Taylor-Formel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Taylor-Polynom)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Taylor-Formel (auch Satz von Taylor) ist ein Resultat aus dem mathematischen Teilgebiet der Analysis. Sie ist benannt nach dem Mathematiker Brook Taylor. Man kann diese Formel verwenden, um Funktionen in der Umgebung eines Punktes durch Polynome, die sogenannten Taylorpolynome[1], anzunähern. Man spricht auch von der Taylor-Näherung. Die Taylor-Formel ist aufgrund ihrer relativ einfachen Anwendbarkeit und Nützlichkeit ein Hilfsmittel in vielen Ingenieur-, Sozial- und Naturwissenschaften geworden. So kann ein komplizierter analytischer Ausdruck durch ein Taylorpolynom geringen Grades (oftmals gut) angenähert werden, z. B. in der Physik oder bei der Ausgleichung geodätischer Netze. Die oft verwendete Kleinwinkelnäherung des Sinus ist eine nach dem ersten Glied abgebrochene Taylorreihe dieser Funktion.

Eng verwandt mit der Taylor-Formel ist die sogenannte Taylorreihe (Taylor-Entwicklung).

Annäherung durch Tangente

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Näherung für eine differenzierbare Funktion an einer Stelle durch eine Gerade, also durch ein Polynom 1. Grades, ist gegeben durch die Tangente mit der Gleichung

.

Sie lässt sich dadurch charakterisieren, dass an der Stelle die Funktionswerte und die Werte der 1. Ableitung (= Steigung) von und übereinstimmen: .

Wenn man den Rest definiert, so gilt . Die Funktion approximiert in der Nähe der Stelle in dem Sinne, dass für den Rest gilt

(siehe bei der Definition der Ableitung).

Annäherung durch Schmiegparabel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann vermuten, dass man für zweimal differenzierbares eine noch bessere Näherung erhält, wenn man dazu ein quadratisches Polynom verwendet, von dem man verlangt, dass zusätzlich noch gilt. Der Ansatz führt durch Berechnung der Ableitungen auf und , also

.

Diese Näherungsfunktion bezeichnet man auch als Schmiegparabel.

Man definiert nun dazu den passenden Rest , sodass wieder . Dann erhält man, dass die Schmiegparabel die gegebene Funktion bei in der Tat besser approximiert, da nun (mit der Regel von de L’Hospital):

gilt.

Annäherung durch Polynome vom Grad n

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dieses Vorgehen lässt sich nun leicht auf Polynome -ten Grades verallgemeinern: Hier soll gelten

.

Es ergibt sich

.

Mit der Regel von de L’Hospital finden wir außerdem:

.

Daher ergibt sich mit vollständiger Induktion über , dass für gilt:

.

Qualitative Taylorformel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist -mal differenzierbar, so folgt sofort aus der obigen Betrachtung, dass

wobei für die Landau-Notation steht. Diese Formel nennt man „qualitative Taylorformel“.

Je näher bei liegt, desto besser approximiert also (das sog. Taylorpolynom, siehe unten) an der Stelle die Funktion .

Definitionen und Satz

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Folgenden wird die Taylor-Formel mit Integralrestglied vorgestellt. Die Taylor-Formel existiert auch in Varianten mit anderem Restglied; diese Formeln folgen jedoch aus der Taylor-Formel mit Integralrestglied. Sie stehen unten im Abschnitt Restgliedformeln.

Sei ein Intervall und eine -mal stetig differenzierbare Funktion. In den folgenden Formeln stehen für die erste, zweite, …, -te Ableitung der Funktion .

Das -te Taylorpolynom an der Entwicklungsstelle ist definiert durch:

Damit gehört es zu den Potenzreihen.

Integralrestglied

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das -te Integralrestglied ist definiert durch:

Satz (Taylorformel mit Integralrestglied)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für alle und aus gilt:

Der Beweis der Taylor-Formel mit Integralrestglied erfolgt durch vollständige Induktion über .

Der Induktionsanfang entspricht dabei genau dem Fundamentalsatz der Analysis, angewendet auf die einmal stetig differenzierbare Funktion :

Der Induktionsschritt (es ist zu zeigen, dass die Formel stets auch für gilt, falls sie für ein gilt) erfolgt durch partielle Integration. Für -mal stetig differenzierbares ergibt sich:

und somit

.

Restgliedformeln

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt außer der Integralformel noch andere Darstellungen des Restgliedes.

Schlömilch-Restglied und dessen Herleitung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung ergibt sich für jede natürliche Zahl mit , dass es ein zwischen und gibt, sodass:

Damit folgt die Schlömilchsche Restgliedform:

für ein zwischen und .

Spezialfälle des Schlömilch-Restglieds

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Spezialfall, nämlich der mit , ist die Form nach Cauchy:

für ein zwischen und .

Im Spezialfall erhalten wir das Lagrangesche Restglied:

für ein zwischen und . Bei dieser Darstellung braucht die -te Ableitung von nicht stetig zu sein.

Peano-Restglied

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Taylorformel mit Lagrange-Restglied erhält man für -mal stetig differenzierbares außerdem:

Darum kann man als Restglied auch

verwenden, wobei hier nur -mal stetig differenzierbar sein muss. Dieses Restglied nennt man Peano-Restglied.

Weitere Darstellung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Setzt man , das heißt , so erhält die Lagrangesche Darstellung die Form

,

die Schlömilchsche

,

und die Cauchysche

jeweils für ein zwischen 0 und 1.

Restgliedabschätzung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liegt das Intervall in (der Definitionsbereich von ), kann man mit dem Restglied von Lagrange (siehe im Abschnitt Restgliedformeln) für alle und wegen zwischen und (und somit auch ) folgende Abschätzung herleiten:

Gilt für alle , so gilt daher für das Restglied die Abschätzung

.

Restgliedabschätzungen sind nicht auf den „reellen Fall“ beschränkt. Ist (mit ) konvex (für zum Beispiel ein Intervall und für ein konvexes Gebiet) mit , so existiert für jede -mal stetig differenzierbare Abbildung ein stetiges Restglied , sodass[2]

Das Restglied genügt für der Abschätzung

Näherungsformeln für Sinus und Kosinus

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Anwendung der Taylorformel sind Näherungsformeln, hier vorgestellt am Beispiel Sinus und Kosinus (wobei das Argument im Bogenmaß angegeben wird).

Für gilt , also lautet das 4. Taylorpolynom der Sinusfunktion an der Entwicklungsstelle 0

Aus ergibt sich für das Restglied von Lagrange mit zwischen 0 und . Wegen folgt die Restgliedabschätzung .

Liegt zwischen und , dann liegt die relative Abweichung von zu bei unter 0,5 %.

Tatsächlich genügt für die Annäherung des Sinus auf diese Genauigkeit sogar schon das Taylorpolynom 3. Ordnung, da für , und daher . Daraus ergibt sich auch folgende weitere Abschätzung für drittes und viertes Taylorpolynom, die bei sehr großen x genauer ist:

Die folgende Abbildung zeigt die Graphen einiger Taylorpolynome des Sinus um Entwicklungsstelle 0 für . Der Graph zu gehört zur Taylorreihe, die mit der Sinusfunktion übereinstimmt.

Approximation des Sinus durch Taylorpolynome
Approximation des Sinus durch Taylorpolynome bis

Das vierte Taylorpolynom der Kosinusfunktion an der Entwicklungsstelle 0 hat im Horner-Schema diese Gestalt:

Liegt x zwischen und , dann liegt die relative Abweichung bei unter 0,05 %.

Auch für Kotangens und Tangens kann man diese Formeln nutzen, denn es ist

mit einer relativen Abweichung von unter 0,5 % für , und mit derselben relativen Abweichung (dabei ist kein Taylorpolynom des Tangens).

Braucht man eine noch höhere Genauigkeit für seine Näherungsformeln, dann kann man auf höhere Taylorpolynome zurückgreifen, die die Funktionen noch besser approximieren.

Taylor-Formel im Mehrdimensionalen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei nun im Folgenden eine -mal stetig differenzierbare Funktion und . Sei ferner , , wobei .

Sei ferner wie in der Multiindex-Notation . Im folgenden Abschnitt wird die Multiindex-Notation verwendet, damit man sofort sieht, dass der mehrdimensionale Fall für tatsächlich dieselben Formeln ergibt wie der eindimensionale Fall.

Mehrdimensionales Taylorpolynom

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der mehrdimensionalen Kettenregel und Induktion erhält man, dass

,

wobei der Multinomialkoeffizient ist, siehe auch Multinomialtheorem.

Stellt man im Punkt 1 durch ein Taylorpolynom mit Entwicklungsstelle 0 dar, so erhält man durch diese Formel die Definition des mehrdimensionalen Taylorpolynoms von an der Entwicklungsstelle :

Hierbei hat man verwendet, dass .

Das zweite Taylorpolynom einer skalarwertigen Funktion in mehr als einer Variable kann bis zur zweiten Ordnung kompakter geschrieben werden als:

Dabei ist der Gradient und die Hesse-Matrix von jeweils an der Stelle .

Das zweite Taylorpolynom nennt man auch Schmiegquadrik.

Mehrdimensionales Integralrestglied

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ebenso definiert man das mehrdimensionale Restglied mithilfe der Multiindex-Notation:

Mehrdimensionale Taylor-Formel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus der eindimensionalen Taylor-Formel folgt, dass

Nach der obigen Definition von erhält man daher:

Mehrdimensionale Restgliedformeln

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann auch die eindimensionalen Nicht-Integral-Restgliedformeln mithilfe der Formel für für den mehrdimensionalen Fall verallgemeinern.

Das Schlömilch-Restglied wird so zu

,

das Lagrange-Restglied zu

,

und das Cauchy-Restglied zu

für jeweils ein .

Qualitative Taylorformel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der mehrdimensionalen Taylorformel ergibt sich mit dem Lagrange-Restglied:

Wegen erhalten wir ferner:

Der letzte Teil geht gegen null, da die partiellen Ableitungen vom Grad nach Voraussetzung alle stetig sind und sich zwischen und befindet und somit auch nach konvergiert, falls .

Wir erhalten folgende Abschätzung, welche „(mehrdimensionale) qualitative Taylorformel“ genannt wird:

für , wobei für die Landau-Notation steht.[3]

Es soll die Funktion

um den Punkt entwickelt werden.

Funktion (rot) und Taylorentwicklung (grün)

In diesem Beispiel soll die Funktion bis zum zweiten Grad entwickelt werden, d. h., man will ein Taylorpolynom zweiter Ordnung berechnen, also die sog. Schmiegquadrik. Es gilt also . Wegen müssen, gemäß der Multiindexschreibweise, die Tupel , , , , und berücksichtigt werden. Dabei gilt wegen des Satzes von Schwarz, dass

.

Die partiellen Ableitungen der Funktion lauten:






Es folgt mit der mehrdimensionalen Taylor-Formel:

Benutzt man die alternative Darstellung mit Hilfe des Gradienten und der Hesse-Matrix, so erhält man:

Taylor-Formel für Operatoren auf Banachräumen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit überraschend wenig Aufwand lässt sich die Taylor-Formel noch weiter verallgemeinern: Seien Banachräume, offen und nichtleer. Weiter sei ein -fach Fréchet-differenzierbarer Operator, sowie mit für alle . Dann gilt:

Hierbei ist die -te Fréchet-Ableitung von , d. h. eine stetige -Linearform auf mit Werten in . Das Restglied erfüllt die folgende Eigenschaft: Für jedes Element des Dualraumes gilt:

Beweis: Sei ein beliebiges Funktional, dann ist eine -fach stetig differenzierbare, reellwertige Funktion, d. h. lässt sich mit der eindimensionalen Taylor-Formel schreiben als

Mit Hilfe der Kettenregel für die Fréchet-Ableitung folgt hieraus die gewünschte Formel für . Da dies für jedes Element des Dualraumes gilt, folgt aus der Trennungsaussage des Satzes von Hahn-Banach die entsprechende Formel für .

  • Otto Forster: Analysis. Band 1: Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen. 8., verbesserte Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8348-0088-0 (Vieweg Studium. Grundkurs Mathematik).
  • Otto Forster: Analysis. Band 2: Differentialrechnung im Rn. Gewöhnliche Differentialgleichungen. 7., verbesserte Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8348-0250-6 (Vieweg Studium. Grundkurs Mathematik).
  • Bernhard Heck: Rechenverfahren und Auswertemodelle der Landesvermessung. Klassische und moderne Methoden. Wichmann, Karlsruhe 1987, ISBN 3-87907-173-X, Kapitel 4, 7 und 13 (Mathematische Modelle und Grundlagen).
  • Konrad Königsberger: Analysis. Band 2. 3., überarbeitete Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-66902-7.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Brook Taylor: Methodus Incrementorum Directa et Inversa. Pearson, London 1717, S. 21.
  2. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 1. Dritte Auflage. Birkhäuser, S. 354.
  3. Königsberger: Analysis. Band 2. 2000, S. 66.