ADB:Johann I. (Erzbischof von Bremen)

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Artikel „Johannes I. (Erzbischof von Bremen)“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 181–183, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_I._(Erzbischof_von_Bremen)&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 23:18 Uhr UTC)
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Johannes I., Erzbischof von Bremen 1310-1316. restituirt am 27. März 1318, † am 30. Mai 1327, nach Kohlmann 1326. Dieser Däne Jens Grant (Grand), auch Jonas genannt, Sohn des Ritters Thorbern Hvid und der aus königlichem Geschlecht von Skialm Bang stammenden Cäcilia, hat als Erzbischof von Bremen 17 Jahre den Norden Deutschlands verwirrt, zeitweilig im Wahnsinn oder an Geistesabwesenheit grenzender Bosheit, obwol er Anfangs segensreich auftrat. Dabei ist er als hochgelehrt und rechtskundig gepriesen. Zum maßlosen Unglück der von ihm zerrütteten Lande trug freilich die vorgefundene Anarchie und der entsetzliche Nothstand bei, die nach dem Zeugniß der Lübecker Annalen (M. G. SS. XVI) 15 Jahre andauernde Hungersnoth in Norddeutschland. J. war schon 1283 Propst zu Roeskilde, 1289 wurde er Erzbischof von Lund, 1293 gab er dort treffliche Vorschriften wegen Anlegung von Nekrologien. Wegen Anstellungen von Geistlichen zerfiel er mit König Erich Menved und excommunicierte ihn; dafür 1294 eingekerkert, entsprang er am 14. December 1295, flüchtete nach Avignon und fand die Gunst Bonifaz’ VIII., während der König sein und seiner Anhänger Besitzthum verheerte. Dänemark traf dafür ein Interdict von sieben Jahren, dann erreichte Erich durch den Riepener Domherrn Martin, den späteren Rector der Universität Paris, einen Abkauf, worauf J. sich mit 40,000 Mark, einer damals enormen Summe, nach Paris zurückzog. Bonifaz gab (vor dem 3. Januar 1303) dem Erzbischof Isarnus Tacconi von Riga die fettere Pfründe von Lund und Benedict XI. verlieh im selben Jahre noch Riga an Jens, der die Providirung als zu gering ausschlug. Nach dem Tode des zum Erzbischof gewählten, aber nicht bestätigten Dompropstes, des Grafen Bernhard v. Wölpe, am 17. September 1310, gab Papst Clemens V. zu Poitiers Ende 1310 ihm das Bremer Erzbistum. Dort hatten sich seit 1307 zwei Gewalthaber aufgeworfen, Martin v. d. Hude zwischen Weser und Oste und Heinrich v. Borch, der das bischöfliche Schloß Vörde besetzt hielt, von der Oste zur Elbe. 1310 wurde gegen sie ein Bund aller umwohnenden Edlen, der Stadt Bremen und vieler Ritter geschlossen, die Urkunden ergeben, daß auch diese es auf eine Theilung abgesehen hatten, und daß beinahe ein neues Dynastengeschlecht aus den alten Vögten von Stade, die sich bald v. Brobergen, bald v. Stade nannten, erwachsen wäre. In diese Wirren trat J. im November 1310 höchst bescheiden herein, ohne Pomp erschien er im Cistercienserkloste Hude, von dort leitete ihn der Orden nach Bremen. Er fand freudige Aufnahme, jener Bund, der mit 200 Gewappneten vor Vörde lag, lieh ihm seine Macht, und er wurde noch im Winter des Stiftes und seiner Feinde Herr. Auch die verheerende spätere Auflehnung Heinrichs v. Borch warf er nieder (vgl. III S. 153); er schien ein Segen für das Bistum zu werden; am 23. November 1311 übertrug ihm der Papst das freilich überflüssig werdende Schiedsrichteramt zwischen dem Erzbischof von Riga und dem deutschen Orden; Anfang 1312 nahm er als mächtiger, dem Papste befreundeter Herr am Concil zu Vienne Theil. Nach seiner Rückkehr kam die verwüstende Fehde mit den Freunden Heinrichs v. Borch, [182] und es kam die Geldgier und die Geldnoth, endlich ein greisenhafter Eigensinn, dann Bitterkeit und Gehässigkeit. Das Volk nannte ihn nun Fursat, d. h. Feuersaat, den Namen hat er behalten. Schon 1310 forderte er ein allgemeines donum charitativum, 10 Procent aller Einkünfte der Geistlichkeit, auch aus den Suffraganbisthümern. Aus dem Bremischen erhielt er es, aber die alte Rivalität des Hamburger Domcapitels lebte auf, der Propst weigerte die Zahlung als ungesetzlich; ihm folgte die Stadt, die Bischöfe und Capitel von Lübeck, Ratzeburg und Schwerin. Die Edlen stieß er vor den Kopf durch Ernennung ihres alten Feindes Martin v. d. Hude zum Official, Vogt der Kirche und namentlich der wichtigen Burg Langenwedel, Streit mit dem Grafen v. Hoya und Delmenhorst folgte. Stadt und Domcapitel Bremen erhoben sich wegen Gefangensetzung angeblicher Tödtung eines Priesters durch den Erzbischof gegen ihn. Er flüchtete auf die Burg Langenwedel. Am 21. Juli 1314 schlossen die Bischöfe Burchard von Lübeck und Markwart von Ratzeburg und die Domcapitel von Bremen, Hamburg, Lübeck, Ratzeburg und Schwerin einen Bund gegen seine Übergriffe, besonders gegen die maßlosen Schatzungen, etwas später trat Bischof Gottfried von Schwerin hinzu. Es begannen endlose, kostspielige Processe bei der Curie; J. griff zum Bannstral, die vom Papst verordneten Richter, Bischof Nicolaus Ketelhot von Verden und der dortige Thesaurar erklärten, J. sei im Unrecht und hoben die Excommunication wieder auf. Alsbald schlossen die Siegreichen ein neues Bündniß. Am 1. November 1314 war Gottfried von Schwerin gestorben; die Weihe des wieder erwählten Hermann von Maltzan verzögerte J. absichtlich und ließ am 22. Mai 1315 durch Martin v. d. Hude erklären, er werde sie nicht vornehmen, ehe ihm 1000 Mark reinen Silbers (42,000 Mark) gezahlt seien. Auf die Zahlungsverweigerung folgte der Bann, dann wieder dessen Aufhebung. Das eigentliche Stift war während der Zeit fast wüst gelegt. Auch die Stadt Hamburg klagte beim Papste, während J. Hülfsmittel suchend in Hast durch das Stift zog, von Rüstringen nach Dithmarschen, von dort nach Ostfriesland, überall übel empfangen, zweimal gefangen gesetzt, in Norden von einem Weibe geprügelt; endlich blieb er im Kloster Wildeshausen auf der Lauer. Da erklärte am 19. Mai 1316 das Bremer Domcapitel, der Erzbischof sei verrückt geworden, und ernannte den Domscholaster Johann von Lüneburg, den ältesten Sohn Herzog Ottos des Strengen zum Coadjutor und Administrator das Stifts, bis der Papst anders entscheide. Johann XXII. sprach die Absetzung aus, sofort aber begab sich J. zur Curie mit Anklagen gegen seine Gegner, während der Coadjutor mit voller Herrschermacht auftrat; von einer kaiserlichen Mitwirkung ist in der ganzen Zeit nirgend die Rede. Johann von Lüneburg sehen wir 1317 bei einem Versuche zwischen Graf Gerhard zu Holstein und den Dithmarschen eine Sühne zu errichten, einen Priester Marcellus, der für den Erzbischof auftreten wollte, ließ er greifen und tödten. Inzwischen erklärte der Papst am 27. März 1318 J. für seiner Sinne völlig mächtig und setzte ihn wieder in das Erzbistum ein, während er freilich den Coadjutor wegen der Tödtung des Marcellus (nach späteren Quellen auf Fürsprache der Königin von Frankreich) freisprach. Der Erzbischof wagte sich aber nicht wieder ins Stift und ernannte den Ratzeburger Priester, dann Lübecker Domcantor Heinrich Dartsowe zu seinem Generalvicar, der freilich nur in den Suffraganbisthümern hauste und eine neue Fluth von Processen wachrief, 1320 abermals das Interdict über die Bischöfe von Schwerin und Lübeck (Heinrich Bochholt) verhängte und beide zum 18. Januar 1322 nach Avignon lud. Im Bremischen blieb der Coadjutor unbestrittender Herr. 1322 kam ein nicht völlig bekannter Ausgleich vor der Curie zu Stande, das Bremer Domcapitel allein mußte ihr 3000 Mark Kosten zahlen; durch diesen Vertrag wurden Bischof Nicolaus Ketelhot und der Kölner Domherr Dietrich von Xanthen als Administratoren eingesetzt, die mit dem [183] Schwert Ordnung schufen und 1325 einen Landfrieden abschlossen. Diesen Erfolg mißgönnte ihnen J., in den nächsten zwei Jahren brachte er durch wiederholten Wechsel seiner Vicare alles in Verwirrung, dann starb der „Feuersäer“ zum Glücke seiner Lande.

Die Urkunden in Bremer Urk.-B. II. Mecklenb. Urk.-B. VI. Lübecker Urk.-B. II Sudendorf Bd. VIII. Lappenberg, Brem. Gesch.-Quellen, wo auch die dänischen Quellen angegeben. Wiedemann, Gesch. des Herzogth. Bremen, I. S. 229 ff. Ueber Bernhard v. Welpe: v. Hodenberg, Verd. Gesch.-Quellen 2, 237 ff. Die Ziffern der Bremer Electi von 1307-1310 sind jetzt richtig gestellt im Archiv des Stader Ver. f. Gesch. etc. VII. 149.