Deutsches Recht (Rechtstradition)

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Unter deutschem Recht wird rechtshistorisch das auf germanischen Stammesrechten beruhende und dabei insbesondere auf sächsische und fränkische Rechtsvorstellungen zurückgehende Recht verstanden. Neben dem römischen Recht ist es die bedeutendste historische Rechtsquelle für die Entwicklung des europäischen Rechts.[1]

Das deutsche Recht in diesem Sinne ist also nicht identisch mit dem heute in Deutschland geltenden Recht. Der Begriff bezieht sich vielmehr auf eine bestimmte historische Epoche und Rechtstradition. Die deutsch- und römischrechtlichen Traditionen bestehen in Deutschland nebeneinander, die geltende Rechtsordnung speist sich aus beiden Quellen. So sind beispielsweise im deutschen BGB die Regelungen des Eigentums römischrechtlich beeinflusst, die des Besitzes deutschrechtlich.

Germanisches bis mittelalterliches Recht

Das ältere germanische Recht war ein mündlich überliefertes Gewohnheitsrecht der Volksgerichte (Thing). Zur Zeit der Völkerwanderung entstand für die Angehörigen der einzelnen Stämme ein Stammesrecht (germanische Volksrechte). Im Fränkischen Reich trat das auf königlichen Verordnungen (Kapitularien) beruhende Reichsrecht hinzu, frühmittelalterliche Kaiserstaatsgewalt, umgeben von fest umrissenen adelig klerikalen Kulturstrukturen.

In der Zeit des Mittelalters entwickelten sich die aus den frühmittelalterlichen Ranggesellschaften herrührenden Stammesrechte zu Landrechten für die Bevölkerung eines bestimmten geografischen Raumes. Daneben bestanden Sonderrechte für bestimmte Berufs- oder Personenkreise, Lehns-, Hof- und Stadtrechte. Grundsätzliche Orientierung für die Rechtsordnung gaben die Besitzverhältnisse an Grund und Boden sowie die mit ihm verbundenen Leistungen und Abgabepflichten. Die Rechtsordnung des Adels bestand im Wesentlichen im Lehnsrecht. Die Bauern, die teilweise freie und rechtlich unabhängige Besitzer von Grund waren, waren zu anderen Teilen in kirchliche oder adelige Grundherrschaft eingegliedert. Die Reichsgesetzgebung beschränkte sich im Übrigen auf einzelne Verfassungsgesetze, so beispielsweise die Goldene Bulle von 1356. Im 13. Jahrhundert entstandene Rechtsbücher wie das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, der Sachsenspiegel oder der Schwabenspiegel trugen zu größerer Rechtsangleichung bei. Das deutsche Recht des Mittelalters war inhaltlich stark durch sittlichen Gehalt sowie genossenschaftlichen und sozialen Geist geprägt. Elementare Gefühle, wie Rache bei Ehr- und Körperverletzung und Werte wie Kraft und Mut waren außerordentlich vital.[2]

Im naturalwirtschaftlich geprägten Agrarland Deutschland ankerte die Gesellschaftsordnung im Feudalismus: die Oberschicht, der sich in verschiedene ständische Gruppen unterteilende, landbesitzende Adel baut sich auf der einen Seite auf, die Unterschicht, die landbebauende bäuerliche Bevölkerung entwickelt sich auf der anderen Seite.[3] Erst mit Anbruch des Hochmittelalters, mithin ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, entwickelten sich mit den Städten Handel und Gewerbe im geldwirtschaftlichen Sinne und damit ordnungsrechtliche Aspekte der Verhältnisse am Grundbesitz. Ein Staat mit Beamtenapparat, Wehrmacht und Polizei war freilich noch nicht vorhanden. Die im Hochmittelalter geschaffene Ständeordnung blieb in ihren Grundzügen bis zu den Zeiten der französischen Revolution bestehen. Markiert war die Gesellschaftsordnung durch ein beschränkt befugtes Bürgertum und den Vorzug des Adels bei gleichzeitigem Ausschluss des Bauern von der politischen Willensbildung.[2]

Hervorzuheben ist, dass das Hochmittelalter ein besonders ausgeprägtes Prozesswesen kannte. Anders als heute, oblagen dem Richter im Rechtsverfahren nur die Verhandlungsführung und die Verkündung des Urteils, das er bei den Schöffen (in den Grafengerichten waren das Grundbesitzer des Gerichtssprengels) zu erfragen hatte. Dem Richter selbst kam keine Entscheidungsgewalt zu. Die zugrundeliegenden Parteianträge erzeugten strenge Bindungswirkung, was zum Brauch führte, sie an Fürsprecher zu delegieren, um ihnen Disponibilität zu verleihen. Als Beweismittel dienten der Eid (häufig ausgetragen mit Eideshelfern) und der gerichtliche Zweikampf, der als Gottesurteil über Schuld und Unschuld entschied. Urteile waren nicht im modernen Sinne rechtsmittelbehaftet, konnten aber „gescholten“ werden, was in der Folge einen unmittelbaren Prozess zwischen der vortragenden Partei und dem Richter nach sich zog. An Strafen war aus der germanischen Zeit die Bußzahlung tradiert, aus dem Frühmittelalter körperliche Verstümmelungen. Daneben trat im Hochmittelalter eine insgesamt schärfere Gangart durch peinliche Befragungen, talionsrechtliche Spiegelstrafen und die Todesstrafe unter Martern, für die das Spätmittelalter und die ersten Jahrhunderte der Neuzeit berüchtigt werden sollten.[2]

Zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts bis zur Rechtsvereinheitlichung Ende des 19. Jahrhunderts

Zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert entstanden die Universitäten des Mittelalters. Mit ihnen entwickelte sich ein gelehrter Juristenstand, der in Latein unterrichtete. Ausgebildet wurde im geschriebenen römischen und dem von der katholischen Kirche geschaffenen kanonischen Recht. Durch das Auftauchen der ersten gelehrten Juristen in der deutschen Rechtspraxis begann die Rezeption des römischen Rechts, denn die mittelalterliche Kultur war eine lateinisch geprägte Kultur. Es entstand eine Vielzahl schriftlich festgehaltener offizieller und privater Arbeiten.[3] Aus der Kaiser Friedrich III. zugeschriebenen Reformation der Verfassungsstrukturen lässt sich zudem ablesen, dass Rechtsdoktoren in den 1440er Jahren in erheblicher Anzahl bereits ihre Stimmen bei Ratsversammlungen und in der Gerichtsbarkeit erhoben.[4]

Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde das deutsche Recht durch das spätrömische Recht des Corpus Iuris Civilis und das in Italien gelehrte zeitgenössische Recht beeinflusst. Das römische Recht galt zwar nur subsidiär zu den Orts- und Landrechten, doch wurden diese vielfach romanisiert, also an das römische Recht angepasst. Der Übergang vom mündlichen Verfahren zum geheimen Aktenprozess bewirkte eine Entfremdung zwischen Justiz und Volk.

Eine entscheidende Wende trat mit der Aufklärung ein, denn es wurde eine neue Gesellschaftslehre entwickelt, die sich von der Gesellschaftsform des Mittelalters verabschiedete. Die Gliederung nach Geburts- und Berufsständen machte dem Ideal Platz, dass alle Menschen in gleicher Weise „frei“ sind, was neue rechtliche Institutionen an die Tagesordnung rief und den Gedanken einer modernen Demokratie entstehen ließ.[3] Seit dem 18. Jahrhundert erstarkte so das deutsche Recht wieder, insbesondere unter dem Einfluss des Naturrechts. Die neuen Gesetzbücher, so das PrALR und das österreichische ABGB erneuerten eine Reihe germanischer Rechtsgedanken. Straf-, Verfahrens- und bürgerliches Recht wurden einem Gesellschaftsideal unterworfen, das auf innere Zweckmäßigkeit und Humanität ausgerichtet war.

Deutsche Rechts- und Gerichtskarte (1895)

Indem sie die gemeinsame Grundlage der deutschen Partikularrechte aufdeckte, erwarb sich im 19. Jahrhundert die deutsche historische Rechtsschule um Friedrich Carl von Savigny große Verdienste um das deutsche Recht. Mit der Reichsgründung von 1871 wurde eine weitgehende Rechtseinheit gewonnen und die Phase der großen Kodifikationen eingeleitet (z. B. StGB, StPO, ZPO, HGB, BGB). Im Prozessrecht kehrte man zum Grundsatz der Öffentlichkeit und Mündlichkeit zurück. In dieser Zeit endete die direkte Wirksamkeit der Traditionen des „deutschen Rechts“, das fortan vor allem rechtshistorisch von Bedeutung war.[3]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rudolph Sohm: Fränkisches Recht und römisches Recht. Prolegomena zur deutschen Rechtsgeschichte, in: ZRG, Germanistische Abteilung, Band 1 (1880), S. 1–84
  2. a b c Helmut Coing: Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland, 4., unveränderte Aufl., Beck, München 1981, ISBN 3-406-02448-3, S. 10–33.
  3. a b c d Helmut Coing: Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland, 4., unveränderte Aufl., Beck, München 1981, ISBN 3-406-02448-3, S. 5–8.
  4. Hermann Conring: Der Ursprung des deutschen Rechts (OT: De origine iuris Germanici, 1643), übers. von Ilse Hoffmann-Meckenstock, hrsg. von Michael Stolleis, Insel-Verlag, Frankfurt am Main [u. a.] 1994, ISBN 3-458-16653-X, S. 206–216.