„Toxische Männlichkeit“ – Versionsunterschied

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'''Toxic masculinity''' (deutsch „toxische Männlichkeit“ oder „giftige [[Männlichkeit]]“) ist eine Bezeichnung für ein Verhalten von Männern, das als schädlich für die Gesellschaft oder Männer selbst gesehen wird. Der Begriff wurde in der mythopoetischen [[Männerbewegung]] der 1980er- und 1990er-Jahre geprägt und fand von dort ihren Weg in die akademische und politische Literatur. Er wurde anfangs überwiegend für Männer am Rande der Gesellschaft gebraucht, etwa in [[Gefängnis|Gefängnissen]], um deren aggressives und kriminelles Verhalten zu beschreiben. Als wesentlich für die Ausbildung eines solchen Verhaltens wurde eine fehlende oder gestörte Vater-Sohn-Beziehung gesehen.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Dr. Carol Harrington |Titel=What is “Toxic Masculinity” and Why Does it Matter? |Sammelwerk=Men and Masculinities |Datum=2020-07-17 |ISSN=1097-184X |DOI=10.1177/1097184X20943254 |Seiten=1097184X2094325 |Online=http://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1097184X20943254 |Abruf=2020-12-17}}</ref>
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'''Toxic masculinity''' (deutsch „toxische Männlichkeit“ oder „giftige Männlichkeit“) ist ein Begriff, der aus der Soziologie stammt und dort ursprünglich im Kontext der Verhandlungen um [[hegemoniale Männlichkeit]] entstanden ist. Arbeiten zur hegemonialen Männlichkeit untersuchen die sozialen Praktiken und systemischen Machtstrukturen einer Gesellschaft, die die dominante Position von Männern beibehalten bzw. bestärken. Beachtung finden hierbei auch die in einer Gesellschaft vorherrschenden Vorstellungen von Männlichkeit, die sich anhand entsprechender Verhaltensweisen und Beziehungskonzepten von Männern und kollektiven männlichen Strukturen beschreiben lassen. Die soziologische [[Gender Studies|Geschlechterforschung]] geht davon aus, dass einige der Verhaltensweisen und Umgangsformen zur Demonstration von Männlichkeit als giftig oder schädlich zu begreifen sind, vor allem, da sie ein sehr eindimensionales und schablonenhaftes Bild von Mann-Sein entwerfen.


2019 sah Maya Salam von der [[The New York Times|New York Times]] den Begriff toxische Männlichkeit, der einst in den Klassenzimmern der [[Frauenforschung]] zirkulierte, nun überall präsent. Ihrer Ansicht zufolge meint der Begriff nicht, dass alle Männer inhärent toxisch seinen, sondern die stereotypen, repressiven Vorstellungen der männlichen [[Geschlechterrolle]] in einer Gesellschaft, die limitieren, welche Art von [[Emotionen]] und Verhaltensweisen Jungen und Männer an den Tag legen dürfen (und welche nicht).<ref>{{Literatur |Autor=Maya Salam |Titel=What Is Toxic Masculinity? |Sammelwerk=The New York Times |Datum=2019-01-22 |ISSN=0362-4331 |Online=https://www.nytimes.com/2019/01/22/us/toxic-masculinity.html |Abruf=2019-03-13}}</ref>
2019 sah Maya Salam von der [[The New York Times|New York Times]] den Begriff toxische Männlichkeit, der einst in den Klassenzimmern der [[Frauenforschung]] zirkulierte, nun überall präsent. Ihrer Ansicht zufolge meint der Begriff nicht, dass alle Männer inhärent toxisch seinen, sondern die stereotypen, repressiven Vorstellungen der männlichen [[Geschlechterrolle]] in einer Gesellschaft, die limitieren, welche Art von [[Emotionen]] und Verhaltensweisen Jungen und Männer an den Tag legen dürfen (und welche nicht).<ref>{{Literatur |Autor=Maya Salam |Titel=What Is Toxic Masculinity? |Sammelwerk=The New York Times |Datum=2019-01-22 |ISSN=0362-4331 |Online=https://www.nytimes.com/2019/01/22/us/toxic-masculinity.html |Abruf=2019-03-13}}</ref>
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== Geschichte ==
== Geschichte ==
Neben der akademischen Verortung in der Soziologie, Psychologie und Geschlechterforschung lässt sich die Idee toxischer Maskulinität vor allem auf die Anschauungen der mythopoetischen [[Männerbewegung]] der 1980er- und 1990er-Jahre zurückführen. Zu dieser Zeit wendeten sich Männer gegen die traditionellen Männlichkeitskonzepte der Nachkriegszeit; durch Selbsthilfe wollten sie ihre wahre Männlichkeit von jener giftigen Männlichkeit trennen, die die Gesellschaft ihnen aufgezwungen hatte. Toxische Maskulinität steht hierbei für die Gender-Norm, die Männer zwingt, ihre Gefühle zu unterdrücken und sich dominant bis aggressiv zu geben.
Neben der akademischen Verortung in der Soziologie, Psychologie und Geschlechterforschung lässt sich die Idee toxischer Maskulinität vor allem auf die Anschauungen der mythopoetischen Männerbewegung der 1980er- und 1990er-Jahre zurückführen. Zu dieser Zeit wendeten sich Männer gegen die traditionellen Männlichkeitskonzepte der Nachkriegszeit; durch Selbsthilfe wollten sie ihre wahre Männlichkeit von jener giftigen Männlichkeit trennen, die die Gesellschaft ihnen aufgezwungen hatte. Toxische Maskulinität steht hierbei für die Gender-Norm, die Männer zwingt, ihre Gefühle zu unterdrücken und sich dominant bis aggressiv zu geben.


Die mythopoetische Männerbewegung will die archetypische Vorstellung vom Mann als ''Krieger oder König'' hinter sich lassen und die Vorstellung eines biologischen Determinismus („Männer sind eben so“) und hierarchischen Denkens („Männern steht eine dominante Position zu“) kritisch hinterfragen. Shepherd Bliss, einer der führenden Köpfe der Männerbewegung, setzt dagegen das Bild einer kooperativen Männlichkeit der präindustriellen Zeit, in der Männer gemeinsam arbeiteten anstatt gegeneinander.<ref>{{Internetquelle |autor=Martin Robinson |url=https://thebookofman.com/mind/masculinity/what-is-toxic-masculinity/ |titel=What is toxic masculinity? A sensible person's guide |werk=The Book of Man |hrsg= |datum=2018-11-29 |zugriff=2019-03-14 |sprache=en}}</ref> Bliss hat eine Reihe an Vorschlägen gemacht, wie toxische Maskulinität überwunden werden könne, darunter:
Die mythopoetische Männerbewegung will die archetypische Vorstellung vom Mann als ''Krieger oder König'' hinter sich lassen und die Vorstellung eines biologischen Determinismus („Männer sind eben so“) und hierarchischen Denkens („Männern steht eine dominante Position zu“) kritisch hinterfragen. Shepherd Bliss, einer der führenden Köpfe der Männerbewegung, setzt dagegen das Bild einer kooperativen Männlichkeit der präindustriellen Zeit, in der Männer gemeinsam arbeiteten anstatt gegeneinander.<ref>{{Internetquelle |autor=Martin Robinson |url=https://thebookofman.com/mind/masculinity/what-is-toxic-masculinity/ |titel=What is toxic masculinity? A sensible person's guide |werk=The Book of Man |hrsg= |datum=2018-11-29 |zugriff=2019-03-14 |sprache=en}}</ref> Bliss hat eine Reihe an Vorschlägen gemacht, wie toxische Maskulinität überwunden werden könne, darunter:

Version vom 17. Dezember 2020, 18:56 Uhr

Toxic masculinity (deutsch „toxische Männlichkeit“ oder „giftige Männlichkeit“) ist eine Bezeichnung für ein Verhalten von Männern, das als schädlich für die Gesellschaft oder Männer selbst gesehen wird. Der Begriff wurde in der mythopoetischen Männerbewegung der 1980er- und 1990er-Jahre geprägt und fand von dort ihren Weg in die akademische und politische Literatur. Er wurde anfangs überwiegend für Männer am Rande der Gesellschaft gebraucht, etwa in Gefängnissen, um deren aggressives und kriminelles Verhalten zu beschreiben. Als wesentlich für die Ausbildung eines solchen Verhaltens wurde eine fehlende oder gestörte Vater-Sohn-Beziehung gesehen.[1]

Feministen benutzten den Begriff seit den 2000er-Jahren – insbesondere seit 2016 im Kontext von Donald Trump und #MeToo – in abwertender und misandrischer Weise in Literatur und Medien. Oftmals fehlt eine klare Definition des Begriffs oder der Bezug zu anderen theoretischen Konzepten über Männlichkeit. Der Begriff wird in feministischer Literatur als Antwort auf die Wiederkehr rechtsgerichteter maskulinistischer Politik verwendet.[1]

2019 sah Maya Salam von der New York Times den Begriff toxische Männlichkeit, der einst in den Klassenzimmern der Frauenforschung zirkulierte, nun überall präsent. Ihrer Ansicht zufolge meint der Begriff nicht, dass alle Männer inhärent toxisch seinen, sondern die stereotypen, repressiven Vorstellungen der männlichen Geschlechterrolle in einer Gesellschaft, die limitieren, welche Art von Emotionen und Verhaltensweisen Jungen und Männer an den Tag legen dürfen (und welche nicht).[2]

Diese Verhaltensformen der toxischen Maskulinität werden gesellschaftlich eingefordert und forciert; darunter fällt das Belächeln, Auslachen, Kleinreden, Verurteilen, Verletzen, Bloßstellen, Beleidigen, Beschimpfen und Diskriminieren von Männern, die nicht der Idee des wahren Mann-Seins entsprechen. Eines der zentralen Anliegen der Geschlechterforschung, die sich mit toxischer Maskulinität beschäftigt, ist es daher aufzuzeigen, dass auch Männer unter den Machtstrukturen des Patriarchats, d. h. den so propagierten Männlichkeitsbildern und Rollenklischees, leiden können.[3][4]

Geschichte

Neben der akademischen Verortung in der Soziologie, Psychologie und Geschlechterforschung lässt sich die Idee toxischer Maskulinität vor allem auf die Anschauungen der mythopoetischen Männerbewegung der 1980er- und 1990er-Jahre zurückführen. Zu dieser Zeit wendeten sich Männer gegen die traditionellen Männlichkeitskonzepte der Nachkriegszeit; durch Selbsthilfe wollten sie ihre wahre Männlichkeit von jener giftigen Männlichkeit trennen, die die Gesellschaft ihnen aufgezwungen hatte. Toxische Maskulinität steht hierbei für die Gender-Norm, die Männer zwingt, ihre Gefühle zu unterdrücken und sich dominant bis aggressiv zu geben.

Die mythopoetische Männerbewegung will die archetypische Vorstellung vom Mann als Krieger oder König hinter sich lassen und die Vorstellung eines biologischen Determinismus („Männer sind eben so“) und hierarchischen Denkens („Männern steht eine dominante Position zu“) kritisch hinterfragen. Shepherd Bliss, einer der führenden Köpfe der Männerbewegung, setzt dagegen das Bild einer kooperativen Männlichkeit der präindustriellen Zeit, in der Männer gemeinsam arbeiteten anstatt gegeneinander.[5] Bliss hat eine Reihe an Vorschlägen gemacht, wie toxische Maskulinität überwunden werden könne, darunter:

  1. Vater-Sohn-Beziehung: Väter sollten ihre Söhne nicht auf Distanz halten, sondern ihnen genauso Liebe und Zuneigung zeigen wie Mütter. Bliss appelliert auch dafür, den eigenen Vätern zu vergeben, falls sie nicht gleichermaßen in der Lage waren, Fürsorge zu zeigen.
  2. Das Pflegen von Freundschaften unter Männern, die nicht auf Wettbewerb, sondern auf Kooperation und gegenseitige Unterstützung ausgerichtet sind.
  3. Auf das Wohl des eigenen Körpers achten, und seine Warnsignale ernst nehmen (medizinische und therapeutische Hilfe suchen, falls nötig).
  4. Das Etablieren von Modi, in denen Männer Intimität zulassen können (keine sexuelle Intimität, sondern ein gegenseitiges Vertrauen).
  5. Das Etablieren von Modi, in denen Männer Gefühle zulassen und zeigen können anstatt sie zu unterdrücken.
  6. Der Einsatz für ein positiveres Körperbild des Manns, nicht das Beschämen des eigenen Körpers und anderer für ihr Aussehen.[6]

Robert Bly hat in seinem Werk Iron John: A Book about Men (1990) dargelegt, wie Männer in einer toxischen Maskulinität gefangen seien, die von ihnen vor allem Effizienz, Wettbewerb und emotionale Distanz verlange und sie so voneinander fernhalte; Nähe und Wärme erfahren Jungen und Männer dank dem Fehlen der Väter daher vor allem durch Frauen.[7][8]

Zugeschriebene Eigenschaften

Zu diesem (als toxisch verstandenen) Bild von Maskulinität zählen u. a.:

  • Männer dürfen keine Schwäche zeigen, sondern müssen hart sein.
  • Gefühle sollten weitestgehend versteckt oder unterdrückt werden, es sei denn, es handelt sich um Wut oder Aggression. Konflikte werden durch Gewalt gelöst.
  • Ein wahrer Mann artikuliert seine Ängste und Sorgen nicht, sondern behält sie für sich.
  • Männer sind nicht überfordert oder hilflos; sie packen Probleme an und bewältigen sie, ohne andere um Hilfe bitten zu müssen.
  • Verhaltensformen, die als verweichlicht oder weibisch gelten (Weinen, Schüchternheit, Angst, liebevolle oder zärtliche Gesten etc.), gehören sich nicht für einen richtigen Mann.
  • Männer sind im Umgang mit anderen grundsätzlich auf Wettbewerb und Dominanz ausgerichtet, nicht auf Kooperation.
  • Ein echter Mann will immer Sex und ist auch immer dazu bereit.
  • Männer und Frauen sind grundsätzlich nicht in der Lage, einander zu verstehen oder miteinander befreundet zu sein.
  • Männer, deren Körper nicht dem maskulinen Idealbild entsprechen (breitschultrig, muskulös, hochgewachsen, schmerzresistent), werden nicht ernst genommen oder verlacht.

Männlichkeit müsse hierbei laut Frederik Müller vom Missy Magazine immer wieder unter Beweis gestellt werden, zum Beispiel durch Mutproben, Trinkspiele, physisches Kräftemessen oder Erniedrigungsrituale anderen gegenüber.[9]

Erklärungsmodelle

Häufig wird auf (evolutions)biologische Faktoren hingewiesen, die toxische Maskulinität durch die Natur des Manns zu erklären versucht. Männer seien dank der Notwendigkeit, zu überleben (natural selection) und sich fortzupflanzen (sexual selection), darauf gepolt, aggressiv und dominant aufzutreten.[10] Das Toxin sei demnach Testosteron, das die Männer zur Gefahr mache.[11]

Gegen den biologischen Erklärungsansatz steht die Annahme, dass Formen toxischer Maskulinität meist schon von Kindesbeinen an als sozial normiertes Verhalten erlernt werden („Jungs weinen nicht“, „Jungs prügeln sich halt mal“). Wird aggressives Verhalten bei Mädchen eher unterbunden, wird es bei Jungs eher toleriert oder sogar noch unterstützt. Autor Jack Urwin hat hierzu festgehalten:

„Im Englischen gibt es den Begriff ‚toxic masculinity‘, also einer Form von Männlichkeit, die auf Dominanz und Gewalt basiert und Gefühle nicht zulässt. Es ist ein Problem, wenn Jungs und Männern immer wieder erzählt wird, dass ein ‚richtiger Kerl‘ nicht weine, eine ausschweifende und geradezu animalische Sexualität habe und alles, was sich ihm in den Weg stellt, eigenhändig beiseiteräumen müsse - ein Problem für Frauen und Männer. Es ist diese Form von Männlichkeit, die wir thematisieren müssen. Dass sie weitverbreitet ist, heißt nicht, dass sie in der ‚Natur‘ von irgendwem liegt.“[12]

Zu den möglichen Folgen toxischer Maskulinität gehören ein risikoreicheres und gewaltbereiteres Verhalten, aber auch Einsamkeit und soziale Isolation, Depressionen und eine höhere Suizidrate, vor allem, da Betroffene sich aufgrund des vermeintlichen Stigmas nicht in Therapie begeben.[13][14] Vermutet wird auch ein tendenziell höheres Risiko zu Arbeitssucht (bis zum Burn-out), Alkoholabhängigkeit und Drogenmissbrauch.

Mediale Verarbeitungen

Eine Reihe an Mediendarstellungen setzt sich mit dem Konzept toxischer Maskulinität auseinander.

Auch der Disney-Pixar-Animationskurzfilm Purl, veröffentlicht am 4. Februar 2019, beschäftigt sich mit der Thematik: Hier ist es ein Wollknäuel, das sich in der männlichen Arbeitswelt behaupten muss, aber als zu weich wahrgenommen wird und daraufhin das eigene Aussehen und Verhalten anpasst.[15]

Die Organisation White Ribbon hat am 26. Februar 2019 ebenfalls das PSA-Video Boys Don't Cry veröffentlicht.[16]

Kommerzielle Verarbeitung

Victoria Collins und Dawn Rothe beschreiben, wie als Folge des Neoliberalismus die Erzählung von der toxischen Männlichkeit in kommerziellen Werbekampagnen verbreitet wird. Diese werden gemacht, um Kunden mit einer Anti-Establishment-Haltung anzusprechen und ihnen das Gefühl zu geben, durch den Kauf des Produktes Widerstand auszuüben. Am Ende geht es den Unternehmen dabei aber vorrangig um ihren Profit. Als Beispiel nennen sie eine Werbekampagne von Gilette aus dem Jahre 2019, die die für toxische Männlichkeit als typisch empfundenen Eigenschaften hervorgehoben hatte.[17]

Kritik

Der Begriff der toxic masculinity ist seit seiner Prägung vielfach auf Kritik gestoßen und wird kontrovers diskutiert.

Sprachlich legt das durchaus polemische Attribut toxic den irreführenden Kurzschluss nahe, dass Maskulinität bzw. männliches Verhalten per se als giftig zu verstehen sei (The idea that all men are inherently bad for being men),[18] was der Unschärfe der Formulierung geschuldet ist und einen umfassenden Diskurs darum angestoßen hat, welche männlichen Verhaltensweisen gesellschaftlich toleriert bzw. unterbunden werden sollten und wem die Verfügungsgewalt über derartige Bestimmungen zustehe. Dem Begriff wird außerdem Misstrauen entgegengebracht, weil er als Modewort ausgehöhlt scheint[19][20] und in der Hashtag-Kultur des 21. Jahrhunderts auf schlagwortartig verdichtete Thesen mit Anschuldigungscharakter verdichtet worden ist (z. B. #MasculinitySoFragile, #FailingMasculinity).[21][22][23]

Bei der inhaltlichen Kritik tut sich ein ganzes Spektrum an Reaktionen auf, die sich erstrecken von (a) dem grundlegenden Anzweifeln der hegemonialen Position des Manns in der Gesellschaft, der die strukturelle Benachteiligung von Männern (z. B. in Sachen Elternzeit oder den Debatten um die Frauenquote) entgegengesetzt wird, (b) dem Abstreiten des Vorhandenseins von toxischer Maskulinität in einer Gesellschaft und (c) dem Hinterfragen der Toxizität der hierunter verstandenen Verhaltensweisen und Umgangsformen, die stattdessen als Teil eines normalen, biologisch begründeten Verhaltens interpretiert wird.[24]

Kritik an der Zuschreibung einer toxische Männlichkeit gibt es auch aus der Psychologie. Alison Haggett von der University of Exeter hält diese Zuschreibung für mitverantwortlich dafür, dass die psychische Gesundheit speziell von Männern kaum untersucht wurde. Schädliche Verhaltensweisen wurden der toxische Männlichkeit zugeschrieben anstatt die sozialen und emotionalen Gründe für dieses Verhalten zu untersuchen; Männern wird weniger Empathie entgegengebracht. In dem Klima, das von der #MeToo-Bewegung erzeugt wurde und die Auffassung festigte, Frauen seien überall in Gefahr, sei es unwahrscheinlich, dass sich daran etwas ändert.[25]

Philip Zimbardo sieht die Erzählung von der toxische Männlichkeit, die mittlerweile auch an amerikanischen Universitäten in Unterrichtsfächern gelehrt wird, kritisch. Männlichkeit würde behandelt wie eine Krankheit. Es gäbe aber immer weniger Vorbilder für positive Männlichkeit, die jungen Männern einen Weg zu akzeptierter Männlichkeit weisen. In der Folge würden sie ihre Motivation verlieren, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Viele junge Männer flüchten sich in virtuelle Realitäten. Für die Probleme junger Männer habe die Gesellschaft zu wenig Empathie übrig.[26]

Beispiele

Ein prominentes Beispiel ist Terry Crews, der sich im Zuge der #MeToo-Bewegung am 10. Oktober 2017 auf Twitter öffentlich dazu bekannte[27], im Februar 2016 auf einer Party von einem Hollywood-Produzenten sexuell belästigt worden zu sein, der ihm in den Schritt griff. Crews erstattete jedoch zunächst keine Anzeige und machte den Fall auch nicht publik, weil er Konsequenzen, gerade als schwarzer Mann im Showbusiness, befürchtete. Nach seinem öffentlichen Bekenntnis im Jahr 2017 wurde Crews von verschiedenen anderen männlichen Prominenten (darunter 50 Cent[28], Tariq Nasheed, Russell Simmons und D. L. Hughley[29]) auf Social-Media-Plattformen lächerlich gemacht, wieso so ein starker Mann wie er sich nicht selbst hätte verteidigen können. In seinem Statement, das Crews vor dem Senate Judiciary Committee gab, sagte er hierzu:

„When my assault happened, quite honestly, I probably would have been laughed out of the police station. [...] This is how toxic masculinity permeates culture. As I told my story, I was told over and over that this was not abuse. That this was just a joke. That this was just horseplay.“[30][31]

„Als mein Missbrauch passierte, ganz ehrlich, man hätte mich wahrscheinlich auf der Polizeistation ausgelacht. [...] So durchzieht toxische Männlichkeit unsere Kultur. Als ich meine Geschichte erzählte, wurde mir immer und immer wieder gesagt: Das war kein Missbrauch. Das war nur ein Witz. Das war doch nur Herumgeblödel.“

Einzelnachweise

  1. a b Dr. Carol Harrington: What is “Toxic Masculinity” and Why Does it Matter? In: Men and Masculinities. 17. Juli 2020, ISSN 1097-184X, S. 1097184X2094325, doi:10.1177/1097184X20943254 (sagepub.com [abgerufen am 17. Dezember 2020]).
  2. Maya Salam: What Is Toxic Masculinity? In: The New York Times. 22. Januar 2019, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 13. März 2019]).
  3. Jacey Fortin: Traditional Masculinity Can Hurt Boys, Say New A.P.A. Guidelines. In: The New York Times. 10. Januar 2019, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 13. März 2019]).
  4. Katharina Alexander: Wenn Männlichkeit toxisch wird: So leiden Männer unter Geschlechterrollen. In: ze.tt. Abgerufen am 13. März 2019 (deutsch).
  5. Martin Robinson: What is toxic masculinity? A sensible person's guide. In: The Book of Man. 29. November 2018, abgerufen am 14. März 2019 (englisch).
  6. Shepherd Bliss: Revisioning Masculinity. A report on the growing men's movement. In: In Context: A quarterly of humane sustainable culture [Gender: Fresh Visions and Ancient Roots]. Nr. 16, 1987, S. 21.
  7. Robert Bly: Iron John: A Book About Men. Addison-Wesley, Reading, MA 1990.
  8. Linda L. Lindsey: Gender Roles: A Sociological Perspective. 6. Auflage. Taylor and Francis, Abingdon, Oxon 2015, ISBN 978-0-205-89968-5.
  9. Hä, was heißt Toxic Masculinity? Abgerufen am 13. März 2019 (deutsch).
  10. Dorian Furtuna: Male Aggression. In: Psychology Today. 22. September 2014, abgerufen am 14. März 2019 (amerikanisches Englisch).
  11. Toxische Männlichkeit: Das gefährliche Schweigen der Männer - derStandard.at. Abgerufen am 4. April 2019 (österreichisches Deutsch).
  12. Jack Urwin: Boys don't Cry. Identität, Gefühl und Männlichkeit. Aus dem Englischen von Elvira Willems. Nautilus, 2017, ISBN 978-3-96054-042-7.
  13. Mike C. Parent, Teresa D. Gobble, Aaron Rochlen: Social media behavior, toxic masculinity, and depression. In: Psychology of Men & Masculinity. 23. April 2018, ISSN 1939-151X, doi:10.1037/men0000156.
  14. Fiza Pirani: ‘Traditional masculinity’ officially deemed ‘harmful’ by American Psychological Association. In: The Atlanta Journal. Abgerufen am 13. März 2019 (englisch).
  15. Disney•Pixar: Purl | Pixar SparkShorts. 4. Februar 2019, abgerufen am 14. März 2019.
  16. White Ribbon: Boys Don't Cry | White Ribbon PSA. 26. Februar 2019, abgerufen am 14. März 2019.
  17. Victoria E. Collins, Dawn L. Rothe: The Violence of Neoliberalism: Crime, Harm and Inequality. Routledge, 2019, ISBN 978-0-429-01324-9, S. 113 (Eingeschränkte Vorschau).
  18. Eric Anderson: 'Toxic Masculinity' why we need to stop using the phrase. In: The Book of Man. 15. April 2018, abgerufen am 14. März 2019 (englisch).
  19. Word of the Year 2018 is... | Oxford Dictionaries. Abgerufen am 14. März 2019.
  20. Nina Apin: Debatte um „toxische Männlichkeit“: Problematische Kerle. In: Die Tageszeitung: taz. 14. Juli 2017, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 4. April 2019]).
  21. https://twitter.com/HuffPostWomen/status/854394368115003393
  22. https://www.huffingtonpost.com/entry/twitter-hashtag-failing-masculinity_us_58f62238e4b0bb9638e67f46?guccounter=1&guce_referrer_us=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmNvbS8&guce_referrer_cs=fwZ3SrVsftQk8MI8_upf-w
  23. https://mic.com/articles/125752/masculinity-so-fragile-hashtag-exposes-toxic-masculinity-standards#.EslfCKfbG
  24. Gad Saad: Is Toxic Masculinity a Valid Concept? In: Psychology Today. 8. März 2008, abgerufen am 14. März 2019 (britisches Englisch).
  25. Ali Haggett: Preventing Mental Illness in Post-war. In: Preventing Mental Illness. Springer International Publishing, Cham 2019, ISBN 978-3-319-98698-2, S. 257–280, doi:10.1007/978-3-319-98699-9_12 (springer.com [abgerufen am 16. Dezember 2020]).
  26. Philip Zimbardo: Young Men and the Empathy Gap. Psychology Today, abgerufen am 16. Dezember 2020 (englisch).
  27. Terry Crews: My wife n I were at a Hollywood function last year... In: Twitter @terrycrews. 10. Oktober 2017, abgerufen am 14. März 2019 (englisch).
  28. ET Canada: 50 Cent Mocks Terry Crews’ Assault. 27. Juni 2018, abgerufen am 14. März 2019.
  29. Celebrities Mock Terry Crews Sexual Assault Claims Because He’s Too Strong To Get Assaulted, He Shuts Them Down. Abgerufen am 14. März 2019 (amerikanisches Englisch).
  30. C-SPAN: Terry Crews complete opening statement (C-SPAN). 26. Juni 2018, abgerufen am 14. März 2019.
  31. Jessica M. Goldstein: ‘I believed no one would believe me’: Terry Crews’ powerful testimony on sexual assault. In: Think Progress. 27. Juni 2018, abgerufen am 14. März 2019 (amerikanisches Englisch).