschichte beherrschende Alternative darstellen.<<, Dieter Wolf: Die Einheit von Natur- und Gesellschaftswissenschaften (42 Seiten pdf), in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, Neue Folge, 2006, Seite 96

das war jetzt nur bezüglich des ersten Wortes im Titel der Organisation, vermutlich kann man noch mehr und konkreteres dazu oder dem ganzen Memorandum sagen. --Rosenkohl (Diskussion) 23:07, 6. Apr. 2012 (CEST)

Interessant auch, wer da so unterschrieben hat: Elmar Altvater, Alex Demirovic, Hans-Jürgen Bieling und andere – durchaus linke, gar marxistische Akademiker. Louis Wu (Diskussion) 10:18, 11. Apr. 2012 (CEST)
Natürlich sind es mehrheitlich linksgerichtete Unterschreibende, wobei ich "marxistisch" nicht als einen Superlativ von "links" verstehe. Gleichwohl hat das Memorandum inhaltlich vermutlich wenig mit einem an Marx orientierten Ansatz gemein. Es geht wohl darum eine gemeinsame Basis für den linken Flügel der Wirtschaftswissenschaften zu definieren, --Rosenkohl (Diskussion) 22:51, 11. Apr. 2012 (CEST)

Nochmal weil mir das aufgefallen ist: Thielemann sagt in einem Interview mit Gerd Breker: "Das Ökonomie-Studium heute gleicht einer Gehirnwäsche", 5. April 2012 u.a.:

>>Breker: Ja, das Kapital bändigen. - Seit Ausbruch der Krise ist eigentlich die Rede davon, dass man die Finanzmärkte regulieren will, doch schaut man darauf, was geschehen ist, dann muss man feststellen: schlicht nichts.
Thielemann: Ja, genau. Das Gegenteil ist eigentlich passiert: es wird weiter in anderer Form hofiert. Es wird einerseits hofiert durch die Bürgschaften, die wir ja geben mussten. Ich meine, Steinbrück hat ja in den Abgrund geschaut. Das heißt, es wäre sonst zu einer neuen Weltwirtschaftskrise gekommen, man war an die frühen 30er-, Ende 20er-Jahre erinnert. Und das Kapital wird heute hofiert durch die Politik der EZB, die den Banken sozusagen Milliardensummen schenkt. Was daraus folgt, ist ganz unklar. Man versteht aber nicht und man ist nicht bereit, so tief zu fragen, wie das Kapital tatsächlich wirkt. Das Kapital, so behaupte ich, wirkt nämlich wie eine Peitsche für die Realwirtschaft. Es dient nicht der Realwirtschaft, sondern es übt Druck aus auf die Realwirtschaft, auf uns Wirtschaftende - sei es als Beschäftigte oder auch als Unternehmer übrigens -, und wir müssten uns eigentlich in Freiheit fragen, wollen wir noch mehr von diesem Druck.
Breker: Was, Herr Thielemann, wäre denn anders, wenn Ihre Art Wirtschaftswissenschaft schon angewandt würde?
Thielemann: Es wäre eine Revolution der Denkungsart hin zu einer ethisch reflektierten Ökonomie, und da beziehe ich jetzt die Wissenschaft, die Theorie, den Blick, den wir auf das Wirtschaften werfen, mit ein und die reale Wirtschaft. Es wäre eine gemäßigte und eben eingebettete Marktwirtschaft, es würde nicht das Prinzip Markt herrschen, sondern wir hätten ein distanziertes und nüchternes Verhältnis auf diese eigenartig und so schwer zu durchschauende Logik von Markt und Wettbewerb und diese Logik würde nicht das gesamte Leben bestimmen, sondern wir würden bestimmen, inwieweit wollen wir denn diese Marktlogik zur Geltung bringen und wie weit wollen wir sie begrenzen.<<

Dieter Wolf beschließt die Einleitung seines Aufsatzes Zum Zusammenhang zwischen Wert und Kapital (2012, 19 Seiten pdf) mit den Bemerkungen:

>>[...] Unter all diesen Bedingungen, die den geschaffenen und gestalteten ökonomisch gesellschaftlichen Lebensbereich auszeichnen, sind folglich alle aus den Wertformen bestehenden ökonomisch gesellschaftlichen Formen abgeschafft worden. Damit muss gewährleistet sein, dass die Probleme, die vorher mittels dieser Formen gelöst wurden, und die sich in veränderter Form unter den veränderten ökonomisch gesellschaftlichen Bedingungen stellen, durch den entsprechend veränderten bzw. neu geschaffenen und organisatorisch neu gestalteten gesellschaftlichen Zusammenhang gelöst werden müssen.
Solange von den ökonomisch gesellschaftlichen Umwälzungen nur ein Teilbereich der ökonomisch gesellschaftlichen Wirklichkeit erfasst wäre, würde es einen ökonomischen Gesellschaftszustand geben, der sich, was die Art und Weise der gesellschaftlichen Gestaltung und Organisation anbelangt, in zwei voneinander verschiedene, nebeneinander existierende ökonomische Gesellschaftszustände ausdifferenziert hätte.
Mit der Schwierigkeit, die es den Menschen bereitet, ihr gesellschaftliches Handeln im Hinblick auf das Schaffen eines veränderten, nicht von Wertformen bestimmten und beherrschten Bereichs auszurichten, geht die Schwierigkeit einher, im Hinblick auf die Erhaltung und Weiterentwicklung der gesamtgesellschaftlichen Reproduktion, organisatorische Maßnahmen zu entwickeln, mittels derer die ihrer Natur nach unvereinbaren Gesellschaftszustände nebeneinander und miteinander existieren können.
Diejenigen, die behaupten, der Wert sei eine Erscheinungsform des Kapitals scheinen sich nicht im Klaren über den Zusammenhang der ökonomisch gesellschaftlichen Formen untereinander und über deren Zusammenhang mit den in ihnen ausgedrückten ökonomisch gesellschaftlichen Verhältnisse zu sein.
Man kann sich leichtfertig über die im gesellschaftlichen Handeln der Menschen sich durchsetzende Verschränkung von sozialen Verhältnissen und den sie ausdrückenden ökonomisch gesellschaftlichen Formen hinwegsetzen. Man kommt dann schnell zu der nicht ausweisbaren Auffassung, es könnte irgendwie einen Gesellschaftszustand geben, in dem die Warenzirkulation allgemein vorherrscht und mit ihr alle sie bestimmenden ökonomisch gesellschaftlichen Formen, die dann so manipuliert worden wären, dass sie nicht mehr das wären, was sie im Zusammenhang mit allen anderen ökonomisch gesellschaftlichen Formen sind, welche die kapitalistische Gesellschaft in ihrer historischen Spezifik prägen.<<

Es könnte sein, daß Thielemanns Vorstellung eines "gebändigten Kapitals" und einer "gemäßigten und eben eingebetteten Marktwirtschaft" der von Wolf kritisieren Auffassung ähnelt "es könnte irgendwie einen Gesellschaftszustand geben, in dem die Warenzirkulation allgemein vorherrscht und mit ihr alle sie bestimmenden ökonomisch gesellschaftlichen Formen, die dann so manipuliert worden wären, dass sie nicht mehr das wären, was sie im Zusammenhang mit allen anderen ökonomisch gesellschaftlichen Formen sind, welche die kapitalistische Gesellschaft in ihrer historischen Spezifik prägen", --Rosenkohl (Diskussion) 11:29, 16. Apr. 2012 (CEST)

Werttheorie - Jungle World-Dossier über Gold

Vom 1. März 2012. Interessant finde ich z.B., was Roger Behrens über das Märchen Rumpelstilzchen zu sagen hat. Was ich aber nicht verbürgen möchte, daß die Entwicklung des Kapitalismus, die "Dialektik", oder Marx' Werttheorie in seinem, Jörn Schulz' oder Michael Heinrichs Beitrag richtig dargestellt werden, --Rosenkohl (Diskussion) 23:46, 10. Apr. 2012 (CEST)

Crowd-Working

Siehe dazu Holger Marcks: Der Schwarm des Kapitals, Jungle World Nr. 15, 12. April 2012, --Rosenkohl (Diskussion) 10:58, 16. Apr. 2012 (CEST)

Kampagne: "Wachstum ist gesund" der Fdp

Diese PR-Kampagne "Wachstum ist gesund" läuft seit dem 23. Januar 2012, http://www.liberale.de/Wachstum-ist-gesund/9363c14896i1p7/index.html, am 5. März 2012 hat das Präsidium zudem einen Beschluß "Wir halten Deutschland auf Wachstumskurs" gefaßt, http://www.fdp.de/files/408/P-Deutschland-Wachstumskurs.pdf (6 Seiten). Wenn man von den avisierten Maßnahmen im einzelnen absieht, so fällt generell auf, daß die Fdp sich als einzige Partei in der Post-Finanzkrisenzeit mit einem biologistisch ("gesund") begründeten Wachstumsbegriff zu profilieren versucht. Mit der nationalistischen Lotsen-Metapher ("Deutschland auf Wachstumskurs halten") scheint man direkt an den Fortschrittsglauben der Bismarckzeit anknüpfen zu wollen. Damit soll nicht behauptet werden, daß die anderen Parteien mit ihren teilweise wachstumskritischen Programmen, wie es etwa die Grünen sind, weniger ideologisch oder zukunftsfähiger seien.

Vor allem würde mich interessieren, genauer einzuordnen, wie sich dieser derzeit durch die Fdp vertretene Begriff von Wachstum zum Wert und Kapital verhält, also was genau ökonomisch mit "Wachstum" gemeint ist. Aufgrund des stark nationalen Fokus der Fdp glaube ich nicht, daß man dieses Wachstum ohne weiters mit dem allgemeinen Kapital identifizieren kann, --Rosenkohl (Diskussion) 23:56, 29. Apr. 2012 (CEST)

Interessant wäre zudem auch eine Begriffsgeschichte von "Wirtschaftswachstum". Das Konzept des "Wirtschaftswachstums" ist vermutlich aus den traditionell fortschrittlicheren englischsprachigen Wirtschaftswissenschaften übernommen worden. Man müßte in dem Zusammenhang vielleicht 'rausfinden, auf welche Weise die fortschrittlichere deutsche Nationalökonomie, z.B. Friedrich List über volkwirtschaftliches Wachstum nachgedacht hat.
Der Begriff des Bruttosozialproduktes / Gross National Product wurde erst 1941 vom späteren Wiwi-Nobelpreisträger Simon Smith Kuznets entwickelt. Offenbar fällt die Entwicklung dieser Idee in die Phase des Keynsianismus. Womöglich kann man sagen daß, erstmals und erst, als Reaktion auf die Phase der beiden Weltkriege versucht wurde, unter Abstraktion von geopolitischen Machtansprüchen einer Nation den zivilen Wohlstand einer Volkswirtschaft zu messen und als ein an sich erstrebenswertes Ziel zu definieren?
Marx äußert sich zum Wachstum des Kapitals im Kapitel "Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation", MEW Bd. 23, S. 640, und kritisiert:
>>Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschichte der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen andren Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört.<< (Bd. 23, S. 673-674)
--Rosenkohl (Diskussion) 11:20, 1. Mai 2012 (CEST)

Für die Physiokraten basiert der Reichtum auf den Agrarertrag, für die Merkantilisten auf den Goldvorrat, für die Klassiker auf der Arbeit. Vermehrung des Reichtums wird gedacht als erweiterte/wohlfeilere Ausnutzung des Grund und Bodens, Steigerung des Goldbesitzes, Steigerung der Produktivkraft der Arbeit durch Teilung der Arbeit/Erweiterung des Marktes und Einsatz von Maschinerie. --Tets 11:52, 1. Mai 2012 (CEST)

Naja, es ist wohl immer die Frage, was wächst? Die Wirtschaft, soll heißen die Renditen, der Umsatz, die Produktion? Vermögenswerte? Handelsüberschuss? Wikipedia, sagt, Unter Wirtschaftswachstum wird die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der Summe der Preise der in einer Volkswirtschaft produzierten ökonomischen Güter (Waren und Dienstleistungen), von einer Periode zur nächsten verstanden. --Tets 12:01, 1. Mai 2012 (CEST)

Michael Braungart

Über das Greenpeace-Mitglied, den "Öko-Visionär" Michael Braungart heißt es u.a.: "Dieser Mann wirkt wie ein Elixier gegen den Weltschmerz. Sobald der Name Braungart fällt, beginnen kummergewohnte Manager multinationaler Konzerne hemmungslos zu schwärmen." ([3], Berliner Zeitung 2004).

Baumgart sagt z.B.:

>>"Öko-Effizienz bedeutet, giftige Substanzen sparsam zu verwenden und am Ende zu deponieren. Öko-Effektivität bedeutet, mit ungiftigen Substanzen verschwenderisch umzugehen und sie in Kreisläufen zirkulieren zu lassen. Eben so, wie es die Natur uns vormacht." Praktisch schlägt Braungart zwei getrennte Kreislaufsysteme vor: den biologischen Kreislauf und den technischen Kreislauf. Im biologischen Kreislauf zirkulieren die natürlich abbaubaren Substanzen - Materialien, die im weitesten Sinne essbar sind. Dazu zählt Braungart neben den primären Lebensmitteln die Verpackungen, die wir dann bedenkenlos in die Landschaft werfen könnten, weil sie verrotten und der Natur als Nahrung dienen. Hierzu zählen aber auch Textilien oder Möbelbezüge, deren Abrieb wir in Form von Mikropartikeln permanent einatmen, also letztlich verzehren. Als Richtschnur für biologische Kreisläufe definiert Braungart, ob sich eine Substanz in der Muttermilch anreichert oder ob sie abgebaut wird. Davon sind wir heutzutage weit entfernt: "Es gibt in allen OSZE-Ländern seit siebzehn Jahren keine einzige Muttermilchprobe, die als Trinkmilch vermarktet werden dürfte." In den technischen Kreislauf gehören jene Stoffe, "die so konstruiert sind, dass sie in den industriellen Kreislauf zurückkehren können, dem sie entstammen".<<

Braungart möchte die industrielle Wirklichkeit aus den Materialien rekonstruieren. Was auffällig ist, daß der kapitalistische Zusammenhang der Gesellschaft in seinen Analysen und Vorschlägen nicht angesprochen oder in Frage gestellt, sondern praktisch als unveränderbar vorausgesetzt wird. Er analysiert, und rekonstruiert Materialkreisläufe, ohne wahrzunehmen, daß es sich dabei auch um Warenkreisläufe handelt.

Woran liegt es, daß Braungart auf diese Weise sozial blind ist? --Rosenkohl (Diskussion) 12:54, 3. Mai 2012 (CEST)

Keine Ahnung, aber vielleicht findet sich hier eine Antwort: [4] Anna-Liese (Diskussion) 23:10, 3. Mai 2012 (CEST)
Hallo Anna-Liese, danke für den Hinweis, man soll hier bestimmt auch die Theorieentwicklung aus der marxistisch-leninistisch orientierten Richtung zur Kenntnis nehmen. Mir springt allerdings nicht ins Auge, daß man auf Werner Seppmanns Weise weit kommen würde, oder insbesondere Herrn Braungart erklären könnte. M.E. fängt das Problem in "Zur Aktualität Marxscher Ideologietheorie" schon an, wenn die Ideologiekritik der Deutschen Ideologie vermengt wird mit der Werttheorie im Kapital. Z.B. hat sich auch Ingo Elbe in Alte Marx-Lektüre (8 Seiten pdf) u.a. zu Seppmann kritisch geäußert.
Braungart kommt man vermutlich nur auf die Spur vor dem Hintergrund nicht nur seines antroposophisch geprägten Elternhauses, sondern auch der naturwissenschaftlichen Ideologiegeschichte, also z.B. des Materialismusstreit oder der Energiewerttheorie etc.. Wohlgemerkt verfügt Braungart nach meinem Eindruck über große Sachkenntnisse und vermutlich über Vorstellungen, die für die zukünftige ökonomische Entwicklung der nahen Zukunft von Bedeutung gewinnen könnten, weshalb auch eine Kritik seiner Positionen relevant wäre. Wer mir bei Braungarts Kreislaufkonzepten und seines Cradle to Cradle-Konzeptes auch spontan einfiel war z.B. das rechts-grün-unitarische-piraten "Urgestein" Rolf Hoffmann (vergl. auch Diskussion:Piratenpartei Deutschland#Schleswig-Holstein ) mit seinem Eine-Erde-Konzept, vergl. Homepage. Braungart, der auf Grundlage der marktwirtschaftliche Ordnung arbeitet ist nicht auf die gleiche Weise regressiv wie Hoffmann, allerdings verfolgen beide einen ähnlichen "Ingenieursmäßigen" Ansatz, --Rosenkohl (Diskussion) 14:52, 4. Mai 2012 (CEST)

Auf der Suche nach empfehlenswerter Krisenliteratur

Hallo allerseits, ich würde gern wissen, welche Literatur zur aktuellen Krise seit 2007 ihr als Lektüre empfehlen könnt. Danke und Gruß, Louis Wu (Diskussion) 22:46, 14. Mai 2012 (CEST)

Kenntnisreich ist bestimmt der Aufsatz von Gerhard Stapelfeldt (2011): Der Euro – Identität und Krise der Europäischen Union (nicht weniger als 50 Seiten pdf), in: Kritiknetz – Zeitschrift für kritische Theorie der Gesellschaft, den ich aber selbst erst noch durchlesen müßte, Rosenkohl (Diskussion) 00:49, 16. Mai 2012 (CEST)
Zur Finanz- und der darauf folgenden Staatenkrise hat sich immer wieder der Gegenstandpunkt geäußert - in seiner Zeitschrift als auch natürlich in vielen seiner öffentlichen Vorträgen. Die Vortrags-Mitschnitte sind hier zu finden, die OCR-Versionen-Versionen einiger Artikel hier (unter "Downloads"). --HerbertErwin (Diskussion) 23:10, 22. Mai 2012 (CEST)
Neben obigen theoretischen Ausführungen sind vielleicht auch nicht schlecht die mehr mit empirischem Material versehenen Analysen der Rosa-Luxemburg-Stiftung. --HerbertErwin (Diskussion) 23:22, 22. Mai 2012 (CEST)

Kapitalismus forever (Wolfgang Pohrt 2012)

Einige von Pohrts Thesen, einem begleitenden Interview entnommen:

Über Kapitalismuskritik im Kulturbetrieb: "Sogar das Elend ist verwertbar, und wenn man es richtig macht, verdient man dabei glänzend."

"Globalisierungskritiker sind Globalisierungsverlierer." "Solche Bedingungen gehören zum Kapitalismus, nicht zur Globalisierung. Zur Globalisierung gehört, solche Arbeitsbedingungen in fernen Ländern anzuprangern, nicht daheim, damit die Kritik folgenlos bleibt." "Ich glaube mit Marx, dass eine solche Revolution damals möglich gewesen wäre. Aber über vergangene Möglichkeiten zu reden ist immer nur Spekulation. Ich glaube ferner, dass heute, nach 150 Jahren Kapitalismus, eine solche Revolution kaum noch möglich ist. Das Kapital hat in dieser Zeit Bedingungen geschaffen, unter denen es unersetzbar und unverzichtbar geworden ist." "Der Kapitalismus hat es nun geschafft, die permanente Existenzbedrohung in die Zivilisation hinüberzuretten. Von Theodor Adorno stammt der kluge Gedanke, das, was millionenschwere Topmanager antreibe, sei in letzter Instanz die atavistische Angst vorm Verhungern." Rosenkohl (Diskussion) 00:49, 24. Mai 2012 (CEST)

Es ist immer interessant, wenn gewisse Theoretiker gerade im Anzeichen einer großen Krise des Kapitalismus geschaffene Bedingungen erkennen, die dessen unersetzbarkeit, unverzichtbarkeit und unüberwindbarkeit bezeugen. Liest man dann das Interview, bekommen wir auch gleich erklärt, über den Kapitalismus würde gar nicht geredet weil er gerade in der Krise wäre. Warum dann? Der moderne Mensch "interessiert sich immer für das, wovon er meint, dass andere Leute darüber reden, weil es dauernd in den Medien ist". Und warum ist es in den Medien, warum wird darüber geredet? "Literatur und Theater. Wenn dort nichts los ist, gehen die Feuilletonisten fremd. Ersatzweise betrachten sie die reale Welt als Bühnenstück und kommen als Rezensenten zu dem Schluss, dass es auch nichts taugt." In der Tat haben wir es nicht mit einer Wirtschaftskrise, sondern mit einer Literatur- und Theaterkrise zu tun! Sofern es überhaupt eine Wirtschaftskrise außerhalb der Zeitungen gibt, dann nur zufällig, welch wunderbare Fügung! Zu den Rest sag ich mal nichts (die hungerige Natur des Managers und des menschlichen Wesens überhaupt, uswusf.), möchte nur hinzufügen, mit Literatur kennt er sich zumindest aus. --Tets 19:26, 24. Mai 2012 (CEST)

Diskussion zum Verhältnis von linken Intellektuelllen und der Linkspartei

Anlässlich des jüngst erfolgten Parteibeitritts von Raul Zelik zur Linken, den er auch öffentlich begründet hat, ist jetzt der Auftakt zu einer interessanten Diskussion gemacht. Hier die Beiträge: Raul Zelik über seinen Beitritt; Ingo Stützle Reaktion; Thomas Seibert im Vorhinein. Grüße, Louis Wu (Diskussion) 08:26, 22. Jun. 2012 (CEST)

In der Folge haben nun weitere linke, auch marxistische Intellektuelle ihren Beitritt zur Partei erklärt, darunter bswp. Mario Candeias, Thmoas Sablowski und Christina Kaindl. Die öffentliche Erklärung findet sich [5] Louis Wu (Diskussion) 10:32, 3. Jul. 2012 (CEST)

Woher kommt die Farbe rot?

Lamartine in front of the Town Hall of Paris rejects the red flag on 25 February 1848

Ich hab die folgende Frage: Wie kommst es, dass die Farbe rot für die Arbeiterbewegung, insbesondere für die Sozialdemokratie und die Kommunisten, so wichtig geworden ist? Eine schnell google-Recherche hat mir keine brauchbaren Erkenntnisse gebracht. Habe auch bisher noch nie etwas zu dieser Thematik gelesen, vielleicht weiß einer von euch mehr darüber. Danke und Gruß, Louis Wu (Diskussion) 22:04, 22. Mai 2012 (CEST)

Hat mich auch schon öfters intressiert. Das ist halt so ein Problem bei den Grundfarben, die wurden geschichtlich oft genutzt. z.B. bei Bauern und Sklavenaufständen wurde teilweise rot verwendet, aber sicherlich auch von herrschenden Gruppierungen. Warum sich das dann die Arbeiterbewegung in ihren Geburtsjahren ausgesucht hab weiß ich nicht, aber man beachte z.B. das bild zur februarrevolution 1848. aber schon zur französischen Revolution trugen die Jakobiner Phrygische Mützen, bei uns wohl eher bekannt als die roten Mützen, die die Gartenzwerge tragen ;) Die Mütze wurde auch oftmals auf einen Stock befästigt, was an eine Fahne erinnert (siehe bild). Also meine Spekulation ist, das entstammt aus der Tradition der französischen Revolutionen, woher diese es wiederum haben, keine Ahnung :) --Tets 20:48, 5. Jul. 2012 (CEST) Ok, im Wikipediaartikel steht: Während der Französischen Revolution wurde die phrygische Mütze von den Jakobinern als Ausdruck ihres politischen Bekenntnisses getragen. Sie glaubten irrigerweise, die phrygische Mütze sei in der Antike von freigelassenen Sklaven getragen worden (tatsächlich trugen diese einen Pileus). Daher wurde sie als so genannte Freiheitsmütze in der politischen Ikonografie Frankreichs und ganz Europas zum Symbol demokratischer und republikanischer Gesinnung, bei den Gegnern der Revolution aber auch zum Kennzeichen der jakobinischen Schreckensherrschaft. --Tets 20:51, 5. Jul. 2012 (CEST)
Hi Tets, vielen Dank für die Anknüpfungspunkte! Gruß, Louis Wu (Diskussion) 14:56, 6. Jul. 2012 (CEST)

Neue Marx-Bücher

Es gibt ein neues Marx-Buch von Marco Iorio, Einführung in die Theorien von Karl Marx, das ziemlich wissenschaftlich daher kommt. Kann den Autor jemand einordnen? Des weiteren wird es bald voraussichtlich im Herbst 2013 in der wirklich guten Metzler Handbuch-Reihe ein Handbuch Marx geben - hrsg. vom nicht ganz unbekannten Michael Quante. Da darf man gespannt sein. --HerbertErwin (Diskussion) 22:02, 30. Jun. 2012 (CEST)

Vielen Dank für Deine Hinweise. Bei Iorios Einführung in die Theorien handelt es sich offenbar um eine erweiterte Neuauflage des 2003 erschienenen Werkes Karl Marx – Geschichte, Gesellschaft, Politik, welches Tobias Reichardt im August 2004 in Widerspruch. Münchner Zeitschrift für Philosophie rezensiert hat. Als Kritikpunkte an Iorio führt Reichardt u.a. aus:
>>[…] Die wohl größte Schwäche dieses Buches ist jedoch, dass die angeblich widerlegte ökonomische Theorie Marxens nicht beachtet wird. Kein Element der marxschen Theorie lässt sich jedoch gesondert von seinem ökonomischen Hauptwerk betrachten, schon gar nicht die Geschichtstheorie. Iorio trennt die Geschichtstheorie von der ökonomischen Theorie und erklärt jene zur “wichtigsten” Theorie Marxens, um sich dann zu wundern, wie wenig sie ausgearbeitet sei (S. 11). Dagegen ist fest zu halten, dass die marxsche Theorie von Geschichte und Gesellschaft im Allgemeinen keineswegs unabhängig von der Kritik der politischen Ökonomie, der Theorie der kapitalistischen Gesellschaft zu begreifen ist. So weit ich sehe, hat Iorio die wichtige, wenn auch späte, Aussage Marxens, keinen “Universalschlüssel einer allgemeinen geschichtsphilosophischen Theorie” (MEW 19, 112) zu liefern, nirgends erwähnt. Der Autor bemüht sich unbekümmert genau um einen solchen Universalschlüssel. Dies geschieht mit Hilfe des Verfahrens, einzelne Stellen aus den verschiedensten Werken Marxens zu zitieren und – polemisch gesprochen – frei assoziierend eine “arg flapsige” (S. 235) Interpretation daraus zu zimmern. Ein Unterfangen, Begriffe wie die des Widerspruchs von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen oder der Klasse ohne Berücksichtigung der ökonomischen Theorie zu bestimmen, ist jedoch zum Scheitern verurteilt. […]<<
>>[…] Im Gegensatz zum “Holisten” reduziere ein sozialer Individualist wie Marx die Gesellschaft auf die Interessen und das Handeln der Einzelnen. Iorio beruft sich zur Stützung dieser Interpretation in erster Linie auf einzelne Äußerungen aus den Frühschriften. Insbesondere angesichts der entwickelten Kritik der politischen Ökonomie, die Iorio wie gesagt nur bruchstückhaft wahrnimmt, erscheint Marxens Einordnung als “sozialer Individualist” jedoch als fragwürdig. Sein Begriff des Kapitals geht auf das Ganze der Gesellschaft, durch die er die Einzelnen bestimmt sieht. […]<<
Gruß, Rosenkohl (Diskussion) 23:54, 30. Jun. 2012 (CEST)
Danke HerbertEdwin für die Hinweise, und Danke an Roselkohl für die Rezension. Von Iorio habe ich bisher noch nichts gehört. Für November diesen Jahres ist noch die Veröffentlichung "Marx für SoziologInnen: Eine Einführung" angekündigt. Darauf bin ich schon gespannt. Gruß, Louis Wu (Diskussion) 01:04, 1. Jul. 2012 (CEST)

oh und ich hab mir eingebildet, das universalschlüsselzitat stammt von engels, gut zu wissen, nicht dass ich da blödsinn erzähl :) aber hier ein gutes zitat von engels das auch ein wenig treffend erscheint, mir gefällt es jedenfalls :D "Erst macht er sich eine materialistische Geschichtstheorie fertig, wie Marx sie seiner Ansicht gehabt haben sollte, und findet dann, daß in den Marx´schen Schriften ganz was anderes steht. Daraus schließt er aber nicht, daß er ... dem Marx was Verkehrtes untergeschoben hat, nein, im Gegenteil, daß Marx sich widerspreche, seine eigene Theorie nicht anwenden könne! <Ja, wenn die Leute doch nur lesen könnten!> pflegte Marx bei derlei Kritiken auszurufen." (Engels an Schmidt) --Tets 20:31, 5. Jul. 2012 (CEST) Aber was denn wirklich drin steht in dem Buch ist freilich ne andre frage, das zitat bezog sich nur auf die rezension oben ("trennt die Geschichtstheorie von der ökonomischen Theorie und erklärt jene zur “wichtigsten” Theorie Marxens, um sich dann zu wundern, wie wenig sie ausgearbeitet sei"). --Tets 20:36, 5. Jul. 2012 (CEST)

Buch zum Thema Hegemonie

Das kürzlich erschiene, einführende Werk "Hegemonie. Politische Theorie nach Antonio Gramsci" ist zu empfehlen, sofern man sich mit dem Begriff der Hegemonie und aktuellen Debatten bzw. marxistisch orientierten wissenschaften Strömungen zu diesem beschäftigen möchte. Gruß, Louis Wu (Diskussion) 13:49, 25. Jul. 2012 (CEST)

Artikel zur MEGA

Hier ein interessanter, aktueller, sehr verdichteter Artikel zur bisherigen Geschichte der MEGA: Klick. Louis Wu (Diskussion) 09:26, 9. Aug. 2012 (CEST)

Empfehlenswerter Artikel

Hallo, Wolfgang Fritz Haug hat aktuell einen Artikel verfasst zur Frage, inwiefern englischsprachige Literatur zum Marschen Kapital, die dann teilsweise auch ins deutsche übersetzt werden, überhaupt bezüglich der spezifischen Begrifflichkeiten noch treffend sind oder nicht. Es geht also auch um die Frage der Übersetzung. Als Beispiel arbeitet sich Haug an David Harvey ab: [klick]. Louis Wu (Diskussion) 10:52, 24. Aug. 2012 (CEST)

Bundeszentrale für politisches Gruseln

Der englische Diffamierungs-Blog http://marxwords.blogspot.de/ ist immerhin noch aufwendig recherchiert, und selbst den Schriften eines Konrad Löw läßt sich eine Unterhaltungswert ähnlich der Reden eines Franz-Josef Strauss nicht ganz absprechen. Weniger belesen, dafür offenbar vollkommen ernstgemeint sind die Darlegungen Der Marxismus zwischen Ideologie und Wissenschaft von Armin Pfahl-Traughber, für die Bundeszentrale für politische Bildung, 10. März 2008, der

>>eine Darstellung der inhaltlichen Grundpositionen und Analyse der extremistischen Potentiale<< zu leisten beansprucht.

Nur einige Stilblüten:

>>Die Inanspruchnahme des Wissen um das "wahre Wesen" des Menschen
Marx beanspruchte sowohl in seiner Frühphase, als auch während der Arbeit an seinen späteren ökonomischen Studien immer wieder, es ginge ihm um die wahre Emanzipation des Menschen, müsse er doch wieder seinem "wahren Wesen" zugeführt werden. Auch der Kritik an der "Entfremdung" ist dieser Anspruch eigen, setzt er doch im Umkehrschluss ein genaues Wissen über die eigentliche Identität des Menschen voraus. In Marx´ umfangreichem Schrifttum gibt es aber keine ausführliche Darstellung mit notwendigen Belegen dazu, was dem "wahren Wesen" des Menschen nun eigen sein soll. Er beansprucht eine Art exklusives Deutungsmonopol auf dieses Wissen, das sich aber einer genauen Begründung und kritischen Prüfung verweigert. Daraus lässt sich die Auffassung ableiten, nur die eigenen politischen Auffassungen und Ziele würden den Werten des "wahren Menschen" entsprechen. Mangels Einsicht in dieses höhere Wissen können dann Andersdenkende als Anhänger falscher Ideologien ausgegrenzt, diskriminiert oder verfolgt werden.<<

Marx spricht vor allem in seinen nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Frühschriften von einem "wahren Wesen" (z.B. "Gesetzt wir hätten als Menschen produziert: Jeder von uns hätte in seiner Produktion sich selbst und den anderen doppelt bejaht. Ich hätte (...) 4. in meiner individuellen Lebensäußerung unmittelbar deine Lebensäußerung geschaffen zu haben, also in meiner individuellen Tätigkeit unmittelbar mein wahres Wesen, mein menschliches, mein Gemeinwesen bestätigt und verwirklicht zu haben.", Portal:Marxismus/Zitate/36) oder von "Entfremdung". Es ist damals noch weit von einer genauen Analyse des Kapitalismus entfernt. Aber auch in den Frühschriften setzt Marx nicht mehr über die " eigentliche Identität" der Menschen voraus, als das Wissen, daß die individuellen Menschen Mitglieder der menschlichen Gesellschaft sind.

Pfahl-Traughbers weist Kritik an der "Entfremdung" zurück, denn dann müsse man laut Pfahl-Traughber umgekehrt ein "genaues Wissen über die eigentliche Identität des Menschen" darstellen.

Oder:

>>Das offene Bekenntnis zur Forderung nach einem diktatorischen und repressiven Staat
Betrachtet man sich bestimmte Aussagen von Marx und Engels hielten sie sich mit dem offenen Bekenntnis zur Forderung nach einem diktatorischen und repressiven Staat nicht zurück. So heißt es etwa: "Die Arbeiter müssen ... nicht nur auf die eine und unteilbare deutsche Republik, sondern auch in ihr auf die entschiedenste Zentralisation der Gewalt in der Hand der Staatsmacht hinwirken. Sie dürfen sich durch das demokratische Gerede von Freiheit der Gemeinden, von Selbstregierung und so weiter nicht irremachen lassen" (MEW, Bd. 7, S. 252). Oder als weiteres Beispiel: "Da nun der Staat doch nur eine vorübergehende Einrichtung ist, deren man sich im Kampf, in der Revolution bedient, um seine Gegner gewaltsam niederzuhalten, so ist es purer Unsinn vom freien Volksstaat zu sprechen: solange das Proletariat den Staat noch gebraucht, gebraucht es ihn nicht im Interesse der Freiheit, sondern der Niederhaltung seiner Gegner ..." (MEW, Bd. 34, S. 129). Kurzum, da man im Namen der einzig richtigen Lehre sprach, konnte man auch solche Konsequenzen einfordern. <<

Im ersten Zitat von 1850 wird eine "Zentralisation der Gewalt" für Deutschland, also ein staatliches Gewaltmonopol eingefordert, welches heutzutage in modernen Staaten Verfassungsrang besitzt. Übrigens merkte Engels 35 später an, daß diese Stelle zum Teil auf einer falschen Auffassung der Situation in Frankreich vor dem Staatsstreich des 18. Brumaire VIII beruht habe. ([6]) Im zweiten Zitat von 1875 spricht sich Engels in einem Brief an Bebel von 1875 gerade gegen die Forderung der Anhänger Lasalles nach einem "freien Staat" aus ([7]).

So könnte man m.E. so gut wie alle Behauptungen Pfahl-Traughbers zu Dialektik, autoritärem Staat, Materialismus, Geschichtsdeterminismus etc. im Einzelnen widerlegen.

Andererseits ist ein solcher Aufsatz wie der Pfahl-Traughbers nicht allzu verwunderlich bei einer Zentrale, die auch Politikwissenschaftler wie Antiimperialisten Ludwig Watzal als Mitarbeiter, oder Extremismustheoretiker Eckhard Jesse als Autoren beschäftigt, Rosenkohl (Diskussion) 18:05, 21. Aug. 2012 (CEST)

nun ja, marx sagt soweit ich mich erinnern kann schon, was das wahre wesen ist. das wesen ist nichts anderes, als was aus den konkreten stoffwechsel mit der äußeren Natur erwächst, die Tätigkeit bestimmt das Wesen -> tätiges Wesen. Das ist gewissermaßen die positive Definition zu der negativen Definition in den thesen über Feuerbach, dass der mensch nicht anderes ist als das Ensemble der gesellschaftlichen Umstände, in denen er lebt. aber es gibt freilich viele gute gründe, warum marx nach den frühen schriften großteils auf Begriffe oder Konzepte wie Wesen oder Entfremdung verzichtet. --Tets 19:16, 21. Aug. 2012 (CEST)

Ja, im 5. Kapitel "Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß" des Kapital heißt es ([8]):

>>[...] Arbeitsprozeß ist daher zunächst unabhängig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form zu betrachten.
Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. [...]<<

Aber dort weiter:

>>[...] Der Arbeitsprozeß, wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten Momenten dargestellt haben, ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam. Wir hatten daher nicht nötig, den Arbeiter im Verhältnis zu andren Arbeitern darzustellen. Der Mensch und seine Arbeit auf der <199> einen, die Natur und ihre Stoffe auf der andren Seite genügten. So wenig man dem Weizen anschmeckt, wer ihn gebaut hat, so wenig sieht man diesem Prozeß an, unter welchen Bedingungen er vorgeht, ob unter der brutalen Peitsche des Sklavenaufsehers oder unter dem ängstlichen Auge des Kapitalisten, ob Cincinnatus ihn verrichtet in der Bestellung seiner paar jugera <Morgen> oder der Wilde, der mit einem Stein eine Bestie erlegt.(9)<<

Somit kritisiert Marx diese Darstellung "unabhängig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form". Es geht Marx, etwa bei der Kritik des Warenfetisch, um den Sachverhalt, daß die gesellschaftlichen Formen zur zweiten Natur des Menschen geworden sind. (Siehe dazu auch übrigens auch den kurzen Artikel Jan Sieber: Ästhetik der zweiten Natur bei Lukacs und Benjamin, 8. April 2010). Die Marx durch Pfahl-Traughber fälschlich unterstellte Rede von "Entfremdung", "wahrem Wesen" und "Wiederzuführung" des Menschen wird obsolet, wenn man berücksichtigt, daß die Menschen selbst Produkt dieser zweiten Natur sind. Vielleicht zeigt sich dies im obigen Zitat aus den Pariser Heften (Portal:Marxismus/Zitate/36) auch bereits daran, daß Marx beim Versuch, ein "menschliches Wesen" zu erfassen auf die unzureichende Form eines Dialogs zwischen "ich und du" zurückgeworfen ist, also praktisch dahin kommt, die Gesamtheit des "menschliche Gemeinwesen" zu verwechseln mit der dem Kapitalismus eigenen Form der Kleinfamilie, Rosenkohl (Diskussion) 14:45, 22. Aug. 2012 (CEST)

Ich stelle mit Verwunderung fest, dass der Artikel über Pirker gelöscht worden ist [9] Anna-Liese (Diskussion) 11:38, 28. Sep. 2012 (CEST)

Eine Behauptung in der Löschdiskussion ist auch falsch. Pirker ist alleiniger Autor eines der Bücher. Anna-Liese (Diskussion) 11:44, 28. Sep. 2012 (CEST)
die person sagt mir jetzt nichts, aber wenn du nachweisen kannst, dass er die Wikipedia-Relevanzkriterien erfüllt, kann der Artikel wiederhergestellt werden. --Tets 18:54, 28. Sep. 2012 (CEST)
Danke, ich kümmere mich bei Gelegenheit darum. Anna-Liese (Diskussion) 12:13, 4. Okt. 2012 (CEST)

Soziologenkongress "Vielfalt und Zusammenhalt"

Das Thema des vom 1. – 5. Oktober 2012 in Bochum und Dortmund stattfindenden "36. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie" wird von Rolf G. Heinze, Ludger Pries und Sven Boden im Hauptprogramm auf S. 14-25 aufgerissen. Es geht also um "Vielfalt und Zusammenhalt". Ich bezweifle, daß man diesen Textstil, also daß fragende Abklopfen von Chancen und Grenzen, Möglichkeiten und Gefahren, stets von einem formal neutral gehaltenen Standpunkt aus, noch "dialektisch" nennen könnte.

Statt mit "Zusammenhalt" würde man mit Marx vielleicht anfangen beim "Komplex der Privatarbeiten" und "Austausch der Arbeitsprodukte" (MEW Bd. 23, S. 87). Immerhin kommt die Frage auf:

>>Welche Formen sozialen Zusammenhalts entwickeln sich gleichsam ›hinter dem Rücken der Akteure‹, als nicht-intendierte Folgen absichtsvollen Handelns?<< (Hauptprogramm, S.20)

wozu Marx wußte:

>>Die verschiednen Proportionen, worin verschiedne Arbeitsarten auf einfache Arbeit als ihre Maßeinheit reduziert sind, werden durch einen gesellschaftlichen Prozeß hinter dem Rücken der Produzenten festgesetzt und scheinen ihnen daher durch das Herkommen gegeben.<< (MEW, Bd.23, S. 59)

Statt mit "Vielfalt" würde man mit Marx vielleicht bei "Individuum" und "Klasse" anfangen. Im Hauptprogramm heißt es z.B.:

>>Vielfalt ist grundsätzlich als Gegen-, Neben- oder Miteinander pluralisierter Lebenslagen und sozialer Gruppierungen möglich. Im wohlfahrtsstaatlichen Gesellschaftstypus hat die über Anspruchsrechte des Einzelnen funktionierende individualistische Inklusion bislang ein ausgeprägtes soziales Gegeneinander weitgehend verhindert. Ob dies angesichts eines tendenziellen Rückbaus bzw. einer allenfalls selektiven Weiterentwicklung sozialstaatlicher Sicherungen weiterhin gelingen wird, ist eine für das Verhältnis von Vielfalt und Zusammenhalt höchst relevante Frage – wie sich an ausgeprägten Exklusionstendenzen gegenüber bestimmten Gruppen wie z.B. Islamgläubigen in vielen westeuropäischen oder den Sinti und Roma in einigen osteuropäischen Ländern (aber etwa auch in Frankreich) zeigt, bei denen sich meistens ›klassische‹ soziale Ungleichheiten mit neuen sozio-ethno- kulturellen Differenzen überlagern. In diesem Zusammenhang wird des Weiteren zu beobachten sein, wie die kollektiven Repräsentationsforderungen ethnischer Gruppen und der damit verbundene Wechsel von der individualistischen zur kollektiven ›Inklusion‹ die Bedingungen der Organisation von gesellschaftlichem Zusammenhalt verändern.<<

Nicht nur bleibt die soziale Ausgrenzung und auch aktuell latent drohende Abschiebung von Roma aus Deutschland unerwähnt, und nicht nur wird die nationalsozialistische Verfolgung der Sinti und Roma subsumiert unter "Klassik", sondern die rassisch definierten Gruppen werden umstandslos mit "Islamgläubigen" gleichgesetzt; also die eine, historisch durch staatlichen Zwang im NS erst zwangsweise entindivualisierte Gruppe gleichgesetzt mit der anderen, sich als Scharia-Staat selbst kollektivierenden Gruppe. Individualität, die unter den Bedingungen der Wertvergesellschaftung Realität werden konnte, erscheint hier umgekehrt nur noch denkbar unter den sozial pazifizierenden Bedinungen eines Wohlfahrtstaates Bismarkscher Prägung.

Obsolet wird die Maske der Neutralität m.E. endültig in den Pressemitteilungen des Kongresses, wo z.B. ernsthaft gefragt wird, ob das "antiislamische Hassvideo über den Propheten Mohammed" verboten werden sollte. Statt "Zusammenhalt" und "Vielfalt" im Sinne des Hauptprogrammes könnte man, in ein Wort zusammengezogen, auch Ethnopluralismus sagen, Rosenkohl (Diskussion) 00:53, 5. Okt. 2012 (CEST)

Belletristik nach der Finanzkrise

Einige Prosaautoren versuchen einen Zeitbezug herzustellen, wenn sie in ihren neuen Büchern thematische oder tangentiale Bezüge zum Kapitalismus, oder zu Karl Marx herstellen. Z.B. heißt es in einer Rezension der Zeit [10] von Sten Nadolnys (*1942) Roman Weitlings Sommerfrische (2012) über den Protagonisten:

>>Weitlings Vater hatte unseren Helden, als kleine Geste des Widerstands gegen die Nazis, auf den Namen Wilhelm taufen lassen. Aufgrund der deutschen Geschichte auch in der Hitler-Zeit ein risikofreies Unterfangen, obwohl mit dem Namensvetter aus dem 19. Jahrhundert eine ganz andere Tradition aufgerufen wird. Wilhelm Weitling, ein Schneidergeselle mit ansehnlicher Literaturliste, war als sogenannter Frühsozialist und späterer, erfolgloser Widersacher von Marx und Engels zu Ruhm und, 1968 folgende, sogar einigem Nachruhm gekommen. Der Name ist also kein Zufall.<<

In den Richtlinien über die Führung von Vornamen von 1938 heißt es:

>>Kinder deutscher Staatsangehöriger sollen grundsätzlich nur deutsche Vornamen erhalten.<<

"Risikolos" ist das Unterfangen des Vaters also, weil "Wilhelm" ein deutscher Vorname war. Die symbolische "Geste des symbolischen Widerstands" besteht darin, daß Wilhelm zugleich der Vorname eines Mitstreiters gleichen Familiennamens von Marx und Engels war, welche als Begründer des Marxismus als der Ideologie der politischen Gegner der Nationalsozialisten galten; aber selbst die Geste wird wiederum dadurch relativiert, daß Weitling gerade als "späterer Widersacher" von Marx und Engels bekannt ist. Nadolny scheint diese Form des rein symbolischen Widerstandes des deutschen Bürgertums gegen den NS, am Beispiel der Namensgebung zugleich anzuerkennen und ironisch zu kritisieren.

In einem Porträt der Welt (14. Mai 2012) heißt es:

>>Als junger Geschichtsstudent geriet Nadolny in den Sog der Studentenbewegung. Jetzt sagt er, damals habe er so manche Dummheit von sich gegeben. "Aber wenn man mit 25 Marxist war, dann war das eben so. Das nehme ich mir nicht übel. Ich schäme mich der Sachen, die ich gesagt habe, obwohl ich nicht der Meinung war."
Heute gebe es nur noch ganz selten Dinge, auf die man "mit dem Hammer draufhauen" könne, um garantiert auf der richtigen Seite zu sein.<<

Offenbar erachtet es es als biographischen Fehler, um 1967 wider besseres Wissen bestimmte marxistische Programme vertreten zu haben. Nadolny selbst verwendet "Marx und Engels" und "Marxismus" in seinen literarischen und autobiographischen Äußerungen als politische Schlagworte, ohne aber den theoretischen Gehalt des Marxismus überhaupt zu berühren.

Oder Rainald Goetz nennt den von seiner Titelperson Johann Holtrop (2012) geführten Konzern "Assberg Medien AG", (vergl. Rezension der Faz [11]) offenbar in Anspielung an das Asperger-Syndrom, und stimmt auf diese Weise womöglich der im Jahr 2000 in Frankreich begründeten Schule der Post-autistischen Ökonomie zu, die die gegenwärtigen Wirtschaftswissenschaften als "autistisch" kritisieren möchte (vergl. Wikipedia:WikiProjekt_Marxismus/Café/Archiv/2012#Postautistische_Ökonomie).

Im Artikel en:Asperger syndrome heißt es:

>>The syndrome is named after the Austrian pediatrician Hans Asperger who, in 1944, studied and described children in his practice who lacked nonverbal communication skills, demonstrated limited empathy with their peers, and were physically clumsy. The modern conception of Asperger syndrome came into existence in 1981 and went through a period of popularization, becoming standardized as a diagnosis in the early 1990s.<<

Interessant könnte sein, inwiefern diese Konzeptualisierung und Popluarisierung des Krankheitssymptomes mit der Entwicklung des Neoliberalismus zusammenfällt. Die Betroffenen erhalten einerseits Beachtung und Anerkennung oder Staunen für ihre Fähigkeiten, aber diese werden zugleich pathologisiert. Einerseits haben sie ein Zuviel an Fähigkeiten, andererseits können sie eine bestimmte Subjektrolle nicht einnehmen, und beides behindert sie, am Markt teilzunehmen.

Ab ca. 1990 wurde der Begriff des "Autismus" in den populären Medien zu einer Art Schimpfwort oder Feindbild gewendet, und fand in dieser Bedeutung Eingang bis hin zu Hermann Schmitz' Werk Adolf Hitler in der Geschichte (1998) (vergl. die umfangreiche Sammlung auf http://autismus-kultur.de/autismus/medien/autismus-in-den-medien.html).

Die Wendung, nun in einzelnen Großunternehmen, oder ihren Leitern, oder im Kapitalismus als Wirtschaftssystem, oder seinen theoretischen Verfechtern "Autismus" erkennen zu wollen, scheint einerseits auf der Anti-autistischen Welle mitzuschimmen, andererseits auf eine Pathologisierung des Kapital als "weltlosen und menschenlosen Wahn des Geldes" (Zitat Goetz laut Rezension der Taz, 12. Oktober 2012) hinauszulaufen,

Rosenkohl (Diskussion) 18:24, 12. Okt. 2012 (CEST)

Fredric Jameson: Representing Capital: A Reading of Volume One

Hat zufällig jemand von euch Notiz genommen von den bereits 2011 erschienen Buch Representing Capital: A Reading of Volume One von Fredric Jameson? Louis Wu (Diskussion) 14:28, 9. Aug. 2012 (CEST)

Habe das Buch noch nicht vollständig durchgelesen und kann daher nicht sagen und beurteilen, auf welche Weise Jameson das Das Kapital im einzelnen interpretiert; wobei ich bereits über das erste Worte "representing", also wohl "darstellen" stolpere - das Ziel von Das Kapital ist m.W. eine wissenschaftliche Darstellung der gesellschaftlichen Realität, aber ich bin mir nicht sicher ob Jameson dies auch "weiß", oder ob er statt bei der Realität anzufangen bei der "representation" anfängt, für ihn also zunächst nur hergestellte, literarische, also notwendig ideologisierte Darstellungen wahrnehmbar sind und existieren. Z.B. wenn er den Status der ersten drei Kapitel mit der Wertformanalyse innerhalb des gesammten ersten Bandes von Das Kapital vergleicht mit demjenigen der Oper Das Rheingold innerhalb Wagners Ring des Nibelungen, Rosenkohl (Diskussion) 01:10, 10. Aug. 2012 (CEST)

Umfassende Buch-Rezensionen unsererseits, in der Rolle von anonymen Wikipedia-Konten würden m.E. den Rahmen des Wikipedia-Projektes, zudem aber auch den gewählten informellen Rahmen dieses Cafés sprengen. Daher nur einige weitere Bemerkungen zu Jamesons Kommentar des ersten Kapital Bandes und ein Versuch, Jamesons Buch von seinen politischen Schlußfolgerungen her aufzufassen.

Jamesons Lektüre ist eine hochgelehrte und belesene, eher "exoterische", sich dem Text von außen nähernde, die sich offenbar u.a. an Louis Althusser und Karl Korsch orientiert. Zu einem tatsächlichen inhaltlichen Verständnis des dialektischen Widerspruches zwischen Wert und Gebrauchswert dringt Jameson m.E. nicht vor; etwa die Unterscheidung der "kontemporären Geschichte" des Kapitals von der Geschichte seiner "historischen Voraussetzungen" (Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42, S. 372, vergl. auch Ingo Elbe: Marx im Westen, Seite 237) oder die "Grenzen der dialektischen Darstellung" bleiben Jameson m.E. fremd.

Um sich mit Jamesons Buch möglichst direkt auseinanderzusetzen könnte man vielleicht versuchen, ihn an den politischen Schlußfolgerungen zu messen, die er aus seiner 'Kapital-Lektüre zieht, obgleich er einleitend schreibt er, Das Kapital

>>ist kein Buch über Politik, und nicht einmal ein Buch über Arbeit: Es ist ein Buch über Arbeitslosigkeit, eine skandlöse Behauptung, die ich zu rechtfertigen beabsichtige mittels genauer Betrachtung des Argumentes, und der Stufen und schrittweisen Entwicklung des letzteren.<< (>>is not a book about politics, and not even a book about labot: it is a book about unemployment, a scandalous assertion I mean to justify by way of close attention to its argument and the latter's stages and point-by-point development<<, Jameson: Representing Kapital, Seite 2-3)

Also bezeichnet Jameson Unterbeschäftigung als zentral für die Lektüre des Kapital, und erachtet die globalisierte Unterbeschäftigung als einen Hauptskandal des Kapitalismus. Ich finde diese These nicht überzeugend, weil darin m.E. nicht Arbeit schlechthin im Sinne menschlicher zielgerichteter Aktivitäten unterschieden wird von abstrakter Arbeit als Form von Arbeit, die im Kapitalismus einzig verbindlichen Form gesellschaftlicher Arbeit geworden ist. Der Bedarf nach abstrakter Arbeit in der Tat struturell knapp ist und führt zu einer Konkurrenz, woraus man aber nicht den Schluß ziehen sollte, zur Verringerung der Ausbeutung, unter Hintenanstellung des Problems fehlender Demokratie, mehr "abstrakte Arbeitsplätze" zu schaffen. Wie Jameson es bei seinem Vergleich marxistischer und anarchistischer Ansätze aber tut, wenn ich ihn richtig verstehe:

>>Aber die grundsätzliche Trennung zwischen Politik und Ökonomie, welche ich hier vorgeschlagen habe, legt nahe, daß das Ergebnis einer Betonung der 'Ausbeutung ein sozialistisches Programm ist, während jenes einer Betonung von Herrschaft ein demokratisches wäre, ein Program und eine Sprache, die nur zu leicht und häufig vom kapitalistischen Staat gutgeheißen werden.<< (>>But as the radical disjunction between politics and economics I have proposed here suggest, the outcome of an emphasis on exploitation is a socialist program, while that of an emphasis on domination is a democratic one, a program and a language only too easily and often coopted by the capitalist state<<, Jameson: Representing Kapital, Seite 150)

Zuvor schreibt Jameson:

>>Die paradoxe, wir können sogar sagen dialektische Originalität von Marx' Analyse besteht darin, daß im Kapital "System" als Einheit von Gegensätzen charakterisiert wird, und es das offene System des Kapitalismus ist, welches sich als geschlossen erweist. Anders gesagt, das was am Kapitalismus offen ist ist seine Dynamik der Ausweitung (der Akkumulation, der Aneignung, des Imperialismus). Aber diese Dynamik ist auch ein Fluch und eine Notwendigkeit: das System kann nicht nicht expandieren; wenn es stabil bleibt, so stagniert es und stirbt; es muß damit weitermachen, alles auf seinem Weg aufzunehmen, alles zu verinnerlichen was zuvor äußerlich von ihm war. Durch einen Chiasmus der dialektische geworden ist, wurde alles was an der Eigenschaft geschlossen, zu sein schlecht ist, zum Offenen hin verlagert, ohne das auch das Gegenteil (wohl: daß alles, was an der Eigenschaft gut zu seine Gute an der E) notwendigerweise gilt. (Jameson meint wohl: ohne daß alles, was an der Eigenschaft offen zu sein notwendigerweise zum Geschlossenen hin verlagtert wird.) Kapitalismus ist somit etwas, das manchmal eine höllische Maschine, ein Perpetuum mobile oder ein unnatürliches Wunder genannt wird, dessen Stärken sich als das herausstellen, was am unerträglichsten daran ist.<< (>>The paradoxical, we may even say dialectical, originality of Marx's analysis is that in Capital, "system" is characterized as a unity of opposites, and it is the open system of capitalism which proves to be closed. In other words, what is open about capitalism is its dynamic of expansion (of accumulation, of appropriation, of imperialism). But this dynamic is also a doom and a necessity: the system cannot not expand; if it remains stable, it stagnates and dies; it must continue to absorb everything in its path, to interiorize everything that was hitherto exterior to it. Thus, by a chiasmus that has become dialectical, everything bad about the qualification of the closed has been transferred to the open, without the opposite necessarily also being true. Capitalism is thus what is sometimes called an infernal machine, a perpetuum mobile or unnatural miracle, whose strenghts turn out to be what is most intolerable about it<<, Jameson: Representing Kapital, Seite 146)

Jameson verkennt hier m.E., daß der Systemcharakter des Kapitalismus gerade nicht nur in der quantitativen Ausweitung (Akkumulation, Aneignung, Imperialismus) besteht, sondern auch in der qualitativen Produktion und Reproduktion von Wertformen (also z.B. von Geld, Kapital, Kredit, Zins etc.), wobei dialektische Widersprüche gelöst werden, indem sie auf einer höheren Stufenebene gesetzt werden (vergl. die Ausführungen von Dieter Wolf).

>>Aber es ist genau die Kraft und die konstruktive Errungenschaft des Kapital, zu zeigen, daß die "Ungerechtigkeit und Ungleichheiten" strukturell eins sind mit dem totalen System als solchem, und daß sie nie reformiert werden können. In einem System , in welchem sich das Ökonomische und das Politische vereint haben, sind Taktiken wie jener der Regulierung durch die Regierung bloße verbale Konstruktionen und ideologische Rhetorik, denn defintionsgemäß ist es ihre Funktion und ihr Zweck, dem System dabei zu helfen, besser zu funktionieren. Das Eintreten für Regulierung ist ein Eintreten für effizientere Kontrolle des ökonomischen Systems selbst, um dessen Zusammenbruch vorzubeugen (?) oder ihn zu verhindern. Wie en:Stanley Aronowitz es vor langer Zeit ausgedrückt hat, besteht die Berufung der Sozialdemokratie im Gegensatz zu anderen Parteirichtungen darin, das totale Interesse des Kapitalismus nicht zu vergessen und sein Funktionieren insgesammt aufrechtzuerhalten.<< (>>But it is precisely the power and the constructional achievement of Capital to show that the "injustice and inqualities" are strucutrally at one with this total system as such, and that they can never be reformed. In a system in which the economic and the political have merged, tactics such as those of government regulation are mere verbal constructions and ideological rhetoric, since by definition their function and purpose is to help the system itself funtion better. The argument for regulation is an argument for more efficient control of the economic system itself, in order to forestall or prevent its collapse. As Stanley Aronowitz put it long ago, the vocation of social democracy is, as opposed to various factional parties, to keep the total interest of capitalism at heart and to maintain its overall functioning.<<, Jameson: Representing Kapital, Seite 147)

M.E. führt Jamesons Mißverständnis des Systemcharakters des Kapitalismus auch zu einem verkehrten Verständnis von Staat, Politik und politischen Parteien. Der Staat bildet sich im Kapitalismus als notwendige Instanz heraus, die vom Kapital in relativer Unabhängigkeit besteht (vergl. Staatsableitung), und dadurch zugleich sowohl für eine Einhegung als auch eine Stabiliserung des Kapitals sorgt. Recht und Individualismus im modernen Sinn, also Gerechtigkeit, als Mangel empfundene Ungerechtigkeit, Gleichheit und als Mangel empfundene Ungleichheit kann es ja erst im Staat, also unter kapitalistischen Bedingungen geben. Es stimmt, daß moderne demokratische politische Parteien, welche heutzutage sämtlich sozialdemokratische Positionen vertreten effektiv zu einer Stabilisierung des Kapitalismus beitragen, wenn sie Regulierungen beschließen; aber die Parteien tun dies nicht im Interesse des Kapitalismus, wie Jameson behauptet, sondern ob man es glaubt oder nicht, im Interesse von Recht und Gleichheit der Bürger, die sie vertreten. Aus heutiger Sicht müßte an der Stelle m.E. die ungleichmäßige weltweite Entwicklung, sowohl ökonomisch als auch politisch, der verschiedenen Staaten in den Blick kommen, Rosenkohl (Diskussion) 16:01, 16. Aug. 2012 (CEST)

Hallo Rosenkohl, hab Dank für deine Bemerkungen, die meines Erachtens sehr nützlich sind. Louis Wu (Diskussion) 22:33, 16. Aug. 2012 (CEST)

Jameson belebt so die Verelendungstheorie wieder.
Ganz interessant fand ich noch die Parallele Herr-Knecht-Dialektik einerseits und Dialektik Ware-Geld(ware) andererseits. --Alex1011 (Diskussion) 15:46, 6. Nov. 2012 (CET)

Ökonomische Realität in Wikipedia

Nicht erst Angesichts der en:2012 Pakistan garment factory fires mit mehreren Hundert Toten in Lahore und Karachi, bei denen auch ein Zulieferer des Textildiscounters KiK betroffen war erscheint die enzyklopädische Darstellbarkeit der ökonomischen Realität innerhalb des Wikipedia-Projektes fragwürdig. Zwei abstrakte Aspekte fallen mir dazu ein:

  • Discounter wie z.B. KiK zahlen bereits in Europa niedrige Löhne an die Verkäufer, reichen aber vor allem auch den Konkurrenzdruck an ihre Zulieferer in meistens asiatischen Ländern weiter. Während auf den nationalen Arbeitsmärkten ein relativ aktiver Kampf um Lohn und Arbeitsbedingungen geführt werden kann, und es teilweise gelungen war, vergleichbare Lebensbedingungen z.B. innerhalb der EU zu schaffen, stellt sich praktisch international übergreifende kaum Solidarität ein. Unter Wikipedia:WikiProjekt_Marxismus/Café/Archiv/2011#Ereignisse_in_London_und_anderswo war mir das Fehlen eine Darstellung in der Wikipedia der etwa von Stefan Krüger aufgegriffenen Überlegungen von Marx im Kapital zur "Modifikation des Wertgesetzes in seiner internationalen Anwendung" (MEW Bd. 23, Seite 584). Worin diese "Modifikation" besteht, und wie es dazu kommt, scheint mir ein zentraler Aspekt zu sein, der in der Politk aber regelmäßig unterbelichtet bleibt, und vermutlich auch in der Wissenschaft.
  • Enzyklopädien sind zudem ein tradtionell bildungsbürgerliches Unterfangen. Daher wird systematisch zuförderst die Sphäre des geistigen Überbaus dargestellt, während die ökonomische Basis unterbelichtet bleibt. Wikipedia setzt diese Tradition fort. Dies drückt sich u.a. in den Wikipedia:Relevanzkriterien#Wirtschaftsunternehmen aus, welche z.B. "mindestens 1000 Vollzeitmitarbeiter" oder "einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro" beinhalten. Den Wikipediaautoren sind die notwendigen Quellen kaum allgemein zugänglich, um weltweit alle Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern zu erfassen. Einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro dagegen dürften überdurchschnittlich viele Unternehmen in reichen westlichen Ländern erzielen. Grundsätzlicher aber, stellt unter den Bedingungen der Privatarbeit schon die Aufstellung von quantitativen Untergrenzen für relevante Wirtschaftsunternehmen ein systemisches Vorurteil gegen Kleinunternehmen bis hin zu den individuellen Arbeitnehmern dar,

Rosenkohl (Diskussion) 00:00, 19. Sep. 2012 (CEST)

Hallo Rosenkohl, dem von dir festgestellten "Fehlen eine Darstellung in der Wikipedia der etwa von Stefan Krüger aufgegriffenen Überlegungen von Marx im Kapital zur "Modifikation des Wertgesetzes in seiner internationalen Anwendung"" kannst du ja gern an der geeigneten Stelle entgegenwirken. Deiner grundsätzliche Beobachtung hinsichtlich der Darstellung der 'tatsächlichen' wirtschaftlichen Aktivitäten ist zu zu stimmen. Aber auch an anderen Ecken und Enden gibt es in der Wikipedia noch Verkürzungen, Verzerrungen und auch Schweigen. Mir fällt da gleich der Artikel Neoliberalismus ein, wo die Marxisten nur lächerlich oberflächlich dargestellt werden und die Teife der Diskussion überhaupt nicht mal angeschnitten wird. Die Frage ist, was folgt aus deinen Beobachtungen? Kann mensch dem entgegenwirken hier in der Wikipedia, oder zumindest über die Missstände aufklären? Louis Wu (Diskussion) 16:38, 21. Sep. 2012 (CEST)

Hallo Louis Wu,
mich interessiert das Thema der Modifikation des Wertgesetzes zwischen den Nationen zunächst inhaltlich, und warum es offenbar theoretisch wenig beachtet wird. Welches wäre denn Deines Erachtens eine geeignete Stelle in der Wikipedia? Gibt es hierzu überhaupt wesentlich Literatur? Oder wie könnte eventuell ein eigenes Lemma heißen?
Der Artikel "Neoliberalismus" ist seit Jahren zwischen verschiedenen Konten unkämpft. Tendenziell sind dort nach meiner Erinnerung eine beschränkte Zahl wirtschaftsliberaler Konten gegen mehrere Anhänger einer "sozial gerechten" Marktwirtschaft aktiv. Als "Neomarxistische Referenz" genannt werden dort David Harvey (dessen Marx-Verständnis gemäß eines Deiner Hinweise offenbar auch von Wolfgang Fritz Haug kritisiert wird) sowie Mouffe/Laclau. Auf die Zustände in der Industrieproduktion hat bereits der frühe Friedrich Engels hingewiesen (Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie Die Lage der arbeitenden Klasse in England), und Verelendung, Unfälle und Industriekatastrophen geschehen ständig. Somit erscheint es methodisch fragwürdig, z.B. die erwähnten Brände in Pakistan einseitig als Resultate dem "Neoliberalismus" zuzuschreiben. Nach meinem Eindruck ist der Status des Neoliberalismus innerhalb des Marxismus selbst umstritten, also etwa, ob es sich seit er Nachkriegfszeit, und verstärkt ca. den 1970ern eher um eine qualitative Steigerungsstufe der kapitalistischen Expansion, oder eher um eine bestimmte Phase der Formation innerhalb eines kapitalistischen Kontinuums handelt. Oder auf welche Weise könnte man sagen, daß der Neoliberalismus umstritten ist?
Gesellschaftliche und theoretische Konflikte neutral dazurstellen ist sowieso ein mühsames Geschäft, welches zudem der tatsächlich geführten Diskussion notwendig nacheilt; schon deshalb muß eine Enzyklopädie tendenziell veraltend und konservativ sein. Schon qualitativ gesehen erkenne nicht, daß in ausreichender Zahl überhaupt neue Benutzer zur Wikipedia dazukommen, eher fallen oft fähige Mitarbeiter wieder aus. Darum glaube ich nicht, daß es überhaupt jemals zu eine qualitative Veränderung des Projektes kommen könnte, welche also den Rahmen eines bildungsbürgerlichen "Online-Brockhaus" überschreiten würde, Rosenkohl (Diskussion) 16:30, 5. Okt. 2012 (CEST)
Ich finde "linke" Menschen sollten erkennen, wie wichtig die Wikipedia durchaus ist, wenn es darum geht, sich schnell über alle möglichen Thematiken zu informieren. Da kann man noch so einiges tun, zu mal viele linke, marxistische etc. Artikel ziemlich unausgebaut sind. Gewissermaßen ist auch die Wikipedia ein Bestandteil gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, der Frage nach Deutungshoheit usw.. Ganz sicher ist der Neoliberalismus in der Linken (keinesfalls nur die Partei) umstritten. Dass müsste man auch in dem Artikel versuchen darzustellen. Bezüglich deiner Eingangsfragen bin ich erstmal überfragt. Keine Ahnung, ob es dazu Literatur gibt oder wo ein geeingeter zur Darstellung dieser Thematik wäre. Louis Wu (Diskussion) 12:03, 8. Okt. 2012 (CEST)

http://www.mxks.de/files/ag/Value.Weltmarkt.html, "Wissenschaftlicher Streit um die Modifizierten Durchsetzungsformen des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt" von 2005 ist eine interessante Webseite zu dem Thema, Rosenkohl (Diskussion) 13:15, 12. Nov. 2012 (CET)

Löhne in der Autoindustrie

Über die Lohnentwicklung in der US-amerikanische Autoindustrie heißt es (Associated Press: Auto workers' pay agreement signals new reality for industry, Guardian, 5. Oktober 2011):

>>Die Gewerkschaft, die einst den Goldstandard für amerikanische Löhne setzte verzichtet auf Lohnzuwächse im Tausch für ein Stück von den Profiten der Autoindustrie und das Versprechen für tausende neuer Arbeitsplätze.
Gemäß der mit Ford und General Motors abgeschlossenen Vereinbarungen werden die meisten Fabrikarbeiter der Unternehmen Schecks über Profitanteile anstatt jährlicher Lohnzuwächse erhalten. Sie werden auch einen Einstandsbonus erhalten. Im Gegenzug werden die Fahrzeughersteller ihre Belegschaften vergrößern und Milliarden weiterer Dollar in ihre Fabriken investieren.
Dies ist ein ungewöhnliche Kehrtwende der United Auto Workers. Über Jahrzehnte wurden die Löhne und Zulagen der Mitglieder der Gewerkschaft von den Arbeitern weltweit beneidet, und sie hätte nicht gezögert, dafür zu streiken. Nachdem die Industrie vor zwei Jahren nahezu zusammengebrochen war, kämpft eine ernüchterte UAW nicht mehr gegen die großen Drei Konzerne, sondern gegen Rivalen, die ihren Arbeitern sehr viel weniger zahlen.
"Wir sind uns des Wettbewerbes bewußt, dem Ford, General Motors und Chrysler ausgesetzt sind" sagte der UAW-Vorsitzende am Dienstag nach der Ankündigung eines neuen Vierjahresvertrages mit Ford. "Wenn wir langfristig erfolgreich sein, und unsere Mitgliederschaft langfristige Sicherheit und anständige Einkommen haben sollen, dann dürfen wir Ford, GM und Chrysler keinem Wettbewerbsnachteil aussetzen. [...]"<<
>>The union that once set the gold standard for American wages is giving up pay rises in exchange for a piece of the auto industry's profits and the promise of thousands of new jobs.
Under agreements struck with Ford and General Motors, most of the companies' factory workers will get profit-sharing cheques instead of annual rises. They will also get a signing bonus. In turn, the carmakers will increase their workforces and invest billions more dollars in their factories.
It is an unusual turnabout for the United Auto Workers. For decades, its members' pay and benefits were the envy of workers around the world, and it would not hesitate to strike to protect them. But the agreement signals a new reality. After the industry nearly collapsed two years ago, a sobered UAW is no longer fighting the Big Three but fighting to compete against rivals that pay their workers far less.
"We are aware of the competition that Ford and General Motors and Chrysler face," UAW president Bob King said on Tuesday after announcing terms of a new four-year contract with Ford. "If we are going to succeed in the long run and really be able to have long-run security and decent income for our membership, we can't put Ford and GM and Chrysler at a competitive disadvantage." ...<<

Demnach werden die Lohnkosten dadurch gesenkt, dass die Arbeiter über die nächsten vier Jahre keine jährlichen Erhöhungen erhalten, und tausende neuer Arbeiter zu geringeren Anfangsgehältern einstellen. Interessant auch die Statistik der stündlichen Arbeitskosten, inschließlich Löhen, Zulagen und Pensionen für 2010 (Ford: $58, GM: $56, Toyota: $55, Hyundai: $44, Volkswagen Chattanooga: $38). >>Ford's hourly labour cost, including wages, benefits and pensions, was $58 last year. GM's was $56 and Toyota's was $55, according to the Center for Automotive Research. Volkswagen, with a new plant in Chattanooga, Tennessee, had the lowest cost at $38, followed by Hyundai at $44"<<

Unter dem Wettbewerbsdruck setzen die Unternehmen auf insgesammt niedrigere Löhne, mehr jüngere, also belastbarere und billigere Arbeiter, und Frühpensionierungen.

Der Bericht klingt m.E. so, als würde die Mehrwertrate in der US-amerikanischen Automobilindustrie erhöht, und die Profitrate eventuell sogar erhöht. Könnte man das noch genauer quantitativ belegen? Welche Signalwirkung ginge von so einer Entwicklung für die weltweite Lohnetnwicklung und Mehrwertrate aus? Rosenkohl (Diskussion) 14:09, 5. Dez. 2012 (CET)

Terry Eagleton

Why Marx was Right von Terry Eagleton fand ich recht gut. Auf deutsch 2012 erschienen. Das Buch ist in etwa 10 unbenannte Kapitel eingeteilt, die alle mit bekannten Kritiken an Marx (oder den Marxismus) einleiten, die folgend selbst einer Kritik unterzogen werden. Eine Kritik an dem buch, die in meinen augen zutrifft, dass auf die Kritik der politischen Ökonomie nur sehr wenig eingegangen wird. --Tets 03:32, 2. Aug. 2012 (CEST)

Terry Eagleton ist eine interessante Gestalt. Er ist "christlicher Marxist" - eine mich sehr ansprechende Kombination. Ich habe sein Buch Das Böse gelesen, das den Grund der Faszination des Bösen darstellt. Ein Thema, das meines Wissens von Marx nie aufgegriffen wurde und auch dem HKWM keinen Eintrag wert ist. --HerbertErwin (Diskussion) 08:41, 3. Aug. 2012 (CEST)
Sein Buch über Ideologie ist ebenfalls lesenswert. Ich glaube, er war auch mal Trotzkist und er zuzdem ein Gegner der postmodernen Theorien. Louis Wu (Diskussion) 09:38, 3. Aug. 2012 (CEST)
Ob Eagleton tatsächlich ein "Christ" ist, oder sich als solcher positioniert ist mir mangels genauerer Kenntnis seiner Werke nicht ganz klar geworden. Ich erkenne durchaus, daß es nicht selten gerade überzeugte Christen sind, die sich zur Zeit überhaupt noch näher für Marx' Theorien interessieren und ihnen etwas abgewinnen können (dabei fällt mir z.B. auch die Person Helmut Thielens ein). Umgekehrt geht das Werk von Marx, der sich nie als Atheist positioniert, oder zur Fragen wie der nach einer Existenz Gottes geäußert hat, auch von der Kritik der Religion aus, also einer Darstellung und wissenschaftlichen Theorie davon, was Religion ist, weshalb Religion als Thema im Marxschen Werk praktisch allgegenwärtig präsent ist. Andererseits erschiene mir ein tatsächlicher "christlicher Marxismus", oder einer anderen Religion, oder der Religion schlechthin, verpflichteter Marxismus im Sinne einer wissenschaftlichen Gesellschaftstheorie als ein Widerspruch in sich (hatte nebenbei erwähnt letztes Jahr im Kommentarbereich der Zeit zur dortigen Rezension von Das Böse gepostet, (insgesamt siebenmal, in Verteidung Eagletons)), Rosenkohl (Diskussion) 00:18, 4. Aug. 2012 (CEST)
Hier noch eine Besprechung in Marx21: Vom Schlechten und Bösen --Alex1011 (Diskussion) 22:41, 31. Jan. 2013 (CET)

Literatur gesucht: Einführung/Überblick über marxistische Klassentheorien

Kennt irgendwer ein Buch, das unterschiedliche marxistische Ansätze zur Klassentheorie darstellt? --Tets 00:19, 28. Sep. 2012 (CEST)

Empfehlenswert ist Klassen im Postfordismus, ebenso einführend Jürgen Ritsert: Soziale Klassen. Louis Wu (Diskussion) 08:03, 28. Sep. 2012 (CEST)
kenn ich leider schon beide. waren zwar intressant, aber naja, irgendwie auch nicht so überzeugend. es gibt auch noch halbwegs neu (2002) von bischoff et al unsere klassengesellschaft , vsa verlag --Tets 18:19, 28. Sep. 2012 (CEST)
Von Kees Van Der Pijl gibts noch Transnational Classes and International Relations, Erik Olin Wright könnte auch interessant sein, hat ein Buch mit dem Titel Classes herausgebracht. Ich schätze, mal dass Zeitschriftenartikel aus den 1970er Jahre interessant sein könnten, hab aber grad keinen parat. Louis Wu (Diskussion) 18:31, 28. Sep. 2012 (CEST)
mm ja, von Wright gibt es auf seiner HP übrigens viele bücher von ihm gratis zum download! Vlcht sollt ich mal etwas genauer mir den Kees Van Der Pijl anschauen. So bin ich eh auch schon auf einige kürzere Artikel oder Texte gestossen, aber leider nicht wirklich ein längeres werk, das die historische Entwicklung der Debatten über marxistische Klassentheorien darstellt (zumindest die neueren ab den 60er Jahren oder so). Da gibt es ja auch eine starke Trennung zwischen den, was so im deutschsprachigen Raum, und dem was im englischsprachigen raum diskutiert wurde. langsam glaube ich, es gibt zumindest im deutschen kein einziges Werk, was die Debatte um marxistische Klassentheorien ab den 1960ern ausführlich darstellt... zumindest bisher nichts gefunden ... sollte vllcht mal nach englischsprachiger suchen. --Tets 18:53, 28. Sep. 2012 (CEST)
nachtrag: das is von den bisher gefundnenen, der artikel, der am ehesten einen gewissen überblick verschafft (auch in Klassen im Postfordismus abgedruckt): David Lockwood (1985): Das schwächste Glied in der Kette? Einige Anmerkungen zur marxistischen Handlungstheorie In: PROKLA Nr. 58, S. 5-33.

Hier noch ein neuerer Beitrag: Ellmers, Sven: Die formanalytische Klassentheorie von Karl Marx. Ein Beitrag zur „neuen Marx-Lektüre“. Deine Beoachtungen teile ich: Die Debatten und Diskussionen verlaufen getrennt zwischen der englischsprachigen und deutschsprachigen Welt, dies betrifft aber nicht nur die Klassentheorie. Und ansonsnten sind die Diskussionen auch nicht aufgearbeitet worden. Das ist eine eklatante Lücke. Louis Wu (Diskussion) 10:04, 1. Okt. 2012 (CEST)

Danke für die bisherigen wertvollen Literaturhinweise. Das zugrundeliegende Verhältnis, welches zur Schwierigkeit der Klassenanalyse beiträgt ist wohl, daß die marxistische Wertformanalyse bei der ökonomischen Basis anfängt, wo isolierte Individuen aufeinandertreffen, deren Sozialisation erst erklärt werden soll, während Klassenkämpfe notwendig auch politisch, also in der Überbausphäre stattfinden, also von der komplexen zeitgeschichtlichen Sitatution abhängt. Daher entsteht m.E. das vermutlich lösbare aber schwierige Problem, die große Lücke zwischen einerseits abstrakter und ökonomischer Wert- und andererseits konkreter und politischer Klassentheorie mit Bezug auf die empirische und gegenwärtige poltische Situation zu überwinden. Nach wie vor ein Schlüsseltext für jede auf Marx zurückgehende Klassentheorie könnte nebenbei Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, dort insbesondere der 1. Teil sein, Rosenkohl (Diskussion) 13:28, 1. Okt. 2012 (CEST)

Ja das hast du richtig erkannt, das ist eines der Hauptprobleme in der Rezeption. Wie können die Klassen, wie sich aus der ökonomischen Anatomie der Gesellschaft ergeben (Kapital, ökonomische Struktur, Produktionsweise), mit historisch-real handelnden gesellschaftlichen Kräften in Verbindung gebracht werden (18. Brumaire, Gesellschaftsstruktur, Gesellschaftsformation)? Der zuvor gerade genannte Ellmers macht auch noch eine dritte Klassenbegriffsverwendung bei Marx aus (hab sein Buch nicht gelesen, aber ne Rezension oder so), während die restliche Rezeption meist nur die beiden genannten Aspekte dezidiert unterscheidet. Klassen als - ich weiß nicht genau wie ers nennt - geschichtsphilosophische oder geschichtstheoretische Kategorie (Ausbeutung, Motor der Geschichte). --Tets 14:08, 1. Okt. 2012 (CEST)
Die Arbeit von Ellmers ist offenbar auch unter http://www.marxforschung.de/docs/ellmers.pdf einsehbar, Rosenkohl (Diskussion) 00:46, 17. Dez. 2012 (CET)
Auch noch spannend, aber eher strukturalistisch orientiert, ist das Buch Politische Macht und gesellschaftliche Klassen von Nicos Poulantzas. Ich persönlich habe die englische Fassung des Werkes gelesen. Louis Wu (Diskussion) 09:10, 4. Okt. 2012 (CEST)
obwohl PMGK auch intressant war, fand ich Klassen im Kapitalismus heute (KIK) sogar noch besser, v.a. weil es nicht in so einen strukturalistischen duktus verfasst is, und gerade PMGK teilweise einfach unklar war für mich (ich bin damit übrigens nicht alleine), andererseits weil hier poulantzas auch konkrter wird. PMGK findet man übrigens auf deutsch im Internet wenn man ein wenig sucht, KIK auf englisch ebenfalls (classes in contemporary capitalism)
ein buch will ich noch nennen, obwohl ich es (bisher) nicht kenne, wird jedoch im Vorwort zu Klassen im Postfordismus erwähnt: Bader, Benscchop, Krätke, van Treeck (Hrsg.; 1998): Die Wiederentdeckung der Klassen. Argument. --Tets 23:20, 6. Okt. 2012 (CEST)
Klassen im Kapitalismus ist auch absolut lesenswert. In Poulantzas Hauptwerk Staatstheorie gibts auch noch so einige Anmerkungen zur Klassenfrage. die sich hier mit der Frage nach dem Staat verquicken. Dort entfernt er sich völlig von strukturalistischen Positionen und übt auch Selbstkritik. Louis Wu (Diskussion) 11:57, 8. Okt. 2012 (CEST)
Vielleicht interessant Klassenanalyse und Intelligenz. Veranstalter: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Samstag, Tagung 20. April 2013. Anfang der 1970er Jahre hat das Frankfurter Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) seine große Klassen- und Sozialstrukturanalyse vorgelegt. „Unser Kolloquium zielt darauf, vor dem Hintergrund dieser »historischen Klassenanalysen« einige dieser Fragen im Kontext der heutigen »Renaissance« der Klassen- und Intelligenzanalyse zu überprüfen und weiterzuführen.“ MfG --WhoisWhoME (Diskussion) 14:55, 6. Mär. 2013 (CET)
erwähntes Kolloqium findet gemäß Programmflyer (1 Seite pdf) in Frankurt a. M. statt, Rosenkohl (Diskussion) 21:18, 6. Mär. 2013 (CET)