Mentalität

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Mentalität (von lateinisch mens, den Geist betreffend) bezeichnet eine vorherrschende psychische Prädisposition im Sinne eines Denk- und Verhaltensmusters einer Person oder sozialen Gruppe (z. B. einer Bevölkerungs- oder Berufsgruppe) und wird auch auf gesamte Nationen bezogen. Kulturwissenschaftler versuchen die Mentalität durch sogenannte „Kulturstandards“ beschreibbar zu machen. Deren Seriosität ist jedoch umstritten, da sie zu Stereotypen führen können.

Wissenschaftlich wird der Begriff vor allem in der Soziologie und in der Mentalitätsgeschichte verwendet.

Mentalitäten in der Soziologie

Theodor Geiger bezeichnet Mentalität als „subjektive Ideologie“. Er nimmt an, dass die Menschen auf Grund ihrer Schichtzugehörigkeit und den damit verbundenen Lebensverhältnissen eine bestimmte Mentalität entwickeln. Schicht ist für Geiger die Verknüpfung einer sozialen Lage mit einer spezifischen Mentalität, welche sich in der Lebensführung (Lebensduktus) widerspiegelt. Aber nicht alle Menschen einer Schicht entwickeln dieselbe Mentalität.[1]

Die Annahme von kollektiven Dispositionen, die das Verhalten und Denken von Personen bestimmen, stößt auch auf Kritik. Für den Historiker Stefan Haas ist Mentalität ein „schillernder Begriff“, der zur Bezeichnung kollektiver Bewusstseinszustände verwendet wird.[2] Mentalitäten sind formloser als z. B. politische Ideologien und daher schwer zu bestimmen und abzugrenzen.

Der Begriff der Mentalität kann negativ konnotiert sein im Sinne von Klischee, Vorurteil oder Stereotyp. Andererseits kann eine Mentalität als Grundlage für Verhaltensnormen in einer gesellschaftlichen Gruppierung bewusst akzeptiert werden.

Historische Mentalitätsforschung

Der Historiker Peter Dinzelbacher definiert eine historische Mentalität als das „Ensemble der Weisen und Inhalte des Denkens und Empfindens, das für ein bestimmtes Kollektiv in einer bestimmten Zeit prägend ist. Mentalität manifestiert sich in Handlungen“.[3] Die Mentalität prägt in dieser Sichtweise die Weltanschauung einer Gruppe von Menschen einer historischen Epoche (z. B. der frühaufklärerische Rationalismus großer Teile der westeuropäischen Eliten). Sie ist Bestandteil der jeweiligen Kultur. Während die meisten Historiker den Mentalitätsbegriff zur Umschreibung langreichweitiger und nur sehr langsam veränderlicher mentaler Dispositionen großer Gruppen über längere Zeiträume anwenden, gibt es vereinzelt auch Versuche, ihn auf sehr viel schneller veränderliche Umbruchsituationen wie etwa die Zeit der Französischen Revolution[4] oder die Phase alliierter Besatzung in Deutschland anzuwenden.[5]

Die historische Mentalitätsforschung setzte in Deutschland anders als in Frankreich (wo die Vertreter die Annales-Schule die Mentalitätsgeschichte begründeten) oder in England erst in den 1980er-Jahren ein.

Siehe auch

Literatur

  • Burguière, André (Hrsg.): Mentalitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger Prozesse. (= Wagenbachs Taschenbücherei. Bd. 152). Herausgegeben von Ulrich Raulff. Wagenbach, Berlin 1987, ISBN 3-8031-2152-3.
  • Peter Dinzelbacher (Hrsg.): Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen (= Kröners Taschenausgabe. Band 469). 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-46902-1.
  • Graus, František 1987: Mentalität – Versuch einer Begriffsbestimmung und Methoden der Untersuchung. In: Mentalitäten im Mittelalter, S. 9–48.
  • Sellin, Volker 1985: Mentalität und Mentalitätsgeschichte. In: Historische Zeitschrift 241 (3), S. 555–598.

Weblinks

Wiktionary: Mentalität – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Theodor Geiger: Die soziale Schichtung des deutschen Volkes: Soziographischer Versuch auf statistischer Grundlage. Stuttgart 1932.
  2. Mentalität. auf: geschichtstheorie.de
  3. Peter Dinzelbacher (Hrsg.): Europäische Mentalitätsgeschichte. 2. Auflage. Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-46902-1, S. XXI ff.
  4. Michel Vovelle: Die Französische Revolution: Soziale Bewegungen und Umbruch der Mentalitäten. Fischer TB, Frankfurt a. M. 1997, 6. Aufl.
  5. Klaus Hentschel: Die Mentalität deutscher Physiker in der frühen Nachkriegszeit (1945–1949). Synchron Verlag, Heidelberg 2005 ( = Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte).