Gagat

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Gagat aus Holzmaden, Baden-Württemberg
Tonnenarmbänder aus Gagat und Bronze
Trauerschmuck aus Gagat

Gagat – auch Jett oder Pechkohle[1][2] genannt – ist durch Humus­gel oder Bitumen imprägniertes tiefschwarzes fossiles Holz, das sich in einem Übergangsstadium von der Braunkohle zur Steinkohle befindet. Bei Schmuck wird oft auch die Schreibweise Jet benutzt, auch wenn es im Duden nicht erwähnt wird.

Wortherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der deutsche Name Gagat (lateinisch Lapis gagatis[3] oder griechisch-lateinisch Γαγάτης Gagates[4][5]) leitet sich von einer kleinasiatischen Fundstelle in der Nähe des Flusses und der Stadt Gagas in Lykien (Türkei) ab.[2][5] Vermutlich beruht auch die englische und die französische Bezeichnung (jet bzw. jais) auf dieser Wortverwandtschaft. Er wird auch als Jet(t) oder Schwarzer Bernstein bezeichnet. Letztgenannte Bezeichnung geht auf die irrige, sich aber über einen langen Zeitraum hartnäckig haltende Annahme verschiedener Autoren früherer Jahrhunderte zurück, Gagat sei gleichen Ursprungs wie Bernstein.[6] Gleichermaßen irreführend ist die Bezeichnung Olti-Bernstein für Gagat aus der türkischen Provinz Erzurum. Weitere, teils veraltete Synonyme sind Gayet oder Jayet, Pechkohle, Schwarzstein, Agtstein, Ambranoir und Witwenstein[7] sowie Succinum nigrum und Gagatit.[8]

Entstehung und Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gagat wird oftmals als Sapropelit bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich bei Sapropeliten aber ganz allgemein um versteinerte Faulschlammsedimente, die sich in Flachgewässern gebildet haben, während Gagat das Ergebnis von unter Luftabschluss (im Faulschlamm) lithifiziertem Holz ist, das häufig von einer großen jurassischen Schuppentannenart (Araucaria) stammt. Die Dichte von Gagat beträgt 1,23 g/cm³ (bei Schloßmacher 1,33 g/cm³). Aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung (C,O,H,N) gehört er zu den Kohlegesteinen. Die Mohs’sche Härte des amorphen Materials liegt zwischen 2,5 und 4, sein Bruch ist muschelig, die Strichfarbe braun bis schwarz. Wie Bernstein lädt sich auch Gagat elektrostatisch auf, wenn er gerieben wird. Wegen seines samtartigen Fettglanzes, der durch Polieren noch gesteigert werden kann, wird Gagat, wie bereits in der späten Hallstattzeit,[9] auch als Schmuckstein verwendet.

Geschichte und Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wegen seines Glanzes und der leichten Schnitzbarkeit wurde Gagat schon in vorgeschichtlicher Zeit zu Schmuck verarbeitet, so etwa in der späten Hallstattzeit und frühen Latènezeit Süddeutschlands.[10] Auch die kleinen stilisierten Frauenfiguren des Magdalénien sind Schmuckanhänger. Am Petersfels wurden diese Venusstatuetten aus Gagat in großer Anzahl hergestellt. Erst 1990 hat man in der gleich alt datierten Fundstelle Monruz am Neuenburger See in der Schweiz fast identische Gagatfigürchen entdeckt.[11] Gagatgehänge (Dame von Monteloup) später auch mit Bernsteinschiebern sind bekannt. Die Römer stellten Schmuck, Spinngeräte (Spinnwirtel und Spinnrocken) sowie Amulette aus Gagat her. Ab dem Mittelalter fertigte man in Europa daraus Trauerschmuck und Rosenkränze.

Plinius der Ältere schrieb dem Gagat heilende Eigenschaften zu. So bewahre er vor dem bösen Blick, vertreibe Schlangen, heile Hysterie und Zahnschmerzen, besiege die Epilepsie und helfe bei der Feststellung der Jungfernschaft. In der Edelsteintherapie gilt Gagat als Trauerstein.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts, zur Blütezeit der Jett-Mode, als die Vorkommen seltener wurden, wurde auch Ebonit, ein Hartgummi, als Gagat-Ersatz verwendet. Das Hauptvorkommen lag zu dieser Zeit an der englischen Nordküste nahe der Hafenstadt Whitby. Weitere Vorkommen gibt es in der spanischen Region Asturien (Villaviciosa), Südfrankreich, Österreich (Gams bei Hieflau und im Reichraminger Hintergebirge – Am Sandl) und in Württemberg. Das Vorkommen bei Whitby ist geologisch dem Lias (Schwarzer Jura) zuzurechnen. An der nahen Steilküste wird noch heute Gagat gefunden. Jedoch lassen sich nicht alle Vorkommen dem Jura zuordnen (sh. z. B. Bechtel et al.).

Die spanischen Funde gingen zu einem großen Teil an die Zunft der Gagatschnitzer von Santiago de Compostela (Cofradía de los azabacheros de Santiago), die neben Schmuck und Devotionalien daraus Pilgerzeichen und Andenken in Form von Jakobsmuscheln oder der sogenannten Santiago-Fica, die als Abwehr gegen den bösen Blick galt,[12] herstellten. Die Konzentration der Gagatschnitzer um einen Platz an der Kathedrale von Santiago de Compostela ist bis heute in dessen Namen Plaza de Azabache oder Azabachería (Gagatplatz) erhalten.

Imitationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da Gagat dem seltenen Onyx ähnelt, wird er teilweise als Grundstoff für Imitationen desselben verwendet. Mittlerweile dienen jedoch vermehrt gefärbter Achat und Schörl als Imitatgrundlage für Onyx und auch für den Gagat, da dieser durch seine geringe Mohshärte von 2,5 bis 4 sehr anfällig für Beschädigungen (vor allem Kratzer) ist.

Verwechselt und imitiert werden kann Gagat auch mit Anthrazitkohle, Asphalt, Kännel- bzw. Sapropel­kohle sowie gefärbtem Glas, Hartgummi und Kunststoff.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wilhelmine Hagen: Kaiserzeitliche Gagatarbeiten aus dem rheinischen Germanien. In: Bonner Jahrbücher. Heft 142. Mainz 1937, DNB 570346231, S. 77–144.
  • Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. 13. Auflage. BLV, München 2002, ISBN 3-405-16332-3, S. 252.
  • Bernhard Bruder: Geschönte Steine. Neue Erde, Saarbrücken 1998, ISBN 3-89060-025-5, S. 67, 68.
  • Manfred Weller, Charles Wert: The Fossil Hydrocarbon Jet. In: Die Geowissenschaften. 11, 9, 1993, S. 319–325. doi:10.2312/geowissenschaften.1993.11.319
  • Bernhard Gruber: Der „schwarze Bernstein“ – Gagat. In: Oberösterreichische GEO-Nachrichten. Beiträge zur Geologie, Mineralogie und Paläontologie von OÖ. Jahrgang 14, 1999, S. 37–41 (zobodat.at [PDF; 5,8 MB]).
  • G. Moosleitner: Gagatisiertes Holz und seine Begleitmineralien aus dem Lias der Causses (Südfrankreich). In: Fossilien (Sonderheft). 2012, S. 16–21.
  • A. Bechtel, R. Gratzer, R.F. Sachsenhofer: Chemical characteristics of Upper Cretaceous (Turonian) jet of the Gosau Group of Gams/Hieflau (Styria, Austria). In: International Journal of Coal Geology 46, 2001, S. 27–49.
  • K. Schloßmacher: Edelsteine und Perlen. Stuttgart 1969.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gagat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Jett – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. JettDuden, Bibliographisches Institut; 2016.
  2. a b GagatDuden, Bibliographisches Institut; 2016.
  3. Wouter S. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. Hrsg. von Sophie J. van den Berg, N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 232.
  4. Vergleiche etwa Ute Obhof: Rezeptionszeugnisse des „Gart der Gesundheit“ von Johann Wonnecke in der Martinus-Bibliothek in Mainz – ein wegweisender Druck von Peter Schöffer. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 25–38, hier: S. 36 („Gagates – eyn steyn also genant“).
  5. a b Henry George Liddell, Robert Scott, Henry Stuart Jones: Γαγάτης. In: A Greek-English Lexicon. 1940 (englisch, altgriechisch, Digitalisat [Perseus Project]).
  6. Unter anderem T. Bartholin: Acta medica & philosophica hafniensia Anni 1673. Kopenhagen, 1675 (Digitalisat, Google Books).
  7. Jet. In: Das große Kunstlexikon von P. W. Hartmann. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. September 2015; abgerufen am 31. August 2015.
  8. H. U. Kasper: Der rumänische Bernstein. In: Bernstein – Tränen der Götter. Bochum 1996, ISBN 3-921533-57-0, S. 357–362.
  9. Hermann Müller-Karpe: Das späthallstattzeitliche Wagengrab von Oberleinach, Ldkr. Würzburg. In: Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts. Jahrgang 31, 1953; auch abgedruckt in: Christine Demel u. a.: Leinach. Geschichte – Sagen – Gegenwart. 1999, S. 40–43.
  10. Christine Demel u. a.: Leinach. Geschichte – Sagen – Gegenwart. Gemeinde Leinach, Leinach 1999, S. 44 und 54.
  11. Gerd Albrecht, Andrea Hahn: Rentierjäger im Brudertal. Die jungpaläolithischen Fundstellen um den Petersfels und das Städtische Museum Engen im Hegau (= Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg. Band 15). S. 82 (mit Foto).
  12. Fica. In: Das große Kunstlexikon von P. W. Hartmann. Abgerufen am 31. August 2015.