ADB:Henriette

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Artikel „Henriette, Herzogin von Württemberg“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 786–787, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Henriette&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 05:22 Uhr UTC)
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Henriette: Herzogin von Württemberg, geb. Prinzessin von Nassau-Weilburg, geb. den 22. April 1780 zu Kirchheim-Bolanden in der Pfalz, gest. den 2. Januar 1857 zu Kirchheim unter Teck. Ihre Eltern waren der Fürst Karl von Nassau-Weilburg und die Prinzessin Karoline von Oranien. Sie verlor frühe ihre Eltern, aber ihr ältester Bruder, Friedrich Wilhelm, der dem Vater in der Regierung folgte, nahm sich seiner Geschwister väterlich an. Er unterrichtete sie selber, besonders in der Geschichte, in welcher H., sowie in anderen Zweigen des Wissens, namentlich in der Naturgeschichte, gründlich bewandert war. Die französische Revolution vertrieb die fürstliche Familie von Kirchheim. Sie ließ sich in Baireuth nieder. Hier war es, wo der Herzog Ludwig von Württemberg um die Hand der schönen, geistvollen Prinzessin warb. Ihre Trauung erfolgte am 28. Januar 1797. Vier Prinzessinnen und ein Prinz waren die Frucht dieser Ehe. Durch ihre Kinder, die fein gebildet und religiös gesinnt waren, kam H. in den Kreis der ersten Fürstenhäuser Europas. Ihr Gemahl diente noch unter dem großen Fritz und brachte es zu dem Range eines Generalfeldmarschalls. Im J. 1811 wurde der herzoglichen Familie von König Friedrich Kirchheim unter Teck zum bleibenden Aufenthalte angewiesen. Schon nach sechs Jahren starb der Herzog und nun entwickelte die Herzogin H. als treue Mutter ihrer Kinder eine gesegnete Wirksamkeit. Alle ihre Kinder erhielten eine ausgezeichnete Bildung, so daß besonders die vier Töchter in glückliche Eheverhältnisse traten. War die Herzogin schon durch ihre Erziehung mit dem wahren Christenthum bekannt geworden, so ist ihr doch erst in ihrer Ehe und namentlich im Wittwenstande dasselbe innerlich näher gekommen. Was sie überhaupt einmal ergriffen hatte, das hielt sie fest. Kirchheim, dem sie vierzig Jahre angehörte, durfte den Segen ihres in Bekenntniß und That gleich ächten Christenthums in diesem Zeitraume reichlich erfahren. Männer, wie Albert Knapp, Dr. Barth und eine Reihe anderer christlicher Celebritäten standen in freundlicher Verbindung mit ihr. Aber auch geringe Leute, die es ehrlich meinten mit ihrem Christenthume, fanden Zugang in das Schloß. Obwol sie eine „Fürstin von [787] Außen und Innen war“, wie Knapp sie in einem Nachrufe bezeichnete, so liebte sie doch nicht das Ceremoniöse. Daher kam es, daß sie sich im Gottesdienste, den sie fleißig pflegte, mitten unter die übrigen Kirchgänger setzte. Um anderen, denen es an der nöthigen Kleidung fehlte, den Besuch der Kirche zu ermöglichen, ließ sie ihnen die Kleidung besorgen. Ueberhaupt ist sie eine wahre Armenmutter gewesen. Die größte Freude war für sie, zu lieben und geliebt zu werden. Die Briefe, die von ihr veröffentlicht sind, gewähren einen wohlthuenden Blick in dieses liebereiche Herz. Unter vielen hat dies besonders der Diasporaarbeiter der Brüdergemeine, Weiz mit seiner Familie erfahren. Der Briefwechsel der Herzogin mit demselben durch eine Reihe von Jahren ist neben dem, daß er Zeugniß von der geistigen Begabung der Fürstin ablegt, wirklich erbaulich. Was aber den Namen der Herzogin verewigt, sind die Anstalten der Wohlthätigkeit, die sie gestiftet hat. Als Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder gründete sie die nach ihrer Tochter, der Königin Pauline von Württemberg benannte Paulinenpflege. Senfkornartig begann sie dieselbe, wie dies ganz ihrem Sinne entsprach. Die Anstalt nahm aber so zu, daß im J. 1848 bereits 48 Kinder, ihre „lieben Kinder“, wie sie sie nannte, unter eigenen Hauseltern darin christliche Pflege fanden. In Kirchheim gründete sie das nach ihrem königl. Schwiegersohn benannte „Wilhelmshospital“. Sie übernahm den Vorsitz in dem Frauenverein, der sich zum Besten der Anstalt gebildet hatte. Die meisten Wohlthaten, die in dieses Haus flossen, kamen von ihr. Sie war es, die eine Kleinkinderschule für Kirchheim stiftete. Auch das Frauenstift daselbst zum Segen von Wittwen und unverheiratheten Frauenzimmern erfreute sich ihrer thätigen Theilnahme. Und was that sie nicht Alles für die äußere Mission. Sie verdient es daher mit Recht, neben die edlen Fürstinnen aller Zeiten gestellt zu werden. Der hohe Geist der Verewigten, ihr reiches Wissen, die vielseitige Lebenserfahrung und Lebensgewandtheit, die Weisheit, die Kernhaftigkeit ihrer elastischen Seele, die Zartheit und Kraft ihres Gemüths, die unendliche Liebe, mit welcher sie alle Glieder ihres erhabenen Hauses auf dem Herzen trug, ihre Selbstverläugnung und Selbstaufopferung, die Nichtachtung eigner Bequemlichkeit, die mildeste Behandlung der Fehler anderer bei den unerbittlichsten Anforderungen an sich selbst, das Herabsteigen aus erhabener Weltstellung zu den individuellsten Gefühlen und Bedürfnissen ihrer Diener und Anderer, denen Hülfe noth war, bis in die untersten Schichten der Gesellschaft, ihr Wohlthun durch Fülle der Gaben aber noch mehr durch die Art des Gebens ausgezeichnet, durch die liebevolle Berechnung, in welcher Weise am Zweckmäßigsten und dem Herzen des Empfängers willkommensten könne geholfen werden, „ihre Freude an der Freude Anderer“ zierten diese Fürstin, wie ein vertrauter Freund derselben sie schildert. Und dies Alles ruhte auf einem ächten Christenglauben, den sie durch Gebet und täglichen Umgang mit der H. Schrift zu stärken suchte.

Näheres über sie, besonders ihre köstlichen Briefe in: Die Herzogin Henriette von Würtemberg, geb. Prinzessin von Nassau-Weilburg. Ein Lebensbild aus der Gegenwart. – Aus dem Leben des Diasporaarbeiters Joh. Konrad Weiz. Gnadau. Beide Schriften von dem Unterzeichneten.