Crystal Palace (Gebäude)

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Der ursprüngliche Crystal Palace im Hyde Park (1851)

Der Crystal Palace (deutsch Kristallpalast) war ein vom britischen Architekten Joseph Paxton eigens für die erste Weltausstellung 1851 in London (Great Exhibition) im viktorianischen Baustil entworfenes und von Charles Fox gebautes Ausstellungsgebäude. Er wurde ursprünglich im Hyde Park errichtet und nach dem Ende der Weltausstellung nach Sydenham im Londoner Stadtbezirk Lewisham, dem heutigen Stadtviertel Crystal Palace, versetzt, wo er in vergrößerter Form 1854 erneut eröffnet wurde. Der Name Crystal Palace wurde vom Satiremagazin Punch geprägt. 1936 wurde der Crystal Palace durch einen Brand vollkommen zerstört.

Planung

Crystal Palace, London, Architekt: Joseph Paxton
Königin Victoria eröffnet die Weltausstellung im Kristallpalast (1851)
Der Crystal Palace von 1851 auf einer Medaille zur Weltausstellung von Allen & Moore, Vorderseite
Der Crystal Palace von 1851 auf einer Medaille zur Weltausstellung von Allen & Moore, Rückseite

Im Herbst 1849 beschloss eine Verbindung britischer Bankiers und Industrieller, die Society of Arts, eine Weltausstellung zu veranstalten. Die britischen Produkte sollten im direkten Vergleich mit internationalen Konkurrenten gezeigt werden, um ihr Qualitätsniveau zu verdeutlichen. Großbritannien war der größte Weltproduzent und sollte durch die Weltausstellung seine Absatzmärkte erweitern.

Für das Ausstellungsgebäude wurde ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben. Die Vorgaben waren außergewöhnlich: Auf dem Grundstück im Hyde Park sollten die bestehenden Bäume weitgehend erhalten bleiben. Das Gebäude sollte in kurzer Zeit errichtet werden und demontierbar sein. Die Größe der Ausstellungsparzellen sollten frei wählbar sein, somit war ein ungeteilter Raum erforderlich. Das Ausstellungsgebäude sollte eine Grundfläche von 6,4 ha überdecken. Das Budget war auf 100.000 Pfund Sterling begrenzt. Aus dem einmonatigen Wettbewerb gingen 233 Entwürfe hervor. Sie überstiegen alle das Budget und wurden abgelehnt. Zwei Entwürfe von Ingenieuren wurden lobend erwähnt (Richard und Thomas Turner aus Dublin; Hector Horeau aus Paris).

Nach dem erfolglosen Wettbewerb bildete die Jury ein Baukomitee und stellte einen eigenen Entwurf vor, ein repräsentatives Gebäude in konventioneller Massivbauweise. Die Planung erfüllte allerdings nicht die Wettbewerbsbedingungen. Allein die Materialkosten von geschätzten 120.000 bis 150.000 Pfund Sterling hätten das Budget überstiegen, es wäre weder demontierbar, noch fristgerecht herzustellen gewesen. Die Öffentlichkeit lehnte den Entwurf ab. Das Baukomitee forderte Joseph Paxton auf, nachträglich in einem neuen Wettbewerb einen Entwurf abzuliefern.

Paxton, der als Gartenarchitekt Erfahrungen mit Gewächshäusern hatte, legte einen Entwurf im Stil der Gusseisen-Architektur ganz aus Glas und Gusseisen vor, der von Charles Fox in nur 17 Wochen in der für diese Zeit revolutionären Modulbauweise aus vorgefertigten Eisenteilen und Glassegmenten errichtet werden konnte. Der Crystal Palace, wie das gewächshausartige Gebäude bald getauft wurde, war damit praktisch beliebig erweiterbar und überdeckte mit seinen Abmessungen von ca. 615 × 150 m eine Gesamtfläche von knapp 93.000 m². Ursprünglich war das Gebäude mit einem Flachdach geplant. Das charakteristische Tonnendach über dem Querschiff des Gebäudes war erst später hinzugefügt worden. Grund dafür waren einige alte Ulmen, die auf dem geplanten Ausstellungsgelände standen und die durch das so erhöhte Dach vor der Abholzung verschont und in das Gebäude integriert werden sollten. Die Inspiration für die Glasrosette, die den Abschluss des Tonnendachs bildete, war die Struktur der extrem stabilen Blätter der Amazonas-Riesenseerose (Victoria amazonica), einer tropischen Pflanze, die Paxton als Gärtner im Dienst von William Cavendish erstmals in England kultiviert und zum Blühen gebracht hatte.[1] Mit 150.000 Pfund Sterling war das Budget zwar immer noch höher als die angestrebte Summe, aber die Baufirma verpflichtete sich, im Falle von Demontage und Rücknahme des Materials nur 79.800 Pfund Sterling zu berechnen.

Gebäude

Glasfontäne im Inneren des Crystal Palace (Fotograf: Philip Henry Delamotte, 1851)

Grundeinheit des Palastes waren Quadrate von 24 Fuß Seitenlänge (ungefähr 7,3 m). Die Grundfläche bestand aus 77 × 17 solcher Grundeinheiten. Die Aufteilung der Ausstellungsräume spiegelte sich in diesen Einheiten wider. Die Räume setzen sich aus einem Vielfachen dieser Grundeinheiten zusammen.

Erst die technischen Neuerungen der industriellen Revolution und die Fortschritte in der Eisenproduktion machten den Bau des Kristallpalasts möglich. Die Konstruktion aus Eisenträgern erlaubte zudem den vollständigen Verzicht auf tragendes Mauerwerk, sodass anstelle dessen großflächige Glasfenster verwendet werden konnten. Die erste Säule des Gebäudes wurde am 26. September 1850 gesetzt.[2] Bereits nach vier Monaten war die Fläche im südlichen Hyde Park auf einem Areal von 560 × 137 Metern[2] überbaut; verwendet wurden dafür 83.600 m² Glas, 372 Dachbinder, 38 km Kehlprofilmaterial, 330 km Glasrahmen und 17.000 m³ Holz.[2]

Nach der Ausstellung wurde das Gebäude abgebaut, mit einigen Veränderungen in Sydenham inmitten eines großen Parks wieder aufgebaut und als Museum und Ausstellungsgebäude verwendet. In dem Park wurden mehrere ab 1853 geschaffene lebensgroße Dinosaurierskulpturen aufgestellt, was eine erste Welle des Dinosaurier-Interesses auslöste. Im Park entwickelten sich auch vielerlei Sportaktivitäten, woraus sich auch der Name des bekannten Fußballvereins Crystal Palace erklärt. Der Kristallpalast brannte am 30. November 1936 nach einer Explosion vollständig nieder. Lediglich zwei vom Feuer verformte Türme blieben zunächst stehen.[3] Sie wurden während des Zweiten Weltkriegs entfernt, weil man befürchtete, sie könnten den feindlichen Flugzeugen als Orientierungspunkte dienen. Der nördliche Turm wurde 1941 gesprengt, der südliche wegen seiner Nähe zu anderen Gebäuden konventionell abgerissen.[4] Der Park existiert nach wie vor und wurde von der englischen Denkmalschutzbehörde English Heritage in das Register historisch interessanter Parks (Register of Parks and Gardens of special historic interest in England) aufgenommen.

Der Crystal Palace hat damit einen Gebäudetypus begründet, siehe hierzu verschiedene Nachfolgebauten unter Glaspalast.

Fotografische Zeugen

Die erhaltenen historischen Kalotypie-Aufnahmen des britischen Fotografen Philip Henry Delamotte (1820–1889) sind heute die Grundlage der meisten Beschreibungen der Londoner Weltausstellung von 1851 und des nicht mehr bestehenden Gebäudes.[5][6] Als offizieller Fotograf der Weltausstellung war der in Italien geborene Enrico (Henry) Negretti (ein Pionier der Fotografie, Optiker und Hersteller von wissenschaftlichen Geräten und Einrichtungen) mit seinem seit 1829 in London ansässigen Unternehmen Negretti & Zambra eingeladen, der dann auch mit selbst hergestellten Geräten die ersten Stereo-Daguerreotypien des Gebäudes schuf.[7] Während die Daguerreotypien allesamt Originale und damit auch kostbare Unikate waren und die Stereoaufnahmen zwar eindrucksvolle Ergebnisse lieferten, die aber nur mit teuren Spezialgeräten erschlossen werden konnten, waren dagegen Delamottes modernere und preisgünstigere Papierbilder beliebig reproduzierbar und erreichten bald als Postkarten auch das breite Publikum in der weiten Welt.

Motiv in der Malerei

Bereits während der Weltausstellung bestand ein großer Bedarf an Abbildungen des Gebäudes. Vor allem von Künstlern gestaltete farbige Illustrationen fanden eine weite Verbreitung. Zu den bekanntesten Darstellungen gehörte die Innenansicht des Crystal Palace von Louis Haghe, die das Gebäude während der Eröffnung durch Königin Victoria im Jahr 1851 zeigt. Während die Ehrengäste unter einem großen von der Decke hängenden Baldachin dem Festakt beiwohnen, ist im Hintergrund einer der großen Bäume zu sehen, um die das Gebäude herumgebaut wurde. Nach seinem Umzug nach Sydenham stellte der Crystal Palace auch in den folgenden Jahrzehnten bei Malern ein beliebtes Motiv dar. So schufen Künstler wie der Brite William White Warren oder die Franzosen Charles-François Daubigny und Jacques-Émile Blanche Bilder mit dem Motiv des Crystal Palace. Camille Pissarro malte gleich zwei Werke, bei denen das Gebäude zu sehen ist, darunter Der Kristallpalast, London (Art Institute of Chicago).

Franz Xaver Winterhalter, The First of May 1851: auf der linken Seite erkennt man den Crystal Palace

Eine Nebenrolle spielt der Crystal Palace in Franz Xaver Winterhalters Gemälde The First of May 1851, auf dem Prince Albert zum fertiggestellten Gebäude blickt, während sein Sohn Arthur zu seinem ersten Geburtstag ein Geschenk von seinem Paten Duke of Wellington überreicht bekommt. Gleichzeitig übergibt Arthur ihm einen Strauß Maiglöckchen anlässlich seines 82. Geburtstags.[8]

Im Film

Der Crystal Palace ist Handlungsort des Spielfilms Der große Eisenbahnraub aus dem Jahr 1979.

Weitere Veranstaltungen

Literatur

Weblinks

Commons: Crystal Palace – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stefano Mancuso: Pflanzenrevolution: Wie die Pflanzen unsere Zukunft erfinden. Antje Kunstmann, München 2018, ISBN 978-3-95614-233-8, S. 178 ff.
  2. a b c Jane Tresidder, Stafford Cliff: Wohnen unter Glas. Faszinierende Glashäuser, Windergärten und Veranden von gestern und heute. Bauverlag, Wiesbaden/ Berlin 1986, ISBN 3-7625-2488-2, S. 11.
  3. December 1st – On this day in history in 1936, the Crystal Palace burned down
  4. World War: Battle of Britain: War’s worst raid
  5. Progress of the Crystal Palace at Sydenham, 1854 Philip Henry Delamotte (British, 1820–1889); Henry Negretti (British, born Italy, 1818–1879) The Metropolitan Museum of Art
  6. Philip Delamotte photographs of the Crystal Palace, Sydenham. Fotodokumentation. auf: viewfinder.english-heritage.org.uk
  7. Negretti & Zambra, London photographic firm
  8. The First of May 1851. royalcollection.org.uk, abgerufen am 20. März 2016.

Koordinaten: 51° 30′ 11,8″ N, 0° 10′ 12,3″ W