Zernez

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zernez
Wappen von Zernez
Wappen von Zernez
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Graubünden Graubünden (GR)
Region: Engiadina Bassa/Val Müstair
BFS-Nr.: 3746i1f3f4
Postleitzahl: 7530 Zernez
7542 Susch
7543 Lavin
Koordinaten: 803507 / 175539Koordinaten: 46° 42′ 0″ N, 10° 6′ 0″ O; CH1903: 803507 / 175539
Höhe: 1474 m ü. M.
Höhenbereich: 1355–3408 m ü. M.[1]
Fläche: 344,04 km²[2]
Einwohner: 1532 (31. Dezember 2022)[3]
Einwohnerdichte: 4 Einw. pro km²
Ausländeranteil:
(Einwohner ohne
Schweizer Bürgerrecht)
20,0 %
(31. Dezember 2022)[4]
Website: www.zernez.ch

Lage der Gemeinde
Karte von ZernezHaiderseeLago di CancanoLago di LivignoLago die S. Giacomo-di FraéleReschenseeStausee KopsSilvretta-StauseeSt. MoritzerseeItalienÖsterreichRegion AlbulaRegion MalojaRegion PlessurRegion Prättigau/DavosSamnaunScuolTaraspVal MüstairValsotZernez
Karte von Zernez
{w

Zernez ([tsərˈnɛts]/?) ist eine politische Gemeinde und ein Dorf in der Region Engiadina Bassa/Val Müstair des Schweizer Kantons Graubünden.

Zum 1. Januar 2015 fusionierte die bisherige Gemeinde Zernez mit den bis dahin selbständigen Gemeinden Lavin und Susch und Brail. Die neue Gemeinde heisst ebenfalls Zernez.

Wappen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Fusion erhielt die Gesamtgemeinde ein neues Wappen, in dem die Hauptelemente der drei ehemaligen Gemeindewappen enthalten sind. Das alte Wappen behielt die Gültigkeit als Wappen für das Dorf Zernez.

Gemeindewappen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blasonierung: Geteilt, oben gespalten: im ersten Feld in Silber die obere rechte Vierung von Schwarz und Silber schräglinks geteilt, die obere linke Vierung von Schwarz und Silber schrägrechts geteilt darunter ein aufrechter schwarzer rotgezungter und gezierter Steinbock; im zweiten Feld in Silber auf grünem Dreiberg drei gezinnte schwarze Türme; im dritten Feld in Silber ein aufrechter, rot bewehrter schwarzer Bär, eine bewurzelte grüne Tanne tragend.

Dorfwappen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blasonierung: In Silber (Weiss) ein aufrechter, rot bewehrter schwarzer Bär, eine bewurzelte grüne Tanne tragend

Das Wappen erinnert an die vielen Bärengeschichten aus den Wäldern der Gemeinde. Gleichzeitig verweist es auch auf die Familie Planta, die für die Gemeinde von grosser Bedeutung war und eine Bärentatze im Wappen führte.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Dorf Zernez liegt auf einer Höhe von 1474 m im weiten Talboden des Engadin am Zusammenfluss von Inn und Spöl und hat rund 1600 mehrheitlich Rätoromanisch sprechende Einwohner. Der Ort ist wichtigster Ausgangspunkt für Wanderungen in den Schweizerischen Nationalpark; ein beliebtes Ziel ist zum Beispiel die Wanderhütte Chamanna Cluozza.

Zum Gemeindegebiet gehört neben dem Dorf Zernez mit der Fraktion Brail und dem Weiler Carolina seit Anfang 2015 auch das Gebiet der ehemaligen Gemeinden Lavin und Susch. Es grenzt sowohl an Italien als auch an Österreich.

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bevölkerungsentwicklung
Jahr 1835 1850 1900 1910 1950 1980 1990 2000[5] 2020
Einwohner 634 603 596 1075 (Bahnbau) 739 920 869 959 1506

Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1880 gaben 84 %, 1900 79 % und 1941 78 % der Bürger Romanisch (in der Variante des Vallader) als Muttersprache an. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ging der Anteil des Romanischen zwar weiter zurück, doch ist dieses nach wie vor Mehrheitssprache. 1990 gaben 81 % und im Jahr 2000 80 % Romanischkenntnisse an. Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zeigt folgende Tabelle (gültig für den Ortsteil Zernez, ohne Lavin und Susch):

Sprachen in Zernez
Sprachen Volkszählung 1980 Volkszählung 1990 Volkszählung 2000
Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl Anteil
Deutsch 207 22,50 % 243 27,96 % 300 31,28 %
Rätoromanisch 645 70,11 % 571 65,71 % 586 61,11 %
Italienisch 56 6,09 % 41 4,72 % 42 4,38 %
Einwohner 920 100 % 869 100 % 959 100 %

Religionen und Konfessionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Zernez wurde im Jahr 1553 die Reformation eingeführt.

Herkunft und Nationalität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von den 1044 Bewohnern waren 922 (= 88 %) Schweizer Staatsangehörige (Stand: Ende 2005).

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mobilmachung einer Kompanie im Frühling 1915 in Zernez zur Besetzung der Grenze zu Italien und Österreich.
Österreich-Ungarn erklärte am 23. Mai 1915 Italien den Krieg. Bis zum Ende der Kampfhandlungen konzentrierte die Schweiz Truppen im Unterengadin und im Münstertal. In der Mitte des Bilds steht die 1609 von Rudolf von Planta gestiftete Pfarrkirche, rechts das ehemalige Schloss der Familie von Planta-Wildenberg, das seit 1956 als Gemeindehaus dient.[6]

Zernez war schon in prähistorischer Zeit Siedlungsplatz, was eisenzeitliche Funde auf Muottas und Muottas da Clüs sowie bronzezeitliche Siedlungsreste in der Balm Ils cuvels bei Ova Spin zeigen. Auf dem Kirchhügel wurde 1968 und 1971 eine römische Siedlung mit Pferdewechselstation ausgegraben.[6]

1131 wurde der Ort als Gumpo de Ernece, 1161–1164 als Zarnetz (beide Belege in einer Kopie von 1365) urkundlich erwähnt. Im 12. und 13. Jahrhundert erfolgten intensive Rodungen. Besitzungen der Herren von Tarasp und der Herren von Frickingen sind im 12. Jahrhundert, zahlreiche Höfe der Herren von Wildenberg im 13. Jahrhundert fassbar. Diese gingen an den Bischof von Chur und im 14. Jahrhundert an die Planta von Zuoz. Der Turm des Schlosses Wildenberg, der Turm der Familie von Mohr sowie mehrere in Bauernhäuser integrierte Wohntürme stammen aus dem Mittelalter. 1365 kam es in Zernez zu einem ersten Treffen im Vorfeld der Gründung des Gotteshausbundes von 1367.

1499 und 1622 wurde das Dorf zerstört. Der Reformation trat Zernez nach vorangegangenem Bildersturm 1553 bei. 1609 stiftete Rudolf von Planta die frühbarocke Pfarrkirche. Die Planta-Wildenberg dominierten bis ins 19. Jahrhundert die Politik von Zernez und des Unterengadins. 1652 kaufte sich Zernez wie das übrige Tal von Österreich los und gehörte bis 1851 zur Gerichtsgemeinde Obtasna.[6]

Zernez 1925 Richtung Süden, Aufnahme von Walter Mittelholzer

Der Wiederaufbau nach dem Dorfbrand von 1872, der grosse Teile des Ortes zerstört hatte, erfolgte im italienischen Stil mit für das Engadin sonst untypischen Halbflachdächern. Im Gebiet Buffalora und Il Fuorn am Ofenpass wurde vom 14. bis ins 17. Jahrhundert (mit Unterbrüchen) Eisenerz gewonnen und verhüttet. Vom 15. bis Ende des 19. Jahrhundert wurden riesige Mengen Holz nach Hall im Tirol geflösst.[6] Während des Zweiten Weltkriegs wurden in der Umgebung von Zernez die Sperrstellen Ova Spin und Crastatscha erstellt.

Zernez, 2008, Richtung Norden

Zu allen Zeiten war Zernez ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt; seit 1913 führt die Linie Bever–Scuol der Rhätischen Bahn durch Zernez. Nach wie vor ist Zernez eine der waldreichsten Gemeinden der Schweiz. 68 Prozent der Fläche des 1914 gegründeten Schweizerischen Nationalparks liegen auf ihrem Gebiet. Das 1968 in Zernez eingerichtete Nationalparkzentrum (Museum) zog 2008 in einen Neubau; seit 2007 beherbergt das barocke Schloss Wildenberg die Parkverwaltung. Zernez ist ferner Sitz der Engadiner Kraftwerke. 1971 wurden das Pumpspeicherwerk mit Livignosee und Ausgleichsbecken Ova Spin eröffnet. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden Baugewerbe und Tourismus zu den wichtigsten Arbeitgebern.[6]

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Zernez liegt das aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammende Schloss Wildenberg. Im Ortsteil Runatsch steht eine frühbarocke Pfarrkirche von 1609 mit reichen Stuckverzierungen.

Kultur und Veranstaltungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Tradition der Übernamen der Engadiner Dörfer heissen die Zernezer ils magliachognas (deutsch «die Hundefresser»).

Seit 2011 findet Ende Juni / Anfang Juli in Zernez das Burning Mountain Festival statt. Seit 2017 findet alle zwei Jahre das Engadin Schlager- und Volksmusik Openair statt.

Seit 2006 findet jährlich Anfang Juli der Engadin Radmarathon statt, der Teil des Chiba Alpencups ist. Für gewöhnlich werden zwei Streckenvarianten angeboten, die kürzere führt den Ofenpass rauf und verläuft über den Munt-la-Schera-Tunnel führend zum Forcola di Livigno und zurück nach Zernez. Die längere Streckenvariante führt zusätzlich über den Füelapass- und Albulapass zurück zum Startort.

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bahnhof Zernez

Zernez liegt an der Bahnstrecke Bever–Scuol-Tarasp, über die Anschluss zur Albulabahn besteht. Eine Postauto-Linie verbindet Zernez mit Mals im italienischen Vinschgau. Durch den Ort verläuft ausserdem die Hauptstrasse 27.

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marcus Tatius Tatius Alpinus (um 1509–1562), Humanist, Übersetzer und Poet
  • Caspar Grass (1639–1721), reformierter Pfarrer, Theologe und Bibelübersetzer
  • Andrea Bezzola (1840–1897), Bundesrichter und Nationalratspräsident
  • Jon Guidon (1892–1966), Dichter
  • Andrea Schorta (1905–1990), Linguist, Gewinner Prix Charles Veillon und Bündner Kulturpreis
  • Rudolf Grass (1906–1982), Zernezer Dorffotograf
  • Robert F. Schloeth (1927–2012), Direktor des Schweizerischen Nationalparks, lebte 1958–1990 in Zernez
  • Jacques Guidon (1931–2021), Zeichner, Maler, Bildhauer, Schriftsteller und Theaterregisseur
  • Ursina Haller (* 1985), Snowboarderin

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Zernez – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Generalisierte Grenzen 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 7. September 2023.
  2. Generalisierte Grenzen 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 7. September 2023.
  3. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2022. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2022 zusammengefasst. Abruf am 5. September 2023
  4. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2022. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2022 zusammengefasst. Abruf am 5. September 2023
  5. Paul Eugen Grimm: Zernez. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 14. Dezember 2016.
  6. a b c d e Paul Eugen Grimm: Zernez. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
    Diese Abschnitte basieren weitgehend auf dem Eintrag im Historischen Lexikon der Schweiz (HLS), der gemäss den Nutzungshinweisen des HLS unter der Lizenz Creative Commons – Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0) steht.
  7. Chasa Bezzola (Foto) auf baukultur.gr.ch.
  8. Bahnhistorisches Ensemble am Bahnhof (Foto) auf baukultur.gr.ch.
  9. Ausweichstelle der RhB (Foto) auf baukultur.gr.ch.
  10. Morenturm (Foto) auf baukultur.gr.ch.
  11. Schloss Planta-Wildenberg (Foto) auf baukultur.gr.ch.
  12. Hotel Parc Naziunal Il Fuorn, Zernez auf der Plattform ETHorama