Schmerzunempfindlichkeit

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Schmerzunempfindlichkeit (auch Analgesie oder Analgie; von altgriechisch ἄλγος álgos ‚Schmerz‘, mit verneinendem Alpha privativum ‚kein Schmerz‘, ‚Schmerzlosigkeit‘) wird in der Medizin durch Ausschalten der Schmerzempfindung herbeigeführt oder ist ein krankhaftes Fehlen von Schmerzen. Die Schmerzausschaltung geschieht im Sinne einer Schmerztherapie durch Verringerung oder Unterbrechung der Erregungsleitung oder durch Gabe von Medikamenten (Analgetika und Sedativa), zusammen in der Analgosedierung. Der Begriff Analgesie wird teilweise synonym zur Anästhesie verwendet. Während bei dieser jedoch sämtliche Empfindungen ausgeschaltet werden, bleibt beispielsweise die Berührungsempfindlichkeit unter Analgesie erhalten.

Schmerztherapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Schmerzausschaltung kann durch pharmakologische, anästhesiologische oder physikalische Verfahren erfolgen. Pharmakologisch werden verschiedene Analgetika, vor allem Nichtsteroidale Antirheumatika – auch als NSAID (englisch non-steroidal anti-inflammatory drugs) bezeichnet – und Analgetika vom Morphintyp (Opioide) eingesetzt. Anästhesieverfahren dienen der Akutschmerztherapie innerhalb eines begrenzten Zeitraums und können sowohl als Allgemein- oder Lokalanästhesie erfolgen. Physikalische sind unter anderem lokale Kälteanwendung,[1] Krankengymnastik Bewegungstherapie und Massage.[2] Auch durch elektrische Stimulation oder Akupunktur lassen sich Schmerzen reduzieren.

Die Psychotherapie kann in einigen Fällen zu einer deutlichen Verringerung der Schmerzen führen. Auch durch Hypnose, Suggestion, autogenes Training kann eine Analgesie herbeigeführt werden (z. B. während einer Zahn-OP oder geburtsbegleitend).

Im Extremfall kann eine neurochirurgische Behandlung die Nerven durchtrennen und so die Schmerzen beenden.

Formen der Analgesie mit Krankheitswert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der medizinisch herbeigeführten Analgesie gibt es auch krankhafte Formen der Schmerzunempfindlichkeit. Sie können sowohl durch Verletzungen (Nervenverletzungen, Querschnittlähmung) als auch von einem angeborenen Defekt verursacht werden.

Kongenitale Analgesie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mutationen am SCN9A-Gen, das einen Natriumkanal codiert, können zu angeborener völliger Schmerzunempfindlichkeit mit Krankheitswert führen. Etwa 30 betroffene Personen wurden bisher bekannt. Bei dieser angeborenen Schmerzunempfindlichkeit fügen sich die Betroffenen von Geburt an häufig selbst schwere Schäden zu, da die warnende Wirkung des Schmerzes entfällt.[3][4]

Auch eine Mutation am SCN11A-Gen führt zu einer angeborenen völligen Schmerzfreiheit, da diese Mutation zu einer Überfunktion eines Natriumkanals in der Hülle vom Rückenmark und damit an der Schaltstelle für die Weiterleitung von Schmerzsignalen an im Gehirn befindlichen Nervenzellen führt. Entgegen den Erwartungen der Wissenschaftler führt hierbei die Überfunktion des Kanals nicht zu einer erhöhten Schmerzwahrnehmung, sondern zu einer Überlastung der betroffenen Zellen, die sich aus diesem Grunde nicht mehr regenerieren können und folglich in ihrer Funktion gelähmt werden.[5]

CIPA-Syndrom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine weitere Ursache für eine Analgesie mit Krankheitswert kann auch das CIPA-Syndrom sein, das nicht nur eine Störung des Schmerz-, sondern auch des Temperatursinns ist, sowie eine fehlende Schweißsekretion Anhidrose.[6]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 17 f.
  2. Arnd Krüger: Geschichte der Bewegungstherapie. In: Präventivmedizin. Loseblattsammlung. Springer, Heidelberg 1999, 07.06, S. 1–22.
  3. J. P. Drenth, S. G. Waxman: Mutations in sodium-channel gene SCN9A cause a spectrum of human genetic pain disorders. In: J. Clin. Invest. 117. Jahrgang, Nr. 12, Dezember 2007, S. 3603–3609, PMID 18060017, PMC 2096434 (freier Volltext).
  4. Vivienne Baillie Gerritsen: Silent pain. In: Protein Spotlight, Februar 2009, Nr. 102; ISSN 1424-4721.
  5. Enrico Leipold, Lutz Liebmann u. a.: A de novo gain-of-function mutation in SCN11A causes loss of pain perception. In: Nature Genetics. 45, 2013, S. 1399, doi:10.1038/ng.2767.
  6. J. J. Cox, F. Reimann, A. K. Nicholas et al.: An SCN9A channelopathy causes congenital inability to experience pain. In: Nature. 444. Jahrgang, Nr. 7121, Dezember 2006, S. 894–898, doi:10.1038/nature05413, PMID 17167479.