Victor Klemperer von Klemenau

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Victor Klemperer von Klemenau (* 20. Juni 1876 in Dresden; † 13. März 1943 in Bulawayo, Südrhodesien) war ein deutscher Bankier.

Seine Eltern waren Gustav Klemperer (1852–1926), der 1910 geadelt wurde, und Charlotte Engelmann (1857–1934). Er wuchs mit den jüngeren Brüdern Herbert (1878–1951) und Ralph-Leopold (1884–1956) auf. Der jüdisch erzogene Victor konvertierte 1907 zum protestantischen Glauben, als er Sophie Reichenheim (1888–1976) heiratete. Seit 1910 durfte er sich Edler von Klemenau nennen.[1] Aus der Ehe mit Sophie gingen vier Kinder hervor, nämlich Sophie Charlotte (1909–2004), Peter Ralph (1910–2000), Gustav Victor (1915–1997) und Elisabeth-Dorothea (1918–1977).

Im Anschluss an eine Bildungsreise nach Südosteuropa und Konstantinopel studierte er an den Universitäten Halle (Saale), Berlin und Freiburg im Breisgau Rechtswissenschaften. 1898 promovierte er in Halle zum Thema „Die rechtliche Natur der Genussscheine“. Victor Klemperer leistete seinen freiwilligen Militärdienst 1899 in einem Feldkanonen-Regiment in Prag ab. Er gehörte danach zusammen mit seinem Vater Gustav zu den wichtigsten Vertretern der im November 1872 gegründeten Dresdner Bank, wo er 1898 mit seiner Ausbildung begann. Nach einer Tätigkeit ab 1899 beim Bankhaus Alfred Kessler & Co. in New York City trat er 1902 als Prokurist in die Ludwig Loewe & Co. AG in Berlin ein. Im Januar 1904 kehrte er zur Dresdner Bank zurück und kam als Prokurist in die Berliner Filiale. 1908 wechselte er in die Leipziger Filiale, an deren Gründung er maßgeblichen Anteil hatte; 1909 übernahm er deren Leitung. Im Januar 1914 übernahm er die Leitung des für Sachsen zuständigen Dresdner Stammhauses der Bank, das bis dahin von seinem Vater geführt wurde. Unterbrochen durch den Militärdienst (1914 bis 1918 als Hauptmann für Österreich, ausgezeichnet mit vier Orden) hatte er diese Funktion bis zum 31. Mai 1934 inne und war damit für alle den sächsisch-mitteldeutschen Raum betreffenden Entscheidungen des Unternehmens zuständig. Er erwarb große Verdienste beim Ausbau der Dresdner Bank, die im Freistaat Sachsen ihr größtes Filialnetz unterhielt. Die TH Dresden verlieh ihm 1929 die Ehrensenatorenwürde.

Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Klemperer von den Nationalsozialisten nach deren Machtantritt denunziert, dann im Juni 1934 zwangsweise pensioniert. Als ihm im Juni 1938 verboten wurde, Funktionen in Gremien wahrzunehmen, floh er mit seiner Ehefrau aus Deutschland und erhielt Asyl in Südrhodesien, wo sich sein Bruder Ralph bereits seit Mai 1937 aufhielt. Victor Klemperers Ehefrau Sophia reiste im Oktober 1938 zurück nach Deutschland, um die ehemalige Familien-Villa zu verkaufen. Sie kehrte im November 1938 nach Bulawayo zurück.

Seine Kunstsammlung, die aus Porzellan, Gemälden, Plastiken sowie Büchern bestand, wurde nach seiner Emigration 1938 beschlagnahmt. Die Sammlung schien einen solchen Rang zu besitzen, dass sie für das geplante „Führermuseum“ in Linz reklamiert wurde.[2] Hitler verfügte am 17. November 1942 persönlich die Übertragung an das Land Sachsen. In die Sächsische Landesbibliothek gelangten daraufhin vor Ende des Krieges 13 Handschriften, 549 Inkunabeln und 510 bibliophile Drucke. Aus den Ausweichlagern kehrten nach Mai 1945 lediglich 12 Inkunabeln zurück. Mit den 1958 erfolgten teilweisen Rückgaben von Bibliotheksbeständen aus der Sowjetunion wuchs der Bestand des Depositums auf 295 Werke an, die 1991 an die Erben übergeben wurden.

Am 17. Juni 2011 wies ein von der belgischen Stadt Gent eingesetztes Gremium die Restitutionsansprüche der Klemperer-Erben auf Rückgabe eines Porträts von Ludwig Adler von Oskar Kokoschka (1913) zurück. Während einer Kokoschka-Ausstellung in Wien zwischen Mai und Juni 1937 war es noch unter dem Eigentümer Victor Klemperer ausgestellt und von diesem 1938 an Herbert E. Kurz, Chemnitz, verkauft worden. Nach mehreren Eigentümerwechseln erwarb es 1987 das Genter Museum voor Schone Kunsten, wo es seitdem ausgestellt ist.

Dissertation (1898)
  • Victor Klemperer: Die rechtliche Natur der Genußscheine. Dissertation, Halle-Wittenberg 1898
  • Erich von Rath, Konrad Haebler: Frühdrucke aus der Bücherei Victor von Klemperer. Dresden 1927.
  • Andreas Graul: Gustav und Victor von Klemperer. Eine biographische Skizze (= Eugen-Gutmann-Gesellschaft e.V. [Hrsg.]: Publikationen der Eugen-Gutmann-Gesellschaft. Band 2). Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2005.
  • Klemperer, Victor Edler von Klemenau, in: Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4, S. 197.
  • Franz LernerKlemperer von Klemenau, Viktor. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 36 (Digitalisat).
  • Klemperer, Victor, Edler von Klemenau, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München: Saur 1980, S. 370f.

Einzelnachweise

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  1. Andreas Graul: Klemperer, Victor, Edler von Klemenau. In: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V., bearbeitet von Martina Schattkowsky, 16. Januar 2006, abgerufen am 30. April 2014
  2. Regine Dehnel (Hrsg.): Jüdischer Buchbesitz als Raubgut. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-465-03448-1, S. 358 (Digitalisat)