Gebirge
Gebirge sind komplexe Landschaftsformen der Erde, die durch eine Massenerhebung, ein Steilrelief, einen Gesteinsaufbau und dem (oft ganzjährigen) Vorhandensein von Eis und Schnee gekennzeichnet sind.[1] Ein wichtiges Merkmal von Gebirgen sind klimabedingte Vegetationszonen, die zur weiteren Definition und Abgrenzung von Hochgebirgen die Erhebung über die Waldgrenze und die Etablierung einer baumfreien alpinen (Tundren-)Zone voraussetzen. Hochgebirge sind unter den Großlandschaften der Erde dadurch den Bedingungen der freien Atmosphäre am direktesten ausgesetzt. Gebirge sind darüber hinaus durch eine innere variable Gestaltung, die durch Höhenerhebung, Relief und Exposition bestimmt wird, gekennzeichnet. Praktisch alle Gebirge der Erde waren auch stark von Vereisungen im Pleistozän betroffen, daher ist die Gestalt der heutigen Gebirge nicht auf die aktuellen klimatischen Verhältnisse zurückzuführen. Die meisten Gebirge und insbesondere die höchsten unter ihnen gehören auch zu den tektonisch aktiven Zonen der Erde, und Hebungen sind in einigen Fällen größer als Abtragungsraten durch Erosion und Denudation. Allgemein verbreitet sind Gebirge von den Polarregionen bis in die Tropen. Unter den Hochgebirgen werden zwei Grundtypen unterschieden: einen von glazialer Erosion gestalteten und geprägten "Alpen-Typ" mit Hörnern, Karlingen, Trogschultern und Trogtälern und einem mit abgerundeten Formen und von Altflächen dominierten "Rocky-Mountain-Typ", in der glaziale Reliefformen zurücktreten.[2]
Definition und Sprachgebrauch
Unter einem Gebirge versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch
- eine Gruppe von Bergen, als Gebirgsgruppe oder Gebirgszug
- eine gebirgige geographische Region, ein Gebirgsland
Das Wort „Berg“ hat hingegen eine regional unterschiedliche Wahrnehmung. Erhebungen wie der Wilseder Berg, der mit nur 169 m ü. NHN die Umgebung Lüneburgs dominiert, würden in Alpenländern allenfalls als Hügel bezeichnet. Im Allgemeinen bezeichnet „Berg“ einen einzelnen Gipfel oder Kammlinie, und „Gebirge“ eine Häufung von mehr oder minder verbundenen Gipfeln, oder eine Häufung von Einzelgebirgen (Gebirgsgruppen oder -züge). „Hügelland“ steht für Ansammlungen von Kleinerhebungen, ohne dass eine genaue Abgrenzung möglich wäre.
Die Geologie hingegen nimmt bei ihrer Definition auf den „Gebirgsfuß“ Bezug:[3] Der Gebirgsfuß bzw. Rumpf eines Gebirges, wenn er freiliegt, ist das Grundgebirge, der bei den jüngeren Gebirgen noch vom Deckgebirge überlagert ist, und dann oft in große Tiefen gedrückt wird (bis in die Moho). „Gebirge“ steht in letzteren Begriffen schon im geologischen Sinne als „Gesteinseinheit“.
Hochländer, wie beispielsweise Tibet, gelten nicht als Gebirge, da sie nur geringe Höhenunterschiede aufweisen. Im Gegensatz dazu kann manches Gebiet an einer Steilküste trotz relativ geringer Meereshöhe als gebirgig gelten.
Siehe dazu: die EU-Definition Gebirgsland: Klassifizierung nach Höhenlage und Steilheit
Gebirgsformen
Man unterscheidet Mittelgebirge und Hochgebirge anhand ihrer Höhe; die Unterscheidungsgrenze liegt in Europa bei etwa 1500 m.
Gebirge lassen sich auch nach ihrer generellen geomorphologischen oder orographischen Form klassifizieren. Maß hierzu sind die Reliefenergie, Dominanz und Schartenhöhe der Einzelgipfel und Gebirgsgruppen:
- Gratgebirge: Linienförmig aneinandergereihte Bergzüge mit ausgeprägten, verästelten Kammlinien (Taunus, Salzburger Schieferalpen)
- Kammgebirge: Linienförmig aneinandergereihte Bergzüge mit einer einzigen Hauptkammlinie (Riesengebirge, Bachergebirge der Alpen)
- Kettengebirge: Linienförmig aneinandergereihte Bergzüge mit mehreren, parallel gestaffelten Gebirgskämmen (Alpen, andere alpine Gebirge)
- Kuppengebirge: Gebirge mit unregelmäßig aufragenden Gipfeln, die sich aus einem gemeinsamen Gebirgsfuß erheben (Frankenwald, Randgebirge der Alpen)
- Massengebirge: Deutlich geschlossene Erhebung gegenüber dem Umland, die jedoch keine erkennbare Hauptrichtung einzelner Gebirgszüge aufweisen (Harz, Französisches Zentralmassiv)
- Plateaugebirge: Gebirge, bei denen nur mehr der Fuß erhalten ist, und sich keine Kammlinie und wenig Gipfelbildung abzeichnet (Schwäbische Alb)
- Rumpfgebirge: Gebirge, von denen nur der Rumpf übriggeblieben ist, erhobene Hügellandschaft (Böhmische Masse)
- Schild: Ein alter Gebirgsrumpf als Tafelland, der als solcher nicht mehr erkennbar ist (Baltischer Schild)
- Inselberg: Gebirge, das sich unvermittelt aus einer Ebene erhebt (Zuckerhut, Uluru, mittelschwedische Inselberge)
Bezüglich ihrer Entstehung (Gebirgsbildung) und ihrem inneren Aufbau (Gesteinsprofil) unterscheidet man:
- Tektonisches Gebirge, das durch Tektonik, also langsame Bewegungen der Gesteinsmassen entstanden ist:
- Deckengebirge entstehen durch starken seitlichen Schub ohne Ausweichmöglichkeit (Alpen)
- Faltengebirge durch plastische Verformung von Gesteinsschichten in Geosynklinalmeeren (Schweizer Jura)
- Bruchfaltengebirge, auch Bruchschollengebirge durch Faltung und Zerbrechen der Decken (Rocky Mountains)
- durch reine Bruchtektonik entstehen folgende Formen:
- Vulkanisches Gebirge, welches durch „Aneinanderwachsen“ mehrerer Eruptionsherde entsteht (Vogelsberg, Auvergne), oder sich aus einer einzelnen harten Ergussmasse bildet (Adamellogruppe)
In einem Großgebirge können sich verschiedene Gebirgsformen auch mischen. So zeigt die komplexe Faltungs- und Überschiebungsgeschichte der Alpen zahlreiche Kleinformen anderer Gebirgstypen.
Globale Bedeutungen der Gebirge
Gebirge sind Barrieren und damit haben sie in vielfältiger Weise entscheidende Wirkungen auf die Erde.
Je nach ihrer Höhe und Ausdehnung haben sie großen Einfluss auf Klima und Wettergeschehen. So bleibt beispielsweise Europa durch die von Ost nach West verlaufenden Alpen und Karpaten von den extremen Wetterlagen verschont, die in Nordamerika durch den ungehinderten Luftaustausch zwischen Norden und Süden immer wieder auftreten. In der Westwindzone haben die von Nord nach Süd verlaufenden Gebirge (Rocky Mountains, Anden, Skanden u. a.) erhebliche Auswirkungen auf die Niederschlagsverteilung.
Da die Temperaturen auf der Erde in der Regel mit zunehmender Höhe abnehmen, sind Gebirgsklimate in gewisser Weise ein enorm verkleinertes Abbild der globalen Vegetationszonen zwischen Polen und Äquator. Man spricht dabei von den sogenannten Höhenstufen. Von der „planaren“ Ebene wird das „kolline“ Hügelland unterschieden. Echte Gebirge beginnen bei der zumeist bewaldeten „submontanen“ Mittelgebirgsstufe, in die Höhe folgen weitere „montane“ Stufen bis hin zu den „alpinen“ Stufen, die über der Waldgrenze liegen. Die fast vegetationsfreien Gipfelregionen der Hochgebirge werden als „nivale“ Stufe bezeichnet.
Diese enge Nachbarschaft klimatischer und anderer natürlicher Gegebenheiten macht viele Gebirge zu besonderen Hotspots der Artenvielfalt. Überdies hatten sie immer wieder großen Einfluss auf die Evolution, so zum Beispiel bei der Artenbildung aufgrund räumlicher Trennung oder bei der Auslese speziell angepasster Lebewesen.
Die Verbreitung von Tieren und Pflanzen auf der Erde und damit die Bildung der biogeographischen Regionen wurde maßgeblich durch die Gebirge beeinflusst. So haben etwa die Alpen in Europa nach dem Ende der letzten Eiszeit die Entwicklung einer großen Artenvielfalt in den Wäldern, wie sie in Nordamerika und Ostasien vorkommt, verhindert. Auch die Ausbreitung des Menschen orientierte sich vielfach an Bergzügen. Ähnlich wie bei der Biodiversität konnte sich in den Gebirgen auch eine große kulturelle Vielfalt entwickeln: Kaum anderswo finden sich so viele Sprachen, Ethnien und heterogene Kulturareale auf so engem Raum nebeneinander. Ein gutes Beispiel dafür sind die Papua-Sprachen im gebirgigen Neuguinea.
Seit jeher hat die Vielfalt der Gebirge den Menschen angezogen, der hier aufgrund der besonderen geologischen Gegebenheiten eine Reihe wichtiger Rohstoffe findet: Marmor aus dem Apennin in der Antike, Tannen aus dem Schwarzwald für Schiffsmasten in der frühen Neuzeit oder die sogenannten, heute heiß begehrten Seltenen Erden sind nur drei Beispiele von vielen. Ebenso haben die Besiedler der Berge besondere traditionelle Wirtschaftsformen entwickelt, um die oftmals schwierigen Bedingungen möglichst effizient zu nutzen: etwa die Wander-Viehwirtschaft zwischen Berg und Tal oder die Schaffung der Almen als zusätzliche Weideflächen für das Vieh.
Ausmaße
Der längste oberirdische Gebirgszug der Erde wird von Anden und Rocky Mountains gebildet und reicht etwa 15.000 km von Alaska im Norden bis nach Feuerland im Süden. Man nennt ihn amerikanische Kordilleren. Auch die Gebirge Eurasiens bilden eine ähnlich lange, allerdings stark gegliederte Gebirgskette, weil sie fast gleichzeitig durch die alpidische Geodynamik entstanden sind.
Hingegen haben die erdähnlichen Planeten Venus und Mars kaum solche Bergketten, sondern eher einzelne Massive - was eine Folge der unterschiedlichen Gebirgsbildung ist.
Daneben gibt es lange Gebirgszüge im Meer, die sogenannten mittelozeanischen Rücken. Beispielsweise liegt der mittelatlantische Rücken an der Grenze der Kontinentalplatten von Amerika einerseits und Europa - Afrika andererseits.
Gebirge weltweit
Afrika
Atlas, Hoggar, Kilimandscharo-Massiv, Mount-Kenya-Massiv, Ruwenzori-Gebirge, Brandbergmassiv
Antarktis
Asien
- Ural, Altai, Tian Shan, Kunlun, Stanowoigebirge, japanische Alpen
- Taurus, Elburs, Kaukasus, Zagros
- Hindukusch, Pamir, Karakorum, Himalaya, Transhimalaya usw.
Australien
Great Dividing Range, Snowy Mountains (auch Australische Alpen), Neuseeländische Alpen
Europa
Bulgarien
Balkangebirge, Šar Planina, Pirin, Rila, Rhodopen, Sakar, Strandscha, Ruen
Deutschland
- Hochgebirge
Die Bayerischen Alpen an der Südgrenze Oberbayerns und Schwabens von Bad Reichenhall bis ins Allgäu
- Mittelgebirge
Ahrgebirge, Bayerischer Wald, Ebbegebirge, Eggegebirge, Eifel, Elbsandsteingebirge, Elstergebirge, Erzgebirge, Fichtelgebirge, Fränkischer Jura (Altmühlalb), Fränkische Schweiz, Habichtswälder Bergland, Harz, Haßberge, Hunsrück, Kellerwald, Kyffhäuser, Leinebergland, Nordpfälzer Bergland, Odenwald, Rhön, Rothaargebirge, Schwäbische Alb, Schwarzwald, Spessart, Taunus, Teutoburger Wald, Thüringer Wald, Vogelsberg, Weserbergland, Westerwald, Wiehengebirge, Zittauer Gebirge
Österreich
- Hochgebirge
- Alpen (Österreichische Zentralalpen, Niedere Tauern, Hohe Tauern), Ötztaler Alpen, Silvretta usw.
- Nördliche Kalkalpen (ca. 500 km, etwa 50 Gebirgszüge)
- Südliche Kalkalpen, Karawanken, Lienzer Dolomiten usw.
- Mittelgebirge
- Bayerischer Wald bzw. Böhmerwald, Teile des Waldviertels
- Voralpen (von Niederösterreich bis zum Bregenzerwald)
- niedere Gebirgszüge der Kalkalpen
Schweiz
Liechtenstein
- Alpen (Teile der Ost- bzw. Zentralalpen)
Italien, Frankreich
- Alpen (Süd- bzw. Westalpen), Kalkalpen
- Apennin, Ätna
- französisches Zentralmassiv, Vogesen usw.
- Pyrenäen
Tschechien, Polen, Slowakei
- Erzgebirge, Sudeten, Riesengebirge und Altvatergebirge, Český les und Šumava (Böhmerwald), Böhmisches Mittelgebirge, Böhmisches Paradies, Elbsandsteingebirge (Böhmische Schweiz), Karpaten (Kleine und Weiße Karpaten, Hohe und West-Tatra, Ostkarpaten), Niedere Tatra, Kleine (Malá) und Große (Velká) Fatra, Slowakisches Erzgebirge, Slowakisches Paradies
Übriges Europa
- Pyrenäen, Sierra Nevada, Ardennen, schottische Highlands,
- Karpaten, Dinarisches Gebirge inkl. Prokletije
- Chibinen,
- Kaukasus usw.
- Skandinavisches Gebirge
Nordamerika
- Appalachen
- Coast Mountains
- Green Mountains
- Kaskadenkette oder Kaskadengebirge
- Rocky Mountains
- Sierra Nevada
Südamerika
Anden (Kordilleren), Bergland von Guayana, Brasilianisches Bergland
Siehe auch
- Geomorphologie
- Petrologie
- Höchster Berg
- Orographie: Gebirgspass, Klimascheide, Wasserscheide
- Bergsteigen, Klettern, Ski Alpin
- Bergbauer
- Erde/Daten und Zahlen
Weblinks
- Literatur zum Thema Gebirge im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ Dietrich Barsch & Nel Caine 1984: The Nature of Mountain Geomorphology. Proceedings of a Workshop of the Arbeitsgemeinschaft für Vergleichende Hochgebirgsforschung in December 1982 in Munich (Nov.; 1984), Mountain Research and Development, 4: 287-298. Hier S. 288
- ↑ Dietrich Barsch & Nel Caine 1984: S. 291
- ↑ Gebirge. In: Meyers Lexikon online. Archiviert vom am 16. Juni 2008; abgerufen am 8. März 2013.