„Fluoride“ – Versionsunterschied
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:Zum Vergleich: In einer Tube Zahnpasta (100 g bzw. 75 ml) mit einem Fluoridgehalt von 1000 ppm ([[parts per million]], Teile einer Million) befinden sich 100 mg Fluorid. Ein 15 kg schweres Kind hätte beim Verzehr der gesamten Tube Zahnpasta die wahrscheinlich toxische Dosis damit überschritten. |
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Chronisch kann jedoch eine deutlich geringere Dosis toxisch wirken.<ref>G.M. Whitford: ''The Metabolism and Toxicity of Fluoride''. Monographs in Oral Science (Editor Howard M. Myers) Vol. 13, Karger, Basel 1989</ref><ref>Oskar Eichler et al.: ''Pharmacology of Fluorides'', Handbuch der experimentellen Pharmakologie, Vol. XX.1 und XX.2, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1966 und 1970</ref> |
Chronisch kann jedoch eine deutlich geringere Dosis toxisch wirken.<ref>G.M. Whitford: ''The Metabolism and Toxicity of Fluoride''. Monographs in Oral Science (Editor Howard M. Myers) Vol. 13, Karger, Basel 1989</ref><ref>Oskar Eichler et al.: ''Pharmacology of Fluorides'', Handbuch der experimentellen Pharmakologie, Vol. XX.1 und XX.2, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1966 und 1970</ref> |
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Die Aufnahme durch [[Schwangerschaft|Schwangere]] kann nach neusten Befunden auch in üblichen Mengen den [[Intelligenzquotient|IQ]] der späteren Kindern (im Alter von 3-4 Jahren) stark verringern (4.5 IQ Punkte weniger für Jungen pro 1 mg/L Flourid im Urin der Mutter während der Schwangerschaft; 3.66 IQ Punkte pro 1 mg druchschnittliche tägliche Aufnahme der Mutter während der Schwangerschaft.)<ref>{{Literatur |Autor=Rivka Green, Bruce Lanphear, Richard Hornung, David Flora, E. Angeles Martinez-Mier |Titel=Association Between Maternal Fluoride Exposure During Pregnancy and IQ Scores in Offspring in Canada |Sammelwerk=JAMA Pediatrics |Datum=2019-08-19 |ISSN=2168-6203 |DOI=10.1001/jamapediatrics.2019.1729 |Online=https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2748634 |Abruf=2019-08-21}}</ref> |
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Wasserunlösliche oder schwerlösliche Fluoride wie Calciumfluorid und [[Aluminiumfluorid]] besitzen eine wesentlich geringere Toxizität. Es besteht jedoch immer die Gefahr der Bildung des ebenfalls hochtoxischen Fluorwasserstoffs beim Kontakt mit starken Säuren. |
Wasserunlösliche oder schwerlösliche Fluoride wie Calciumfluorid und [[Aluminiumfluorid]] besitzen eine wesentlich geringere Toxizität. Es besteht jedoch immer die Gefahr der Bildung des ebenfalls hochtoxischen Fluorwasserstoffs beim Kontakt mit starken Säuren. |
Version vom 21. August 2019, 12:41 Uhr
Fluoride sind die Salze der Fluorwasserstoffsäure (HF), die auch als Flusssäure bekannt ist. Sie enthalten in ihrem Ionengitter als negative Gitterbausteine (Anionen) Fluorid-Ionen (F−). Daneben werden auch kovalente, nicht-ionische Verbindungen von Nichtmetallen sowie organische Fluorverbindungen wie etwa die Fluorkohlenwasserstoffe oder Carbonsäurederivate veraltet als Fluoride bezeichnet.
Natürliches Vorkommen
Fluoride kommen in Form vieler Mineralien in der Natur und im menschlichen Körper vor. Wichtigster Vertreter ist der Fluorit (CaF2), ferner Yttrofluorit, ein Additions-Mischkristall mit YF3, und Cerfluorit (auch Yttrocerit), der neben Yttrium noch Cer, Erbium und Hydratwasser enthält. Weitere Fluoride sind Frankdicksonit (BaF2), Gagarinit (NaCaYF6), Tysonit (auch Fluocerit, (Ce,La,Se)F3) und Neighborit (NaMgF3). Komplexe Fluoride enthalten ein weiteres Element innerhalb eines Anion-Komplexes, wie etwa Bor, Aluminium oder Silicium, und bilden dann z. B. Hexafluorosilikate oder Tetrafluorborate. Vertreter sind hier das Ferruccit (NaBF4), Avogadrit ((K,Cs)BF4), Malladrit (Na2SiF6), Hieratit (K2SiF6), Kryolithionit (Na3Al2Li3F12), Kryolith (Na3AlF6), Elpasolith (K2Na[AlF6]), Jarlit (NaSr2[AlF6]2), Usovit (Ba2Mg[AlF6]2) und Weberit (Na2MgAlF7).[1]
Anorganische Fluoride
Wichtige salzartige Fluoride
Einige wichtige Fluoride sind:
- Aluminiumfluorid (AlF3)
- Ammoniumfluorid (NH4F)
- Calciumfluorid (CaF2, Fluorit oder Flussspat)
- Natriumfluorid (NaF)
- Zinn(II)-fluorid (SnF2)
Hydrogendifluoride
Neben den einfachen Fluoriden existieren auch Hydrogendifluoride der Zusammensetzung Me+[HF2]−, wie etwa Natriumhydrogendifluorid (NaHF2) und Kaliumhydrogendifluorid (KHF2). Diese enthalten das lineare [FHF]−-Anion. Darstellung ist aus wässrigen Lösungen der Fluoride unter Anwesenheit eines Überschusses Fluorwasserstoff (HF) möglich. Beim Erhitzen spalten die Hydrogendifluoride den Fluorwasserstoff wieder ab.[1]
Darstellung:
Zersetzung durch Erhitzen:
Auch molekular aufgebaute anorganische Fluorverbindungen wie die Hexafluoride Platin(VI)-fluorid, Uran(VI)-fluorid oder Plutonium(VI)-fluorid werden häufig als Fluoride bezeichnet.
Organische Fluoride
In den meisten organischen Fluoriden ist das Fluoratom kovalent gebunden, Beispiele:
- Sarin (C4H10FO2P),
- Tetrafluormethan (CF4)
- Trifluormethan (CHF3)
- Chlordifluormethan (CHClF2)
Es gibt jedoch auch organische Fluorverbindungen in denen das Fluoratom salzartig als Fluorid-Anion enthalten ist. Beispiele:
Nachweis
Physikalische Analyseverfahren
Professionell werden heute Fluoride in Mineralien und Feststoffen mit Röntgenfluoreszenzanalyse, Röntgenbeugung oder Massenspektrometrie bestimmt, in Flüssigkeiten mit Fluorid-Elektroden, IR- oder NMR-Verfahren.
Nasschemisch
Mit einfachen Labormethoden lässt sich Fluorid durch den Bleitiegeltest oder die Ätzprobe nachweisen. Versetzt man mit Schwefelsäure, so entsteht Fluorwasserstoff, der das Glasbehältnis anätzt.
Gibt man die Probe in einen Bleitiegel mit gepulverter Kieselsäure oder Natriumsilicat und überschichtet anschließend Schwefelsäure, so bildet sich Siliciumtetrafluorid-Gas:
Der Tiegel wird wieder verschlossen und die Abdeckung mit Wasser befeuchtet. Das Siliciumtetrafluorid reagiert mit dem Wasser wieder zu Silicat, das sich kraterförmig im Wassertropfen absetzt.[2]
Anwendungen
Fluoride werden vor allem als Flussmittel in der Metallurgie, zur Synthese von organischen Fluorchemikalien sowie zur gasdichten Versiegelung von Kraftstoffbehältern verwendet; dabei werden die Kunststofftanks aus z. B. PA (Polyamid) mit dem gelösten Fluorid bedampft, dadurch diffundiert dieses ca. 3–4 Mikrometer in die Oberfläche ein.
Als Fluoridierung bezeichnet man die Zugabe von Fluoriden insbesondere zu Speisesalz, Trinkwasser, Milch, Tabletten und Zahnpasten zur Prophylaxe von Zahnkaries.
Laut einem im Jahr 2013 veröffentlichten Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist Fluorid kein essentieller Nährstoff, da es weder Wachstumsprozessen noch der Zahnentwicklung dient und Zeichen eines Fluoridmangels nicht identifiziert werden konnten. Fluorid kann sowohl topisch als auch systemisch verabreicht die Kariesprophylaxe unterstützen.[3] Obwohl Fluoride seit Jahrzehnten in der Kariesprophylaxe verwendet werden ist der tatsächliche Wirkmechanismus unbekannt. Es wird angenommen, dass es bei Anwesenheit von Fluoriden in der Mundhöhle zu einer „beschleunigten“ Remineralisation mit Calcium- und Phosphationen aus dem Speichel kommt.[3] Eine Übersichtsarbeit von 2010 weist darauf hin, dass Fluoride erst ab einer Konzentration von 1000 ppm wirksam sind.[4] Demzufolge sind Kinderzahnpasten mit 500 ppm ohne signifikante Wirkung im Vergleich zu einer Zahnpasta ohne Wirkstoff (Placebo).
Toxikologie
Fluoride gelten als Nervengift[5]
Die Toxikologie von Fluoriden ist von zahlreichen Faktoren abhängig, wie der Art des Fluorids, dessen Löslichkeitsverhalten, Art der Einwirkung, die Resorptionsgeschwindigkeit im Magen, dem Säure-Basen-Haushalt und dem pH-Wert des aufgenommenen Fluorids. Bei oraler Aufnahme (in kleinen Mengen ist Fluorid zum Beispiel in Trinkwasser/Mineralwasser enthalten) erfolgt eine schnelle und nahezu vollständige Resorption löslicher Fluoride über die Magenschleimhaut, da die Salze durch die Salzsäure des Magens Fluorwasserstoff bilden, der als ungeladenes Molekül rasch resorbiert wird.
Die sicher toxische Dosis (certainly toxic dose, CTD) liegt bei 32 bis 64 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht, bei Kindern bei 16 mg/kg. Bei Kleinkindern liegt die wahrscheinlich toxische Dosis (probably toxic dose, PTD) bei 5 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht.[6]
- Zum Vergleich: In einer Tube Zahnpasta (100 g bzw. 75 ml) mit einem Fluoridgehalt von 1000 ppm (parts per million, Teile einer Million) befinden sich 100 mg Fluorid. Ein 15 kg schweres Kind hätte beim Verzehr der gesamten Tube Zahnpasta die wahrscheinlich toxische Dosis damit überschritten.
Chronisch kann jedoch eine deutlich geringere Dosis toxisch wirken.[7][8]
Die Aufnahme durch Schwangere kann nach neusten Befunden auch in üblichen Mengen den IQ der späteren Kindern (im Alter von 3-4 Jahren) stark verringern (4.5 IQ Punkte weniger für Jungen pro 1 mg/L Flourid im Urin der Mutter während der Schwangerschaft; 3.66 IQ Punkte pro 1 mg druchschnittliche tägliche Aufnahme der Mutter während der Schwangerschaft.)[9]
Wasserunlösliche oder schwerlösliche Fluoride wie Calciumfluorid und Aluminiumfluorid besitzen eine wesentlich geringere Toxizität. Es besteht jedoch immer die Gefahr der Bildung des ebenfalls hochtoxischen Fluorwasserstoffs beim Kontakt mit starken Säuren.
Die Giftwirkung (Fluorose) beruht teils auf der Ausfällung des vom Stoffwechsel benötigten Calcium als Calciumfluorid, teils aus der Wirkung als Protoplasma- und Zellgift, das bestimmte Enzymsysteme und die Proteinsynthese hemmt. Sie äußert sich in Schädigungen des Skeletts, der Zähne, der Lungenfunktion, der Haut und in Stoffwechselstörungen.
Symptome einer akuten Fluoridvergiftung sind starke Schmerzen in Magen und Darm und hinter dem Brustbein, Krämpfe, Bewusstlosigkeit und schwere Stoffwechselstörungen. Fluorwasserstoff verursacht in höheren Konzentrationen starke Verätzungen bis zur Zerstörung von Zellen.
Als Antidot bei Fluoridvergiftungen dient Calciumgluconat.[10][11] Als Erste-Hilfe-Maßnahme sind auch andere calciumhaltige Mittel wirksam; beispielsweise kann es helfen, Milch zu trinken, um damit die Resorption der Fluoridionen zu hemmen.[12]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b Wissenschaft-Online-Lexika: Eintrag zu Fluoride, in: Lexikon der Geologie, abgerufen am 10. Juli 2008.
- ↑ Biltz-Klemm-Fischer, 1966.
- ↑ a b Matthias Epple, Joachim Enax: Moderne Zahnpflege aus chemischer Sicht. In: Chemie in unserer Zeit. Band 52, Nr. 4, 2018, S. 218–228, doi:10.1002/ciuz.201800796.
- ↑ Tanya Walsh, Helen V. Worthington, Anne-Marie Glenny, Priscilla Appelbe, Valeria C.C. Marinho: Fluoride toothpastes of different concentrations for preventing dental caries in children and adolescents. In: Cochrane Database of Systematic Reviews. 20. Januar 2010, ISSN 1465-1858, doi:10.1002/14651858.cd007868.pub2.
- ↑ Philippe Grandjean, Philip J Landrigan: Neurobehavioural effects of developmental toxicity. The Lancet 13 (3), S. 330–338 (2014), doi:10.1016/S1474-4422(13)70278-3
- ↑ E. Hellwig, J. Klimek, T. Attin: Einführung in die Zahnerhaltung – Prüfungswissen Kariologie, Endodontologie und Parodontologie. 6. Auflage. Deutscher Zahnärzteverlag, 2013, S. 145ff
- ↑ G.M. Whitford: The Metabolism and Toxicity of Fluoride. Monographs in Oral Science (Editor Howard M. Myers) Vol. 13, Karger, Basel 1989
- ↑ Oskar Eichler et al.: Pharmacology of Fluorides, Handbuch der experimentellen Pharmakologie, Vol. XX.1 und XX.2, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1966 und 1970
- ↑ Rivka Green, Bruce Lanphear, Richard Hornung, David Flora, E. Angeles Martinez-Mier: Association Between Maternal Fluoride Exposure During Pregnancy and IQ Scores in Offspring in Canada. In: JAMA Pediatrics. 19. August 2019, ISSN 2168-6203, doi:10.1001/jamapediatrics.2019.1729 (jamanetwork.com [abgerufen am 21. August 2019]).
- ↑ Eintrag zu Antidot. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
- ↑ Eintrag zu Gluconate. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
- ↑ Jürgen Stein (Hrsg.): Praxishandbuch klinische Ernährung und Infusionstherapie. Springer 2003, ISBN 978-3-642-55896-2, S. 120, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche