Titanit

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Titanit
Mehrere rötlichbraune Titanit-Kristalle auf Amphibol (Bildgröße 2 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1967 s.p.[1]

IMA-Symbol

Ttn[2]

Chemische Formel CaTi[O|SiO4][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Inselsilikate (Nesosilikate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/A’.07
VIII/B.12-010[4]

9.AG.15
52.04.03.01
Ähnliche Minerale Kassiterit, Rutil[5]
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m[6]
Raumgruppe C2/c (Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15[3]
Gitterparameter a = 6,57 Å; b = 8,72 Å; c = 7,44 Å
β = 119,7°[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Häufige Kristallflächen {111}, {110}, {102}, {100}, {001}, {112}[7]
Zwillingsbildung häufig nach {100}, Kontakt- und Durchdringungszwillinge; seltener lamellar nach {221}
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5 bis 5,5[8]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,48 bis 3,60; berechnet: [3,53][8]
Spaltbarkeit deutlich nach (110), undeutlich nach (111)[7]
Bruch; Tenazität muschlig; spröde[7]
Farbe farblos, schwarz, braun, grau, grün, gelb, rot
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Glanz Diamantglanz, Glasglanz[7]; Harzglanz[8]
Radioaktivität schwach radioaktiv
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,843 bis 1,950[9]
nβ = 1,870 bis 2,034[9]
nγ = 1,943 bis 2,110[9]
Doppelbrechung δ = 0,100 bis 0,160[9]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 17° bis 40°[9]
Pleochroismus Sichtbar: X–Y–Z = farblos – gelb bis grün – rot bis gelborange[9]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten löslich in konzentrierter Schwefelsäure

Titanit, auch Sphen genannt, ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Formel CaTi[O|SiO4][3] und ist damit chemisch gesehen ein Calcium-Titan-Silikat. Strukturell gehört Titanit zu den Inselsilikaten.

Titanit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt meist tafelige oder keilförmig zugespitzte Kristalle und Zwillinge mit glas- bis diamantähnlichem Glanz auf den Oberflächen. Er kommt aber auch in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate vor. In reiner Form ist Titanit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine grüne, gelbe, rote, graue oder braune bis schwarze Farbe annehmen.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals entdeckt wurde Titanit in den Hauzenberger Graphitgruben im Bayerischen Wald. Die Erstbeschreibung erfolgte 1795 durch Martin Heinrich Klaproth, der das Mineral nach dessen Gehalt an Titan benannte.

Das Synonym Sphen (altgr. σφήν sphén „Keil“) erhielt Titanit aufgrund seiner oft keilförmigen Kristallformen.

Titanit war bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt. Damit hätte Titanit theoretisch den Status eines grandfathered Mineral. In der 1967 erfolgten Publikation der IMA: Commission on new minerals and mineral names wurde Titanit als offizieller Mineralname festgelegt.[10] Da dies automatisch eine nachträgliche Ankerkennung für den Titanit bedeutete, wird das Mineral seitdem in der „Liste der Minerale und Mineralnamen“ der IMA unter der Summenanerkennung „1967 s.p.“ (special procedure) geführt.[1]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Titanit zur Mineralklasse der „Silikate“ und dort zur Abteilung der „Inselsilikate mit tetraederfremden Anionen (Neso-Subsilikate)“, wo er als Namensgeber die „Titanit-Reihe“ mit der System-Nr. VIII/A’.07 und den weiteren Mitgliedern Malayait und im Anhang mit Fersmanit und Tundrit bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich im Aufbau noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/B.12-010. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Inselsilikate mit tetraederfremden Anionen“, wo Titanit zusammen mit Malayait, Natrotitanit, Trimounsit-(Y), Vanadomalayait und Żabińskiit eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer VIII/B.12 bildet.[4]

Die von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Titanit in die erweiterte Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Inselsilikate“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und der Koordination der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Inselsilikate mit zusätzlichen Anionen; Kationen in meist [6] und >[6] Koordination“ zu finden ist, wo er nur noch zusammen mit Malayait und Vanadomalayait die „Titanitgruppe“ mit der System-Nr. 9.AG.15 bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Titanit die System- und Mineralnummer 52.04.03.01. Dies entspricht der Klasse der „Silikate“ und dort der Abteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen und O, OH, F und H2O“, wo das Mineral zusammen mit Malayait und Vanadomalayait in der „Titanitgruppe“ mit der Systemnummer 52.04.03 innerhalb der Unterabteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen und O, OH, F und H2O mit Kationen in [6] und/oder >[6]-Koordination“ zu finden ist.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Titanit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15 mit den Gitterparametern a = 6,57 Å; b = 8,72 Å; c = 7,44 Å und β = 119,7° sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chemische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Mineral ist empfindlich gegenüber Säuren (vollkommene Löslichkeit in Schwefelsäure[12]), Laugen sowie Wärmeeinflüssen.

Physikalische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor dem Lötrohr schmilzt Titanit an den Kanten zu dunklem Glas.

Je nach Fundort kann das Mineral durch Fremdbeimengungen an Uran, Thorium[13] oder Radium[14] schwach radioaktiv sein und eine spezifische Aktivität von etwa 82 Bq/g[6] aufweisen (zum Vergleich: natürliches Kalium 31,2 Bq/g).

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Titanit hat einen relativ weiten Stabilitätsbereich, das heißt, er kann sich bei Drücken bis 1,4 Gpa und Temperaturen bis 700 °C bilden (nach W. G. Ernst und Jun Liu 1996[15]) und entsprechend entweder direkt durch magmatische oder indirekt durch metamorphe Vorgänge in Pegmatiten entstehen.

Als häufige Mineralbildung ist Titanit an vielen Fundorten anzutreffen, wobei weltweit bisher über 6000 Fundorte dokumentiert sind (Stand 2023).[16]

Attraktive, sammelwürdige Titanite mit teilweise bis zu 18 cm großen Kristallen fand man auf alpinotypen Gängen in Österreich (Zillertal, Felbertal), der Schweiz (Tujetsch, Binntal) und in Russland (Dodo Mine, nördlicher Ural). Große, aber unvollkommene Kristalle mit einem Gewicht von bis zu 40 kg wurden in Kanada (Ontario) und den USA (New York) entdeckt.[17] Ein weiterer berühmter, historischer Fundpunkt in Deutschland ist der Plauensche Grund zwischen Dresden und Freital. Im dort anstehenden Monzonit wurden die berühmten Titanitspiegel gefunden.

Reiche Vorkommen mit drei oder mehr Fundorten liegen unter anderem in Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, in der Volksrepublik China, in Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Irland, Italien, Japan, Kamerun, Kanada, Kasachstan, Kirgisien, auf Kuba, auf Madagaskar, in Malawi, Marokko, Mexiko, der Mongolei, Namibia, Nordkorea, Norwegen, Österreich, Pakistan, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Südkorea, Tansania, Tschechien, der Ukraine, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) sowie in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[18]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mehrere Titanite im dreieckförmigen Facettenschliff

Rohstoff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Titanit dient bei lokaler Anhäufung als Rohstoff zur Herstellung von Titandioxid (TiO2). Bevorzugt werden allerdings die bereits natürlich vorkommenden Titandioxide Rutil, Anatas und Brookit.

Schmuckstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klare Varietäten werden zu Schmucksteinen verarbeitet und dienen im Facettenschliff vor allem als Diamantersatz. Allerdings ist das Mineral aufgrund seiner Empfindlichkeit gegenüber Säuren, Laugen und Wärmeeinflüssen nicht leicht zu verarbeiten.[19][20]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Martin Heinrich Klaproth: Untersuchung eines neuen Fossils aus dem Passauischen. In: Beiträge zur Chemischen Kenntniss der Mineralkörper. Band 1, 1795, S. 245–252 (rruff.info [PDF; 429 kB; abgerufen am 27. Dezember 2023]).
  • J. Alexander Speer, G. V. Gibbs: The crystal structure of synthetic titanite, CaTiOSiO4, and the domain texture of natural titanites. In: American Mineralogist. Band 61, 1976, S. 238–247 (englisch, rruff.info [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 27. Dezember 2023]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Titanite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: November 2023. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2023, abgerufen am 27. Dezember 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 27. Dezember 2023]).
  3. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 553 (englisch).
  4. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 472.
  6. a b David Barthelmy: Titanite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 27. Dezember 2023 (englisch).
  7. a b c d Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 697.
  8. a b c Titanite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 83 kB; abgerufen am 27. Dezember 2023]).
  9. a b c d e f Titanite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 27. Dezember 2023 (englisch).
  10. International Mineralogical Association: Commission on new minerals and mineral names. In: Mineralogical Magazine. Band 36, März 1967, S. 131–136 (englisch, rruff.info [PDF; 210 kB; abgerufen am 27. Dezember 2023]).
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 27. Dezember 2023 (englisch).
  12. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 682 (Erstausgabe: 1891).
  13. Lexikon der Physik – Altersbestimmung, radioaktive. Spektrum.de, abgerufen am 27. Dezember 2023.
  14. Heinrich Mache: Ueber die Entstehung radioaktiver Quellen. In: Mitteilungen des Alpenländischen geologischen Vereines. Band 34, 1941, S. 75 (zobodat.at [PDF; 542 kB] [abgerufen am 27. Dezember 2023]).
  15. W. G. Ernst, Jun Liu: Experimental phase-equilibrium study of Al- and Ti-contents of calcic amphibole in MORB—A semiquantitative thermobarometer. In: American Mineralogist. Band 83, 1998, S. 952–969 (englisch, minsocam.org [PDF; 181 kB; abgerufen am 27. Dezember 2023]).
  16. Localities for Titanite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 27. Dezember 2023 (englisch).
  17. Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 206–207.
  18. Fundortliste für Titanit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 27. Dezember 2023.
  19. Edelstein-Knigge von Leopold Rössler – Titanit (Memento vom 30. Dezember 2019 im Internet Archive)
  20. Michael R. W. Peters: Bilder zu rohen und geschliffenen Titaniten. In: realgems.org. Abgerufen am 27. Dezember 2023.