Kulturareal

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Das älteste und heute noch populärste Modell für Kulturareale deckt Nordamerika ab und stammt von Clark Wissler (1912) in der Überarbeitung von Alfred Kroeber (1939)
Weniger bekannt ist die Arbeit von Melville J. Herskovits für den afrikanischen Kontinent (1945)

Kulturareal (von lateinisch arealis „Fläche“), Kulturkomplex oder Kulturprovinz bezeichnet in der Ethnologie ein geografisch abgegrenztes Gebiet, in dem verschiedene Ethnien leben, die eine gewisse Anzahl typologisch ähnlicher oder vergleichbarer Kulturelemente oder Kulturgüter aufweisen.[1] Die Ursache dafür sind homologe Entwicklungen durch gemeinsame Abstammung, Kulturtransfer zwischen benachbarten Ethnien und (weitaus kontroverser diskutiert) analog entstandene Übereinstimmungen, die auf gleichartige Lebensbedingungen zurückgeführt werden.

Die außereuropäischen Kulturareale in Gebieten ehemaliger europäischer Kolonien verweisen grundsätzlich auf Vorstellungen einer jüngsten historischen Verbreitung und Lebensweise der „eingeborenen“ Völker vor der Kolonialisierung bzw. vor der Bildung der modernen Nationalstaaten. Eine Ausnahme bilden die Kulturareale Europas: Obgleich sie sich explizit auf die historische Entwicklung beziehen, bilden sie dennoch Realitäten ab, die gegenwärtig noch zutreffen.[2] Das Gleiche gilt eingeschränkt für die meisten Areale Südasiens.

Viele traditionelle Lebensweisen und indigene Kulturelemente existieren heute nur noch als Substrat unter der vorherrschenden Kultur, so dass Kulturareal-Karten für die Gegenwart in vielen Regionen der Welt die kulturellen Minderheiten hervorheben. Beispielsweise bezieht sich das nordamerikanische Kulturareal „Prärie und Plains“ auf die Völker der Prärie-Indianer; diese leben nach wie vor dort, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung nur noch etwa drei Prozent beträgt und sie schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr von der traditionellen Bisonjagd leben.

Die moderne Ethnologie führte die Bezeichnung Kulturareal ein, nachdem die „Kulturkreislehre“ aufgegeben wurde, weil sie mit der Rassenideologie des Dritten Reiches in Verbindung gebracht wurde. Das von den US-amerikanischen Ethnologen Franz Boas, Robert Lowie und Clark Wissler entwickelte Konzept der culture area wurde später von verschiedenen Autoren übernommen.

Die Modelle der Kulturareale basieren auf der Out-of-Africa-Theorie sowie der genetisch rekonstruierten Ausbreitung des Menschen und des „Wanderverhaltens“ menschlicher Populationen. So wird angenommen, dass sich kleine, vorgeschichtliche Gruppen aufgrund unwirtlicher Lebensbedingungen und/oder der Erschöpfung der Ressourcen weit über die Erde verstreut haben. In günstigen Gebieten kam es zur Ansiedlung und im Laufe der Zeit zu einer immer besseren Anpassung an die jeweiligen ökologischen Verhältnisse. Auf diese Weise entstanden die ältesten Kulturen. Die effiziente Nutzung der Umwelt führte wiederum zu einem starken Bevölkerungszuwachs und somit zu einer sternförmigen Ausbreitung und Etablierung der Kulturen innerhalb des jeweiligen Großlebensraumes. Nach der Theorie blieben die wesentlichen Merkmale der Kulturen dabei erhalten. Bei den „Ablegern“ kam es lediglich zur Differenzierung von Details. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, räumlich abgrenzbare Kulturareale zu definieren.

Außerhalb der ethnologischen und historischen Wissenschaften spricht man von Kulturräumen oder Kulturerdteilen, die im jeweiligen Zusammenhang ihrer Fachwissenschaft die gegenwärtige Situation abbilden.

Problem der Abgrenzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das nordamerikanische Kulturareal „Nordwestküste“ lässt sich relativ leicht durch den typischen Kunststil abgrenzen
Ganz anders bei den drei ozeanischen Kulturarealen: Lokale Variationen sind (nach Hunter und Whitten) so zahlreich, dass es schwierig ist, die abgelegenen, isolierten Inselkulturen über die gesamte Weite des Pazifiks zu generalisieren

Jegliche Festlegung eines Kulturareales beruft sich auf die Ergebnisse der kulturvergleichenden Sozialforschung aus einer einseitigen europäischen Sicht. Während die Grenzziehung zwischen einigen wenigen Kulturen relativ leicht gelingt, ist die Einteilung ganzer Kontinente in abgegrenzte Areale jedoch schwierig und problematisch: So stimmen die von verschiedenen Autoren zu verschiedenen Zeiten gezeichneten Karten häufig nicht miteinander überein; sie zeigen ungleiche Anzahlen, Größen und Grenzen der einzelnen Kulturareale. Das liegt vor allem an der jeweils recht willkürlichen Auswahl derjenigen Kulturelemente, die für ein bestimmtes Kulturareal als charakteristisch angesehen wurden und werden. Dazu kommt der ständige Kulturwandel in vielen Gebieten der Welt.

Die größte Schwierigkeit bei der Abgrenzung ist die Festlegung, welche Kulturgüter tatsächlich für ein Areal spezifisch sind und welche übergreifend für mehrere Kulturen gelten. Kulturgüter in diesem Sinne sind beispielsweise Sprache, Kunstformen, Familienstrukturen, gesellschaftliche Organisation, Kalender, Körperschmuck, Folklore, Wohnformen, Subsistenzweisen; mithin die ideologischen Systeme einer Kultur. Eine wesentliche Grundlage für kontinentale Modelle bilden zudem die ökologischen Bedingungen der jeweiligen Lebensräume.

Obwohl die Festlegung von Kulturarealen aus den genannten Gründen heute umstritten ist, bietet sie die Möglichkeit, die Kulturvielfalt zu strukturieren und eine Basis für kulturvergleichende Untersuchungen zu schaffen.[3] Die Einteilung in Kulturareale stellt ein heuristisches Werkzeug dar, einen Hilfsgedanken (bon à penser) im Sinne des französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss.[4]

In diesem Sinne sind die Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen (historischen) Autoren trotz der vorgenannten Einwände wiederum groß genug, um alle Modelle zu einem „Weltmodell der Kulturareale“ zusammenzuführen, wie es D. Hunter und P. Whitten 1976 für die „Encyclopedia of Anthropology“ formuliert haben.

Kulturareale der Erde: Spiegelbild der Vegetationszonen und traditionellen Landnutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 43 „Culture Areas of the World“ von Hunter und Whitten basieren auf der Theorie, Kultur vor allem als einen Mechanismus der gemeinsamen Anpassung an unterschiedliche Lebensräume zu betrachten. Sie formulierten somit folgende Definition:

„Ein Kulturareal ist ein abgrenzbarer Teil der Erdoberfläche, in dem mehr oder weniger verwandte Gruppen von Menschen leben, bei denen der Anpassungsprozess über Jahrtausende zu einer großen Vielfalt von Überlebensstrategien geführt hat; jedoch ausgehend von einem gemeinsamen Erbe: Ähnliche ökologische Bedingungen, ähnlich wirtschaftliche, soziale und ideologische Systeme sowie verwandte Sprachen.“

D. Hunter und P. Whitten[5]

Bis auf wenige Ausnahmen decken sich die Areale demnach mit den maßgebenden globalen Vegetationszonen (vgl. Karte: Die Vegetationszonen der Erde). In Bezug zu den jeweils dort entstandenen Wirtschaftsformen kann das Modell ebenso als schematische Landkarte der traditionellen Landnutzung der Erde betrachtet werden.

Die Autoren weisen explizit darauf hin, dass es sich bei den Grenzen nicht um konkrete indigene Territorien handelt, sondern nur um schematisch gezogene Grenzen, um die Schnittstellen zwischen den fließend ineinander übergehenden Kulturen zu kennzeichnen. In diesem Sinne sind nur die kulturellen Unterschiede zwischen den jeweiligen Zentren der Areale signifikant, nicht die hüben und drüben der Grenzen!

Überdies räumen die Autoren die Abgrenzungsprobleme ein und bezeichneten die Auswahl der verwendeten Kriterien aus der Vielzahl der ethnographischen Aufzeichnungen als (zu einem großen Teil) willkürlich.

Die folgende Karte mit den folgenden Tabellen der stichwortartig aufgeführten (oft historischen) Kulturelemente entsprechen der Beschreibung von Hunter und Whitten in der Encyclopedia of Anthropology.[Anmerkung 1] Die Autoren unterscheiden drei Maßstabsebenen: Über den Kulturarealen stehen die „Hauptareale“, die an die Einteilung in „Kulturerdteile“ des deutschen Geographen Albert Kolb oder an die Karte der „Civilisations“ von Samuel P. Huntington erinnern. Einige Areale werden nach unten noch weiter in „Subareale“ gegliedert.

OzeanienNordamerikaOzeanienSüdliches AsienNördliches AsienAfrikaNaher OstenEuropaSüdamerikaNordamerika
Die Kulturareale der Erde nach Hunter und Whitten (die Karte ist anklickbar und führt zu den jeweiligen Hauptarealen)
Farblegende: Wirtschaftsformen
Ackerbau, Hirtennomadismus und Fernhandel sesshaft, nomadisch und halbsesshaft
Bodenbau und Fernhandel sesshaft
Traditioneller Ackerbau sesshaft
Ackerbau, Gartenbau und Grünlandwirtschaft sesshaft
Landwechselbau sesshaft
Wanderfeldbau halbsesshaft
Gartenbau, Wanderfeldbau und Jagd oder Fischerei zumeist halbsesshaft
Transhumanz und Bodenbau Bodenbau sesshaft, Viehwirtschaft halbsesshaft
Agropastoralismus sesshaft, halbsesshaft oder halbnomadisch
Spezialisierte Sammelwirtschaft zumeist halbsesshaft
Spezialisierte Jagd oder Fischerei Fischerei sesshaft, Jagd halbnomadisch
Rentiernomadismus halbnomadisch
Hirtennomadismus nomadisch, teilweise halbnomadisch
Unspezialisierte Jagd, Fischerei und Sammelwirtschaft nomadisch, Fischerei halbnomadisch

Hauptareal Nordamerika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

→ vergleiche: Nordamerikanische Kulturareale nach Wissler und Kroeber
Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten Ethnien (Beispiele)
Arktis Tundra: halbsesshafte Wildbeuter (Karibu, Moschusochsen, saisonal Fischfang und Meeressäuger); akephale Gemeinschaften, Wintersiedlungen oft an der Küste, gemeinsame Eskimo-Aleutische Sprachen Inuit, Yupik, Kalaallit, Inupiat, Alëuten, Eskimo
Nordwestküste Küstenregenwald: sesshafte Wildbeuter (Meeressäuger) und Fischer (Lachse); Häuptlingstümer mit großen Populationen, spezielle Sozialinstitutionen (Sklaverei, Potlatch-„Verschenkfest“), Kunststil Tlingit, Haida, Tsimshian, Kwakiutl, Chinook
Subarktis Nördliches Subareal
Waldtundra u. boreale Gebirge: halbnomadische Jäger (Karibu), Fischer und Sammler (Beeren); egalitäre Horden
Kutchin, Kaska, Athabaskenstämme, Naskapi
Südliches Subareal
Taiga: nomadische Jäger (Wapiti, Elch, Kleinwild), Fischer und – z. T. halbsesshafte – Sammler (div. Pflanzen, Beeren, Wildreis); egalitäre Horden
Cree, Anishinabe, Menominee, Algonkin, Innu
Plateau – Becken – Kalifornien Subareal Plateau
trockene Hochebene in den Rockys: halbnomadische Lachsfischer, Jäger und Sammler (Wurzeln, Knollenpflanzen); Stammesgesellschaften
Ktunaxa, Spokane, Yakama, Secwepemc
Subareal Großes Becken
Halbwüsten: nomadische Sammler (Eicheln, Pinyon-Nüsse, Samen, Beeren, Wurzeln) und Jäger (Gabelbock, Kleintiere); egalitäre Horden
Shoshone, Paiute, Washoe
Subareal Kalifornien
Hartlaubwälder, Trockensteppe, mediterrane Wälder: halbsesshafte Sammler (Wildfrüchte, vor allem Eicheln, Nüsse) und Jäger (Kleintiere, Seegetier); egalitäre Horden oder Stammesgesellschaften
Modoc, Kalif. Penuti, Yana, Pomo, Cahuilla
Große Ebene Gras-, Strauch- und Trockensteppen: halbnomadische, berittene Jäger (Präriebison, Gabelbock), bis 18. Jh. oftmals halbsesshafter Gartenbau; Tipi (Zelt), Stammesgesellschaften Blackfoot, Cheyenne, Crow, Lakota, Comanche
Osten Subareal Nordosten
Laub-Mischwälder: halbsesshafter Brandrodungs-Feldbau (Mais, Bohnen, Kürbisse), auch Wildreis-Ernte und Jagd; egalitäre Clan-Konföderationen
Illinois, Irokesen, Abenaki, Miami, Shawnee
Subareal Südosten
Subtropische Feuchtwälder u. Laub-Mischwälder: meist sesshafter intensiver Feldbau: (Mais, Bohnen, Kürbisse) und Jagd; Häuptlingstümer, feste palisadenbewehrte Siedlungen
Creek, Choctaw, Natchez, Cherokee, Chickasaw
Südwesten Subareal Puebloindianer
Halbwüsten u. aride Hochebenen: sesshafter Ackerbau, z. T. Bewässerung (Mais, Bohnen, Kürbisse) und Kleintierjagd; geschichtete Clan-Konföderationen, relativ dicht liegenden Dörfer
Hopi, Havasupai, Tarahumara, Zuni, Yaqui
Subareal Navajo u. Apache
Halbwüsten u. aride Hochebenen: nomadische Jäger (Bison, Gabelbock, Kleintiere) und Sammler (Agaven, Nüsse, Samen), Raub, halbnomadischer Feldbau (Mais, Bohnen, Kürbisse) oder später Schafzucht; egalitäre Horden
Apachen, Navajo
Mesoamerika Trockene und feuchte subtropische- u. tropische Biome: div. sesshafte u. halbsesshafte Bodenbauformen (Mais, Bohnen, Kürbisse) und Kleintierjagd; theokratische Staaten, „Kulturfolger“ der historischen Hochkulturen Mittelamerikas Tolteken, Azteken, Maya, Tarascan, Huichol

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Hauptareal Südamerika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

→ vergleiche: Indigene Kulturareale nach Münzel
Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten[Anmerkung 2] Ethnien (Beispiele)
Karibik Tropische Savannen und Feuchtwälder: halbsesshafte Jagd (Kleintiere), Fischfang, Gartenbau (Papaya, Guave, Avocado) und Brandrodungs-Feldbau (Maniok); oft Häuptlingstümer Arawak, Kariben
Chibcha Tropische Tiefland- u. Gebirgsregenwälder: zumeist sesshafter Feldbau (Mais, Bohnen, Kürbisse, Maniok, Kartoffeln); oft Häuptlingstümer, Einflüsse der Hochkulturen im Norden und Süden Chibcha, Kuna, Embera, Paez, Ika, Wiwa, Kogi
Anden Anden-Hochlandsteppen: sesshafter Fruchtfolge-Ackerbau und Bewässerungsterrassen (Kartoffel, sowie enorme Feldfrucht-Vielfalt); theokratische Staaten, Inka-Tradition Quechua, Aymara, Kolla, Huanca, Atacameño, Inka,
Amazonien Tropische Regenwälder: zumeist halbsesshafter Gartenbau (Papaya, Guave, Avocado), Wanderfeldbau (Maniok), Jagd und Fischfang; egalitäre Gruppen oder Häuptlingstümer, häufige Konflikte mit Nachbargruppen Huaorani, Shuar, Yanomami, Ticuna, Munduruku
Brasilianisches Hochland Tropische Savannen: halbsesshafter Brandrodungs-Feldbau (Maniok), Jagd und Fischfang; Stammesgesellschaften Xavante, Xerente, Karajá, Guaraní
Chaco Tropische Trockenwälder: halbsesshafte Fruchtsammler, später Reiterkrieger, Fischfang, wenig Wanderfeldbau; egalitäre Gruppen oder Stammesgesellschaften Wichí, Guaycurú, Toba, Chiriguano, Ayoreo
Araukanien gemäßigte Laub- und Nadelwälder: halbsesshafter Feldbau (Mais, Bohnen, Kartoffeln), Sammeln (Araukarienfrüchte) und Jagd, Reiterkrieger; egalitäre Horden Mapuche, Picunche, Huilliche
Patagonien trockengemäßigte Offenlandschaften: halbnomadische Jäger (Guanako u. Nandu, später Rinder u. Pferde, Meeressäuger) und Sammler (Meeresfrüchte), Reiterkrieger, lokal Feldbau (Weizen, Kartoffel); egalitäre Horden Tehuelche, Het, Puelche
Feuerland gemäßigte Küstenregenwälder, Magellan-Tundra: nomadische Jäger (Guanako, Kammratte), Fischer (Meeresgetier) und Sammler (Wurzeln, Pilze, Beeren), minimaler Gartenbau; egalitäre Horden Selk’nam, Yámana, Chonos

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Hauptareal Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

→ vergleiche: Historische Regionen Europas nach Christian Giordano
Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten Ethnien (Beispiele)
Nordwest-Europa atlantisch feuchte Laub- und Nadelwälder der gemäßigten Breiten: sesshafter Ackerbau (Getreide), Gartenbau (Obst, Gemüse) und Grünlandwirtschaft (Rinder, Schweine); Nationalstaaten, „Kulturfolger“ der mittelalterlichen Feudalstaaten, Ursprung der Industriegesellschaft England, Frankreich, Deutschland, Schweden
Ost-Europa kontinental trockene Laub-, Misch- und Nadelwälder der gemäßigten Breiten: sesshafter Ackerbau (Getreide); Nationalstaaten, geprägt durch die unstete Völkerwanderungszeit, Agrarstaaten Polen, Ungarn, Rumänien, Russland, Ukraine
Süd-Europa mediterrane Hartlaubvegetation: sesshafter Ackerbau (Getreide), Dauerkultur (Oliven, Südfrüchte) und halbsesshafter Fernhandel (Mittelmeer); Nationalstaaten, „Kulturfolger“ der antiken Hochkulturen Portugal, Spanien, Italien, Serbien, Griechenland
Kaukasien subtropische und gemäßigte Gebirgswälder: halbsesshafte Transhumanz (Schafe, Rinder, Pferde) und Bodenbau (Getreide); Nationalstaaten, „Schmelztiegel“ mit großer Vielfalt an Sprachen und Kulturen Georgien, Aserbaidschan, Armenien

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Hauptareal Naher Osten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten Ethnien (Beispiele)
Südwest-Asien heiße Wüsten und Halbwüsten, fruchtbare Täler: sesshafter Ackerbau (Weizen), hirtennomadische Viehzucht (Kamele, Schafe, Ziegen, Pferde) und halbsesshafter Fernhandel (Mittelmeer, Handelskarawanen); islamische Kalifate, „Symbiose“ aus Bauern, Händlern und Beduinen Türkei, Perser, Kurden, Araber (Irak, Saudi-Arabien, Ägypten)
Nord-Afrika Subareal Mittelmeerküste
Hartlaubvegetation u. Halbwüsten: sesshafter Ackerbau (Getreide), Dauerkultur (Oliven, Südfrüchte) und halbsesshafter Fernhandel (Mittelmeer); Kalifate, „Kulturfolger“ der antiken Hochkulturen
Araber (Marokkaner, Tunesier, Libyer) und Berber
Subareal Inland
heiße Halbwüsten und Wüsten: halbnomadische Transhumanz (Schafe, Ziegen, Rinder) und Bodenbau (Getreide, Datteln); Stammesgesellschaften
Berber, Sanūsīya
Sahara heiße Wüsten und Halbwüsten: nomadische Hirten (Kamele, Pferde, Ziegen), Karawanenhandel, z. T. Oasenkultur (Datteln); Stammesgesellschaften Tuareg, Tubu, Mauretanier
Horn von Afrika tropische Savannen und Hochlandsteppen: halbsesshafter oder nomadischer Agropastoralismus (Teff, Sorghum, Ensete / Rinder), z. T. sesshafter Ackerbau (Getreide); Clansysteme in Staaten, großer Einfluss Südwestasiens Somalis, Oromo, Amharen, Tigray

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Hauptareal Afrika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten Ethnien (Beispiele)
West-Sudan Trocken-, Dornstrauch- u. Feuchtsavannen: sesshafter Landwechselbau (Sorghumhirsen, Süßkartoffel) mit Rinder-Pastoralismus; „Kulturfolger“ der vorkolonialen Königreiche, Häuptlingstümer Fulbe, Songhai, Fur, Hausa, Yoruba, Kanuri
Guinea Tropische Regen- und Feuchtwälder: sesshafter Dauerfeldbau (Maniok, Yams, Taro, Dauerkulturen), Handel und Fischfang; „Kulturfolger“ der vorkolonialen Königreiche, Häuptlingstümer Yoruba, Ewe, Fon, Aschanti, Akan, Edo, Igbo
Kongo Bantu-Subareal
Tropische Wälder u. Savannen: halbsesshafter Wanderfeldbau (Maniok, Taro, Sorghumhirsen), Jagen, Fischfang, Sammeln, Schweine- oder Rinderhaltung; Häuptlingstümer oder Stammesgesellschaften
Azande, Mongo, Baluba, Lunda, Bemba
Pygmäen-Subareal
Tropischer Regenwald: nomadische Jäger (Säugetiere, Vögel) und Sammler (Pilze, Honig, Larven, Früchte); egalitäre Horden
Mbuti, Mbenga, Efe, Cwa, Gieli, Twa, Baka
Östliches Hochland Tropische Savannen: halbnomadische Transhumanz (vor allem Rinder sowie Schafe, Ziegen), sesshafter Landwechselbau (Sorghumhirsen, Süßkartoffel), Jagen, Sammeln und Fischen; Stammesgesellschaften Dinka, Nuer, Massai, Samburu, Luo, Turkana
Süd-Plateau Miombowald, Savanne u. Steppe: sesshafter, halbsesshafter oder nomadischer Agropastoralismus (Sorghumhirsen, Rinder); Häuptlings-, Stammes- oder Königtümer Ovambo, Herero, Ovimbundu, Xhosa, Zulu
Südwest-Afrika Khoikhoi-Subareal
Heiße Halbwüsten: halbsesshafter oder nomadischer Agropastoralismus (Sorghumhirsen, Rinder, Schafe), Jagen und Sammeln; Clansystem
Nama, Orlam
San-Subareal
heiße Wüsten und Halbwüsten, Dornsavannen: nomadische Jäger (Säugetiere, Vögel, Reptilien) und Sammler (Nüsse, Wurzeln, Beeren); egalitäre Horden
Juǀ’hoansi, ǃKung, Damara

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Hauptareal Nördliches Asien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten Ethnien (Beispiele)
Sibirien Nördliches Subareal
Tundra, Waldtundra u. Taiga: nomadischer Rentier-Pastoralismus, Wildbeuter (Land- u. Meeressäuger, Fische) und Sammeln (Beeren); egalitäre Gruppen
Samen, Nenzen, Chanten, Ewenken, Ewenen,
Südliches Subareal
Waldsteppe, gemäßigte Laubwälder u. Taiga: sesshafte oder halbsesshafte Viehzucht (Pferde, Rinder, Schafe, Rentiere) und etwas Bodenbau (Heu, Getreide); Khanate, Ständeordnung
Burjaten, Jakuten, Chakassen, Altaier, Tuwiner
Paläo-Sibirien Tundra u. Waldtundra: sesshafte od. halbsesshafte Wildbeuter (Rentiere, Meeressäuger, Fische); egalitäre Gruppen Tschuktschen, Korjaken, Jukagiren, Itelmenen
Eurasische Steppe Nördliches Subareal
Wald- u. Grassteppen: sesshafte Grünlandwirtschaft (Rinder, Pferde, Schweine) und Ackerbau (Getreide); Khanate, Ständeordnung, Stammeskonföderationen
Tataren, Baschkiren
Südliches Subareal
Steppen, winterkalte Halbwüste u. Wüste: Hirtennomaden (Pferde, Rinder, Schafe, Kamele); Khanate, Ständeordnung, Stammeskonföderationen
Kalmücken, Kasachen, Usbeken, Mongolen

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Hauptareal Südliches Asien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten Ethnien (Beispiele)
Süd-Zentralasien Subareal Indische Westküste
Halbwüsten, Trockene Savannen u. tropische Feuchtwälder: sesshafter Ackerbau (Reis, Hirse, Weizen), Milchviehwirtschaft und Fernhandel; Nationalstaat mit Kastenwesen, „Kulturfolger“ der Indus-Kultur
Punjabis, Gujarati, Bev. Westghats u. Rajputen
Subareal Golf von Bengalen
Trockene u. feuchte tropische u. subtropische Wälder u. Savannen: sesshafter Ackerbau (Nassreis, Süßkartoffel); Nationalstaat mit Kastenwesen, chinesischer Einfluss
Tamilen, Bev. Zentral- u. Ostindiens, Birmanen
Subareal „Stammesvölker“
Trockene u. feuchte tropische u. subtropische Wälder u. Savannen: halbsesshafter Wanderfeldbau (Reis, Hirse, Gemüse), Jagen (Säugetiere, Vögel) und Sammeln (Wildfrüchte); egalitäre Gruppen od. Häuptlingstümer
Vedda, Adivasi, Derung, Andamaner, Mlabri
Subareal Himalaya u. Tibet
Hochlandsteppen u. -wüsten, Hochgebirgsvegetation: Hirtennomaden (Yaks, Pferde, Ziegen, Esel), Bodenbau in den Tälern (Gerste, Gemüse, Obst); buddhistische Theokratie, Ständeordnung
Tadschiken, Tibeter, Nepalesen, Lepcha, Lhoba
Nord-China Gemäßigte Wälder, Steppen und Wüsten: sesshafter Ackerbau (Buchweizen, Hirse, Soja) und Viehzucht (Schweine, Rinder, Schafe); Nationalstaat, „Kulturfolger“ der historischen Kaiserreiche Han-Chinesen, Hui-Chinesen, Mandschu
Süd-China Subtropische u. tropische Feuchtwälder, Gebirgswälder, Savannen: Bodenbau (Nassreis, Hirse, Soja, Yams, Taro) Gartenbau (Gemüse, Zitrusfrüchte, Kokosnüsse) und Viehzucht (Schweine, Hühner); Nationalstaaten, „Kulturfolger“ der historischen Kaiserreiche Südchinesische Ethnien, Vietnamesen, Khmer
Korea und Japan Jüngeres Subareal
Gemäßigte u. subtropische Wälder, Gebirgswälder: Ackerbau (Reis, Taro) und Fischfang (Meeresfrüchte); Nationalstaaten, „Kulturfolger“ der historischen Reiche
Koreaner, Japaner
Älteres Subareal
Gemäßigte u. boreale Laub- u. Nadelwälder: sesshafte Fischer (Meeresfrüchte), Jäger (Vögel, Kleintiere) und Sammler (Wildpflanzen); egalitäre Gruppen
Ainu
Indonesien Jüngeres Subareal
Tropische Regenwälder, Savannen u. Trockenwälder: sesshafter oder halbsesshafter Gartenbau (Sago, Banane), Wanderfeldbau (Nassreis, Taro, Süßkartoffel), Jagd und Fischfang; autonome Ranggesellschaften in Staaten
Malaien, Javaner, Dusun, Philippiner, Madagassen
Älteres Subareal
Tropische Regenwälder: nomadische Jäger (Säugetiere, Vögel), Fischer und Sammler (Wildpflanzen, Wurzeln, Sago); egalitäre Clangesellschaften
Semang, Senoi, Aeta, Penan

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Hauptareal Ozeanien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

→ vergleiche: Kulturareale der Aborigines nach Nicolas Peterson
Kulturareal Lebensraum und (historische) Gemeinsamkeiten Ethnien (Beispiele)
Mikronesien Tropische Inselvegetation: Fischfang, Fernhandel, Gartenbau (Kokos, Taro, Yams, Bananen) und Viehzucht (Schweine, Hühner); Häuptlingstümer Mikronesier: u. a. Palauer, Yap-Insulaner
Melanesien Jüngeres Subareal
Tropische Regenwälder: halbsesshafter Gartenbau (Sago, Banane, Pandanusfrüchte), Wanderfeldbau (Yams, Taro, Süßkartoffel), Viehzucht (Schweine, Hühner) und Fischfang; egalitäre Gruppen
Papua-Völker, Melanesier: u. a. Tolai, Salomoner
Älteres Subareal
Tropische Bergregenwälder: halbnomadische Jäger (Säugetiere, Vögel), Gartenbauer (Sago, Banane, Pandanus) und Sammler (Wildpflanzen, Wurzeln, Honig); egalitäre Gruppen
Korowai, Meakambut
Polynesien Tropische, subtropische u. gemäßigte Inselvegetation: sesshafter Bodenbau (Taro, Süßkartoffel, Brotfrucht), Viehzucht (Schweine) und Fischfang; vorstaatliche Häuptlingstümer Polynesier, u. a. Maori, Hawaiianer, Osterinsulaner
Australien Subtropische u. tropische Trockenräume, z. T. Wälder: nomadische Jäger (Beuteltiere, Vögel, Reptilien) und Sammler (Wildpflanzen); egalitäre Horden Aborigines: u. a. Arrernte, Yolngu, Warlpiri, Tiwi, Tasmanier

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Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • David E. Hunter, Phillip Whitten (Hrsg.): Encyclopedia of Anthropology. Harper and Row, New York u. a. 1976, ISBN 0-06-047094-1, Stichworte: „Culture Area“ S. 104, „Culture Areas of the World“ S. 104–111.
  • Dieter Haller: Dtv-Atlas Ethnologie. 2., vollständig durchgesehene und korrigierte Auflage. dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-03259-9.
  • Egon Renner: Zur Entstehung, Entwicklung und Funktion des Begriffs „culture area“. In: Magazin für Amerikanistik. Nr. 1, Verlag für Amerikanistik, Wyk auf Foehr 1998.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Elke Mader: Der „culture area approach“ (Lateinamerika). In: lateinamerika-studien.at: Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas – Eine Einführung. Lateinamerika-Studien Online, Februar 2012, abgerufen am 9. April 2014 (der Autor ist Dozent am Institut für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie, Uni Wien).

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Unklare oder fehlende Zuordnungen wurden ergänzt im Abgleich mit der Karte Vegetationszonen.png und dem TaschenAtlas Völker und Sprachen von Willi Stegner (Hrsg.), Klett-Perthes, Gotha 2006.
  2. Spärliche Angaben bei Hunter u. Whitten ergänzt nach Wolfgang Lindig und Mark Münzel: Die Indianer. Band 2: Mittel- und Südamerika. 3. Auflage. dtv Wissenschaft, München 1985.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Michel Panoff, Michel Perrin (Hrsg.): Taschenwörterbuch der Ethnologie. Begriffe und Definitionen zur Einführung. 3., überarbeitete Auflage. Reimer, Berlin 2000, ISBN 3-496-02668-5, S. 144–145 (französisches Original: Dictionnaire de l'ethnologie).
  2. Christian Giordano: Interdependente Vielfalt: Die historischen Regionen Europas. In: Karl Kaser u. a. (Hrsg.): Europa und die Grenzen im Kopf. Wieser-Verlag, Klagenfurt 2003, S. 113–134.
  3. Kulturareal. In: Brockhaus – Enzyklopädie in 30 Bänden. 21. Auflage. In: Munzinger Online. 2013 (aktualisiert mit Artikeln aus der Brockhaus-Redaktion; anmeldepflichtige Ansicht, abgerufen von Stadtbibliothek Wuppertal am 17. September 2013).
  4. Thomas K. Schippers: The Fractal Nature of Borders and its Methodological Consequences for European Ethnologists. In: Acta Ethnologica Danubiana. Jahrgang 2–3, Forum Minority Research Institute, Lilium Aurum, Dunajská Streda 2000–2001, S. 173–179, hier S. 175 (englisch; PDF-Datei; 435 kB, 10 Seiten (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) in niton.sk).
  5. siehe Literatur: Encyclopedia of Anthropology.