Öffentlicher Bücherschrank

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Öffentlicher Bücherschrank in Bonn (seit 2003)
Begehbarer Bücherschrank in München, Stadtteil Au-Haidhausen

Ein öffentlicher Bücherschrank, auch Bücherbox oder Bücherzelle, ist ein Schrank, eine ehemalige Telefonzelle oder eine kleine Hütte mit Büchern, der dazu dient, Bücher kostenlos, anonym und ohne Formalitäten zum Tausch oder zur Mitnahme anzubieten; zumeist im öffentlichen Raum. In Innenräumen von öffentlichen Einrichtungen, gewerblichen oder kirchlichen Gebäuden, sowie in Schenk- bzw. Umsonstläden stehen die zur kostenlosen Entnahme oder zum Tausch vorgesehenen Bücher zumeist in separaten Bereichen, die in der Regel nur zu bestimmten Zeiten zugänglich sind.

Entstehung und Idee

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Ähnlich der Idee zum Bookcrossing entwickelte sich in den 1990er Jahren der Gedanke, Bücherschränke zu etablieren, die jederzeit und öffentlich zugänglich sein sollten, um den Austausch von Literatur zu unterstützen.[1] Ausgehend von Installationen als künstlerischem Akt (ab 1991 durch das Aktionskünstler-Duo Clegg & Guttmann, erstmals in Graz, auch in Mainz[2][3]) wurden Ende der 1990er Jahre erste Bücherschränke zur Nutzung als „kostenlose Freiluft-Bibliothek“ in Darmstadt und Hannover realisiert, wobei es 2013 bereits 31 Bücherschränke allein im Stadtgebiet Hannover gab.[4] Seitdem 2002 der Entwurf der Designerin und Bühnenbildnerin Trixy Royeck, damals Innenarchitekturstudentin in Mainz, im Rahmen eines Wettbewerbes der Bürgerstiftung Bonn prämiert wurde,[5] findet das Konzept zahlreiche Nachahmer.[6] Der Kölner Architekt Hans-Jürgen Greve entwarf auf Grundlage von Trixy Royecks Bücherschrank ein eigenes Modell (BOKX) aus Stahl und Acrylglas, das für Außenbereiche optimiert ist. Diese BOKX -Bücherschränke vertreibt er über die urbanlife eG, die nach eigenen Angaben Hauptproduzent offener Bücherschränke in Europa ist. 390 dieser wetterfesten Stahlschränke stehen in Deutschland.

In Hamburg gibt es rollende Bücherregale in 100 Linienbussen der VHH, wo ebenfalls Bücher eingestellt oder entnommen werden können.[7] Auch in Österreich wurde in Wien im Februar sowie im Juni 2010 ein öffentlicher Bücherschrank eröffnet.[8] In Salzburg wurden 2012 zwei wetterfeste, rund um die Uhr geöffnete „Büchertankstellen“ in ausgedienten Telefonzellen errichtet und im ersten Jahr 10.000 Bücher getauscht.[9] In Graz gibt es mittlerweile mehr als 90 offene Bücherregale, teils in Telefonzellen, vor Hauseingängen, in Nachbarschaftszentren und Lokalen.[10] In Basel, wo in Cafés und Treffpunkten bereits öffentliche Bücherregale[11] eingerichtet sind, steht seit Juni 2011 der erste öffentliche Bücherschrank der Schweiz.[12][13]

Gefördert und finanziert durch unterschiedliche Träger entstehen seitdem speziell gebaute oder umgestaltete, wetterfeste Bücherschränke. In diese kann jeder Bürger seine Bücher einstellen, um sie anderen Lesern anzubieten. Man darf jederzeit Bücher entnehmen und diese zum Lesen mitnehmen; ob man sie zurückbringt, behält, tauscht oder nicht, entscheidet jeder Nutzer selbst. Als Träger und Finanziers fungieren u. a. Privatpersonen, Stiftungen, Lions-Clubs, Bürgervereine und ähnliche Organisationen; in Jülich existiert hierzu beispielsweise ein „Offener Bücherschrank e. V.“[14]

Nutzung und Akzeptanz

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An zentral gelegenen Orten, die leicht erreichbar sind und genügend Zulauf haben, werden die öffentlichen Bücherschränke zumeist schnell akzeptiert und gerne genutzt. Der Gefahr von Vandalismusschäden, wie sie in einzelnen Fällen vorgekommen sind[15], kann in der Regel durch so genannte „Bücherschrankpaten“ begegnet werden, die dem Zustand der Bücherschränke beständige Aufmerksamkeit widmen und den Bestand pflegen.

Die Akzeptanz, Motivation und die Nutzerstruktur von öffentlichen Bücherschränken wurde im Jahr 2008 beispielhaft durch eine Studie der landwirtschaftlichen Fakultät/Professur für Haushalts- und Konsumökonomik der Universität Bonn erforscht.[16][17] Dabei wurde festgestellt, dass sich das System als bemerkenswerte Alternative zum klassischen Buchhandel entwickelt habe. Man könne jedoch nicht von einer klassischen Tauschbörse sprechen, sondern von einer freiwilligen Übertragung. Die Befragung der Benutzer brachte hervor, dass die regelmäßige Nutzung beispielhaft sein könnte und ähnliche Versorgungssysteme für andere Waren erwünscht seien. Aufgrund der guten Akzeptanz dieser Idee ist eine rasche Verbreitung von öffentlichen Bücherschränken in Deutschland festzustellen. Eine strapazierfähige und wetterfeste Bauweise fördert die dauerhafte Nutzbarkeit.[18]

Zur Feier des zehnjährigen Jubiläums der Bürgerstiftung Bonn forderte diese – mit Unterstützung der privaten Alanus-Kunsthochschule – die Nutzer der öffentlichen Bücherschränke 2012 auf, ihre persönlichen Geschichten für und über den Bücherschrank an verschiedenen Bonner Standorten zu erzählen. Die hieraus entstandenen und teilweise prämierten Beiträge wurden zusammengefasst und veröffentlicht.[19]

Im Essener Stadtteil Margarethenhöhe entspann sich 2021 eine Debatte, inwiefern es sinnvoll sei, die in den dortigen öffentlichen Bücherschrank eingestellten Bücher mit einem Stempelaufdruck gegen übermäßige Entnahme und Weiterverkauf zu schützen.[20]

30 Jahre alte Telefonzelle als wetterfeste Bücherzelle in Trins
Leserinnen an einem Bücherschrank in Essen
In klein(st)en Orten tut's auch ein Kühlschrank: Oister Bookschapp
Bücherturm in einem früheren Trafohäuschen in Holtensen

Eine abgewandelte Version des klassischen Bücherschranks befindet sich in Oerlinghausen, den der Förderverein der Stadtbibliothek gemeinsam mit der Projektgruppe „Zusammenleben / Soziales / Kultur“ der lokalen Agenda 21 am Simonsplatz eingerichtet hat. Der Bücherschrank kann bei Bedarf mit Büchern aus der sogenannten „Büchertauschbörse“ bestückt werden. Die kostenlose und öffentliche Tauschbörse findet seit 2007 jeden Samstagvormittag im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Oerlinghausen-Süd statt und funktioniert ähnlich wie ein Bücherschrank, ist aber größer und zeitlich eingeschränkt.

Im Magdeburger Stadtteil Salbke entstand mit dem Lesezeichen Salbke ein ungewöhnlich großes, auch städtebauliche Aufgaben erfüllendes Bauwerk, welches Träger mehrerer kleiner, frei zugänglicher Büchervitrinen ist. In einem benachbarten Ladengeschäft hält der örtliche Bürgerverein nach dem Prinzip der öffentlichen Bücherschränke mehr als 10.000 Bücher zu ehrenamtlich abgesicherten Öffnungszeiten bereit.

In Marburg gibt es einen öffentlichen Bücherschrank, integriert in ein Café. Die Marburger Stadtbücherei ist dazu übergegangen, aussortierte Bücher statt – wie früher – in aufwändigen Ramsch-Veranstaltungen in einem Schrank zum kostenfreien Mitnehmen anzubieten. Diese Variante von öffentlichen Bücherschränken funktioniert offensichtlich durch den laufenden Betrieb und die soziale Kontrolle der Benutzer. In dem geschützten Raum bedarf es keiner Patenschaft und es gibt keine Probleme mit dem Wetterschutz.

Auch im baden-württembergischen Münsingen stehen in einem integrativen Gastronomiebetrieb, einer Begegnungsstätte, rund 5.000 Bücher zum kostenfreien Tauschen und Mitnehmen bereit. Es umfasst zudem ein Tauschregal für CDs sowie Gesellschaftsspiele.

In Frankfurt (Oder) befindet sich seit November 2013 ein öffentliches Bücherregal im „Kunst&KulturWagen“, bei dem es sich um einen umgebauten Wohnwagen des Typs QEK Junior handelt.

Das Modell 02 der BOKX-Bücherschränke nach Hans-Jürgen Greve verfügt an einigen Standorten außerdem über eine zusätzliche Kunstvitrine. Diese wird als Ausstellungsfläche für Kunst, andernorts auch als eine Art „schwarzes Brett“ für das Stadtviertel, genutzt.

In Münchner Stadtteil Au gibt es seit April 2017 einen begehbaren Bücherschrank, gebaut im Stil eines Gartengeräteschuppens. Initiiert wurde die Bücherhütte von Mitgliedern des Bezirksausschusses von Au-Haidhausen, mit Unterstützung der Pfarrei Maria-Hilf, auf deren Grundstück in einer Nische an der Straße die Bücherhütte platziert ist.

In Eltville am Rhein sowie im Ortsteil Hattenheim stehen jeweils Bücherwagen am Flussufer. Das Prinzip ist ebenfalls ein Tag und Nacht geöffneter Bücherstand. Es sind Anhängerwagen mit Regalen. Anders ist, dass die Nutzer aufgefordert sind, für eine Initiative in Burkina Faso zu spenden, die Brillen davon kaufen. Die Betreuer der Bücherwagen kümmern sich um den Bestand und leiten auch die Spendengelder weiter.

In der Nähe des Dortmunder Hafens gibt es ein allgemeines Tauschregal, das auch Bücher enthält.

Seit etwa 2011 etablieren sich in vielen Orten zunehmend ausgediente Telefonzellenhäuschen als optimaler Aufbewahrungsort für zu tauschende Bücher, sowohl von der Größe als auch vom sicheren Schutz vor Wind und Wetter. Andere Orte, wie Holtensen und Wippra, haben alte Trafotürme zu Bücherhäusern ausgebaut.

Listen von Bücherschränken

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Eine Übersicht öffentlicher Bücherschränke befindet sich in der Liste öffentlicher Bücherschränke. Für die deutschsprachigen Länder, siehe:

Apps zu Öffentlichen Bücherschränken

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Commons: Öffentliche Bücherschränke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Martin Ragg: Book Crossing: Offene Bücherschränke in Bonn (Memento vom 3. November 2009 im Internet Archive) reticon-Report, 2. April 2006
  2. Kulturserver Graz
  3. Rolf Dörlamm: Offene Bibliothek. Mainzer Allgemeine, Juni 1994
  4. Der Erfinder der Bücherschränke arbeitet beim Werkstatt-Treff. In: HAZ.de, 3. November 2012
  5. Offene Bücherschränke. In: buergerstiftung-bonn.de. Abgerufen am 4. Dezember 2013.
  6. ‚Bücherwald’- erstes öffentliches Bücherregal im Berliner Straßenraum. Presseerklärung. Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, 27. Juni 2008
  7. Einfach entspannend. (Memento vom 3. November 2011 im Internet Archive) In: vhhpvg.de
  8. offener Bücherschrank – Wien. 2010, abgerufen am 8. Februar 2010.
  9. Literaturhaus Salzburg
  10. Offene Bücherregale. Nachhaltig in Graz
  11. Öffentliche Bücherregale.ch
  12. Medienmitteilung der Christoph Merian Stiftung vom 14. Juni 2011. (Memento vom 8. Januar 2014 im Internet Archive)
  13. dies & das & ein neuer Bücherschrank. In: 3landinfo.blogspot.com
  14. Das JüLichT: Jülich ganz „sozial“. In: das-juelicht.de, 2. September 2010
  15. Bücherschrank in Beuel in Brand gesetzt. In: general-anzeiger-bonn.de. Abgerufen am 21. Juli 2018.
  16. Kerstin Hilt, Sandra Bichler, Olga Reger, Michael-Burkhard Piorkowsky: Der „Poppelsdorfer“ Bücherschrank – Ein merkwürdiges Versorgungssystem – Kurzfassung der Ergebnisse des Projekts „Das Nutzungsverhalten am Poppelsdorfer Bücherschrank“. 18. Januar 1011 (PDF)
  17. Ulrike Klopp: Bonner „Gemeinschaftsmöbel“ – Studienobjekt: Offener Bücherschrank als soziales System. In: forsch/Bonner Universitäts-Nachrichten, 2/2009, S. 27 (PDF)
  18. Bettina Köhl: Ein Schrank für ausgesetzte Bücher – Die Bürgerstiftung Bonn eröffnet in den kommenden Tagen zwei weitere Freiluft-Bibliotheken. In: General-Anzeiger (Bonn), 20. November 2008
  19. Ihre Geschichten für den Bücherschrank – Zum 10. Geburtstag der Bürgerstiftung Bonn. Website der Bürgerstiftung Bonn (PDF)
  20. Vgl. Oliver Zöllner: Plünderung oder Sharing? Analyse eines moralisierten Diskurses im digitalen Raum und die Frage der Wiederverwendung von materiellen Gütern. In: Petra Grimm et al. (Hrsg.): Medien – Ethik – Digitalisierung. Aktuelle Herausforderungen (Reihe Medienethik | Digitale Ethik, Band 20). Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2023, S. 109–133.
  21. App weist den Weg zum nächsten Bücherschank. In: mainpost.de. Archiviert vom Original am 21. Juni 2020; abgerufen am 21. Juni 2020.
  22. Heise Online: BuchschrankFinder: App findet öffentliche Bücherschränke.