„Cannabis und Cannabinoide als Arzneimittel“ – Versionsunterschied

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Der Wirkstoff Cannabidiol erbringt eine teilweise gebesserte Symptomatik bei therapieresistenten Epilepsieformen, die Studienergebnisse sind jedoch uneinheitlich<ref name="CaPRis6">{{Literatur |Titel=Cannabis: Potential und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse (CaPRis) |Hrsg=Eva Hoch, Miriam Schneider, Chris Maria Friemel |Verlag=Springer |Ort=Heidelberg |Datum=2017-09-30 |Kommentar=Kurzbericht |Online=https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Kurzbericht/171127_Kurzbericht_CAPRis.pdf |Seiten=6|Format=PDF}}</ref> oder noch nicht (Stand März 2018) hinreichend analysiert.<ref name="PMID29344464">E. Perucca: ''Cannabinoids in the Treatment of Epilepsy: Hard Evidence at Last?'' In: ''Journal of epilepsy research.'' Band 7, Nummer 2, Dezember 2017, S.&nbsp;61–76, {{DOI|10.14581/jer.17012}}, PMID 29344464, {{PMC|5767492}} (Review).</ref> Die Verträglichkeit der Cannabisarzneimittel bei Epilepsie ist gut.<ref name="CaPRis6" /> Es gibt keine Untersuchungen zur Geschlechts- und Altersspezifität der Wirksamkeit und Verträglichkeit.<ref name="CaPRis6" />
Der Wirkstoff Cannabidiol erbringt eine teilweise gebesserte Symptomatik bei therapieresistenten Epilepsieformen, die Studienergebnisse sind jedoch uneinheitlich<ref name="CaPRis6">{{Literatur |Titel=Cannabis: Potential und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse (CaPRis) |Hrsg=Eva Hoch, Miriam Schneider, Chris Maria Friemel |Verlag=Springer |Ort=Heidelberg |Datum=2017-09-30 |Kommentar=Kurzbericht |Online=https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Kurzbericht/171127_Kurzbericht_CAPRis.pdf |Seiten=6|Format=PDF}}</ref> oder noch nicht (Stand März 2018) hinreichend analysiert.<ref name="PMID29344464">E. Perucca: ''Cannabinoids in the Treatment of Epilepsy: Hard Evidence at Last?'' In: ''Journal of epilepsy research.'' Band 7, Nummer 2, Dezember 2017, S.&nbsp;61–76, {{DOI|10.14581/jer.17012}}, PMID 29344464, {{PMC|5767492}} (Review).</ref> Die Verträglichkeit der Cannabisarzneimittel bei Epilepsie ist gut.<ref name="CaPRis6" /> Es gibt keine Untersuchungen zur Geschlechts- und Altersspezifität der Wirksamkeit und Verträglichkeit.<ref name="CaPRis6" />


Cannabidiol erhielt durch die FDA den Status eines [[Orphan-Arzneimittel]]s zur Behandlung spezieller Epilepsieformen beim Kind, wie dem [[Lennox-Gastaut-Syndrom|Lennox-Gastaut-]] (2014) und [[Dravet-Syndrom]] (2017), so dass für einen Antrag auf [[Arzneimittelzulassung]] ein vereinfachtes Verfahren beansprucht werden kann.<ref>[https://www.accessdata.fda.gov/scripts/opdlisting/oopd/listResult.cfm FDA Orphan Drug Designations], abgerufen 21. März 2018</ref><ref>[http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/o1339.htm Eintrag im EU-Rgister für Arzneimittel für seltene Leiden]</ref> 2017 wurde eine [[placebo]]kontrollierte randomisierte Doppelblindstudie bei 120 Kindern und jungen Erwachsenen mit Dravet-Syndrom publiziert, die eine signifikante Abnahme der Häufigkeit von Krampfanfällen nachweisen konnte.<ref>{{Literatur |Autor=O. Devinsky, J. H. Cross, L. Laux u. a. |Titel=Trial of cannabidiol for drug-resistant seizures in the Dravet syndrome. |Sammelwerk=New England Journal of Medicine |Band=376 |Datum=2017 |Seiten=2011-2020}}</ref>
Cannabidiol erhielt durch die FDA den Status eines [[Orphan-Arzneimittel]]s zur Behandlung spezieller Epilepsieformen beim Kind, wie dem [[Lennox-Gastaut-Syndrom|Lennox-Gastaut-]] (2014) und [[Dravet-Syndrom]] (2017), so dass für einen Antrag auf [[Arzneimittelzulassung]] ein vereinfachtes Verfahren beansprucht werden kann.<ref>[https://www.accessdata.fda.gov/scripts/opdlisting/oopd/listResult.cfm FDA Orphan Drug Designations], abgerufen 21. März 2018</ref><ref>[http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/o1339.htm Eintrag im EU-Rgister für Arzneimittel für seltene Leiden]</ref> 2017 wurde eine [[placebo]]kontrollierte randomisierte Doppelblindstudie bei 120 Kindern und jungen Erwachsenen mit Dravet-Syndrom publiziert, die eine signifikante Abnahme der Häufigkeit von Krampfanfällen nachweisen konnte.<ref>{{Literatur |Autor=O. Devinsky, J. H. Cross, L. Laux u. a. |Titel=Trial of cannabidiol for drug-resistant seizures in the Dravet syndrome. |Sammelwerk=New England Journal of Medicine |Band=376 |Datum=2017 |Seiten=2011-2020}}</ref> Im März 2018 wurden die Ergebnisse einer randomisierten, placebokontrollierten Studie an 171 Patienten mit Lennox-Gastaut-Syndrom publiziert, die eine statistisch signifikante Verringerung der Anzahl monatlicher Krampfanfälle unter Cannabidiol zeigte.<ref>{{Literatur| Autor=E. A. Thiele, E. D. Marsh, J. A. French, M. Mazurkiewicz-Beldzinska, S. R. Benbadis, C. Joshi, P. D. Lyons, A. Taylor, C. Roberts, K. Sommerville| Titel=Cannabidiol in patients with seizures associated with Lennox-Gastaut syndrome (GWPCARE4): A randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 trial| Sammelwerk=The Lancet| Band=391| Nummer=10125| Seiten=1085–1096| Datum=2018-03-17| DOI=10.1016/S0140-6736(18)30136-3}}</ref> Auf der Grundlage dieser Daten hat die Herstellerfirma die US-amrikanische und europäische Marktzulassung beantragt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/88835/Cannabidiol-vermeidet-Anfaelle-bei-Lennox-Gastaut-Syndrom |titel=Cannabidiol vermeidet Anfälle bei Lennox-Gastaut-Syn­drom |werk=aerzteblatt.de |datum=2018-01-28 |zugriff=2018-03-21}}</ref>


=== Weitere mögliche Anwendungsbereiche mit noch unklarer Datenlage ===
=== Weitere mögliche Anwendungsbereiche mit noch unklarer Datenlage ===

Version vom 21. März 2018, 15:38 Uhr

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Redaktion Medizin
Redaktion Medizin
Cannabis sativa L., aus Köhler’s Medizinal-Pflanzen
Medizinisches Marihuana aus den USA
Mann mit kalifornischer Medical Marijuana Identification Card

Cannabis, genauer die Pflanze des Medizinalhanfs (Cannabis sativa L.) aus der Gattung der Hanfpflanzen sowie ihre Bestandteile werden als Arzneimittel eingesetzt. Blätter und Blütenstände im Ganzen werden als Marihuana, das Harz der Blütenhaare der weiblichen Pflanze als Haschisch in der traditionellen Medizin vieler Kulturen verwendet, aber auch als Genuss- und Rauschmittel konsumiert. Aus der Vielzahl der in der Pflanze enthaltenen Wirkstoffe (neben Cannabinoiden vor allem Terpene) wurden in moderner Zeit Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) als pharmakologisch besonders wirksame Bestandteile isoliert und gesondert erforscht. In der Therapie finden neben Marihuana auch standardisierte Auszüge, THC/CBD-haltige Sprays und synthetische THC-Analoga Verwendung.[1]

In Österreich ist Cannabis (d. h. die zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen und Pflanzenteile) nur dann ein verkehrs- und verschreibungsfähiges Arzneimittel, wenn es in Zubereitungen vorliegt, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind. In Deutschland sind darüber hinaus seit dem 10. März 2017 auch Cannabisblüten und -extrakte als Arzneimittel zugelassen, wenn diese aus Anbau zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle beziehungsweise Importen stammen.[2][3] In einem Artikel des Journal of the American Medical Association wurde 2015 kritisch angemerkt, dass die Arzneimittelzulassung von Cannabis und Cannabinoiden in den USA unter Missachtung geltender Standards und unter dem Einfluss der „öffentlichen Meinung und einer politischen Agenda“ zustande gekommen sei.[4]

Geschichte

Abbildung aus dem Wiener Dioskurides; 512 n. Chr.
Cannabisextrakt; Anfang 20. Jahrhundert

Cannabis wird in verschiedenen Kulturen seit Jahrtausenden als Arzneimittel verwendet.[1] Der im 16. Jahrhundert v. Chr. entstandene Papyrus Ebers erwähnt eine als Cannabis identifizierte Pflanze als Bestandteil eines Heilmittels „für den Zehennagel“. Die Rezeptur – unter Verwendung von Ocker – legt eine Anwendung als Umschlag nahe.[5]

Das klassische chinesische Buch des Shennong von den Heilpflanzen aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr., dem mythischen Kaiser Shennong (um 2.800 v. Chr.) zugeschrieben, erwähnt das Harz der Cannabisblüte als Heilmittel bei Beriberi, Verstopfung, Frauenkrankheiten, Gicht, Malaria, Rheumatismus und Geistesabwesenheit.[6]

Auch in der antiken Medizin war die Cannabispflanze bekannt; eine Abbildung findet sich beispielsweise im 512 n. Chr. zusammengestellten „Wiener Dioskurides“, einer Ausgabe des Hauptwerks Περὶ ὕλης ἰατρικῆς (lateinisch De materia medica ‚Über die Heilmittel‘) des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides, der im 1. Jahrhundert n. Chr. lebte. Der griechische Arzt Galenos von Pergamon ordnete der Hanfpflanze im Rahmen der antiken Humoralpathologie eine wärmende und austrocknende Wirkung zu.

Die antike Medizin wurde von islamischen Ärzten übernommen und weiterentwickelt. Arabische Ärzte wie at-Tabarī und al-Antaki beschrieben im 9. Jahrhundert auf der Grundlage der antiken Autoren die Eigenschaften der Pflanze. In der islamischen Medizin wurden überwiegend die gepressten Samen, weniger oft die Blätter, verwendet. Im 10. Jahrhundert beschrieb Ishak ben Sulaymān die Verwendung von Hanfsamenöl zur Behandlung von Ohrenkrankheiten; Ibn-al Baitār (um 1190–1248) nutzte Hanfsamen als Medikament gegen Wurmbefall. Yūhannā ibn Māsawayh (um 777–um 857) und Avicenna (um 980–1037) wendeten den Saft der Blätter bei Hautkrankheiten an. Ibn-al Baitār und al-Qazwīnī (1203–1283) kannten auch die schmerzstillenden Eigenschaften und nutzten Cannabis zur Behandlung von Nerven- und Augenschmerzen. Einzelheiten zur Dosierung wurden in den arabischen Lehrwerken nicht angegeben; das Öl oder der Saft der Blätter wurden in die schmerzenden Körperöffnungen eingeträufelt.[7]

Cannabis fand ab dem 11. Jahrhundert Eingang in die Klostermedizin und wurde bei unterschiedlichen Beschwerden und als Ersatz für Opium eingesetzt.[8] Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179) empfahl Hanf als Mittel gegen Übelkeit und Magenschmerzen.[9] In die moderne Medizin fand Cannabis Einzug über den 1839 veröffentlichten Bericht des irischen Arztes William Brooke O’Shaughnessy (1809–1889), der im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit während seiner Stationierung im indischen Kalkutta eine schmerzstillende, krampflösende und muskelentspannende Wirkung nach Anwendung von Cannabis indica (indischer Hanf) feststellte. Auf Basis seiner Beobachtungen und Studien empfahl O’Shaughnessy die Anwendung von Cannabis bei Rheuma, Cholera und Tetanus.[10]

Ein populäres Cannabis-Fertigarzneimittel des 19. Jahrhunderts war das Schlafmittel Bromidia in den USA, ein Elixier aus Cannabis- und Bilsenkrautextrakten in Kombination mit Kaliumbromid („Bromkalium“) und Chloralhydrat.[11][12] Besonders verbreitet waren ethanolische Extrakte aus Cannabiskraut (Extractum Cannabis, Tinctura Cannabis). Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden cannabishaltige Arzneimittel wegen ihrer schwankenden Wirkung, schwierigen Dosierung, des Risikos paradoxer Wirkungen nach und nach durch synthetische Medikamente, deren Nutzen in modernen klinische Studien nachgewiesen werden konnte, ersetzt.[13][14]

1925 wurde Cannabis durch die Zweite Internationale Opiumkonferenz des Völkerbunds in Genf weltweit verboten. Begründet wurde das Verbot mit dem nicht nachweisbaren medizinischen Nutzen bei gleichzeitig bestehenden schweren psychotropen Nebenwirkungen und psychischer Abhängigkeit.[15] 1961 wurde das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel geschlossen, das bis heute die Grundlage der internationalen Drogenkontrolle bildet. Nur in der ehemaligen DDR stellten die Leipziger Arzneimittelwerke bis 1990 das pflanzliche Fertigarzneimittel Plantival her, das als Bestandteil Cannabis sativa enthielt.[16]

1944 erschien in den USA der La-Guardia-Report des La Guardia Committees, einer vom damaligen New Yorker Bürgermeister Fiorello LaGuardia eingesetzten Expertengruppe, die viele dem Cannabiskonsum zugeschriebene negative soziologische, psychologische und medizinische Auswirkungen nicht bestätigt fand.[17] Daraufhin hatte der Leiter der damaligen US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde Federal Bureau of Narcotics (FBN), Harry J. Anslinger, angedroht, jegliche weiteren Forschungsarbeiten zu Cannabis hart zu bestrafen.[18]

Die moderne Cannabis-Forschung begann mit der Isolierung des psychotropen Hauptwirkstoffes Δ9-THC im Jahr 1964 durch Raphael Mechoulam. Ein weiterer Meilenstein in der Cannabis-Forschung war die Entdeckung des Endocannabinoid-Systems mit seinen Rezeptoren und endogenen Liganden ab Ende der 1980er-Jahre, das die Basis für das heutige Verständnis der Wirkungsweise der Cannabinoide bildet. Das Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste der Vereinigten Staaten ließ am 21. April 1999 das Patent US6630507 B1 „Cannabinoids as antioxidants and neuroprotectants“ als ursprünglich Bevollmächtigter eintragen.[19]

In Deutschland setzt sich die „Internationale Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“, kurz IACM (früherer Name: „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“, AMC), seit 1997 für die medizinische Verwendung von Cannabis ein.

Pharmakologisch aktive Bestandteile

Bislang wurden insgesamt 104 verschiedene Cannabinoide identfiziert, deren Wirkungen im Detail meist noch unbekannt sind. Die aktuell am häufigsten diskutierten Cannabinoide, die vermutlich hauptsächlich für die therapeutischen Effekte verantwortlich sind, sind Cannabidiol (CBD, entdeckt 1940, erstmals chemisch synthetisiert 1963)[20] und Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC, entdeckt 1964).[21] Weitere natürlich vorkommende Cannabinoide sind Cannabigerol (CBG), Cannabinol (CBN) und Cannabichromen (CBC).[22]

Die folgende Tabelle gibt den Wissensstand zu pharmakologischen Effekten einzelner Cannabinoide wieder.[23] Dabei ist zu beachten, dass aus in-vitro-Studien und Tiermodellen gewonnene Informationen nicht unbedingt direkt auf den Menschen übertragen werden können.

In (prä)klinischen Studien nachgewiesene Effekte einzelner Cannabinoide[23]
THC CBD CBG CBN CBC THC-V CBD-A CBG-A CGC-A CBC-A THC-A
Schmerzlindernd
Antikonvulsiv
Schlaffördernd
Angstlösend
Appetitanregend
Appetitzügelnd
Blutzuckersenkend
Antibakteriell
Antiemetisch
Fungizid
Reduziert Wachstum von Tumorzellen
Bei Arteriosklerose
Gegen Schuppenflechte
Antipsychotisch
Bei Muskelkrämpfen
Fördert Knochenwachstum
Entzündungshemmend
Entkrampft Magen und Darm
Immunmodulierend
Neuroprotektiv
THC: Δ9-Tetrahydrocannabinol; CBD: Cannabidiol; CBG: Cannabigerol; CBN: Cannabinol; CBC: Cannabichromen; THC-V: Tetrahydrocannabinol-V; CBD-A: Cannabidiol-A; CBG-A: Cannabigerol-A; CGC-A: Cannabigerol-A; CBC-A: Cannabichromen-A; THC-A: Tetrahydrocannabinol-A.

Therapeutische Bedeutung

Etablierte Indikationen

Als empirisch nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin nachgewiesen gilt eine Wirksamkeit in der Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen.[24][25] Weniger gut belegt ist nach diesen Regeln die Wirksamkeit bei Tumorschmerzen[26] und bei durch Multiple Sklerose verursachter Muskelspastik. Nabilon wird bei Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen angewendet, andere Cannabiszubereitungen in dieser Indikation im Rahmen eines Heilversuchs. Eine durch Tumor- oder AIDS-Erkrankung verursachte Kachexie kann durch die Appetit steigernde Wirkung gelindert werden.[27]

In der Palliativmedizin ist die Fortsetzung einer Cannabistherapie nach nachgewiesen erfolgreicher Symptomkontrolle bei neuropathischen Schmerzen, Spastik bei Multipler Sklerose oder nach Neurotraumata etabliert.

Übersicht der weltweit zugelassenen Medikamente auf Cannabisbasis (2018)[28]
Indikation Fertigarzneimittel Zulassung
Spastik bei Multipler Sklerose Nabiximols Deutschland und 18 weitere EU-Länder
Neuropathische Schmerzen Israel, Kanada, Neuseeland
Zusatztherapie bei schwierig behandelbaren Tumorschmerzen Kanada
Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie Nabilon Deutschland, USA
Anorexie mit Gewichtsverlust bei HIV/AIDS USA
Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie Dronabinol USA
Anorexie mit Gewichtsverlust bei HIV/AIDS
Zusatztherapie bei therapierefraktärem Lennox-Gastaut- und Dravet-Syndrom Cannabidiol USA, Europa

Anwendung im Rahmen von Heilversuchen

In diesen Indikationen ist die Wirksamkeit bislang nicht in randomisierten kontrollierten Studien nachgewiesen worden und wird zum Teil kontrovers diskutiert. Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit stammen aus Beobachtungen an Patientengruppen, einzelnen Patienten und Experimenten in Modellorganismen. Die Anwendung von Cannabis und Cannabinoiden wird mit zentralnervösen und psychiatrischen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht.[27]

Cannabis findet im Rahmen von Heilversuchen Anwendung bei therapierefraktärem Appetitverlust, als Koanalgetikum bei chronischem Schmerzsyndrom,[29][30] sowie bei mit konventioneller Therapie nicht behandelbaren Krampfanfällen, insbesondere bei Kindern.[27]

Übelkeit und Erbrechen

Es gibt einen Nutzen gegen Übelkeit und Erbrechen bestimmter pflanzlicher, synthetischer und teilsynthetischer Cannabinoide bei chemotherapeutisch behandelter Krebserkrankung oder bei HIV/AIDS.[31][32] Zahlreiche ältere wissenschaftliche Studien sind aufgrund ihres Designs oder ihrer mangelhaften methodischen Qualität als unzureichend anzusehen. Insbesondere fehlen – mit Ausnahme einer Studie – Vergleiche mit modernen Medikamenten gegen Übelkeit und Erbrechen wie 5-HT3-, NK1-Rezeptorantagonisten oder Neuroleptika, so dass die Wirksamkeit nicht genau eingeschätzt werden kann.[32] Es ergeben sich aus Studien, die Cannabisarzneimittel (Dronabinol, Nabilon, Levonantradol, Nabiximols) mit konventionellen Medikamenten oder Placebo verglichen, Hinweise für eine bessere Wirkung gegen Übelkeit und Erbrechen. Bei palliativ behandelten Krebs- und HIV/AIDS-Erkrankten stellen Einzelstudien eine leichte – gegenüber Placebo jedoch nicht signifikante – Verbesserung von Übelkeit und Erbrechen und Appetitsteigerung durch Dronabinol oder Cannabiszigaretten fest. Im Vergleich zu Placebo treten Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Cannabisarzneimitteln signifikant häufiger auf. Sie sind meist vorübergehend und nicht gravierend. Schwere Nebenwirkungen und Studienabbrüche aufgrund einer medikamentösen Unverträglichkeit treten bei der Untersuchung aller klinischen Anwendungsgebiete von Cannabis auf.[32]

Trotz einer Vielzahl an anekdotischen Berichten über die Wirksamkeit von Cannabis gegen Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie gibt es hierzu keine randomisierten Studien guter Qualität. Zur Effektivität von Cannabidiol oder mit Cannabidiol angereichertem Cannabis bei Übelkeit und Erbrechen durch Chemotherapie gibt es keine Untersuchungen. Diese Information wird von Patienten, die die psychoaktiven Effekte von THC-basierten Produkten vermeiden wollen, oft nachgefragt.[33]

Epilepsie

Der Begriff Epilepsie bezieht sich auf eine Vielzahl an chronischen neurologischen Erkrankungen, bei denen Gruppen von Neuronen durch abnormale Signalgebung Krampfanfälle auslösen.[34] Insgesamt gibt es ungenügend wissenschaftliche Nachweise, die die effektive Behandlung bei Epilepsie mit Cannabinoiden beweisen oder widerlegen.[35] Der Wirkstoff Cannabidiol erbringt eine teilweise gebesserte Symptomatik bei therapieresistenten Epilepsieformen, die Studienergebnisse sind jedoch uneinheitlich[36] oder noch nicht (Stand März 2018) hinreichend analysiert.[37] Die Verträglichkeit der Cannabisarzneimittel bei Epilepsie ist gut.[36] Es gibt keine Untersuchungen zur Geschlechts- und Altersspezifität der Wirksamkeit und Verträglichkeit.[36]

Cannabidiol erhielt durch die FDA den Status eines Orphan-Arzneimittels zur Behandlung spezieller Epilepsieformen beim Kind, wie dem Lennox-Gastaut- (2014) und Dravet-Syndrom (2017), so dass für einen Antrag auf Arzneimittelzulassung ein vereinfachtes Verfahren beansprucht werden kann.[38][39] 2017 wurde eine placebokontrollierte randomisierte Doppelblindstudie bei 120 Kindern und jungen Erwachsenen mit Dravet-Syndrom publiziert, die eine signifikante Abnahme der Häufigkeit von Krampfanfällen nachweisen konnte.[40] Im März 2018 wurden die Ergebnisse einer randomisierten, placebokontrollierten Studie an 171 Patienten mit Lennox-Gastaut-Syndrom publiziert, die eine statistisch signifikante Verringerung der Anzahl monatlicher Krampfanfälle unter Cannabidiol zeigte.[41] Auf der Grundlage dieser Daten hat die Herstellerfirma die US-amrikanische und europäische Marktzulassung beantragt.[42]

Weitere mögliche Anwendungsbereiche mit noch unklarer Datenlage

Arteriosklerose

Das Rauchen von Cannabis erhöht, wie das Tabakrauchen, das Risiko an Arteriosklerose zu erkranken. Eine randomisierte Studie mit einem Cannabinoidrezeptor-1 (CB1)-Hemmstoff zeigte keinen vorbeugenden Effekt hinsichtlich der Progression einer Arteriosklerose. Experimente an Tiermodellen weisen darauf hin, dass die Modifikation des Endocannabinoid-Systems durch Cannabis die Entwicklung von Arteriosklerose positiv beeinflussen könnte, sofern Cannabis nicht inhaliert, sondern in anderer Zubereitung eingenommen wird.[43][44]

Diabetes mellitus

Der Einfluss von Cannabinoiden auf den Stoffwechsel ist kaum erforscht.[45] Dem gegenüber steht eine wahrscheinlich steigende Häufigkeit von Marijuanakonsum und von Diabetes.[45] Es gibt begrenzte Nachweise für einen statistischen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und einem verringerten Risiko für das Metabolische Syndrom und Diabetes.[46] Es gibt begrenzte Nachweise für einen statistischen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum einem erhöhten Risiko für Prädiabetes.[46] Die Nachteile der vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungen sind das Studiendesign (Querschnittsstudien), das fehlende Erfassen eines biologischen Maßes der Cannabisdosis und die unzureichende Überwachung von Störfaktoren.[45]

Posttraumatische Belastungsstörung und Angst

Ein Überblicksartikel von 2012 berichtete, dass Cannabinoide bei der posttraumatischen Belastungsstörung und bei der Angstlösung nützlich sein könnten.[47] Forschung bezüglich der Symptomatik bei US-Soldaten begann in den USA 2014, der US-Staat Colorado stellte dafür 2 Mio. USD zur Verfügung. Im April 2016 gab die DEA die Forschungsstätten an der Johns Hopkins University und in Arizona frei.[48][49][50] Cannabiskonsum ist unter US-Kriegsveteranen mit posttraumatischer Belastungsstörung sehr weit verbreitet.[51]

Darüber hinaus wird eine Anwendung diskutiert bei

Nebenwirkungen

Als Nebenwirkungen einer Cannabistherapie können Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit, erhöhter Puls („Herzrasen“, Tachykardie), Blutdruckabfall, Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, gerötete Augen, Atemprobleme, psychische Störungen und eine Reihe weiterer unerwünschter Wirkungen auftreten, die auch von der Art der Verabreichung, der Dosis und Therapiedauer sowie von einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängen.[55]

Arzneiliche Cannabis- und Cannabinoid-Zubereitungen

Cannabisblüten und Cannabisextrakte mit standardisierten Wirkstoffgehalten sowie synthetische Cannabinoide können bei verschiedenen Krankheitsbildern medizinisch angezeigt sein, wobei die Verschreibungsfähigkeit national verschieden geregelt ist. In Deutschland[56] können Ärzte aller Fachrichtungen – ohne besondere Zusatzqualifikation – Dronabinol (sowohl als Fertig- als auch als Rezepturarzneimittel), Nabilon und das Cannabis-basierende Sublingualspray Sativex auch off-label (außerhalb der zugelassenen Indikationen) im Rahmen eines individuellen Heilversuchs verordnen, wenn sich Arzt und Patient davon einen Nutzen versprechen. Seit dem 10. März 2017 können deutsche Ärzte ihren Patienten zudem Cannabisblüten und Cannabisextrakte verschreiben, die teilweise von den Krankenkassen bezahlt werden.

Pflanzliche Cannabiszubereitungen enthalten neben den Hauptwirkstoffen eine Reihe an natürlich vorkommenden Cannabinoiden, sodass sie sich in ihrem Wirkprofil von den isolierten Einzelsubstanzen unterscheiden können. Weitere auf Cannabisextrakt basierende Mittel, die auf einen festen Gehalt an THC und ggf. auch anderer Cannabinoide standardisiert sind, sind in der Entwicklung (Kapseln für die perorale Verabreichung, Sublingualtabletten).

Weniger arzneilich verwendet werden das Hanföl und das ätherische Hanföl. Nicht arzneilich verwendet werden das antiemetisch und psychoaktiv wirksame THC-Strukturanalogon Levonantradol oder das Nabitan.

Die orale, rektale oder transdermale Gabe sowie die Inhalation des vaporisierten (direkt verdampften) Cannabis stellen Alternativen zum Rauchen dar, besonders da bei der Vaporisation im Gegensatz zum Rauchen keine karzinogenen Verbrennungsprodukte entstehen.[57] Das Rauchen in Wasserpfeifen oder die Inhalation des Rauchs durch einen Filter kann den Teergehalt des Cannabisrauchs nicht verringern.[58] Eine randomisierte, doppelblinde und Placebo-kontrollierte Studie an 12 gesunden, männlichen Freiwilligen, die vaporisiertes reines THC (anstelle von Cannabis) inhalierten, zeigte dass THC nach Inhalation im Blutplasma nachgewiesen werden konnte, wobei die Plasmakonzentration zwischen den einzelnen Personen nur gering schwankte.[59]

Medizinische Cannabisblüten

Bediol, Cannabis flos aus den Niederlanden
Bedrocan, Cannabis flos aus den Niederlanden

In Deutschland können Patienten seit dem 10. März 2017 medizinische Cannabisblüten (lat. „Cannabis flos“ ) auf Rezept bekommen, wobei die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden können. Der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken wird unter staatlicher Aufsicht (Cannabisagentur) ermöglicht (siehe → Cannabis als Arzneimittel, Deutschland). Bis zur Lieferfähigkeit aus deutschem Anbau wird der Bedarf über Importe gedeckt. Mit Stand Februar 2017 waren medizinische Cannabisblüten in 14 Varietäten mit verschiedenen THC- und CBD-Nenngehalten für den Import verfügbar, die aus den Niederlanden und Kanada stammen. Die THC-Gehalte reichen von weniger als 1 bis hin zu ca. 22 %, die CBD-Gehalte von unter 0,05 bis ca. 10,2 %.[60]

In den Niederlanden werden Cannabisblüten unter staatlicher Aufsicht angebaut, der Handel untersteht dem Bureau voor Medicinale Cannabis (BMC). Fünf Sorten sind verschreibungspflichtig für die Human- und Tiermedizin erhältlich:[61] Bedrocan (THC ca. 22 %; CBD <1 %), Bedrobinol (THC ca. 13,5 %; CBD <1 %), Bediol (THC ca. 6,3 %; CBD ca. 8 %), Bedica (THC ca. 14 %; CBD <1 %; gemahlene Blüten) sowie Bedrolite (THC <1 %; CBD ca. 9 %). Der Verkaufspreis wird mit 34,50 € exkl. 6 % MwSt. für 5 Gramm Blüten angegeben (Stand Dezember 2015).[62]

In Österreich ist die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) durch das Suchtmittelgesetz ermächtigt, Cannabis zwecks Gewinnung von Wirkstoffen für die Arzneimittelherstellung anzubauen, um sie an Gewerbetreibende mit Herstellungserlaubnis oder Handelserlaubnis für Arzneimittel und Gifte abzugeben.[63] Ein Abnehmer ist das deutsche Unternehmen Bionorica, das daraus Cannabinoide gewinnt.[64]

Nabiximols

Das Mundspray mit dem Handelsnamen Sativex (Wirkstoff: Nabiximols, bestehend aus pflanzlichem THC und CBD) ist in Kanada, Großbritannien, Tschechien, Dänemark und Deutschland zugelassen.

Die Zulassung umfasst die Behandlung von neuropathischen Schmerzen und Spasmen bei multipler Sklerose sowie zur Behandlung von Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen in Zusammenhang mit Krebs- und AIDS-Erkrankungen. In Kanada umfasst die Zulassung die begleitende Behandlung von neuropathischen Schmerzen bei multipler Sklerose und die Schmerzbehandlung von Krebspatienten, bei denen eine Therapie mit Opioiden nicht anschlägt.[65]

Der Zulassung in Deutschland vorangegangen war im Mai 2011 die Umstufung von Cannabisextrakt als nicht verkehrsfähigem Betäubungsmittel (Anlage I des deutschen Betäubungsmittelgesetzes, BtMG) in die Gruppe der verschreibungsfähigen Betäubungsmittel (Anlage III des BtMG; nur als Fertigarzneimittel).[66]

Dronabinol

Dronabinol ist ein teilsynthetisch hergestellter Stoff, der in Deutschland verkehrs- und verschreibungsfähig im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes ist. Dronabinol ist eine zu Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) absolut strukturidentische Substanz, so dass beide Bezeichnungen teilweise synonym verwendet werden. In Deutschland ist Dronabinol nicht zugelassen; für die individuelle Therapie kann Dronabinol jedoch als Rezepturarzneimittel verordnet werden oder in Form des in den USA zugelassenen Fertigarzneimittels als Einzelimport gemäß § 73 AMG von dort bezogen werden. In den USA ist ein dronabinolhaltiges Fertigpräparat zur Behandlung der mit einem Gewichtsverlust einhergehenden Appetitlosigkeit (Anorexie) bei AIDS-Patienten sowie zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, verursacht durch Zytostatika in der Krebstherapie, zugelassen.

Nabilon

Der vollsynthetisch hergestellte THC-Abkömmling Nabilon ist wie Dronabinol in Deutschland als Betäubungsmittel verkehrs- und verschreibungsfähig, aber seit 1991 nicht mehr als Fertigarzneimittel im Markt. Präparate gibt es beispielsweise noch in Kanada oder in Großbritannien.[67] Sie sind angezeigt zur Behandlung von Appetitlosigkeit und Abmagerung (Kachexie) bei AIDS-Patienten sowie zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei Chemo- und Strahlentherapie im Rahmen einer Krebstherapie.

Rechtslage

Die weltweit rechtliche Situation von medizinischem Cannabis · Stand: September 2017
legal / teilweise legal
entkriminalisiert
keine zwingende Strafverfolgung
illegal
keine Information

Deutschland

In Deutschland ist Cannabis („Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen“) seit 2011[68] ein verkehrs- und verschreibungsfähiges Arzneimittel – sofern es „in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind“ enthalten ist oder, seit März 2017,[69] aus staatlich kontrolliertem Anbau beziehungsweise bis zur Einrichtung dieser aus Importen stammt.[70]

In anderen Formen war bis März 2017 Cannabis lediglich für die Arzneimittelherstellung,[71] und nur mit Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke zur Anwendung im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie für die therapeutische Verwendung verkehrsfähig.[72][73] 2007 war solch eine Ausnahmegenehmigung erstmals für eine an multipler Sklerose erkrankte Patientin erteilt worden, da eine solche Genehmigung nach dem Gesetz „nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“ möglich ist. Vorangegangen war die Legitimation durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes im Jahr 2005, das in dieser Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung einen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG sah.[74]

Die Bundesregierung beschloss am 4. Mai 2016 einen Gesetzesentwurf, der die Versorgung der Patienten mit natürlichem Cannabis und die Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen ermöglichen soll[75] und der am 19. Januar 2017 vom Bundestag einstimmig verabschiedet wurde. Nach der am 9. März 2017 veröffentlichten Verkündung[69] können bedürftige, chronisch Schwerkranke Cannabis auf Rezept bekommen, wobei die Kosten unter Umständen von den Krankenkassen übernommen werden. Ärzte sollen eigenverantwortlich entscheiden, ob eine Cannabis-Therapie sinnvoll ist, auch wenn im Einzelfall noch andere Behandlungsoptionen bestehen. "Die Patienten müssen also nicht "austherapiert" sein, wie es anfangs hieß, bevor sie einen Anspruch auf ein Cannabis-Rezept haben."[76] Der Arzt darf einem Patienten im Monat bis zu 100 Gramm Cannabis in Form getrockneter Blüten oder bis zu 1 Gramm – bezogen auf den Δ9-THC-Gehalt – als Extrakt in standardisierter pharmazeutischer Qualität verschreiben (Änderung der §§ 1 und 2 BtMVV). Um die Versorgung sicherzustellen, wird der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland ermöglicht. Dazu wird eine staatliche Cannabisagentur eingerichtet, die den Anbau und Vertrieb koordiniert und kontrolliert und am BfArM angesiedelt ist.[77] Der Eigenanbau bleibt weiterhin verboten (auch wenn es diesbezüglich bereits befristete Ausnahmegenehmigungen gibt[78]). Ausnahmegenehmigungen der Bundesopiumstelle am BfArM für den Erwerb von Medizinalhanfprodukten entfallen damit in Zukunft. Mit der am 10. März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderung soll eine anonymisierte Begleitstudie des BfArM beginnen, um die Wirkung der Therapie mit Medizinalhanf besser zu ergründen.[79][80]

Der Deutsche Hanfverband begrüßte das neue Gesetz grundsätzlich, kritisierte jedoch, dass dadurch vor allem der Eigenanbau verhindert werden solle. Der Geschäftsführer Georg Wurth sagte dazu:

Neben der Kostenersparnis für die Krankenkassen ist auch die riesige Sortenvielfalt beim Cannabis ein Thema. Manche Patienten haben positive Erfahrungen mit einer ganz bestimmten Sorte und wollen diese weiterhin nutzen.[81]

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im April 2016 in einem Revisionsverfahren einem unheilbar kranken Mann den Eigenanbau von Cannabis zu Selbsttherapie ausnahmsweise erlaubt.[82] Mit dem Urteil verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht damit zum ersten Mal das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen, da das Betäubungsmittel für die medizinische Versorgung notwendig sei und keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung stehe. Davon unberührt bleibe die Befugnis des BfArM, die Erlaubnis mit Nebenbestimmungen zu versehen.

Österreich

In Österreich sind Zubereitungen aus Cannabis gemäß § 14 Zif. 3 Suchtgiftverordnung nicht verschreibbar. Ausgenommen sind lediglich zugelassene Fertigarzneimittel (Arzneispezialitäten).[83]

Schweiz

In der Schweiz muss für eine Therapie mit Dronabinol vom Arzt eine patientenspezifische Ausnahmebewilligung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) beantragt werden. Da Dronabinol keine Pflichtleistung der Krankenkassen ist, muss eine Kostenübernahme im Vorfeld und im Einzelfall abgeklärt werden; bei manchen Kassen braucht es dafür eine Zusatzversicherung.[84] Bereits über 500 Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose, Angststörungen, Epilepsie, Morbus Crohn, Parkinson-Krankheit, Polyarthritis, Restless-Legs-Syndrom, Tourette-Syndrom oder Tumorschmerzen profitieren von der ärztlichen Verschreibung von Cannabidiol. Multiple Sklerose-Betroffene können das rezeptpflichtige Medikament Sativex, das CBD und THC enthält, gegen Verkrampfungen einnehmen.[85]

Seit 2011 ist in der Schweiz Cannabisanbau mit einem THC-Gehalt bis zu 1 % zulässig, dies vor allem wegen der natürlichen Schwankungen in den Hanfpflanzen; zuvor lag der Grenzwert bei 0.3 %, der aber nicht regelmässig eingehalten werden konnte. Seither nimmt der industrielle Hanfanbau für medizinische Zwecke in der Schweiz zu.[86]

International

Zurzeit gehören Belgien, die Niederlande, Spanien, Italien, Finnland, Portugal, Tschechien, Israel, Kanada, Großbritannien, Neuseeland, Griechenland, Polen, Dänemark, Paraguay, Peru, Puerto Rico sowie 25 (aus 50) Bundesstaaten der USA zu den Staaten, in denen Cannabis oder seine Wirkstoffe arzneilich genutzt werden können.[87][88][89][90][91][92][93][94][95]

Siehe auch

Portal: Hanf – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Hanf

Literatur

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Einzelnachweise

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  80. Schwerkranke: Bundestag lässt Cannabis auf Rezept zu. via Spiegel Online, 19. Januar 2017;.
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  83. Suchtgiftverordnung, ris.bka.gv.at
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