Wilfried Röhrich

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Wilfried Röhrich (2006)

Wilfried Röhrich (* 24. Dezember 1936 in Darmstadt) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und emeritierter Professor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Akademische Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie in Berlin und Frankfurt a. M. sowie einem Forschungsaufenthalt in den USA im Auftrag des Frankfurter Instituts für Sozialforschung promovierte Röhrich 1964 im Fach Politische Wissenschaft bei Carlo Schmid.[1] Sein Nebenfachstudium der Soziologie und der Philosophie prägten seitens der Frankfurter Schule Max Horkheimer und Theodor W. Adorno,[2] aber auch Leo Strauss von der University of Chicago.

1962 bis 1964 war Röhrich wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter bei Thomas Ellwein am Institut für Politische Bildung der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. In dieser Zeit war er zudem Mitarbeiter an der ersten Auflage von Ellweins Standardwerk Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland (Westdeutscher Verlag, 1963). Dem schloss sich von 1964 bis 1966 bei Michael Freund eine weitere Assistententätigkeit am Seminar für Wissenschaft und Geschichte der Politik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an.

Dank eines Habilitanden-Stipendiums von 1966 bis 1969 habilitierte sich Röhrich 1970 in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Kieler Universität. Als Gutachter seiner Habilitationsschrift zeichneten Michael Freund und Eberhard Menzel. Danach war Röhrich u. a. Vertreter einer Professur für Politikwissenschaft an der Universität Hamburg und wissenschaftlicher Beirat diverser Verlage. 1972 legt er eine Monografie über Robert Michels vor.

1973 wurde Röhrich außerordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität, im Dezember 1979 wurde die Stelle in eine ordentliche Professur (C3) umgewandelt. Mit seinem 1998 verstorbenen Kieler Fachkollegen Werner Kaltefleiter verband ihn jahrelang eine intensive Feindschaft, die auch außerhalb der Universität Aufsehen erregte.[3] Von 1979 bis 2001 war Röhrich Direktor des Kieler Instituts für Politische Wissenschaft.

In dieser Zeit erweiterte Röhrich sukzessive sein wissenschaftliches Spektrum von der politischen Ideengeschichte über die vergleichende Demokratie- und Elitenforschung bis zu den sozialökonomischen Problemfeldern der politischen Systeme und der neuen Weltpolitik.[4] Ein besonderes Interesse seiner Forschungen gilt schließlich der Macht der Religionen und den Fronten des Islamismus und des Dschihadismus.

Die Politikwissenschaft verstand und versteht Röhrich entsprechend ihrem jeweiligen Erkenntnisobjekt als eine kritisch-emanzipatorische bzw. als eine historisch-systemanalytische Disziplin.

1980 bis 1982 gehörte Röhrich dem Ständigen Ausschuss für Lehre und Studium beim Vorstand der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft an.[5] Zwölf Vertreter der Bundesländer erarbeiteten damals die Fachinhalte der noch neuen Disziplin Politikwissenschaft.

1981 bis 1991 war Röhrich Vizepräsident der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft in Kiel, deren Schriftenreihe er herausgab.

Röhrich war 1989 Mitbegründer der Pax-Professoren-Gruppe verschiedener Fachrichtungen, die sich dem Siegel der Kieler Universität Pax optima rerum verpflichtet fühlte und zur Friedensforschung mehrere Ringvorlesungen mit Politikern und Wissenschaftlern wie Egon Bahr, Carl Friedrich von Weizsäcker, Walentin Falin und Johan Galtung veranstaltete.

Für die Pax-Professoren-Gruppe war Röhrich im Februar 1990 – gemeinsam mit dem damaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm – Mitveranstalter des Kieler Kongresses Ethik und Politik heute: Verantwortliches Handeln in der technisch-industriellen Welt im Auditorium maximum der Universität. Diskutanten waren u. a. Karl-Otto Apel, Wolfgang Huber, Hans Jonas und Hans Küng.

1992 bis 1993 war Röhrich deutsches Gründungsmitglied für die vom Council of the Baltic Sea States (CBSS) verfolgte EuroFaculty an den baltischen Universitäten Riga, Tartu und Vilnius mit Zentrum in Riga. Die EuroFaculty beinhaltet nach wie vor die Fächer Economics, Law sowie Public und Business Administration.

Röhrich hat mehrere Forschungs- und Lehraufenthalte an ausländischen Universitäten verbracht und zahlreiche Forschungsreisen in lateinamerikanischen und asiatischen Ländern und vor allem in Ländern der islamischen Welt unternommen und dazu in Presseorganen und Büchern publiziert.

Buchpublikationen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Staat der Freiheit. Zur politischen Philosophie Spinozas, Melzer, Darmstadt 1969.
  • Sozialvertrag und bürgerliche Emanzipation. Von Hobbes bis Hegel, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1972.
  • Robert Michels. Vom sozialistisch-syndikalistischen zum faschistischen Credo, Duncker & Humblot, Berlin 1972.
  • (Hrsg.) Demokratische Elitenherrschaft. Traditionsbestände eines sozialwissenschaftlichen Problems, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1975.
  • Bürgerliche Herrschaft heute. Formen und Fakten (= Schriftenreihe der Akademie Sankelmark, N.F., Bd. 29). Sankelmark 1976.
  • Imperialismus. Zur Empirie eines Begriffs (= Schriftenreihe der Akademie Sankelmark, N.F., Bd. 32). Sankelmark 1976.
  • Revolutionärer Syndikalismus. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Arbeiterbewegung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977.
  • Politik als Wissenschaft. Eine Einführung, Deutscher Taschenbuchverlag 1978.
  • Politische Soziologie, W. Kohlhammer (Urban-Taschenbuch), Stuttgart 1977, Italienische Ausgabe: Sociologia politica, Società editrice il Mulino (La nuova scienza), Edizione italiana a cura di Franco Cazzola, Bologna 1980.
  • Die repräsentative Demokratie. Ideen und Interessen, Westdeutscher Verlag, Opladen 1981.
  • Politik und Ökonomie der Weltgesellschaft. Das internationale System, 2., völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitwirkung von Karl Georg Zinn, Westdeutscher Verlag, Opladen 1983.
  • Politik als Wissenschaft. Ein Überblick, 2. völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitwirkung von Wolf-Dieter Narr, Westdeutscher Verlag, Opladen 1986. Serbokroatische Ausgabe: Politika kao znanost, Jedan pregled, Biblioteka Politika Misao, Informator Verlag (Uvodna studija Jovan Mirić), Zagreb 1989.
  • Die Demokratie der Westdeutschen. Geschichte und politisches Klima einer Republik, C. H. Beck (BsR-Taschenbuch), München 1988.
  • (mit Johan Galtung, Dieter S. Lutz): Überleben durch Partnerschaft. Gedanken über eine friedliche Welt. Leske + Budrich, Opladen 1990.
  • (Hrsg. mit Björn Engholm): Ethik und Politik heute. Verantwortliches Handeln in der technisch-industriellen Welt, Leske + Budrich, Opladen 1990.
  • Eliten und das Ethos der Demokratie, C. H. Beck (BsR-Taschenbuch), München 1991.
  • Die politischen Systeme der Welt, C. H. Beck (BsR-Wissen), München 1999; 6., aktualisierte Auflage, München 2017. Spanische Ausgabe: Los sistemas políticos del mundo, Alianza Editorial, Madrid 2001.
  • Herrschaft und Emanzipation. Prolegomena einer kritischen Politikwissenschaft, Duncker & Humblot, Berlin 2001.
  • Die USA und der Rest der Welt. Ein kritischer Essay, Verlag LIT, Berlin/München 2002.
  • Die Macht der Religionen Glaubenskonflikte in der Weltpolitik, Verlag C.H. Beck (BsR-Taschenbuch), München 2004; 2., völlig neu bearbeitete Auflage: Die Macht der Religionen. Im Spannungsfeld der Weltpolitik, München 2006. Koreanische Ausgabe: ByBooks, Seoul 2007.
  • Rückkehr der Kulturen. Die neuen Mächte in der Weltpolitik, Nomos Verlag, Baden-Baden 2010.
  • Politische Theorien zur bürgerlichen Gesellschaft. Von Hobbes bis Horkheimer, Springer VS, Wiesbaden 2013.
  • Die Politisierung des Islam. Islamismus und Dschihadismus, Springer VS, Wiesbaden 2015.
  • Fronten des Dschihadismus. Der islamische Staat, al-Qaida und der Syrien-Konflikt. Verlag LIT, Berlin/Münster 2016.
  • Konflikte des Glaubens. Judentum – Christentum – Islam, Verlag LIT, Berlin/Münster 2017.
  • Karl Marx und seine Staatstheorie. Zum 200. Geburtstag des Philosophen, Springer VS, Wiesbaden 2018.
  • Macht und Herrschaft. Die politische Klasse, Eliten und die Autokraten, Verlag LIT, Berlin/Münster 2019.
  • Theorien der Herrschaft. Politische Denker von Machiavelli bis Adorno. Verlag LIT, Berlin/Münster 2020.

Festschriften für Röhrich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Demokratie überdenken, hrsg. von Carsten Schlüter-Knauer, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1997 (u. a. mit Beiträgen von Ulrich Beck, Klaus von Beyme, Lars Clausen, Björn Engholm, Iring Fetscher, Wolfgang Kersting, Wolf-Dieter Narr und Peter von Oertzen).
  • Globalisierung und nationale Souveränität, hrsg. von Dieter S. Lutz, Nomos Verlag, Baden-Baden 2000 (u. a. mit Beiträgen von Wilfried Freiherr von Bredow, Hans-Peter Dürr, Horst Fischer, Knut Ipsen, Beate Kohler-Koch, Bassam Tibi, Norbert Walter und Michael Wolffsohn).
  • Politik als Wissenschaft, hrsg.von Michael Take, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006 (u. a. mit Beiträgen von Hans-Herbert von Arnim, Egon Bahr, Johan Galtung, Martin Kriele, Claus Leggewie, Anton Pelinka, Dieter Senghaas und Karl Georg Zinn).

Weitere Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Katia H. Backhaus: Zwei Professoren, zwei Ansätze. Die Kieler Politikwissenschaft auf dem Weg zum Pluralismus (1971–1998). In: Wilhelm Knelangen, Tine Stein (Hg.): Kontinuität und Kontroverse. Die Geschichte der Politikwissenschaft an der Universität Kiel. Klartext Verlag, Essen 2013, S. 427–474, ISBN 978-3-8375-0763-8

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl.: Carsten Schlüter-Knauer: Das Wort davor, S. 5, in: ders. (Hrsg.): Die Demokratie überdenken. Festschrift für Wilfried Röhrich, Berlin 1997,
  2. Vgl.: Carsten Schlüter-Knauer: Das Wort davor, S. 5.
  3. Vgl. Katia Backhaus, Zwei Professoren, zwei Ansätze. Die Kieler Politikwissenschaft auf dem Weg zum Pluralismus (1971–1998). In: Wilhelm Knelangen und Tine Stein (Hrsg.), Kontinuität und Kontroverse. Die Geschichte der Politikwissenschaft an der Universität Kiel. Essen 2013, S. 427–474, hier S. 450.
  4. Vgl.: Carsten Schlüter-Knauer: Das Wort davor, S. 6 f.
  5. Vgl.: Carsten Schlüter-Knauer: Das Wort davor, S. 6.