Wiltraut Rupp-von Brünneck

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Emmi Agathe Karola Margarete Wiltraut Rupp-von Brünneck (* 7. August 1912 in Lankwitz; † 18. August 1977 in Münsingen-Apfelstetten) war Richterin des Bundesverfassungsgerichts.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiltraut von Brünneck stammte aus einer uradeligen Familie, die in Westpreußen und Brandenburg lebte. Zu ihren Vorfahren gehörten ein Staatsminister, Gutsbesitzer und mehrere Juristen.[1] Auch ihr Vater Werner von Brünneck (* 1875; † 1914) war Jurist im preußischen Justizministerium, starb als Oberleutnant d. R. Die Mutter Margarete von Schmidt (* 1879; † 1946) heiratete nochmals, 1918, den Generalmajor Hans Schede, und war die Tochter des Kammergerichtspräsidenten und Kronsyndikus Dr. jur. August von Schmidt und der Bertha Büttner. Sie wuchs mit ihrer Schwester Helga und dem Bruder Götz also in einem deutschnational geprägten Umfeld auf. Zwar stand die Familie der Weimarer Republik kritisch gegenüber, doch gehörte sie auch nicht zu den Anhängern der Nationalsozialisten, gegen die sie vor allem wegen deren „proletarischen Habitus“ Vorbehalte hegte.[2] Wiltraut von Brünneck legte 1931 das Abitur im Berliner Stadtteil Lankwitz ab.[3]

Beruflicher Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach ihrem Studium der Rechte an den Universitäten Berlin, Königsberg, Göttingen und Heidelberg legte sie 1939 die erste Staatsprüfung ab. 1941 schloss sie ihr Jurastudium als Jahrgangsbeste ab.[2]

Sie wurde dann zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und war von 1939 bis 1941 als Wehrmachthelferin in der Flugabwehr tätig. In der NS-Zeit war sie nie Mitglied der NSDAP[2], jedoch Mitglied in der NS-Frauenschaft. Sie verfasste programmatische Aufsätze in nationalsozialistischen Zeitschriften („Die Aufgaben der Frau im Recht“, „Die Industriearbeiterin im Recht“) und erörterte die Stellung der Frau als „Rechtswahrerin“ in der „Volksgemeinschaft“. Sie lobte die „Wirklichkeitsnähe“ der nationalsozialistischen Ideologie, die dem „Wesen“ der Frau entspreche. Nach einer Tätigkeit als Assistentin bei Wolfgang Siebert an der Friedrich-Wilhelms-Universität (die spätere Humboldt-Universität) in Berlin wechselte sie 1943 als Regierungsrätin an das Reichsjustizministerium und übernahm eine Referentenstelle.[4][5] Dort war sie in der Grundbuchabteilung eingesetzt und dort an der sogenannten „Arisierung“ jüdischer Grundstücke beteiligt: Sie löschte Lasten und trug damit zur scheinbaren Legalisierung der Vorgänge bei.[2]

In der Nachkriegszeit war von Brünneck Richterin am Amtsgericht Sangerhausen und später am Landgericht Merseburg. 1947 berief der sozialdemokratische hessische Justizminister Georg-August Zinn von Brünneck in das Justizministerium. Sie nahm durch die Zusammenarbeit mit Elisabeth Selbert im Hintergrund des Parlamentarischen Rats auf die Formulierung von Artikel 117 Grundgesetz Einfluss, der für die Umsetzung der Gleichberechtigung als spätesten Termin den 31. März 1953 festsetzte.[2]

1953 wurde die Juristin zur Ministerialrätin befördert. 1959 arbeitete sie an einer Verfassungsbeschwerde gegen die Vorrechte des Mannes in der Erziehung mit. Damit erzielte sie einen besonderen Erfolg. 1963 wechselte von Brünneck in die Hessische Staatskanzlei.

Im gleichen Jahr wurde die Ministerialdirigentin vom Bundesrat zur Richterin des Bundesverfassungsgerichts gewählt, dessen Erstem Senat sie als Nachfolgerin der Richterin Erna Scheffler vom 1. September 1963 bis zu ihrem Tode angehörte. Erna Scheffler hatte 1959 die Entscheidung gegen die Vorrechte des Mannes in der Erziehung mit gefällt.

In Karlsruhe lernte sie bei einem Festessen Hans Georg Rupp kennen, der ebenfalls Richter am Bundesverfassungsgericht war, jedoch im Zweiten Senat. 1965 heiratete sie ihn. Es handelte sich um die erste Eheschließung innerhalb der Richterschaft des Bundesverfassungsgerichts. Georg-August Zinn war Trauzeuge.[2] Rupp-von Brünneck war Mitglied des Deutschen Juristinnenbundes.

Die Juristin starb 1977 nach längerer, 1976 diagnostizierter, "Kahlerscher Krankheit" (Multiples Myelom)[6]:S. 424, als sie noch im Amt war.

Ihre Nachfolgerin wurde 1977 die Richterin Gisela Niemeyer.

Entscheidungen und Sondervoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Juristin erwarb sich den Ruf einer Demokratin, die sich für die soziale Frage und für Gleichberechtigung einsetzte.[2]

So war sie maßgeblich daran beteiligt, dass gleiche rechtliche Bedingungen für eheliche und uneheliche Kinder geschaffen wurden. Zwar forderte bereits das Grundgesetz vom Gesetzgeber die Umsetzung dieses Grundsatzes, doch die entsprechenden Gesetze ließen auf sich warten. Auf Rupp-von Brünneck geht ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 1969 zurück, der die Legislative unter Zugzwang brachte. Daraufhin beschloss der Bundestag vier Monate später entsprechende Regelungen.[2]

Rupp-von Brünneck wich bei Entscheidungen einige Male von der Senatsmehrheit ab und verfasste zusammen mit anderen Richtern oder alleine Sondervoten.[7]

Am 26. April 1974 entschied sich der Bundestag mit knapper Mehrheit für die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch. Diese wurde jedoch am 25. Februar 1975 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt,[8] nachdem die CDU geklagt hatte. Gemeinsam mit Helmut Simon formulierte Rupp-von Brüneck damals eine abweichende Meinung. Dieses Minderheitenvotum wurde von den konservativen Richtern im Senat als Affront empfunden; Richter Werner Böhmer verließ den Saal, bevor Rupp-von Brünneck ihr Statement vortrug. Die Frankfurter Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen jedoch nannte das Sondervotum einen „Beweis von Klugheit, Vernunft und Menschlichkeit“ und gab damit eine breite öffentliche Meinung wieder.[1]

Zitate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Sie gehören zu den – wenigen – Juristen, die die Aufgabe des Rechts (und der Juristen) nicht nur darin sehen, den Mächtigen zu dienen, sondern auch und vor allem die Schwachen zu schützen. Die Unbedingtheit und der Kampfgeist, mit denen Sie für das richtig und notwendig Erkannte einstanden, und die Frische und Herzlichkeit des Wesens, die sich mit alledem verbindet, gehören zu den nachhaltigsten Eindrücken und zu dem großen Gewinn, die mir der Eintritt in das neue Amt gebracht hat.“

Konrad Hesse, Gratulation zum 65. Geburtstag[9]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Verfassung des Landes Hessen, 1954.
  • Die Grundrechte im juristischen Alltag, 1970.
  • Verfassung und Verantwortung, gesammelte Schriften; erschienen postum 1983, ISBN 978-3-7890-0856-6

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Wolfgang Janisch: Auf dornigen Pfaden von der Diktatur in die Demokratie. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 89. München 19. April 2020, S. 13.
  2. a b c d e f g h Wolfgang Janisch: Auf dornigen Pfaden von der Diktatur in die Demokratie. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 89, 19. April 2022, Seite 13.
  3. Wiltraut Rupp-von Brünneck. In: Stadt Karlsruhe. 2015, abgerufen am 13. August 2020.
  4. Fabian Michl, Rote Roben, weiße Westen? Die nationalsozialistische Vergangenheit von Richtern des Bundesverfassungsgerichts, In: FAZ vom 13. August 2020
  5. Klaus Wiegrefe: (S+) Starjuristin und Frauenrechtlerin: Die Nazi-Vergangenheit der Verfassungsrichterin Wiltraut Rupp-von Brünneck (S+). In: Der Spiegel. 8. April 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 9. April 2022]).
  6. Fabian Michl: Wiltraut Rupp-von Brünneck (1912–1977). Juristin, Spitzenbeamtin, Verfassungsrichterin. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2022
  7. siehe u. a. BVerfGE 30, 173, 218 ff. - Mephisto; BVerfGE 39, 1 - Schwangerschaftsabbruch; BVerfGE 42, 143, 154 ff. - Grenzen verfassungsgerichtlicher Nachprüfung von Entscheidungen der Fachgerichte.
  8. Urteil des Bundesverfassungerichtes vom 25.02.1975, Aktenzeichen: 1 BvF 1/74 servat.unibe.ch/. Abgerufen am 3. Dezember 2017.
  9. zitiert nach Michl: Wiltraut Rupp-von Brünneck (1912-1977). Juristin, Spitzenbeamtin, Verfassungsrichterin, S. 430

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]