Wilhelm Grunwald

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Wilhelm Grunwald (* 15. Juli 1909 in Bad Rastenberg; † 7. Juni 1989) war ein deutscher Mathematiker und Bibliotheksdirektor.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grunwald studierte Mathematik bei Helmut Hasse an der Universität Halle und folgte ihm 1930 an die Philipps-Universität Marburg, wo er 1932 bei Hasse promoviert wurde (Charakterisierung des Normenrestsymbols durch die -Stetigkeit, den vorderen Zerlegungssatz und die Produktformel)[1].

Er ist durch den Satz von Grunwald-Wang bekannt, der eine Lücke im Beweis des Hauptsatzes von Brauer-Hasse-Noether in der Algebrentheorie schloss[2]. Er besagt (in der korrigierten Version, siehe unten), dass ein Element x eines algebraischen Zahlkörpers K eine n-te Potenz in K ist, falls es eine n-te Potenz in den zugehörigen lokalen Körpern für fast alle Primideale von K ist. Der Satz ist ein Beispiel für Hasses Lokal-Global-Prinzip.

Der Satz selbst konnte mit Methoden aus Grunwalds Dissertation bewiesen werden, wie Hasse erkannte, der Grunwald brieflich dazu anregte.[3] Grunwald veröffentlichte den Beweis, der ausführlich von der Klassenkörpertheorie Gebrauch machte, 1933 und ein vereinfachter Beweis wurde 1942 von George Whaples gegeben[4]. 1948 fand ein Schüler von Emil Artin in Princeton, Shianghao Wang (1915–1993)[5], eine Lücke im Beweis von Grunwald (genauer in einem Lemma aus der Dissertation von Grunwald, den dieser für den Beweis benutzte)[6]. Der Satz von Grunwald war zwar in den meisten Fällen richtig, es gab aber Ausnahmefälle (wenn n durch 8 teilbar war), die von Helmut Hasse[7] (nachdem dieser davon erfahren hatte) und Wang (Dissertation 1950)[8] beschrieben wurden. Wangs Gegenbeispiel sorgte damals im Artin-Seminar zur Klassenkörpertheorie in Princeton für ziemliche Aufregung, wie sich John T. Tate erinnert[9], da scheinbar ein zentraler Satz der algebraischen Zahlentheorie und Algebrentheorie betroffen war, der Hauptsatz von Hasse-Brauer-Noether. Es stellte sich dann aber heraus, dass dem nicht so war, da zum Beweis des Satzes eine schwächere Version des Satzes von Grunwald benutzt wurde.

Nach seiner Promotion war Grunwald kurz in der Kaliindustrie und als Assistent am Mathematischen Seminar der Universität Rostock tätig. 1932 wandte er sich einer Karriere als wissenschaftlicher Bibliothekar zu. Nach dem Bibliotheksreferendariat an der Universitätsbibliothek Halle und der Preußischen Staatsbibliothek (Berlin) war er zunächst von 1934 bis 1938 als Bibliotheksassessor an den Universitätsbibliotheken in Halle und Kiel tätig. Von 1938 bis 1950 war er an der Universitätsbibliothek Göttingen. Anschließend ging er als Direktor an die Bibliothek der Technischen Hochschule Hannover und wurde 1957 zum Gründungsdirektor der Technischen Informationsbibliothek.[10][11] Von 1963 bis 1974 war er Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Sein Nachlass wird vom Zentralarchiv deutscher Mathematiker-Nachlässe an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen aufbewahrt.

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Charakterisierung des Normenrestsymbols durch die p-Stetigkeit, den vorderen Zerlegungssatz und die Produktformel, Marburg, Univ., Diss. In: Mathematische Annalen, Bd. 107, 1932, S. 145–164.
  • Die Bibliothek der Technischen Hochschule Hannover. In: Nachrichtenblatt für technisch-wissenschaftliche Vereine, Bd. 3, 1952, Heft 3.
  • Der Spezialbibliothekar: Aufgaben, Auswahl, Ausbildungsvorschläge. In: Bibliothek, Bibliothekar, Bibliothekswissenschaft: Festschrift Joris Vorstius, Leipzig: Harrassowitz 1954, S. 182–191.
  • Technische Hochschul-Bibliotheken. Vortrag auf dem Bibliothekartag in Düsseldorf am 3. Juni 1955. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 2, 1955, Heft 4, S. 257–279.
  • Aufgaben der TH-Bibliotheken im Bibliothekssystem ihrer Länder: Vortrag auf der Tagung der Internationalen Vereinigung der Bibliotheken Technischer Hochschulen (IATUL) in der Bibliothek der Technischen Hochschule, München, am 1. Sept. 1956, [Göteborg: Elander] [ca. 1956].
  • Die gegenwärtige Stellung, die Aufgaben, die Ausstattung und die Entwicklungstendenzen der technischen Hochschulbibliotheken: Vortrag auf der Tagung der Internat. Vereinigung der Bibliotheken Techn. Hochschulen (IATUL) in Fulda am 28. Mai 1958, [Göteborg: Elander] [1958].
  • Die Technische Informationsbibliothek – TIB, Hannover. In: Nachrichten für Dokumentation: nfd, Bd. 10, 1959, Heft 4, S. 180–184.
  • Die Auswertungsstelle (AST) für russische naturwissenschaftliche und technische Literatur bei der Technischen Informationsbibliothek in Hannover. In: Osteuropa, Bd. 4, 1960, Heft 2, S. 141–143.
  • Zur Sacherschliessung im Bereiche der Chemie. In: Aus der Welt des Bibliothekars: Festschrift für Rudolf Juchhoff zum 65. Geburtstag, Köln: Greven 1961 (Veröffentlichung des Bibliothekar-Lehrinstituts des Landes Nordrhein-Westfalen), S. 393–403.
  • zusammen mit Gisela von Busse, Otto Mach und Wolfgang Seuberlich: Berichte über eine Studienreise zu Bibliotheken in Moskau und Leningrad vom 8. bis 20. Mai 1961. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 9, 1962, Heft 2, S. 97–176.
  • Das Institut für Wissenschaftliche Information: (VINITI) – Vsesojǔznyj Institut naučnoj i techničeskoj informacii. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 9, 1962, Heft 2, S. 132–135.
  • Die Technische Informationsbibliothek – Ziele und derzeitiger Stand der Arbeiten. In: Bericht über die Tagung / Arbeitsgemeinschaft Technischer und Wirtschaftlicher Bibliotheken, Bd. 8, 1962, Heft S. 11–24.
  • Etatmodelle für wissenschaftliche Bibliotheken. In: Wieland Schmidt (Hg.): Fünfzehn Jahre Bibliotheksarbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1949–1964, Frankfurt a. M.: Klostermann 1966, S. 79–141.
  • Kooperation Universitätsbibliothek-Universität: Vortrag. In: Mitteilungsblatt / Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen, Bd. 17, 1967, Heft 3, S. 131–141.
  • Universalbibliotheken: Spezialbibliotheken. In: Bericht über die … Tagung / Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken, Bd. 11, 1967, S. 31–40.
  • Klassifikationstheorie: Vortrag, gehalten 1967. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 15, 1968, Heft 1, S. 17–34.
  • Die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. In: Georgia Augusta, 1968, Heft 9, S. 119–135.
  • Der Bibliothekar und seine Ausbildung. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 16, 1969, Heft 2, S. 154–169.
  • "Das Bibliothekswesen an den Universitäten und an der Technischen Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen": zu dem von Gerhart Lohse erstatteten Gutachten. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 19, 1972, Heft 6, S. 413–428.
  • Aufgaben und Ausbildung der Bibliothekare in wissenschaftlichen Bibliotheken (mit besonderer Berücksichtigung Niedersachsens). In: DFW: Dokumentation, Information, Bd. 20, 1971/72, Heft 2, S. 47–49.
  • Der Bibliotheksplan für Baden-Württemberg. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 20, 1973, Heft 6, S. 443–465.
  • Diskussion zu Oskar Mahrenholtz: ein Beitrag zur Ermittlung des Personalbedarfs wissenschaftlicher Bibliotheken. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 20, 1973, Heft 3, S. 151–189.
  • Zur Ermittlung des Personalbedarfs wissenschaftlicher Bibliotheken. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 20, 1973, Heft 3, S. 151–156.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Roquette: The Brauer Hasse Noether Theorem in Historical Perspective, Schriften der Mathem.-Naturwiss. Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Band 15, Springer Verlag 2005 (Abschnitt 5.3 The Grunwald Wang Story).
  • TH Hannover (Hg.): Catalogus Professorum. Der Lehrkörper der technischen Hochschule Hannover 1831–1856, Hannover: Technische Hochschule 1956, S. 235.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Grunwald Mathematische Annalen, Band 107, 1932, S. 145–164, Online
  2. Hauptsatz im Sinn der Originalarbeit von Brauer, Hasse, Noether Beweis eines Hauptsatzes in der Theorie der Algebren (J. Reine Angewandte Mathematik, Band 167, 1932, S. 399–404): Jede zentrale Divisionsalgebra über einem Körper K ist zyklisch. Der Begriff zyklische Algebra stammt von Leonard Dickson und bezeichnet eine spezifische Konstruktion in einer zyklischen Körpererweiterung von K. Heute wird unter dem Satz von Brauer-Hasse-Noether ein anderes Ergebnis der Arbeit verstanden, das aus dem Hauptsatz und einem Existenzsatz folgt, den später Grunwald bewies, nämlich die vollständige Charakterisierung von Divisionsalgebren über einem Zahlkörper durch lokale Invarianten (Hasse Invarianten).
  3. Grunwald Ein allgemeines Existenztheorem für algebraische Zahlkörper, Journal für Reine und Angewandte Mathematik, Band 169, 1933, S. 103–107, Online
  4. Whaples Non-analytic class field theory and Grunewalds Theorem, Duke Math. J., Band 9, 1942, S. 455–473
  5. Er kehrte nach seiner Promotion nach China zurück, wandte sich der Kontrolltheorie und Informatik zu und war seit 1952 Professor für Mathematik (und Vorstand der Fakultät) an der Jiling Universität. 1980/81 war er deren Vizepräsident. Er war Mitglied der Academia Sinica.
  6. Der auch den Beweis von Whaples betraf
  7. Hasse Zum Existenzsatz von Grunwald in der Klassenkörpertheorie, J. Reine Angewandte Math., Band 188, 1950, S. 40–64, Online
  8. Wang A counterexample to Grunwald´s theorem, Annals of Mathematics, Band 49, 1948, S. 1008–1009. Es folgte noch eine weitere Arbeit dazu On Grunwalds Theorem, Annals of Mathematics, Band 51, 1950, S. 471–484
  9. Zitiert in Roquette, siehe Literatur
  10. Alexandra Habermann, Peter Kittel: Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare. Die wissenschaftlichen Bibliothekare der Bundesrepublik Deutschland (1981-2002) und der Deutschen Demokratischen Republik (1948-1990). Klostermann, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-465-03343-4, S. 58–59.
  11. Grunwald, Wilhelm: Die Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover. In: Nachrichten für Dokumentation. Band 10, Nr. 4, S. 180–184.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]