EU-Beamter
EU-Beamte oder Beamte der Gemeinschaft sind Bedienstete der Europäischen Union, die bei einem der Organe der Gemeinschaften durch eine Urkunde der Anstellungsbehörde dieses Organs nach den Vorschriften des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften unter Einweisung in eine Dauerplanstelle zum Beamten ernannt worden sind.[1]
Sie nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr und prüfen beispielsweise EU-Beitrittskandidaten und erstatten Bericht. Die Beamten arbeiten etwa für die Europäische Kommission, das Europäische Parlament oder den Rat, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind. Sie genießen Immunität in Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes. EU-Beamte sind je nach ihrer Behörde mit der Ausführung und Kontrolle von europäischem Recht betraut und arbeiten dabei oft mit den Mitgliedstaaten zusammen. So überwacht die Kommission die Einhaltung der EU-Verträge und kann dabei gegen Unternehmen ebenso rechtlich vorgehen wie gegen einzelne Regierungen.
Die EU-Beamten gehören zum europäischen öffentlichen Dienst.
Europäisches Dienstrecht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das europäische öffentliche Dienstrecht (kurz: das europäische Dienstrecht) hat im Bereich des öffentlichen Dienstrechts sowie bei der Entwicklung individualschützender Grundsätze in der Richterrechtsprechung eine Vorreiterrolle eingenommen. Zu nennen sind hier die Grundsätze der Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot, die Fürsorgepflicht der Anstellungsbehörde, die verwaltungsrechtliche Selbstbindung, der Vertrauensschutz und der Grundsatz von Treu und Glauben; auf Verfahren bezogen kommen das Anhörungsrecht und die Begründungspflicht hinzu.[2]
Dem europäischen Dienstrecht wird eine starke Ausstrahlung auf die Angleichung des innerstaatlichen Dienstrechts und eine Vorbildrolle bei der europäischen Integration zugesprochen.[3]
Status
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]EU-Beamte werden vom Europäischen Amt für Personalauswahl (European Personnel Selection Office – EPSO) ausgewählt. Ihre Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften,[4] erlassen aufgrund von Art. 336 AEUV durch das Europäische Parlament und den Rat.
Die Gehaltsentwicklung ist nach einem Indexverfahren gemäß der Kaufkraftentwicklung festgelegt.
EU-Beamte und diejenigen Bediensteten, die aufgrund von Dienstverträgen beschäftigt sind (Agents contractuels), sind von den durch das jeweilige Arbeits- oder Sozialrecht ihres Entsendungs- oder Wohnlandes gegebenen Schutzbestimmungen ausgenommen.[5] Das Auswärtige Amt empfiehlt deutschen Bewerbern daher die soziale Absicherung für Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege, Rente für den Fall ihrer Rückkehr nach Deutschland zu prüfen und eine freiwillige Arbeitslosenversicherung, eine Anwartschaft bei der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung, eine freiwillige Pflegeversicherung und ggf. freiwillige Nachzahlungen zur deutschen Rentenversicherung in Betracht zu ziehen.[6]
In der Personalvertretung Union syndicale sind 1.067 der 10.000 EU-Beamten zusammengeschlossen, die in Luxemburg beschäftigt sind.[7]
EU-Beamtengehälter (nicht jedoch andere Einkommensarten von EU-Beamten, z. B. Mieteinnahmen oder Zinsen) sind von nationalen Einkommensteuern befreit. Stattdessen unterliegen die Beamtengehälter einer progressiven Gemeinschaftssteuer, die abhängig vom Gehalt zwischen 8 und 45 Prozent liegt und wieder dem EU-Haushalt zugeführt wird.[8]
Das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem für die Organe der Europäischen Gemeinschaften (GKFS) sichert im Ruhestand befindliche Beamte sowie gemäß Statut unterhaltsberechtigte Personen. Es stützt sich auf Beiträge der aktiven und pensionierten (aus dem Dienst ausgeschiedenen) Mitglieder sowie auf Beiträge der Organe in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber.[9] Nach Angabe der Gewerkschaften gibt es private Zusatzversicherungen, um die Lücken dieser Absicherung zu überbrücken.[10][11]
Für Streitigkeiten zwischen den Gemeinschaften und ihren Beamten war zunächst gem. Art. 91 des Statuts der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig (Art. 270 AEUV). Mit Beschluss vom 2. November 2004[12] hatte der Rat das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union errichtet, indem er von der durch den Vertrag von Nizza eingeräumten Befugnis Gebrauch machte, dem Gericht erster Instanz beigeordnete gerichtliche Kammern zu schaffen, die in besonderen Bereichen im Vertrag vorgesehene gerichtliche Zuständigkeiten ausüben.[13][14] In Anbetracht des Anstiegs der Zahl der Rechtsstreitigkeiten und der überlangen Bearbeitungszeit für die beim Gericht anhängigen Rechtssachen wurde es zum 1. September 2016 aufgelöst und seine Zuständigkeit auf den EuGH übertragen.[15]
Anzahl
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gesamtzahl der Bediensteten wird von der ESPO für das Jahr 2022 mit über 60.000 angegeben.[16]
Organ oder Einrichtung | Beschäftigte/Dienstposten |
---|---|
Europäisches Parlament | 8.132 |
Rat der Europäischen Union | 3.119 |
Europäische Kommission | 32.169 |
Gerichtshof der Europäischen Union | 2.247 |
Europäische Zentralbank | 3.500 |
Europäischer Rechnungshof | ca. 900 |
Europäischer Auswärtiger Dienst | 4.643 |
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss | ca. 700 |
Ausschuss der Regionen | 329 |
Europäischer Bürgerbeauftragter | 75 |
Europäische Datenschutzbeauftragte | 124 |
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ulrich Reithmann: Europäisches Dienstrecht und Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union. Überblick über die letzten zehn Jahre. Zeitschrift für Beamtenrecht 2015, S. 217–238.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Verordnung (EU) Nr. 1239/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Union sowie der Berichtigungskoeffizienten, die auf diese Dienst- und Versorgungsbezüge anwendbar sind, mit Wirkung vom 1. Juli 2010
- Kritik an der Macht hoher EU-Beamter
- Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (PDF-Datei; 8 kB)
- Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte beteiligt sind. Zusammenfassung der Gesetzgebung. In: EUR-Lex. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union
- Stellungnahme der Kommission zum Thema: In Brüssel arbeitet ein aufgeblähter, hochbezahlter Beamtenapparat
- Laufbahnen in EU-Institutionen (PDF-Datei)
- Liste mit wichtigen deutschen Akteuren in EU-Institutionen zusammengestellt vom Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften. Abgerufen am 28. August 2024.
- ↑ Johannes Saurer: Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht: Die institutionelle Ausdifferenzierung der Verwaltungsorganisation der Europäischen Union in individueller Perspektive, Mohr Siebeck, 2014, ISBN 978-3-16-151958-1, S. 207–208.
- ↑ Meinhard Schröder: Der europäische Dienst im Spannungsfeld staatlicher und überstaatlicher Konzeptionen. In: ZBR. 22, 1974, S. 173–179. Zitiert nach: Hans-Heinrich Lindemann: Allgemeine Rechtsgrundsätze und europäischer öffentlicher Dienst. Duncker & Humblot, ISBN 978-3-428-45941-4, S. 19– (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ S. Seeger: Beamte und Bedienstete der EU. In: Große Hüttmann, Wehling: Das Europalexikon. 3. Auflage, Bonn 2020, abgerufen am 28. August 2024.
- ↑ Gk, Gewerkschaften werfen EU-Kommission Mangel an Sozialdialog vor. EU-Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen. In: Tageblatt. 6. April 2004.
- ↑ Soziale Absicherung: Wissenswertes für Bewerberinnen und Bewerber bei Internationalen Organisationen. In: auswaertiges-amt.de. 13. Juli 2020, abgerufen am 26. September 2020.
- ↑ Jérôme Wiss: Luxembourg, capitale de l’EU en sursis? In: l’essentiel. 18. Januar 2012 (französisch, lessentiel.lu).
- ↑ http://ec.europa.eu/civil_service/job/official/index_de.htm
- ↑ Antwort von Herrn Šefčovič im Namen der Kommission auf die Anfrage von Ingeborg Gräßle (PPE) zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission nach Artikel 117 der Geschäftsordnung. ABl. C 365 E vom 15/12/2011. In: europarl.europa.eu. Europäisches Parlament, 4. Juni 2011, abgerufen am 26. September 2020.
- ↑ File on supplementary health insurance policies offered to the officials and other agents of the European Institutions. In: SC/1802 EN. Association des Seniors de la Fonction Publique Européenne (SEPS/SFPE), 1. Februar 2019, abgerufen am 27. September 2020 (englisch).
- ↑ Insurance policies to supplement JSIS (RCAM), Accident insurance policy, Assistance Insurance. Fédération de la Fonction publique européenne (FFPE), 30. September 2018, abgerufen am 27. September 2020 (englisch).
- ↑ Beschluss 2004/752/EG, Euratom des Rates vom 2. November 2004 (ABl. L 333, S. 7).
- ↑ Paul J. Mahoney: Tätigkeit des Gerichts für den öffentlichen Dienst im Jahr 2005. Abgerufen am 30. August 2024.
- ↑ Waltraud Hakenberg: Das Gericht für den öffentlichen Dienst der EU – Eine neue Ära in der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit. EuZW 2006, S. 391–393.
- ↑ Präsentation. EuGH, abgerufen am 30. August 2024.
- ↑ Einzelfragen zur Zahl der Beschäftigten der Institutionen sowie zur Beamtenbesoldung der Europäischen Union sowie zur Amtsvergütung des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Dokumentation vom 3. August 2022, S. 5 f.